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Viertes kapitel

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Ein schnelles Motorboot schnitt in der Dunkelheit durch die Wellen des Öresunds und hinterließ schäumendes Kielwasser. Rumpf und Aufbau des Schiffes waren mahagonibraun, und wenn die Bordlichter nicht gebrannt hätten, wäre es kaum zu sehen gewesen.

In der Ducht unterhielten sich zwei Männer mit gedämpfter Stimme; ab und zu warfen sie einen Blick aufs Steuerhaus, wo zwei Gestalten im schwachen Licht des Instrumentenbrettes zu erkennen waren.

«Jetzt haben wir Höchstgeschwindigkeit», sagte der eine.

Der andere feixte vergnügt. «Ja, unser neuer Schiffer liebt das Tempo. Muß auch ganz schön Geld haben, wenn er sich so ’n prima Schnellboot leisten kann. Dreißigtausend hat er bar auf den Tisch gelegt.»

«Was ist er eigentlich?»

«Ein Dänisch-Amerikaner, frisch aus den Staaten gekommen. Aksel Hansen heißt er, aber du weißt ja, wir dürfen ihn nur mit ‹Kapitän› anreden.»

«Verrückte Idee. Vielleicht leidet er an Größenwahn.»

«Warum sollen wir ihm den Gefallen nicht tun, wenn ihm so viel daran liegt? Uns kann es ja gleich sein, wenn wir nur unsere Heuer kriegen. Ob es heute nacht wohl ein großer Coup werden wird?»

«Ja, der größte bis jetzt. Ich habe das Gefühl, daß Hansen... ich meine, daß der Kapitän kein Mann ist, der sich für Kleingeld interessiert. Um so besser für uns.»

«Warum hat Jörgensen ihm das Boot verkauft?»

«Ach, er hatte die nächtliche Schinderei satt. Hat ja eine ganz hübsche Summe zusammengekratzt und will jetzt ein Zigarren- und Weingeschäft betreiben. Mit unverzollten Waren natürlich.»

Während dieser gemütlichen Unterhaltung fielen im Steuerhaus wichtigere Worte. Hier standen Aksel Hansen und Knud Jörgensen, der bisherige Besitzer des Schnellbootes.

«Na, sind Sie mit der Fahrt zufrieden?» erkundigte sich Jörgensen.

Hansen brummte nur: «Ja, obwohl wir es in den Staaten ein Schneckentempo genannt hätten.»

«Das müssen Superschnecken sein, wenn sie dreißig Knoten machen», spöttelte Jörgensen. «Dreißigtausend Kronen sind keine Öre zuviel, im Gegenteil, ich verliere Geld bei dem Handel.»

«Warum zum Teufel haben Sie mir dann den Kahn verkauft?» brauste Hansen auf. «Sie haben wohl kalte Füße bekommen?»

«Nein, der Zoll hat mich nie erwischt, in dieser Beziehung brauche ich mir keine Sorge zu machen. Aber ich bin nicht mehr der Jüngste und sehne mich nach gesundem Nachtschlaf. Da paßt mir eben ein hübscher kleiner Tabakladen besser. Vom spannenden Leben habe ich genug.»

Nach außen hin betrieb Jörgensen auf der kleinen Insel Amager eine kleinere Handelsagentur, aber im Laufe der Jahre hatte er durch den Umsatz von Schmuggelware ein ganz schönes Vermögen zusammengehamstert. Unter den Eingeweihten galt er als Schmugglerkönig, und es stimmte, daß ihn die Zollbehörde nie zu fassen bekommen hatte. Er war auch wirklich müde, und es kam ihm sehr gelegen, daß er durch Mittelsmänner mit dem heimgekehrten Dänisch-Amerikaner Aksel Hansen zusammengebracht worden war. Hansen hatte aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, sondern war sogleich zur Sache gekommen. Er erklärte unumwunden, als Alkoholschmuggler in Amerika gut verdient zu haben, nun wolle er diese Tätigkeit in der alten Heimat in bescheidenerem Ausmaß fortsetzen.

Die Unterredung endete damit, daß Hansen das Motorboot ‹Blanca› kaufte und die umfassende Schmuggelorganisation übernahm. In dieser Nacht war Knud Jörgensen nun zum letztenmal dabei. Das Geschäft sollte sich vor der Halbinsel Stevns abwickeln.

«Haben Sie die fünfzehntausend Kronen in bar mitgenommen», fragte Jörgensen.

«Gewiß», antwortete Hansen und klopfte sich an die Brust, «ich habe das Geld bei mir. Aber sagen Sie, geben die Lieferanten nie kurzfristigen Kredit?»

«Ausgeschlossen. Man könnte ja gefaßt werden, und dann hätten die Lieferanten das Nachsehen. Nein, hier werden nur Bargeschäfte gemacht, und wenn Sie nächsten Mittwoch die Ware holen wollen, müssen Sie zwanzigtausend in bar mitbringen. Können Sie so viel auftreiben?»

«Ja», antwortete Hansen wie aus der Pistole geschossen. Für die ‹Blanca› hatte er dreißigtausend Kronen bezahlt, und heute nacht mußte er für die Schmuggelware mit fünfzehntausend herausrücken. Doch er wußte, wo er sich neues Betriebskapital holen konnte...

Ein böses Lächeln spielte um seine Lippen, als er an seine Einnahmequelle dachte. Freilich, er durfte den Bogen nicht überspannen, aber bis die Schmuggeltätigkeit den erhofften Gewinn abwarf, sollte Andreas Holm bluten.

Jörgensen warf einen Blick durchs Fenster und sagte: «Wir nähern uns der Stelle und geben jetzt das Signal.» Er drückte auf einen Schalter und ließ einen Scheinwerfer mehrmals aufflammen.

Die Antwort kam sofort: Drei rote Blinklichter zeigten an, daß sie auf richtigem Kurs zu einem Fahrzeug waren.

«Jetzt löschen wir die Lichter und setzen die Fahrt auf fünf bis sechs Knoten hinunter», erklärte Jörgensen. «Sonst besteht die Gefahr, daß wir in dieser Dunkelheit das Fischerfahrzeug rammen, und dann ist alles Essig.»

Die ‹Blanca› setzte die Fahrt langsam fort, während die Lichtsignale von beiden Booten immer wieder kurz aufleuchteten.

Jörgensen murmelte zufrieden: «Wenn wir nahe genug sind, genügen Taschenlampen. Es ist wichtig, daß der Treffpunkt weit vom Ufer entfernt liegt, denn die starken Scheinwerfer können auf zwanzig Kilometer Abstand gesehen werden. Augenblicklich liegt kein Zollboot im Hafen von Rödvig – das habe ich festgestellt –, aber man kann gar nicht vorsichtig genug sein.»

Hansen machte eine knappe Kopfbewegung. «Sind die beiden Burschen dort draußen tüchtig und zuverlässig?»

«Erstklassig. Peter und Egon sind schon jahrelang dabei und kennen das Geschäft von Grund auf. Übrigens, warum wollen Sie von ihnen unbedingt Kapitän genannt werden?»

«Das ist meine Sache», knurrte Hansen.

«Na ja, ich will mich ja gar nicht einmischen ...»

«Möchte ich Ihnen auch nicht geraten haben!»

Jörgensen schwieg; er war ganz froh, daß er mit diesem ungemütlichen Dänisch-Amerikaner zum letztenmal zu tun hatte. Draußen wurde ein paarmal rasch geblinkt, und er sagte: «Jetzt sind wir in Rufweite, aber davon machen wir nie Gebrauch. In windlosen Nächten kann man Stimmen auf dem Wasser in weitem Abstand hören. Gleich werden Sie erleben, wie leise und wie fix Waren und Geld zwischen der ‹Blanca› und der ‹Elly› ausgetauscht werden.»

«Riskieren Sie auf diese Weise nicht, betrogen zu werden?» fragte Hansen mißtrauisch.

«Wo denken Sie hin!» erwiderte der Schmugglerkönig verachtungsvoll. «Wir Schmuggler sind ehrliche Leute!»

Fünf Minuten später stellte er den Motor ab, und die beiden Boote lagen längsseits. Sie schaukelten ein wenig. Alles wickelte sich tatsächlich blitzschnell und fast geräuschlos ab. Jörgensen stellte den neuen Eigentümer der ‹Blanca› dem Schiffer der ‹Elly› vor, und nachdem Hansen die fünfzehntausend Kronen ausgehändigt hatte, wurden Kisten mit Alkohol und Zigaretten an Bord der ‹Blanca› verladen und in dem recht großen Maschinenraum verstaut. «Unter Brüdern», wie sich der Schmugglerkönig ausdrückte, würde Hansen mit dieser Fracht mindestens zwanzigtausend Kronen verdienen, und das lohnt wohl eine Nachtarbeit. Der Absatz der Schmuggelwaren würde weiter keine Schwierigkeiten bereiten, da Knud Jörgensen eine ganze Reihe illegaler Abnehmer in Kopenhagen kannte.

Die beiden Boote trennten sich ebenso leise, wie sie sich begegnet waren.

«Eine einfache Sache, was?» sagte Jörgensen lachend, als sich das Motorboot mit Vollgas von dem Fischkutter entfernte. «Sie können sicher sein, Hansen, daß Sie in ein gutes Geschäft eingestiegen sind. Wie gesagt, nächste Woche kostet die Ware zwanzigtausend – wie stets in bar.»

«Ich habe das Geld», gab Aksel Hansen kurz zurück.

Jan und das Gold

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