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FREIHEIT IST UNTEILBAR

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Die Entscheidungsfreiheit des Leaders hat zwei Aspekte, die beide auf unterschiedliche Weise davon abhängig sind, wie abhängig oder unabhängig ich als Führungskraft bin.

Die Entscheidungsfreiheit des Leaders besteht darin, dass er in seinem Verantwortungsbereich autonom entscheiden kann und dass er nicht alles selbst entscheiden muss, sondern andere in ihrem Verantwortungsbereich ebenfalls autonom macht.

Ein Beispiel, um diese Dualität der Unabhängigkeit von Führungsentscheidungen zu verdeutlichen: An der Rezeption eines meiner Hotels steht ein sogenannter HWC-Gast. HWC steht für „Handle with Care“ – so werden in den besseren Grand-Hotels dieser Welt Gäste genannt, die man anderswo gern einfach als „schwierig“ abstempelt. Dieser Gast ist vielleicht schon zum x-ten Mal bei uns im Hause und erwartet, dass wir uns mit seinen Bedürfnissen auseinandersetzen. Und dieser Gast will ein kostenfreies Upgrade: Statt des gebuchten Deluxe-Zimmers verlangt er nach einer Business-Suite. „Das kann doch kein Problem darstellen. Für mich als Stammgast können Sie das doch machen! Ich komme in diesem Jahr garantiert noch zehnmal, da produziere ich doch genügend Umsatz …“

Wer sollte hier eine Entscheidung treffen? Und sollte es in Ihrem Unternehmen, wenn ein Kunde sich mit unerwarteten Ansprüchen zu Wort meldet? Wenn das Bauteil zum gleichen Preis plötzlich eine hochwertigere Lackierung bekommen soll oder wenn der Code für den Web-Shop ein zusätzliches Plug-in integrieren soll, von dem bisher keine Rede war?

In den meisten Unternehmen läuft in so einem Moment – und diese Momente sind garantiert auch bei Ihnen nicht selten – ein Entscheidungsprozess an. Was zunächst schon mal bedeutet, dass der Kunde in diesem Moment der Wahrheit vom Mitarbeiter, dem er gerade gegenübersteht, keine unmittelbare Lösung bekommt. Allein das erzeugt schon Frust, allein das wirkt schon nicht souverän. Ab hier kostet der Prozess, der nun anläuft, das Unternehmen aber auch schlicht und ergreifend Geld, denn ab hier müssen Zeit und Man-Power investiert werden für etwas, das der Mitarbeiter am Kunden sehr oft selbst regeln könnte. Um beim Beispiel zu bleiben: Was wird jetzt in den meisten Hotels passieren? Die Mitarbeiterin an der Rezeption stößt schon hier an die Grenzen ihrer Entscheidungskompetenzen und greift zum Telefon, um ihren Vorgesetzten anzurufen. Und der muss dann entscheiden, wie mit dem Kunden zu verfahren ist. Vielleicht muss der für sein Upgrade zahlen. Vielleicht bekommt er es einfach so. Vielleicht bekommt er irgendeine andere Vergünstigung oder das Versprechen eines Upgrades in der Zukunft. Höchstwahrscheinlich bekommt er aber nicht genau das, was er will.


Und das muss ihm jetzt wer verklickern und sich mit einem ungehaltenen HWC-Gast ein Tänzchen liefern? Die Mitarbeiterin an der Rezeption, die die Entscheidung nicht selbst treffen konnte oder vielmehr: durfte. Was ihre Ausgangsposition für die nachfolgende Diskussion schon mal ziemlich schlecht aussehen lässt, denn von Augenhöhe kann in diesem Gespräch ja wohl keine Rede mehr sein. Die Gute wirkt jetzt auf den Gast wie ein Roboter, der nicht viel mehr drauf hat, als ein Anmeldeformular auszufüllen. Sie hat ja schon einräumen müssen, dass sie eigentlich gar nicht die Richtige ist, um sich mit dem Kunden auseinanderzusetzen. Schlimmer noch: Kann sie keine Einigung erzielen (was aus dieser schwachen Position heraus sehr wahrscheinlich ist), steht sie doppelt unter Druck. Sie muss wieder bei ihrem Vorgesetzten anrufen, der wieder einen Vorschlag unterbreiten muss, den sie wieder diskutieren muss … Wahrscheinlich bekommt sie von beiden Seiten Dampf. Aber einer Lösung sind wir immer noch nicht nähergekommen.

Wer gewinnt bei diesem Prozess? Der Kunde? Sicher nicht. Die Mitarbeiterin an der Rezeption, die nicht selbst entscheiden darf? Verliert mindestens ihr Ansehen bei diesem Gast, vielleicht sogar bei ihrem Vorgesetzten. Der Vorgesetzte? Verliert Zeit und Nerven. Das Unternehmen? Verliert auf ganzer Linie.

Und jetzt stellen wir uns mal vor, wie viel schwieriger das Ganze wird, wenn diese Entscheidung noch durch eine weitere Hierarchiestufe gereicht werden müsste. Das Ergebnis wäre im schlimmsten Fall, dass ich irgendwann als CEO des Hotels selbst an der Rezeption stünde und mich mit dem Gast auseinandersetze. Dabei könnte die Mitarbeiterin, die dort steht, das viel besser als ich, denn sie wurde für diesen Job ausgesucht und geschult.

Und das alles wegen einer kleinen, operativen Entscheidung.

Zugegebenermaßen habe ich diesen Fall zu Demonstrationszwecken ausgereizt. Übertrieben habe ich aber keineswegs. Ich habe das schon mehrfach so erlebt, und zwar von beiden Seiten, als Führungskraft in Grand-Hotels und auch als Gast in Grand-Hotels. Ja, ich bin auch manchmal ein HWC-Gast. Hin und wieder sogar ganz bewusst.

Es gäbe eine ganz einfache Lösung für dieses kleine Alltagsdilemma, das so typisch ist für die Führungskultur im Monkey Business. Auch bei viel komplexeren Problemen, denn das Schema bleibt das gleiche. Wenn diese Situation an unserer Rezeption auftaucht – und glauben Sie mir, das ist keine Seltenheit –, dann wird sie zum Beispiel so gelöst: Der Gast bekommt ein doppeltes Upgrade auf eine Executive Suite. Eine Stufe zahlt er selbst, eine schenken wir ihm. Eine Win-win-Lösung.

Doch mir geht es gar nicht darum, wie die Lösung aussieht, sondern darum, wer sie trifft: nämlich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter an der Rezeption. Eigenverantwortlich. Der Mitarbeiter am Kunden trifft die Entscheidung. Wann immer das irgendwie möglich ist. Und ich als Führungskraft bleibe schön oben in meinem Büro sitzen, wo ich sowieso selten genug bin, und treffe die Entscheidungen, die ich am besten treffen kann.

Aber das klappt nur, wenn sowohl ich als auch die Führungskräfte auf der mittleren Ebene als auch die Mitarbeiterin am Kunden in ihrem Verantwortungsbereich autonom entscheiden können.


Damals in Dresden konnte von einer solchen Entscheidungskultur keine Rede sein. Da konnte ich nicht einmal als Gastronomie-Direktor grundlegende Entscheidungen selbst treffen. Darunter habe ich massiv gelitten.

Dort habe ich die Konsenskultur hassen gelernt. Weil sie nicht funktioniert. Nicht, wenn Sie Ihren Gästen außergewöhnlichen Service oder außergewöhnliche Produkte bieten wollen. In Ihrem Unternehmen ist das gewiss ganz genauso: Wenn Sie den Kunden aus den Socken hauen wollen, dann müssen Sie schneller werden. Flexibel. Persönlich. Handlungsfähig, jederzeit, immer und überall. Egal, was Sie machen, ob Sie Hotelier sind oder Schrauben verkaufen.

Wie geht es Ihnen? Wie oft kommen Sie zu dem Schluss, dass Sie Ihrem Kunden besser dienen könnten, wenn die Entscheidungsbefugnisse anders verteilt und die Prozesse anders aufgestellt werden? Und haben Sie diese Frage schon einmal Ihren Mitarbeitern gestellt?

Schnelle, persönliche Lösungen sind nur umsetzbar, wenn sie nicht erst durch die Hierarchiestufen hindurch debattiert werden müssen. Nahe am Kunden kann ein Mitarbeiter nur sein, wenn er selbst operative Entscheidungen treffen kann. Wenn er auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen kann.

Ohne Freiheit ist Führung nur ein F-Wort

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