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Zweites kapitel

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Der Seniorchef der weltumspannenden Handelsfirma Andreas Holm & Sohn war bei seinen Angestellten außerordentlich beliebt. Sogar der jüngste Lehrling wurde augenblicklich vorgelassen, wenn er etwas auf dem Herzen hatte, und der Chef bewies stets einen bewundernswerten Gerechtigkeitssinn. Er machte keinen Unterschied zwischen groß und klein – für ihn war jeder ein wichtiges Rad der großen Maschinerie –, und er ließ es sich angelegen sein, alle Unstimmigkeiten in dem weitläufigen Betrieb selbst zu schlichten.

Als er seinen zwanzigjährigen Sohn Georg in die Firma aufnahm, wurde der Name zwar geändert, aber Georg mußte wie jeder andere auf der untersten Sprosse beginnen. Zum Glück fügte er sich darein, da er das Herz auf dem rechten Fleck hatte, und so erfreute er sich auch der gleichen Beliebtheit wie sein Vater. In seiner Freizeit widmete er sich im Hellerup-Segelklub dem Sport. Schon oft hatte er seinen Vater aufgefordert, ein Segelboot zu kaufen, aber jedesmal erwiderte Andreas Holm mit einem betrübten Lächeln, er sei früher genug auf dem Wasser gewesen. Diese Antwort stimmte Goerg immer nachdenklich. Der Vater sprach nicht gern von der Vergangenheit, auch seiner Frau gegenüber nicht. Mutter und Sohn wußten nur, daß er auf Neuguinea zu seinem Vermögen gekommen war. Frau Holm gab sich mit dieser Erklärung zufrieden, Georg hingegen wurde das Gefühl nicht los, daß die Vergangenheit seines Vaters ein trauriges Geheimnis barg.

Wieder einmal hatte der Seniorchef einen bewegten Tag hinter sich, vor allem Besprechungen mit englischen und südamerikanischen Geschäftsfreunden. Die übrige Zeit hatten Korrespondenz und Telefongespräche in Anspruch genommen. Die Sonne fiel schräg durchs Fenster, als sich Holm endlich zurücklehnen konnte, und sie enthüllte die Sorgenfalten in seinem Gesicht. Über die Verhandlungen brauchte er sich nicht zu beklagen – sie waren sogar über Erwarten gut verlaufen –, sondern er wurde wieder einmal von der Schwermut befallen, unter der er seit vielen Jahren oft litt. Er hätte viel dafür gegeben, wenn er das Schreckensbild hätte bannen können; aber das war hoffnungslos. Im Wachen und im Schlafen sah er Ejnar Hansen unbeweglich auf dem Boden liegen. Freilich, er hatte in Notwehr gehandelt, und niemand konnte ihm daraus einen Vorwurf machen... aber ein Menschenleben war und blieb doch ein Menschenleben.

Er seufzte tief und nippte an dem kalten Tee, der auf seinem Schreibtisch stand. Da summte die Sprechanlage, und seine Privatsekretärin teilte ihm mit, ein Herr Johnson habe etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen.

«Danke, Fräulein Nielsen, lassen Sie ihn hereinkommen», antwortete Holm.

Ohne besondere Neugier betrachtete er den Eintretenden, doch plötzlich zuckte er zusammen und richtete sich steif im Sessel auf.

Der Mann schloß die Tür hinter sich und bemerkte mit kühlem Lächeln: «Ja, die Jahre sind vergangen, aber wie ich zu meiner Freude sehe, erinnerst du dich noch an mich. Und an Ejnar erinnerst du dich wohl auch noch?»

«Nimm Platz, Aksel», sagte Holm tonlos. «Ich dachte gerade an dich... und an... und an Ejnar.»

«Nett von dir», spöttelte der Besucher und setzte sich. Er blickte sich in dem geschmackvoll ausgestatteten Raum um. «Anscheinend ist es dir nicht schlecht ergangen. Ich habe mir erlaubt, deine Lebensverhältnisse zu untersuchen, und festgestellt, daß du mehrfacher Millionär geworden bist. Tja, so verschieden kann es zugehen ...»

«Was willst du?» fiel Holm kurz angebunden ein. «Meine Zeit ist knapp.»

Aksel Hansen winkte mit der Hand verachtungsvoll ab. «Für mich wirst du Zeit haben, wenn du nicht etwas recht Unangenehmes erleben willst.»

«Soll das eine Drohung sein?»

«Eine Drohung?» wiederholte der ungebetene Gast mit gespieltem Erstaunen. «Wo denkst du hin! Ich bin nur gekommen, um mit dir ein bißchen von den früheren Zeiten zu plaudern. Wie lange bist du nun wieder in der guten alten Heimat?»

«Seit zweiundzwanzig Jahren», antwortete Holm unwillkürlich.

Sein ehemaliger Kamerad nickte nachdenklich. «Eine lange Zeit, aber sie vergeht ja nicht gleichschnell für alle. Für mich waren es sehr lange Jahre, Andreas. Hast du dir jemals Gedanken gemacht, wie es mir ergangen sein mag?»

«Nein! Jedenfalls habe ich nie darüber nachgedacht, ob es dir an Geld fehlen könnte. Du bist ja allein auf der reichen Goldader zurückgeblieben.»

Hansen lachte leise. «Sie war gar nicht so ergiebig, wie wir uns vorgestellt hatten. Nachdem du meinen Bruder getötet und dich davongemacht hattest ...»

«Sprich nicht so laut», sagte Holm mit einem unruhigen Blick auf die Tür zu seinem Privatsekretariat. «Es braucht nicht jeder deine Geschichten zu hören. Laß mich endlich wissen, was du willst!»

Hansen schlug die Beine übereinander und sagte schleppend: «Ich will dir nur erzählen, wie es mir ergangen ist. Nein, Andreas, die Goldader war nicht mehr so ergiebig, wie wir geglaubt hatten. Sie verlief nur noch fünfzig Meter weiter, und dann war es mit dem Spaß zu Ende. Da mein Bruder ja tot war und ich selbst eine ganz schöne Summe beisammen hatte, schüttelte ich Australiens Staub von den Füßen und reiste nach Amerika. Dort ging es einige Jahre auf und ab, und infolge falscher Spekulationen verlor ich jeden Cent. Schließlich hatte ich in Chicago Pech. Du weißt ja, damals herrschte in Amerika das Alkoholverbot, und als Schmuggler konnte man ganz schön verdienen mit dem Mondschein, wie der Alkohol genannt wurde. Viele heimsten damit ein Vermögen ein ...»

«Du warst also mehr oder weniger ein Gangster?» fragte Holm ruhig.

«Ja, so kann man es wohl nennen, aber zu meinem Unglück fiel ich der Polizei in die Hände. So ungerecht kann es in der Welt zugehen. Die großen Bonzen an der Spitze, die Mord und alles mögliche auf dem Gewissen haben, verstehen es nun einmal, dem Gesetz ein Schnippchen zu schlagen; aber wir armen kleinen Fische werden jahrelang eingesperrt. Nachdem ich meine Strafe abgesessen hatte, konnte man mich nicht ausweisen, weil ich amerikanischer Staatsbürger geworden war; doch als auch in den folgenden Jahren alles schiefging, bekam ich allmählich Heimweh. Ich sehnte mich nicht nur nach Dänemark, sondern ich war auch neugierig, was aus meinem alten Freund Andreas Holm geworden war. Da ich es nun weiß, können wir anfangen, vernünftig miteinander zu reden.»

«Erpressung?» fragte Holm kalt.

«Nenn es, wie du willst», antwortete Hansen, «aber ich brauche Geld, und zwar sofort. Du sitzt hier in Kopenhagen als reicher und hochgeachteter Geschäftsmann, der in allen Großstädten der Welt Filialen hat, aber niemand in deiner Umgebung weiß etwas davon, daß du – ein Mörder bist!»

Nur mit Mühe brachte Holm die Erwiderung hervor: «Ich habe in Notwehr geschossen ...»

«Wie kannst du das beweisen?» höhnte Hansen. «Vom andern Lager kamen die Goldgräber gelaufen, und sie brauchten nicht lange Zeit, den Zusammenhang zu erfassen. Ejnar lag tot auf dem Boden, und sein Mörder war getürmt.»

Holm wäre dem ehemaligen Kameraden am liebsten an die Gurgel gefahren, doch er beherrschte sich.

Hansen hatte eine Pistole gezückt. Leise, aber mit unheimlicher Deutlichkeit sagte er: «Du hast meinen Bruder getötet, und ich könnte jetzt Rache üben und dir eine Kugel durch den Kopf schießen. Ich ziehe es jedoch vor, die Sache friedlich zu regeln.»

«Man merkt es, daß du in die Gangsterschule gegangen bist!»

«Allerdings. Denk ja nicht, ich könnte meine Beschuldigung nicht beweisen, alter Freund. Ich habe mir nämlich von den vier andern Goldgräbern eine Erklärung unterschreiben lassen, in der sie bezeugen, was sie gesehen haben, und ihre Unterschriften sind ein halbes Jahr später vom Notariat in Kalgoorlie beglaubigt worden. Die Polizei hätte dich gern zu fassen gekriegt, aber sie konnte dich nicht aufspüren. Zu deinem Glück kümmerte sich die australische Polizei dann nicht weiter um den Fall, sonst säßest du heute nicht hier als Multimillionär und hochgeachteter Geschäftsmann.»

«Wieviel kostet die Erklärung der vier Goldgräber?» fragte Holm sachlich.

«Fünfzigtausend Kronen.»

«Hast du sie bei dir?»

«Ja.»

«Gut. Du bekommst von mir einen Scheck auf fünfzigtausend Kronen, und ich bekomme die Erklärung – unter der Bedingung, daß du mir nie mehr unter die Augen trittst.»

Hansen lachte spöttisch. «Nein, nein, so leicht geht das nicht. Natürlich weiß ich, daß du für lumpige fünfzigtausend Kronen Deckung hast – für dich ja ein Pappenstiel –, aber ich verlange das Geld in bar. Noch ist die Bank nicht geschlossen, wir können also miteinander hingehen.»

«Und welche Garantie habe ich, daß du mich in Zukunft in Ruhe lassen wirst?»

Hansen zuckte die Schultern. «Die beglaubigte Erklärung ist mein einziger Beweis, und du kannst sie ja zerreißen.»

In seiner verzweifelten Lage sah Holm keinen andern Ausweg, und eine knappe Stunde später wechselten fünfzigtausend Kronen die Hand. Die beglaubigte Erklärung verbrannte Holm. Damit glaubte er seinen Quälgeist los zu sein, aber schon nach ein paar Tagen merkte er seinen Irrtum. Er erhielt einen eingeschriebenen Brief, in dem nur stand:

«Lieber Andreas, du bist eine naive Seele. Schau dir gefälligst das beigelegte Papier an. In kurzer Zeit wirst du wieder von mir hören. Aksel.»

Mit aufgerissenen Augen betrachtete Holm eine Fotokopie der beglaubigten Erklärung.

Der Rest des Tages wurde für Andreas Holm zu einem Alpdruck. Die Erpressung sollte weitergehen. Eine Fotokopie war in diesem Fall ebenso gültig wie das Originaldokument, und höchstwahrscheinlich verfügte Aksel Hansen über einen ganzen Stapel. Was tun? Natürlich konnte er sich an die Kriminalpolizei wenden, die mit dem Erpresser kurzen Prozeß machen würde. Der Vorfall in Kalgoorlie würde zur Sprache kommen, jedoch als verjährt betrachtet werden. Aber ein Skandal ließe sich nicht vermeiden: Der angesehene Geschäftsmann Andreas Holm wäre als Mörder abgestempelt. Das war an sich ein erschreckender Gedanke, noch schlimmer fand er es, daß seine Frau und sein Sohn dann von dem furchtbaren Ereignis erfuhren, das er ihnen so viele Jahre lang verheimlicht hatte.

Jan und das Gold

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