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Calypso-Bogen – Wo liegt der eigentlich?

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Der Calypso-Bogen ist auf keiner Landkarte zu finden. Auch diese Bezeichnung hat Karl sich auszudenken beliebt. Der Reisende vom Odenwaldrand (siehe Autor) meint damit die Girlande der Kleinen Antillen, die karibische Inselkette, die sich im Bogen von den Jungferninseln im Norden bis Trinidad im Süden hinzieht, dort nach Westen abknickt und sich – dem südamerikanischen Festlandssockel vorgelagert – bis zum niederländischen Aruba fortsetzt (siehe Karten).

„Bei der Unterteilung dieser Inselkette“, so erklärt Karl seiner Frau Kosimar auf dem Flug über den Atlantik zum ebenfalls niederländischen Curaçao, „verstricken sich die verschiedenen Sprachen in ein irritierendes Namenswirrwarr.“ Im Deutschen unterscheide man zwischen den Inseln über dem Wind und den Inseln unter dem Wind, wobei mit ersteren die gesamte Kette von Norden nach Süden von den Virgins (Jungfrauen) bis Grenada gemeint sei und mit letzteren lediglich die Ost-West-Kette vor der Küste Venezuelas. „Die Briten dagegen, diese erfahrenen Seefahrer auf Segelschiffen, treffen eine genauere Unterscheidung“, weiß Karl zu berichten. Sie nennen auch den nördlichen Teil der Nord-Süd-Kette bis zum Knick des Bogens zwischen Dominica und Martinique Leeward Islands, also windabgewandte Inseln. Um sie nicht mit den windabgewandten Eilanden vor der Küste Südamerikas zu verwechseln, bezeichnen sie letztere als Leeward Antilles.

„Das ist in der Tat verwirrend“, meint Kosimar. „Die Inseln liegen doch alle im von Nordosten kommenden Passat!“ „Richtig! Aber die Briten betrachten das aus Sicht der Seeleute an Bord ihrer Schiffe“, entgegnet ihr Mann. „Wenn die Schiffe, von Afrikas Westküste kommend und meist mit Sklaven an Bord, am Scheitelpunkt des Antillenbogens eintrafen und weiter dem nördlichen Teil des Bogens nordwestlich folgten, dann kam der Passat von der Seeseite und die Inseln lagen auf windabgewandter Seite, also leeward. Wenn die Schiffe hingegen am Scheitelpunkt des Bogens den südlichen Teil der Kette entlangfuhren, also Kurs Südwest segelten, wehte der Passat für sie auf der Seite, wo die Inseln lagen. Diese heißen deshalb Windward Islands“.

„Ich weiß, eine windige Erklärung“, gibt Karl lachend zu. „Ein wenig ist die Unterteilung willkürlich und manchmal auch unter Machtgesichtspunkten vorgenommen worden.“ So hatten die Engländer lange alle Inseln südlich von Antigua und Montserrat als windward bezeichnet. „Als sie Mitte des 18. Jahrhunderts auch die Herrschaft auf Dominica übernahmen, dehnten sie die Bezeichnung Leeward Islands bis dorthin aus“, berichtet Karl weiter. „Ich finde die britische Aufteilung ganz sympathisch. So habe ich drei Großetappen vor mir.“ Während der Flieger von Air Berlin in den Landeanflug auf Curaçao übergeht, resümiert er seinen Reiseplan: „Gemeinsam werden wir die Osterferien auf den Leeward Antilles beginnen. Da du leider zurück in den Schuldienst musst, werde ich danach allein dem Calypso-Bogen nach Norden folgen, zunächst über das noch zum Festlandssockel zählende Trinidad, dann die Windward Islands sowie schließlich die Leeward Islands.“

„Du mit deinem Calypso-Bogen. Kein Mensch nennt die Kleinen Antillen so“, neckt ihn Kosimar. „Wie bist du bloß darauf gekommen?“ „Nun, am Anfang war … nicht das Wort, sondern der Blick auf die Karte. Das Karibische Meer beziehungsweise seine Konturen aus den sie umgebenden Inseln und Festlandssockeln sehen aus wie eine Ellipse. Zum Calypso ist es da lautlich nur noch ein kleiner Sprung. Die mittelamerikanische Ostküste im Westen, die Großen Antillen (Jamaika, Kuba, Hispaniola mit Haiti und Dominikanischer Republik sowie Puerto Rico) im Norden, die Leeward und Windward Islands im Osten und schließlich die Leeward Antilles und die südamerikanische Nordküste im Süden bilden sozusagen die Karibische Kallipse“, erläutert Karl schmunzelnd.

„Da hast du dir ja was Nettes ausgedacht“, meint seine Frau mokant lächelnd. „Und du willst jetzt deine ganze Karibische Kallipse abreisen?“ „Das dann auch nicht“, räumt der Odenwald-Anrainer bei aller Passion fürs Reisen ein. „Dann müsste ich doch viel zu lange von dir fortbleiben, Schatz! Und außerdem scheint mir das Reisen über lange Strecken auf dem Festland recht ungemütlich. Ich habe mich bei unseren früheren Karibik-Reisen in die Inselwelt der Kleinen Antillen verliebt. Jede dieser Perlen ist reizvoll, bietet so viele Attraktionen und ist doch überschaubar. Und wenn ich noch mehr Abwechslung will, hüpfe ich – ob mit Flugzeug oder Boot – zur nächsten Insel.“

„Willst du denn jede dieser Inseln aufsuchen?“ forscht die Dame auf dem Fensterplatz neben Karl weiter. Er lacht. „Nein, von diesem Vollständigkeitswahn bin ich nicht befallen. Allein im Archipel der Jungferninseln gibt es so viele Eilande, davon sehr viele unbewohnt. Die kann und will ich gar nicht alle anfahren. Aber von den Inselstaaten beziehungsweise Überseegebieten Frankreichs, Großbritanniens und der Niederlande werde ich fast alle beehren. Der einzige Staat, den ich auf dem Weg von Antigua zu den Jungfern links liegen lassen werde, ist St. Kitts und Nevis. Aber eines Tages werde ich auch dorthin kommen.“

„Okay, dann musst du mir nur noch erklären, weshalb du diese Inselkette den Calypso-Bogen nennst. Calypso ist doch Musik!“ – „Da hast du völlig Recht. Der Calypso ist als Tanz und Musikrichtung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auf Trinidad entstanden, also am Scharnier der Nord-Süd- und der Ost-West-Kette der Kleinen Antillen. Die ganze Region vibrierte von diesem afro-karibischen Rhythmus im 2/4-Takt, vor allem zur Mitte des vorigen Jahrhunderts. Reggae auf Jamaika und vor allem Soca, eine Mischung aus Soul und Calypso, haben sich auf Trinidad sowie besonders auch auf Barbados in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem Calypso entwickelt.“

„Aber spielt der Calypso denn heute noch eine Rolle?“ fragt Karls Frau. „Und ob!“ wirft der darauf ein. „Der Karneval auf Trinidad, der berühmteste und heißeste Karneval der Region, ist nach wie vor ohne die Calypso-Rhythmen nicht vorstellbar. Und weißt du, wie die Reederei heißt, mit deren Schnellboot ich von Sint Maarten nach Anguilla, zur letzten Station meiner Tour düsen werde? Calypso Charters! Der Name Calypso ist hier immer noch überall präsent. Ich werde also von Curaçao im Südwesten über das Scharnier Trinidad im Südosten bis zu den Virgins und Anguilla im Norden tatsächlich meinen Calypso-Bogen spannen“, grient Karl voller Vorfreude.

„Schau mal, da ist ein Asphaltband parallel zur Küste einer Insel!“ ruft Kosimar plötzlich aus. „Wahrscheinlich die Landebahn von Curaçao International, oder?“ „So ist es!“ bestätigt Karl. Wenig später landet die Maschine der krisengeschüttelten Air Berlin sicher im Königreich Niederlande.

Calypso-Bogen

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