Читать книгу Jan und das Gold - Carlo Andersen - Страница 5
Drittes kapitel
ОглавлениеHolm war sehr niedergeschlagen, als er sich an diesem Abend zu seinem besten Freund begab, dem Fabrikanten Henning Beyer. Dieser Mann war der einzige Mensch, dem Holm vor vielen Jahren die volle Wahrheit über seine Vergangenheit gesagt hatte. Keinen Augenblick hatte Beyer den Sachverhalt bezweifelt, und seither war zwischen ihnen nie mehr davon die Rede gewesen.
Als sie nun in Beyers gemütlichem Herrenzimmer beisammen saßen, berichtete Holm alles, was vorgefallen war, und schloß mit den Worten: «Du verstehst, Henning, daß es für mich eine Katastrophe ist. Die Lawine kommt ins Rollen, wenn ich den Kerl anzeige, und wenn ich es nicht tue, wird er mich nie mehr in Frieden lassen. Er weiß genau, daß ich damals in Notwehr geschossen habe, aber wie soll ich das beweisen, wenn er die Trümpfe in Händen hält?»
«Könnte die Erklärung der Goldgräber nicht vielleicht eine Fälschung sein?» fragte Beyer.
«Urteile selbst», sagte Holm und reichte ihm die Fotokopie. «Die Unterschriften sind notariell beglaubigt. Damit hat es auf jeden Fall seine Richtigkeit, mag die Erklärung selbst auch gefälscht sein.»
Beyer nickte nachdenklich. «Ich verstehe dein Dilemma, Andreas. Wenn es sich irgendwie machen läßt, muß die dänische Kriminalpolizei umgangen werden. Natürlich wird der gemeine Erpresser die Daumenschrauben immer mehr anziehen... halt, da kommt mir ein guter Gedanke!»
«Wirklich?»
«Ja. Meine Nichte Hanne hat einen Freund, der dir möglicherweise helfen könnte.»
«Und wer ist das?» fragte Holm gespannt.
«Ein prächtiger Junge. Er heißt Jan Helmer.»
Holm vermochte seine Enttäuschung nicht zu verbergen. «Henning, du willst doch nicht behaupten, daß ein Junge mir helfen kann ...»
«Ein junger Mann», verbesserte sich Beyer mit einem kleinen Lächeln. «Sei nicht voreilig, mein Freund. Ich kenne Jan Helmer zwar noch nicht lange, habe aber größte Hochachtung vor seiner Intelligenz. Er ist der Sohn des bekannten Kriminalkommissars Helmer. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr spielt er Detektiv... was sage ich, er ist ein Sherlock Holmes, wie er leibt und lebt! Er hat schon die schwierigsten Fälle gelöst und manch einen Verbrecher der Gerechtigkeit ausgeliefert. Ich weiß das alles von Hanne, die ihm ein paarmal zur Seite gestanden hat. Jedenfalls kann es nichts schaden, mit ihm zu sprechen.»
«Dann bin ich aber genötigt, ihm die volle Wahrheit zu sagen», entgegnete Holm zaudernd.
«Gewiß», räumte Beyer ein, «aber du kannst dich auf seine Verschwiegenheit verlassen. Dafür verbürge ich mich.»
«Jan Helmer», sagte Holm gedehnt, «der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.»
«Die Presse hat öfters von seinen Erfolgen berichtet. Da fällt mir ein... ist dein Sohn nicht Mitglied des Segelklubs Hellerup?»
«Ja.»
«Jan Helmer ebenfalls, also hat Georg seinen Namen vielleicht erwähnt.»
«Die Sache ist aber nicht ungefährlich, und ich möchte nicht, daß sich ein junger Mensch meinetwegen einer Gefahr aussetzt. Vergiß nicht, er bekäme es mit einem waschechten Gangster zu tun, der überdies eine Waffe bei sich trägt. Meinst du wirklich, ich sollte unter diesen Umständen mit Jan Helmer sprechen?»
«Unbedingt», antwortete Beyer. «Wenn du nichts dagegen hast, rufe ich ihn gleich an.»
Holm begnügte sich damit, die Schultern zu zucken.
Als Beyer anläutete, war Hanne gerade bei Helmers zu Besuch, so daß der Onkel sie wohl oder übel ebenfalls einladen mußte. Holms Einwendungen wischte er unter den Tisch.
Eine knappe halbe Stunde später erschienen die beiden jungen Leute. Hanne vermochte ihre Neugier kaum zu verbergen, Jan hingegen war nichts anzumerken, obwohl er sich darüber klar war, daß der Fabrikant Beyer einen besonderen Grund haben mußte, wenn er ihn zu dieser späten Stunde anrief. Nachdem er mit Holm bekannt gemacht worden war, sagte er liebenswürdig: «Ich kenne Sie natürlich vom Hörensagen durch Ihren Sohn. Wie geht es Georg?»
«Danke, gut», antwortete Holm geistesabwesend und fügte dann ein wenig nervös hinzu: «Wenn Sie meinen Sohn im Segelklub treffen, verraten Sie ihm bitte nichts von den Dingen, die ich Ihnen mitzuteilen habe.»
«Selbstverständlich werden wir den Mund halten», sagte Jan höflich, und Hanne pflichtete ihm eifrig bei.
Es fiel Holm schwer, einen Anfang zu finden, doch schließlich überwand er seine Hemmungen und schilderte seine Erlebnisse mit den Brüdern Hansen von Beginn bis zu Aksels Auftauchen. Jan hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen, und erst danach sagte er ruhig: «Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Herr Holm?»
«Ja, natürlich.»
«Sind Sie sicher, daß Ejnars Hemd einen dunkelroten Blutfleck hatte?»
«Ja, ganz entschieden, gleich über dem Herzen. Wenn ein Schuß dort trifft, kommt es ja sofort zu einem Blutverlust.»
«Ich weiß», nickte Jan, «und er ist absolut tödlich. Liebte Aksel Hansen seinen Bruder sehr?»
«Sie waren eineiige Zwillinge, das sagt alles. Sie fühlten, dachten und sprachen wie ein einziger Mensch. Aksel war ja auch wie von Sinnen, als sein Bruder tot am Boden lag. Ich glaube, er wollte, daß ich ging, weil er befürchtete, daß er sonst auch zum Mörder werden würde.»
«Hatten Sie Ihre Pistole noch in der Hand?»
«Nein, sie war mir entfallen.»
«Hoben Sie sie auf, bevor Sie gingen?»
«Nein, daran dachte ich in diesem Augenblick nicht.»
«Schade.»
«Meinen Sie damit, ich hätte Aksel ebenfalls erschießen sollen?» fragte Holm leicht ironisch.
«O nein», wehrte Jan ab, «das wäre ja Mord gewesen, wenn er Sie nicht bedrohte. Bei Ejnar war es Notwehr, wie Sie wissen. Aksel Hansen war also der einzige Zeuge des Vorfalls, und die Goldgräber kamen erst nach Ihrem Verschwinden?»
«Ja, ich sah sie gar nicht.»
«Und verfolgt wurden Sie nicht.»
Holm schüttelte den Kopf.
«Merkwürdig ...» sagte Jan versonnen.
«Was meinen Sie?»
«Ach, nur so. Wie lange dauerte es wohl, bis die Goldgräber von ihrem Lager herbeikamen?»
«Höchstens zehn Minuten, wenn der Schuß sie alarmiert hatte.»
«Und in dieser kurzen Zeit schlug Aksels Stimmung um. Zuerst ließ er Sie laufen, ja, er schickte Sie sogar weg, und wenige Minuten später bewog er die Goldgräber, eine Zeugenaussage zu unterschreiben, um Sie anzeigen zu können.»
«Ich bitte Sie, unter solchen Umständen faßt doch kein Mensch einen vernünftigen Gedanken.»
«Nun ja, bis zu einem gewissen Grad», räumte Jan ein. «Aksel Hansen sorgte dafür, sich einen Beweis gegen Sie zu verschaffen, aber warum verfolgte er Sie nicht mit den Goldgräbern, und warum ließ er ein halbes Jahr verstreichen, bevor die Unterschrift der Goldgräber notariell beglaubigt wurde? All das reimt sich nicht zusammen ...» Nach einer Pause fuhr er fort: «Dafür gibt es doch nur eine Erklärung: Aksel Hansen wünschte nicht, daß sie zu diesem Zeitpunkt von der australischen Polizei verhaftet wurden.»
Holms Ton klang skeptisch: «Sollte er schon zu diesem Zeitpunkt an Erpressung gedacht haben? Unter diesen Umständen?»
«Wenn meine Theorie stimmt», antwortete Jan nachdenklich, «dann war Aksel Hansen so teuflisch schlau, daß es kaum zu fassen ist.»
«Sie sprechen in Rätseln, Herr Helmer.»
Jan lächelte flüchtig. «Man muß sich mit Rätseln begnügen, bis man die Lösung findet. Doch nun zur Sache. Sie möchten den Erpresser also nicht anzeigen?»
«Auf keinen Fall», erwiderte Holm bestimmt. «Herr Beyer meinte, Sie könnten mir irgendwie helfen, aber es scheint mir eine schwierige und gefährliche Sache zu sein. Aksel Hansen hat sich zu einem Gangster entwickelt.»
«Es ist nie ganz ungefährlich, einen Verbrecher zu bekämpfen», gab Jan mit sorgloser Miene zurück. «Aber hier sind wir ja nicht in Chicago, und vermutlich hat dieser Hansen keine Mafia-Helfershelfer. Am einfachsten wäre es natürlich, ihm die Fotokopien zu stehlen ...»
«Wie bitte?»
«Mit etwas Glück ließe sich das vielleicht machen. Wenn es mir gelänge, würden Sie zwar die fünfzigtausend Kronen nicht zurückbekommen, aber dem Kerl wäre das Handwerk gelegt, und er könnte Sie nicht mehr plagen.»
«Um das Geld täte es mir nicht leid.»
«Wenn meine Theorie stimmt», sagte Jan lächelnd, «würden Sie alle Ihre Sorgen ein für allemal loswerden, Herr Holm.»
«Ihr Optimismus ist wohltuend, Herr Helmer.» Holm seufzte. «Aber was mich bedrückt, läßt sich nicht einfach aus der Welt schaffen.»
«Wir werden ja sehen», gab Jan diplomatisch zurück. «Wissen Sie, was Aksel Hansen, abgesehen von der Erpressung, hier in Kopenhagen vorhat?»
«Nein.»
«Auch nicht, wo er wohnt?»
Holm schüttelte den Kopf. «Jedenfalls hat er jetzt so viel Geld in der Tasche, daß er sich das teuerste Hotel leisten kann.»
«Ja, er dürfte sich’s wohlsein lassen. Wahrscheinlich wird er wieder verschwinden, wenn er von Ihnen genug erpreßt hat.»
«Wie wollen Sie denn die Sache anpacken, Herr Helmer?»
«Das muß ich noch mit Hanne besprechen», antwortete Jan ausweichend.
«Wir werden es schon schaffen», erklärte Hanne munter. «Meinst du nicht auch, Onkel Henning?»
«Ich habe großes Zutrauen zu euch», bekräftigte Beyer. «Das solltest du auch haben, Andreas. Die beiden sind wirklich tüchtig, und wenn dir jemand helfen kann, dann sind sie es.»
«Hoffentlich», murmelte Holm.
«Können Sie mir ein Signalement von Aksel Hansen geben?» bat Jan.
«Ja, wie er aussieht, weiß ich recht gut», sagte Holm bitter. «Er ist ziemlich groß, ungefähr ein Meter achtzig, würde ich meinen, schlank, mit breiten Schultern, stechenden braunen Augen und gewelltem dunklem Haar, das an den Schläfen leicht ergraut ist. Für einen Dänen hat er eine auffallend dunkle Hautfarbe.»
«Kein besonderes Kennzeichen?»
«Doch. Unter dem linken Ohr hat er eine weißliche Narbe, die von einem Streifschuß stammen könnte. Sie fiel mir auf, und ich dachte noch, daß er bei seinem Gangsterleben vielleicht einmal in eine Schießerei verwickelt war. Jedenfalls hatte er die Narbe noch nicht, als wir in Australien zusammen arbeiteten. Damals unterschied er sich ja überhaupt nicht von seinem Zwillingsbruder.»
«Ein gutes Kennzeichen», sagte Jan befriedigt.
Helm hob die Hand. «Was Sie auch unternehmen, Herr Helmer, Sie müssen mir versprechen, sich keiner Gefahr auszusetzen. Das könnte ich niemals verantworten.»
«Keine Sorge, Herr Holm.» Jan lachte. «Dieses Versprechen mußte ich meinem Vater längst geben.»