Читать книгу Luisas Abenteuer - Carola Wegerle - Страница 4
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Die Bremsen kreischen. Luisas Schulter prallt hart an die Bordwand. Verzweifelt sucht sie Halt - an Rackers Hinterbein. Er schlägt aus. Wenn ein Pferd denken kann, dann kann Luisas Fuchs das in diesem Moment überhaupt nicht. Der Wallach ist im Stress. Er schwitzt. Er schnaubt. Er hämmert mit den Hufen gegen sein Gefängnis aus Stahl. In einem Pferdehänger ist er noch nie gereist. Immer haben ihn seine vier Beine genau in die Richtung getragen, in die er wollte. In die er wollte. Nicht irgendwelche Gummireifen unter ihm. Oder ein beknackter Autofahrer in der Blechkiste vor ihnen. Hafer haben sie ihm vor die Füße gelegt – als ob er in dieser Konservenbüchse, in die sie ihn gesteckt haben, etwas essen könnte! Wieso lässt Luisa das zu? Ach so, ja, das arme Mädchen haben sie wohl auch eingefangen und in diese wacklige Schachtel gesteckt.
Beruhigend klopft Luisa ihrem Pferd ans Bein. Sie ist nach ihrem Sturz auf allen Vieren gelandet – direkt unter Rackers nervösen Hufen. Sie weiß, dass er im Moment nicht klar denken kann, und presst sich an die Seitenwand – gerade rechtzeitig, um dem Platscher zu entgehen, der Racker vor Aufregung aus dem Hintern fällt. So gern Luisa sonst Pferdemist riecht, jetzt wird ihr richtig schlecht von dem Geruch. Der Fladen stinkt nach Stress, einfach nicht gesund. Warum tut man einem Pferd so etwas an? Luisa macht sich ganz klein. Wenn sie daran denkt, wie lange sie unterwegs sein werden, wird ihr noch schlechter.
Ihre Jacke. Ihre Jacke! Mühsam zieht sie sich an der Bordwand hoch, krallt sich in Rackers Mähne. Sie hat kein Telefon. Ihr nagelneues, pechschwarzes iPhone! Es steckt in ihrer Jackentasche. Jacke und Telefon lässt sie immer im Vorraum zurück, wie alle in Herrn Hausers Reitstall, denn ein einziger Klingelton könnte leicht eine Stampede auslösen. Stampede ... Durchbrennen, ausbrechen, einfach losgaloppieren querfeldein, das hatte sie mit Racker vorgehabt, und dann war ihr Bus ausgefallen, und als sie atemlos beim Reitstall ankam, hatten sie Racker schon gefesselt, den lieben Racker, der nur freundliche Menschen kannte, neugierig auch auf Unbekannte lostrabte und sich von ihnen den Hals streicheln ließ.
Mit zwei überlangen Peitschen versperrte ihm ein Typ, den Luisa noch nie gesehen hatte, den Fluchtweg zurück, und ein zweiter, auch niemand aus dem Reitstall, trieb ihn mit einer dritten Peitsche auf die Rampe und in den Pferdehänger. Klappe hoch – und Racker war gefangen.
Warum war Daniel nicht da? Er musste doch hören, wenn ein Pferd auf seinem Hof in höchster Not wiehert? - Daniel ist doch in Amerika. Luisa war so verwirrt, dass sie durcheinander dachte. Sein Stipendium ..., aber - Herr Hauser, sein Vater? Der stämmige Mann, der allzu gern losbrüllte und dann einen roten Kopf bekam, war nun nicht gerade Luisas besonderer Freund. Aber seine Pferde liebte er. Wahrscheinlich mehr als die Menschen. Wie seine Frau das mit ihm aushält? Sie malt Aquarelle; das hat ihr Daniel erzählt, und wenn sie nicht das Büro organisierte, wäre der Reitstall schon längst pleite. So ein zartes Pflänzchen scheint sie wohl nicht zu sein. Sie wird ihren Roland schon irgendwie gezähmt haben. Die Pferde, die am schnellsten Ausschlagen und am lautesten wiehern, sind im Grunde ja die besonders ängstlichen. Luisa musste grinsen. Also, besonders ängstlich wirkte Herr Hauser nicht auf sie.
Racker wieherte wie am Spieß. Er versuchte, sich aufzubäumen, schlug sich den Kopf an, wieherte noch lauter, schnaubte, wieherte, trommelte mit den Hinterhufen an die Innenwand des Pferdehängers. Wow, sagte der eine, der das Seil aufrollte, der hat Feuer im Arsch, und der Typ mit den zwei langen Peitschen – wie im Zirkus bei der Löwendressur, dachte Luisa – ließ schnell und sehr entschlossen die Stahlgriffe an den Halterungen einschnappen, die die hintere Bordwand mit den Seitenteilen verbinden. Peitschen und Seil verstauten sie im Kofferraum ihres grauen SUV, der bereits solide mit dem Anhänger verbunden war. Das war der Augenblick, in dem Luisas Denken sich nur noch darauf beschränkte, wie sie ungesehen zu Racker klettern könnte. Zum Glück hatten sie die Plane noch nicht festgemacht. Luisa sprang und bekam beim dritten Versuch den oberen Rand der Heckwand zu fassen. Klimmzüge waren nicht ihre Stärke. Aber in diesem Augenblick war sie so entschlossen, ins Innere des Hängers zu gelangen, zu Racker, dass ihre Muskeln eine Kraft entwickelten, die sie noch nicht kannte. Sie zog sich an der halbhohen Wand hoch. Ein Seil ist schnell in einem Kofferraum verstaut, und Schritte knirschten auf dem Kies. Luisa schwang sich nicht gerade elegant, aber dafür sehr zügig über die Rückwand und landete links von Rackers Hinterbeinen im Stroh, das die Entführer in den Hänger gelegt hatten. Racker wendete den Kopf und verschluckte das helle Wiehern, zu dem er gerade angesetzt hatte. Mühsam hangelte sie sich an der Seitenwand hoch und streichelte ihm beruhigend den Nacken.
„Hat er schon von dem Valiumwasser getrunken?“, fragte der eine Typ den zweiten. „Das ging aber schnell!“ Sein Kopf erschien im hellen Viereck über der Heckwand und tauchte das Innere ins Dunkel. Das rettete Luisa, die sich blitzschnell, aber nicht schnell genug, um nicht entdeckt zu werden, auf den Boden dicht an der hinteren Bordwand fallen ließ. Der Kopf verschwand, und an seiner Stelle verdunkelte jetzt die Plane das Innere, das Luisa und Racker einschloss.
„Na, hoffentlich bleibt das so. Acht Stunden sind wir bestimmt unterwegs.“ „Kommt auf den Verkehr an, ist ‘ne staureiche Strecke“, brummte der zweite. „Also los!“
Zwei Autotüren knallten, und - Luisa fiel um, genau zwischen Rackers Hinterbeine. Das war schon ein ordentlicher Ruck, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Mühsam rappelte sie sich hoch. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, denn bei Stop and Go auf der Autobahn gibt es viele Rucks, schoss es ihr durch den Kopf. Vorsichtshalber blieb sie auf den Knien.