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Ester

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Ester, die Tochter des Schreibers, lebte schon seit ihrer Geburt mit ihren Eltern in einer behaglichen Wohnung im Nordflügel. Die Bewohner des Schlosses, ausgenommen das Dienstpersonal, durften sich in den offiziellen Räumen frei bewegen. Da war zum Beispiel die riesige Bibliothek mit ihren Schätzen oder der große Salon. Nur die Privatgemächer des Königs und seines Sohnes waren ohne Einladung tabu. Der Prinz hatte sie schon oft zu sich eingeladen und ihr unvergessliche Stunden bereitet. Oder sie ihm ... Doch in letzter Zeit hatte er sich rar gemacht. Man konnte fast annehmen, er würde ihre Gegenwart meiden. Sollte er etwa einer anderen den Vorzug gegeben haben?

Eifersucht kochte in heißen Wellen in ihr hoch. Ester musste daran denken, was sie alles angestellt hatte, um ihn in ihren Bann zu ziehen. Schon als kleines Mädchen beschloss sie, den Prinzen eines Tages zu heiraten. Sie hatte den ganzen Tag geweint, als man ihr klarmachte, dass sie als seine Gemahlin nie in Frage kommen würde. Danach schlug ihre Schwärmerei schnell in eine Art Besessenheit um. Ester war sich schon zeitig ihrer Wirkung auf das andere Geschlecht bewusst geworden. Die lange rote lockige Mähne, katzenartige grüne Augen, weiße samtweiche Haut und ein Körper, der jeden Mann in den Wahnsinn treiben konnte, waren ihr von der Natur als Geschenk mitgegeben worden. Als sie achtzehn war, bemerkte auch ihr Vater dieses Kapital. Und genau das wollte er herausschlagen: Kapital! Sein oberstes Anliegen war es, die Tochter reich zu verheiraten. Die Gefühle des Mädchens waren dabei nebensächlich. Er hatte auch bald den für ihn geeigneten Kandidaten ins Auge gefasst. Lord Aberdeen, ein entfernter Freund der Königsfamilie. Allerdings war der Erwählte schon fast siebzig und litt bereits an dem einen oder anderem Gebrechen. Das war auch kein Wunder, denn seine Freundschaft zur Familie ging schon auf König Arons Vater zurück. Ester musste sich zusammenreißen, nicht die Fassung zu verlieren, als sie ihrem Kavalier vorgestellt wurde.

Von einigen sehr offenherzigen Damen bei Hofe hatte sie schon viel über das gehört, was sich zwischen Mann und Frau im Bett abspielte. Zunächst fand sie diese Erzählungen abstoßend, wurde dann aber doch schnell neugierig. Oft stellte sie sich vor, wie ein gutaussehender, stattlicher Mann all diese Dinge mit ihr tat. Als ihr der Vater eröffnete, dass er den passenden Mann gefunden hatte, hoffte Ester, passend in jeder Hinsicht! … Beim Anblick des Auserwählten wurde ihr jedoch speiübel, sobald sie an ihre ehelichen Pflichten dachte.

Doch ihr Vater wies alle Einwände von sich. „Liebe ist unwichtig für eine gute Ehe. Frag deine Mutter! Wir führen eine gute Ehe, auch ohne diesen Unsinn.“

Seine Frau stimmte ihm zwar zu, doch ihre Augen sagten etwas anderes.

„Wenn du Glück hast, wirst du beizeiten Witwe und mit einem solchen Erbe in der Tasche, kannst du dir aussuchen, wen du willst!“

Damit war das Thema erledigt. Die Hochzeit sollte in einem halben Jahr stattfinden und Ester konnte nur noch hoffen, dass der alte Lord die Verlobungszeit nicht überleben würde.

Völlig verstört weinte sie sich bei der um ein paar Jahre älteren Serafina aus. Serafinas Vater war der Oberbefehlshaber des königlichen Heeres und mit den Offizieren sehr gut bekannt. Darunter waren auch einige der Freunde des Prinzen. Ester bewunderte Serafina über alles. Sie tat wonach ihr der Sinn stand - heimlich natürlich - aber trotzdem! Von ihr erfuhr sie immer den neuesten Hofklatsch und schätzte deren unverblümte Meinung. Nun gab ihr die wesentlich erfahrenere Freundin einen Rat. „Hör zu, Liebes! Du willst deine Jungfräulichkeit doch nicht an diesen alten Kerl verschwenden. Ich habe sowieso meine Fragen, ob er noch seinen Mann stehen kann, aber egal. Wer hindert dich daran, deine erste Liebesnacht mit einem erfahrenen jungen Mann zu verbringen? Schließlich sollte diese doch etwas ganz Besonderes sein.“

Ester schnappte zunächst nach Luft, fand den Gedanken aber dann doch sehr verlockend. „Aber … mein Gatte würde doch bemerken, dass ich nicht mehr unversehrt bin.“

Serafina lachte amüsiert auf. „Unsinn, du Dummerchen! Da gibt es einen uralten Trick. Du musst dir in der Hochzeitsnacht nur eine Hühnerblase mit Blut in deine kleine Höhle schieben und schon ist die Welt für den Guten in Ordnung. Er bringt dann mit seiner Lanze die Blase zum Platzen und schon sind die nötigen Unschuldsbeweise auf dem Laken. Ganz einfach, aber es funktioniert doch immer wieder. Männer wollen belogen werden. Sie stoßen sich vor der Ehe die Hörner ab und fordern von uns Keuschheit. Denk darüber nach! Ich hätte da auch schon den passenden Mann für dich. Ein wahrer Künstler im Bett und aufgrund seiner Stellung sehr verschwiegen, wenn er eine echte Dame beglückt hat. Er weiß was ihm blühen würde, wenn er schwatzt. Du kennst Clark, den gutaussehenden Kammerdiener des Königs? Ein wahrer Gott der Verführung. Er könnte dir alles beibringen, was du wissen musst, um die Männer von dir abhängig zu machen. Und ich verspreche dir: Auch du würdest dabei auf deine Kosten kommen.“

Ester hatte den attraktiven Mann vor Augen. Ja, bei ihm könnte sie sich eine Schulung in Liebesdingen vorstellen. Da kam ihr die Idee, wie sie Raven endlich auf sich aufmerksam machen konnte. Bisher schien er sie kaum zu bemerken. Sie nahm sich vor, das zu ändern, indem sie alles über die Kunst der Verführung erlernen würde. Ester wollte ihm so den Kopf verdrehen, dass er am Ende um ihre Gunst betteln würde.

Die gute Serafina machte sich schnell ans Werk und bald stand der Termin für Esters erste Liebesnacht fest.

Unter dem Vorwand, sie würde den Abend mit Serafina in deren Gemächern verbringen, verließ Ester die elterliche Wohnung. Die Freundin hatte für dieses Vorhaben eigens ihr Schlafzimmer zur Verfügung gestellt, inklusive einer verführerisch durchscheinenden Nachtrobe.

Der Raum war sehr aufwändig möbliert. Wände, Teppiche und Sitzmöbel leuchteten in einem edlen Rot aus Samt und Seide. Ein mit Tüll verhangenes Himmelbett thronte auf einem niedrigen Podest. Überall standen Kerzen und erzeugten eine sinnliche Atmosphäre. Auf einem Tischchen mit zwei zierlichen Stühlen daran, standen eine Karaffe besten Weines und zwei Gläser. Ester nahm dankbar ein Glas, füllte es bis zum Rand und leerte es ebenso schnell wieder. Gerade als sie es erneut füllen wollte, trat der Erwartete ein. Er verneigte sich in aller Form vor ihr und sah sie dann aufmerksam und wohlwollend an.

„Verehrtes Fräulein, es ist mir eine große Ehre, Euch zu Diensten sein zu dürfen.“

Sie stand mit weit aufgerissenen Augen da und wusste nicht, was sie sagen sollte.

Er bemerkte ihre Situation, trat auf sie zu und küsste ihre Hand.

Ester wurde schwindlig. Für einen Moment überlegte sie, einfach davonzulaufen.

Er schien das zu spüren. „Mein edles Fräulein, wenn ihr gestattet? In Anbetracht der Umstände halte ich es für das Beste, wenn Ihr mir die Führung während dieses Abends überlasst.“

Erleichtert stimmte sie diesem Vorschlag zu. Zunächst führte Clark sie an das Tischchen und schob ihr einen Stuhl zurecht. Dann füllte er die Gläser und nahm ihr gegenüber Platz. Er sah sehr gut aus und schien sich dessen auch bewusst zu sein. Es hatte so eine selbstverliebte Art, wie er sich sein blondes Haar aus dem Gesicht strich. „Darf ich bemerken, wie außerordentlich verführerisch Ihr heute ausseht?“ Er sah sie anerkennend an.

Sie schluckte verlegen. „Danke!“

Als sie nach ein paar Minuten allgemeinen Geplauders und ein paar weiteren Gläsern eine gewisse Lockerheit erlangt hatten, fragte er unverblümt: „Wollen wir uns nun dem angenehmsten Teil des Abends widmen?“

Sie nickte und er zog sie an der Hand von ihrem Stuhl hoch. Dann trat er an sie heran und küsste sie. Erst ganz langsam, aber dann drängender. Sie ließ sich innerlich fallen und wollte das Kommende nur noch genießen. Plötzlich nahm er sie auf die Arme und trug sie zum Bett.

Er musste seine Erregung zügeln, sonst würde es seinem Ruf unter den Damen schaden. Es hatten schon viele Frauen bei ihm gelegen, aber eine derart sinnliche, die obendrein noch Jungfrau war, bekam manch König nicht in sein Bett. Ja, er würde seine Sache zu ihrer Zufriedenheit erledigen und wenn es dann daran ging, ihr die nötigen Liebestricks beizubringen, würde er seine Gegenleistung schon bekommen. Daran durfte er jetzt allerdings nicht denken, sonst wäre es mit seiner Ausdauer rasch vorbei. Also konzentrierte er sich ganz auf seine heutige Aufgabe. Er schob ihr das Nachtgewand Stück für Stück nach oben und küsste jede freie Stelle, die sich ihm bot. Es war wichtig, sie besonders zu erregen, damit der Akt der Entjungferung ihr nicht die Lust zerstörte. Als er an ihrem Schoß angekommen war, ließ er sie sein ganzes Können spüren. Als er annahm, dass sie erregt genug war wanderte seine Zunge nach oben, bis er an ihren Brüsten neue Wunder vollbrachte. Dann war es so weit.

„Seid ihr bereit?“, fragte Clark, obwohl er die Antwort schon zu kennen glaubte.

„Ja!“, schrie sie beinahe. Dann verschaffte er sich Zugang zu ihrer Jungfräulichkeit und im nächsten Moment existierte diese nicht mehr. Sie stöhnte kurz vor Schmerz auf, doch als er sich langsam in ihr bewegte, gewann sie ihre Lust bald zurück. Dabei kam auch er noch zu seinem vollen Vergnügen. Er bemerkte schnell, dass es die kleine Katze etwas wilder mochte und für das Liebesspiel wie geschaffen schien.

Ester genoss diese Stunden in vollen Zügen und wusste bald, dass die körperliche Liebe zu ihren natürlichen Begabungen und Bedürfnissen gehörte. Sie traf sich so oft wie möglich mit Clark und er lehrte sie Sachen, die sie sich früher nicht einmal vorzustellen gewagt hätte. Bald übernahm sie die Führung und er kam jedes Mal voll auf seine Kosten.

Manchmal lagen sie beide danach noch zusammen und redeten über alles Mögliche. So wurden sie bald zu Verbündeten in vielerlei Hinsicht. Beide hegten keinerlei sentimentale Gefühle füreinander, aber Clark war süchtig nach ihrem Körper und sie machte sich neben seinem Talent noch etwas anderes zu Nutze: Sein Wissen um die Ereignisse in den königlichen Privatgemächern. Eines Tages erzählte ihm Ester von ihren Plänen in Bezug auf den Prinzen. Er wollte ihr Zugang zu einer von Ravens gemischten Gesellschaften verschaffen, indem er sie einem der regelmäßigen Gäste als Begleitung empfahl.

Alles lief wie erwartet und er fand schnell einen bereitwilligen Herrn für die sinnliche Schönheit.

Dann kam ihr großer Abend. Sie gab sich besondere Mühe bei den Vorbereitungen. Ein smaragdgrünes, tief ausgeschnittenes Kleid, mit einem straff sitzenden Mieder unterstrich die Farbe ihrer Augen und hob die weiblichen Rundungen ihres Körpers besonders hervor.

Als Ester an der Seite eines schnittigen jungen Offiziers, namens Patrik de Goor, den Salon des Prinzen betrat, spürte sie alle Blicke auf sich. Das gab ihr den nötigen Mut, um den Plan, welchen sie sich für heute ausgedacht hatte, in die Tat umzusetzen. Sie mischte sich unter die bunte Gesellschaft, die größtenteils mit Spielen, Flirten und Trinken beschäftigt war. Mit den Augen suchte sie den Raum ab - und sah ihn. Raven saß in einer Ecke. Er beobachtete das Treiben um sich herum mit einem lustlosen Gesichtsausdruck. Er hatte den typischen Blick eines angetrunkenen Mannes. Doch selbst das schien seiner anziehenden Wirkung keinen Abbruch zu tun. Ester weidete sich an seinem Anblick. Das dunkle lange Haar, die tiefschwarzen Augen, das markante Kinn und nicht zuletzt sein Körper, kräftig und sehnig, wie der eines Panthers. Als die ersten Gäste gingen und sie sich unbeobachtet fühlte, schlüpfte Ester durch die Schlafzimmertür. Es wäre doch ein Wunder, wenn der Prinz ihrer Überraschung widerstehen könnte …

Der Salon hatte sich geleert und Raven trank sein Glas aus, um anschließend zu Bett zu gehen. Eigentlich fragte er sich jedes Mal nach einem solchen Abend, wozu er diese Leute überhaupt einlud. Sie waren ihm alle so egal! Jeder von ihnen schien sich mehr zu amüsieren als er selbst. Er betrat sein Schlafzimmer und zündete eine Lampe an. Als er sich seines Hemdes entledigt hatte, trat er ans Fenster und blickte für einen Moment in die Nacht. Plötzlich hörte er das leise Rascheln von Stoff. Er sah sich um und suchte nach der Geräuschquelle. Was er dann fand, ließ ihm den Mund offen stehen.

Aphrodite musste vom Olymp gestiegen sein!

Da stand eine Göttin vor ihm, mit nichts am Leib als ein paar Seidenstrümpfen an endlos langen Beinen. Er kannte sie und hatte auch schon ihre Schönheit bemerkt, aber das hier übertraf alles, was er geahnt hatte.

„Was machst du hier?“, fragte er stockend.

„Ich will Euch den Himmel zeigen, mein Prinz“, sagte sie und trat nah an ihn heran. Als sie mit ihren langen Fingern zart über seine Brust strich, wollte er sie haben. Bald stellte er fest, dass nicht er die Frau verführte, sondern sie ihn. Aber nicht so, dass er sich unterlegen gefühlt hätte, sondern auf eine Weise, die ihn trotzdem als Sieger aus der Situation herausgehen ließ. Es glich einem Feuerwerk der Lust, das zwischen ihnen explodierte. Als sie beide erschöpft nebeneinander im Bett lagen, wusste er, dass ihn keine der anderen Damen mehr befriedigen konnte.

Ab diesem Tag war Ester seine Geliebte. Ihr Plan war aufgegangen. Sein Herz gehörte ihr zwar nicht, aber sein Körper war ihr hörig. Sie wusste, dass sie sich nicht in ihn verlieben durfte. Dieses Arrangement würde nicht von Dauer sein, da er irgendwann eine Adlige heiraten musste und sicher zu loyal war, um sich dann noch eine Geliebte zu halten. Also blieb ihr nichts weiter übrig, als die Zeit zu genießen, die sie hatte und alle anderen Frauen von ihm fernzuhalten. Das Verhältnis mit Clark behielt sie trotzdem bei, denn er konnte ihr sicher noch den einen oder anderen Gefallen erweisen.

Esters Leben wurde nahezu perfekt, als einen Monat vor ihrer geplanten Hochzeit ein Brief eintraf, aus dem hervorging, dass der alte Lord Aberdeen einer schweren Krankheit erlegen war. Ihre Freude darüber wurde noch durch die Mitteilung gekrönt, dass er seine Braut in seinem Testament vorsorglich mit einer netten Summe bedacht hatte.

Sicher - das ganze Erbe wäre wesentlich lukrativer gewesen, aber so musste sie wenigstens nicht mit dem alten Kerl ins Bett kriechen. Zum Glück gab es bis zum heutigen Tag keinen würdigen Nachfolger.

Nun hatte sie nur noch ein Problem: Sie musste herausfinden, was seit Kurzem mit dem Prinzen nicht stimmte.

Die Erzählerin von Arden

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