Читать книгу Die Drachenfriedhof-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling - Carsten Zehm - Страница 10

Burgfrieden

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Er wusste nicht, wie oft er sich schon der Magierfeste genähert hatte. Die eindrucksvolle Silhouette des Go-Ran war bereits von Weitem zu erkennen, bei gutem Wetter manches Mal sogar schon, wenn er die Drummel-Drachen-Berge verließ, um nach Flussburg zu reisen. Wie ein kleiner, hellgrauer Pickel klebte er am Horizont, ein einsamer Berg in den Hügelländern nördlich des Ewigen Stroms. Und wie ein Pickel nahm Bandath ihn mittlerweile auch wahr, denn seit einiger Zeit wünschte er sich, dass jemand käme und diesen Pickel ausquetschen würde. Nur das, was er selbst erlebt hatte, wäre da schon Grund genug gewesen, die Magierfeste zu schließen. Den Magiern gehörte Hacke und Spaten in die Hand gedrückt und man sollte ihnen ein Feld zum Beackern überlassen … weitab von allen anderen Siedlungen natürlich. Und man sollte ihnen die Magie nehmen. Sie waren nicht nur zu weltfremd geworden, wie er früher einmal gedacht hatte. Die Magier spielten ein Spiel, das er selbst noch nicht ganz durchschaute. Da war die beständige Forderung gewesen, mit dem Diamantschwert unbedingt zur Magierfeste zu kommen, obwohl die Drummel-Drachen-Berge in größter Gefahr schwebten. Wäre er mit seinen Freunden damals nicht weitergezogen, dann hätte es verheerende Vulkanausbrüche gegeben – im gesamten Gebirge.

Viel schlimmer und undurchschaubarer für Bandath war aber das Verhalten der Magier, als er in der Todeswüste weilte. Sie hatten ihm verboten, sich nach Cora-Lega zu begeben, obwohl es eher Zufall war, dass er zu diesem Zeitpunkt dorthin wollte. Andererseits hatte Waltrude immer gesagt, dass der Zufall die Maske des Schicksals sei. Die Magier waren strikt gegen eine Einmischung seinerseits und hatten ihm sogar die Fähigkeit nehmen wollen, Magie zu wirken. Nur der Hilfe eines fahrenden Hexenmeisters war es zu verdanken, dass Bandath im Endeffekt den Dämon besiegen konnte. Was aber die Magier wirklich dort gewollt hatten, war ihm bis heute nicht klar. Er war jetzt ein Geächteter, ohne Verbindung zur Gilde. Das war an sich nicht weiter schlimm, eher im Gegenteil. Bandath fühlte sich seit Cora-Lega nicht mehr an der „langen Leine“ der Magiergilde. Und das war ein gutes Gefühl. Er hatte immer vorgehabt, nach Go-Ran-Goh zu gehen und mit den Magiern dort „reinen Tisch“ zu machen. Aber es war nie der richtige Zeitpunkt dafür gewesen.

War es sein Schicksal, diese Dinge zu erleben? Glaubte man den Andeutungen des Ährchen-Knörgis, dann waren das nur Vorbereitungen auf irgendeine, noch vor ihm liegende „größere“ Aufgabe. Welche das aber sei, darüber schwieg Niesputz beharrlich … wenn er es denn mal selbst wusste.

Einige Tage nachdem sie die Berge verlassen hatten, spürte Bandath den zweiten Angriff auf die magischen Kraftlinien. Erneut verfiel er in einen Krampf, konnte sich aber selbst besser schützen als beim ersten Angriff. Dieses Mal hatte er damit gerechnet, war vorbereitet.

„Alles in Ordnung?“, fragte Barella besorgt, als sich Bandath langsam erholte.

„Nein, hier ist gar nichts in Ordnung“, erschöpft nahm Bandath einen Schluck aus dem Wassersack. Sein Durst nach diesen Angriffen erschien ihm unendlich. „Irgendjemand greift hier die Magie an. Ich habe die Anwesenheit anderer Magier oder Hexenmeister gespürt, die versucht haben, sich zur Wehr zu setzen. Der Angriff war nicht so brutal wie beim ersten Mal, eher …“, Bandath suchte nach einem Wort, zuckte dann mit den Schultern, „… zielgerichteter. Es kam mir vor, als ob der Angreifer, die in den Kraftlinien hängende ‚Spinne‘, jemanden ganz bewusst angegriffen hat, irgendjemanden, der Magie webte.“

„Hast du eigentlich seit dem ersten Angriff Magie genutzt?“ Farael sah Bandath interessiert an.

Bandath schluckte, leckte sich die noch immer trockenen Lippen und schüttelte dann den Kopf. Er hatte sich darauf beschränkt, die Kraftlinien zu beobachten, nach ihnen zu fühlen. Da er noch immer diese fremde Präsenz in ihnen spürte, hatte er auf die Anwendung von Magie verzichtet.

Es erschien ihm einfach … nicht günstig, in solch einer Situation durch den Gebrauch von Magie auf sich aufmerksam zu machen. Jedenfalls nicht, so lange er nicht wusste, was vor sich ging.

Go-Ran-Goh kam im Laufe der Tage näher und das Unbehagen wuchs sowohl bei Bandath als auch bei Barella. Beide waren einsilbig, ohne Lust, sich groß auszutauschen, aber auch ohne, dass eine schlechte Stimmung zwischen ihnen herrschte, wie bei ihrer letzten Reise zur Magierfeste. Bandath grübelte, Barella grübelte, nur Farael plauderte ungezwungen, erzählte, wie das neu erwachte Leben in Cora-Lega erblühte, wie sich Handelsabkommen entfalteten, Handelswege herausbildeten und neue Siedler in der Oase eintrafen.

Jeder Versuch aber, von ihm, dem Seher, etwas über die Zukunft zu erfahren, lief ins Leere.

„Das geht nicht auf Befehl“, sagte er eines Abends, als Barella am Lagerfeuer besonders drängelte. Sie hatten sich eine Springziege gebraten, die die Zwelfe geschossen hatte, und das nicht verzehrte Fleisch für den nächsten Abend eingepackt. Farael, der noch weit mehr hätte essen können, als Barella ihm zugestand, leckte sich die Finger ab und blickte zum Go-Ran hinüber, der sich dunkel gegen den Sternhimmel abhob.

„Ich habe euch das doch schon einmal erklärt: Das Sehen kommt und geht, ohne, dass wir Einfluss darauf haben. Ich sehe viele Dinge, täglich. Ich weiß, dass wir morgen an einem Baum vorüberkommen werden, der vom Blitz gespalten wurde.“

„Das weiß ich auch“, knurrte Bandath. „Das weiß jeder, der diesen Weg nimmt.“

„Ich habe diesen Weg bisher nicht genommen, Magier.“

„Hexenmeister“, korrigierte Bandath. Warum nur musste ihm immer jemand einen Titel verpassen, der nicht stimmte?

„Was ich damit sagen wollte, war: Es gibt Hunderte von Dingen, die ich voraussehe, aber nicht brauche. Und es gibt einige wenige, die ich sehe und die sehr, die ausgesprochen wichtig sind.“

„Was hast du denn schon Wichtiges gesehen?“ Bandath schnitzte mit seinem Messer Späne von einem Stock, die ins Feuer flogen und dort hell auflodernd verbrannten.

„Nun …“, Farael verlor plötzlich seine bisher zur Schau getragene Sicherheit. „Unser Herrscher Ratz ist der Meinung, dass …“

„WAS hast du bisher Wichtiges gesehen, Seher?“ Bandath betonte das letzte Wort so, dass sowohl Farael, als auch Barella klar war, wie wenig Bandath von dessen Fähigkeiten hielt.

„Ich werde etwas Wichtiges sehen, das hat unser Herrscher, als Information vom Orakel der Drei Schwestern mitgebracht.“

„Aber bisher?“

„Nichts“, gestand Farael kleinlaut.

Bandath warf wütend das Stück Holz ins Feuer. „Ich wusste es. Warum sollte auch nur einmal irgendetwas so laufen, dass wir von Anfang an Nutzen daraus ziehen können?“ Er nahm seine Decke, legte sich hin und zog sie über die Schulter.

„Wir werden morgen oder übermorgen einen Magier treffen“, wagte Farael noch eine halblaute Bemerkung.

„Klar“, Bandaths Stimme war dem Knurren eines Mantikors nicht unähnlich. „Übermorgen erreichen wir die Magierfeste. Dort soll es, nach meinen Informationen, den einen oder anderen Magier geben.“

Dann kehrte Ruhe ein. Barella beschloss, die erste Wache zu übernehmen. Bandath würde sowieso in zwei bis drei Stunden wieder wach werden, von Albträumen geplagt, schweißgebadet und keuchend. Und er würde denken, dass sie es nicht mitbekam. Sollte er schlafen, so lange er konnte. Sie wusste, was ihn quälte.

„Wir werden einen treffen“, Faraels Stimme klang wieder selbstbewusster, „einen einzelnen Magier, nicht in der Feste.“

Sie trafen ihn bereits am späten Vormittag. Er war ein Mensch und saß vor einem glimmenden Lagerfeuer am Rande eines Wäldchens. Hinter ihm reckte ein von einem Blitz zersplitterter mächtiger Baum seine toten Äste in die Luft.

Die Landschaft stieg leicht in Richtung Go-Ran an. Überall sprossen frische Triebe, von der ständig wärmer werdenden Frühlingsluft, der Sonne und dem warmen, aus dem Süden kommenden Wind angeregt. Vogelschwärme kehrten schon seit Tagen aus ihrem Winterquartier zurück und die Flüsse aus den Drummel-Drachen-Bergen führten enorme Mengen an Schmelzwasser mit sich. Die Gestalt des Magiers hingegen passte überhaupt nicht zu diesem Szenario. Grau war seine Kutte, grau die Asche des Feuers aus der ein einzelner Rauchfaden aufstieg, grau, wie sein Haar und die Farbe seines Gesichtes. Bandath sah sofort, dass es sich um einen Magier der Gilde handelte. Neben der sitzenden Gestalt lag der Magierstab im Gras, gefertigt aus dem Holz eines der Bäume, die im Hof der Magierfeste wuchsen. Bandath, Barella und Farael stiegen ab, grüßten und hockten sich zu dem fremden Magier. Dieser jedoch starrte geradeaus, durch Barella hindurch in eine Ferne, die die anderen nicht wahrnehmen konnten. Das Gesicht des Magiers schien von unsäglichem Leid gezeichnet. Barella kannte diesen Blick. Fast genauso hatte Bandath ausgesehen, als die Magier von Go-Ran-Goh ihn aus der Gilde ausgestoßen und seinen Magierstab zerbrochen hatten.

„Ich kenne dich“, sagte Bandath. „Als ich auf Go-Ran-Goh begann, hörtest du mit deiner Ausbildung auf.“

Der Magier reagierte nicht.

„Ich glaube, du heißt Kalnor.“

Als hätte Bandath mit der Nennung des Namens einen Zugang gefunden, kehrte der Blick des Magiers aus der Ferne zurück, verharrte kurz auf Barellas Gesicht und wandte sich dann dem Zwergling zu. Ohne etwas zu sagen, griff er nach links, nahm seinen Magierstab und reichte ihn Bandath. Als dieser verständnislos auf den Stab sah, stöhnte Kalnor und es hörte sich an, als versuche er vergeblich, einen gewaltigen Felsen von seinem Herzen zu wälzen.

„Nimm“, sagte er dann. Seine Stimme klang rau, gebrochen, leidvoll. „Ich brauche ihn nicht mehr. Nimm. Vielleicht kannst du ja etwas damit anfangen.“

Bandath starrte noch immer auf den ihm dargebotenen Stab. Ein Magier würde nie, nie im Leben freiwillig seinen Magierstab hergeben. Nun gut, er hatte seinen eigenen verbrannt, aber das war eine ganz andere Situation und er war kein Magier mehr gewesen.

„Was ist passiert?“, fragte er.

Kalnor ließ den Magierstab fallen. Unbeachtet landete er zwischen Bandath und ihm im Staub. „Was passiert ist? Hast du es nicht mitbekommen?“ Er musterte Bandath von oben bis unten. „Du bist dieser Zwergling-Magier Bandath. Richtig? Einige Mitglieder der Gilde sind nicht gerade gut auf dich zu sprechen, seit es heißt, du hättest den Dämon dort unten im Süden freigesetzt, damit dieser Malog den Troll tötete.“

„Also, das ist doch eine Verkehrung all dessen, was …“, schnappte Barella, unterbrach sich aber, als Bandath die Hand hob.

„Es ist immer gut, zwei Seiten zu hören, bevor man sich ein Urteil bildet. Das hat mir Malog beigebracht. Dir nicht auch, Kalnor?“

„Nicht alle glauben, was die Magier des Inneren Ringes über dich verbreiten.“ Dann sah er auf seinen Stab. „Aber das alles ist egal. Ich kann keine Magie mehr wirken. Ich war auf dem Weg nach Go-Ran-Goh, wollte Rat vom Inneren Ring der Gilde, von den Magiern der Feste. Der Angriff vor ein paar Tagen jedoch hat mir völlig die Möglichkeit genommen, auf die Magie zurückzugreifen. Ich brauche nirgends mehr hingehen. Ich kann nichts mehr und habe nichts. Wozu bin ich jetzt noch nütze, nach einem Leben, dass ich der Magie gewidmet habe?“

Bandath erinnerte sich an seinen Zustand vor zwei Jahren, als die Magier des Inneren Ringes seinen Stab zerbrochen und ihn aus der Gilde ausgestoßen hatten.

„Vielleicht brauchst du nur einen anderen Fokus?“

Kalnor schüttelte den Kopf. „Irgendjemand sitzt dort, wo die Magie herkommt. Sitzt dort, frisst sie, vergiftet sie, wird fetter und fetter durch die Magie und schmeißt die anderen Kundigen raus. Es geht nicht und wird nie wieder gehen.“ Seine Faust krampfte sich vor der Brust, als wolle sie sein Herz festhalten. „Da ist etwas zerrissen worden, in mir, etwas, das vorher da war. Verstehst du? Es ist vorbei.“ Eine Träne rann aus seinem linken Auge und suchte sich ihren Weg durch die vielen Falten nach unten, zu dem spärlichen Bärtchen am Kinn.

„Bei dir nicht?“

„Ich habe die Angriffe gespürt, doch ich konnte mich schützen, bisher.“

„Dann bist du besser als ich, besser, als die anderen Magier.“ Wieder krampfte sich seine Hand vor der Brust. „Mach etwas daraus, Zwergling. Ich kann es nicht mehr.“ Er schloss die Augen.

„Kalnor?“

„Er wird nicht mehr antworten“, entgegnete Farael an Stelle des Magiers. „Er wird jetzt hier sitzen bleiben.“

„Was weißt du schon?“, fuhr ihn Bandath an.

„Bandath“, Barella legte ihrem Gefährten die Hand auf die Schulter, wollte beschwichtigen, doch Bandath sprang auf.

„Ist doch wahr. Was weiß der schon? Kommt hierher und faselt was von Sehen und Vorhersagen, aber wirklich wichtige Dinge kann er nicht voraussagen. Soll er doch mal sagen, um was es hier geht!“

Bandath wartete keine Antwort ab, sondern sprang auf Dwego und ritt los.

„Ich nehme es ihm nicht übel“, sagte Farael zu Barella und griff nach den Zügeln seines Quilins. „Ich habe gewusst, dass er so reagieren würde.“

„Weißt du was?“, fauchte Barella. „Halt einfach die Klappe!“

Sie schwang sich auf Sokah und folgte Bandath.

Farael starrte ihr hinterher. Irritiert kratzte er sich am Kopf. „Das habe ich nicht kommen sehen.“

Plötzlich hellte sich seine Miene auf. „Ah, sie ist …“ Er schlug sich mit der Hand auf den Mund. „Aber es soll noch niemand wissen. Gut, von mir erfährt keiner etwas.“

Er kletterte mühsam auf den nach hinten abfallenden Rücken seines Quilins, rammte ihm die Fersen in die Flanke, bis sich das Tier widerstrebend in Bewegung setzte.

„Wenn mir einer gesagt hätte, wie störrisch so ein Quilin sein kann, hätte ich mir ein Pferd gekauft oder einen Drago-Zentauren“, knurrte er unwillig. „Aber so etwas sehe ich nie voraus. Da hat Bandath recht.“

Schnaufend folgte das Quilin der Spur des Laufdrachen.

Kalnor blickte zum erloschenen Feuer, unbeweglich wie ein Stein – und genauso grau.

Abends machten sie in einer Senke am Hang des Go-Ran Rast, geschützt von Sträuchern, die sich rund um sie erhoben. Sie aßen das kalte Fleisch vom Vorabend. Bandath wollte kein Feuer entzünden. „Ich will nicht, dass die von dort oben herunterkommen“, er wies mit dem Daumen in Richtung Berg, wo weit über ihnen die dunkle Kontur der Magierfeste gegen den Sternenhimmel schimmerte, „und vielleicht nachschauen, wer auf ihrer Türschwelle nächtigt. Morgen früh klopfe ich und werde Einlass verlangen.“

„Wir“, sagte Barella lakonisch und trank einen Schluck Wasser.

Bandath sah sie fragend an.

„Du glaubst doch nicht“, entgegnete sie ruhig, „dass ich mitgekommen bin, um dich allein in die Höhle des Mantikors zu lassen? Ich habe mich schon einmal von dir hier draußen abstellen lassen. Dieses Mal komme ich mit.“

„Barella …“, begehrte Bandath auf, doch Barella unterbrach ihn sofort. „Vergiss es!“ Ihre Stimme klang fast gelangweilt. Sie würde eine Diskussion über diesen Punkt nicht zulassen.

„Aber …“

„Und das vergiss auch gleich wieder.“

Bandath schluckte, sah von unten in ihr Gesicht und grinste etwas. „Und du bist wirklich sicher, dass du nicht mit Waltrude verwandt bist?“

„Höchstens über den Ur-Zwerg.“ Auch Barella grinste.

„Oh, ihr versteht euch wieder“, Farael klatschte wie ein kleines Kind in die Hände, „das habe ich kommen …“, unterbrach sich jedoch sofort wieder, als die Köpfe seiner Begleiter herumschossen und ihre Augen ihn anblitzten.

„Oh!“ Er legte die Finger vor den Mund. „Schon gut. Ich sag gar nichts. Farael ist ganz still.“

Bandath schnaufte.

Am Morgen des nächsten Tages klopfte Bandath an das Tor der Magierfeste. Als er das erste Mal hier stand, ein junger unglücklicher Zwergling an der Hand von Waltrude, hatte Malog der Troll die Tür geöffnet. Er war es auch gewesen, der das Tor hinter Bandath schloss, als dieser seine Ausbildung beendet hatte. Und Malog war es, der ihn immer wieder aufgerichtet hatte, wenn Bandath dachte, es ginge nicht mehr. Jetzt aber war Malog seit fast zwei Jahren tot – durch die Schuld zweier Magier, von denen einer im selben Moment die Sichtluke im Tor öffnete, als Bandath ein zweites Mal klopfen wollte.

„Wer begehrt Einlass?“

Bandaths Augen verengten sich zu Schlitzen. „Anuin Korian, der neue Torwächter also, nachdem ihr den alten am Rande der Todeswüste umgebracht habt. Ich hätte es mir denken können. Du bist noch nicht annähernd so gut wie dein Vorgänger, Elf. Malog musste nicht fragen, wer am Tor Einlass begehrte. Ich werde dir weder sagen, wer wir sind, noch ein weiteres Wort mit dir reden. Wenn du deine Augen nur ein wenig weiter öffnen würdest, wüsstest du, wer vor dem Tor steht. Und danke wem auch immer dafür, dass wir uns nicht auf freiem Feld begegnet sind, sondern hier in der Magierfeste, wo seit Urzeiten die heiligen Regeln des Burgfriedens gelten.“ Bandath musste seine Wut sichtbar zügeln. Er atmete tief durch und presste zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Melde uns Romanoth Tharothil!“

Der Hexenmeister kannte Anuin Korian nicht von Angesicht – und dieser Bandath nicht. Bandath aber wusste sofort, wen er vor sich hatte. Sie hatten dem Elf also die Stelle des Torwärters übergeben, nachdem Malog im Süden umgekommen war. Das Gesicht des Elfen blickte aus Höhe der Sichtluke auf Bandath, Barella und Farael herab, blasiert und mit halb geschlossenen Augen. Die Luke war für den Troll eingearbeitet worden. Wahrscheinlich hatte Anuin Korian sich ein Gerüst auf der anderen Seite des Tores bauen lassen, um die Luke zu nutzen und auf die Ankömmlinge herabblicken zu können. Er trug die weiße Kutte des Inneren Ringes. Von oben bis unten musterte er die vor ihm Stehenden. Wie immer hatte Bandath Dwego und mit ihm Sokah und jetzt auch das Quilin frei laufen lassen. Sie würden da sein, wenn er sie brauchte. Anuin Korian versuchte, seinem Blick einen hochmütigen Ausdruck zu geben, aber Unsicherheit flackerte hinter den halb geschlossenen Lidern wie ein Feuer, das Nahrung sucht … und findet. Dann blieb sein Blick an Bandaths Füßen hängen, den behaarten Halblingsfüßen. Die Augen des Elfen wurden riesengroß und das Gesicht verlor den mühsam zur Schau getragenen Ausdruck von Desinteresse.

„B…B…Ba…“, stotterte er.

„Bandath“, ergänzte Barella, doch da schlug die Sichtluke bereits zu.

„Und nun?“, fragte Farael.

„Du bist der Seher.“ Die Zwelfe knurrte mehr, als dass sie sprach. „Sag du’s mir.“

„Wir warten.“ Bandaths Flüstern war kaum zu verstehen. Barella konnte das Knirschen seiner zusammengepressten Zähne förmlich hören, obwohl sie hinter ihm stand. Ohne sich zu bewegen, starrte er auf das hölzerne Tor der Magierfeste.

„Du wirst doch keinen Kampf auf Go-Ran-Goh provozieren?“ Barella war einen Schritt an Bandath herangetreten.

„Auf Go-Ran-Goh gilt der Burgfrieden. Das ist ein geheiligtes Gebot seit Tausenden von Jahren. Alle Zwistigkeiten ruhen hier.“

Es dauerte nur wenige Minuten, bis ein Torflügel knarrend aufschwang. Romanoth Tharothil der Halbling, von vielen auch der Weise Romanoth Tharothil genannt, oberster Magier der Gilde und so alt, dass er alle anderen Magier des Inneren Ringes hatte kommen und viele auch gehen sehen, stand allein im Eingang der Feste. Sein weißes Gewand reichte bis zum Boden und nicht einmal seine pelzigen Füße schauten hervor. In der rechten Hand hielt er seinen Magierstab, abgegriffen und glänzend vom jahrelangen Gebrauch und fast größer, als er selbst.

„Bandath.“ Seine Stimme klang rau. „Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal innerhalb dieser Mauern begrüßen zu dürfen.“ Er bewegte sich nicht eine Handbreit auf den Zwergling zu.

Auch Bandath blieb stehen, alle Sinne gespannt.

„Romanoth Tharothil. Dinge geschehen, die noch nie geschehen sind. Wir müssen reden.“

„Früher hast du mich Weiser Romanoth Tharothil genannt.“ Die Stimme hatte einen kalten Ton angenommen, ohne Wärme.

„Früher!“, entgegnete Bandath und auch seine Stimme hätte Glas zum Klirren bringen können. „Früher hat mich hier auch Malog begrüßt und nicht sein Mörder.“ Anuin Korian war nicht mehr zu sehen. Der Oberste Magier hatte ihm wohl die Order gegeben, sich zurückzuziehen.

„Was ist mit uns geschehen, Romanoth Tharothil? Du warst einst einer der Lehrer, zu denen ich aufgeblickt habe.“

„Bist du deswegen hier, Bandath? Oder wegen Anuin Korian und den unerfreulichen Ereignissen unten am Rand der Todeswüste?“

Bandath hatte den Eindruck, dass ein wenig Unsicherheit in Romanoths Stimme mitschwang. Ihn durchfuhr eine Erkenntnis: Der Innere Ring hatte nicht gewusst, dass er hierher kommen würde. Es war das erste Mal, dass sie das nicht wussten. Und es war gut so.

Unerfreuliche Ereignisse? Sie haben meinen Freund, eine Freundin und vielen anderen Menschen dort unten das Leben gekostet.“ Er lachte verbittert auf. „Heute bin ich nicht wegen der ‚unerfreulichen Ereignisse‘ hier. Obwohl ich deshalb schon lange hätte herkommen sollen. Doch darüber werden wir ein anderes Mal reden. Ich komme wegen der Begebenheiten der letzten Tage. Ich komme, weil irgendjemand die Magie angreift. Wir müssen uns zusammentun, so schwer es uns auch fällt. Alle Zwistigkeiten sollten ruhen, bis wir das Problem gelöst haben.“

Romanoth schwieg einen Moment, dachte nach.

„Du meinst das gewaltsame Entreißen von Magie aus dem Netz der magischen Kraftlinien?“

Es schien Bandath, als wolle der Magier testen, inwieweit Bandath in das Geheimnis um die Magie eingeweiht war.

„Ich weiß von den magischen Kraftlinien, im Gegensatz zu den Magiern, die ihr hier ausbildet. Ich weiß vom Fluss der Magie und ich habe Kenntnis davon, dass der Angriff wohl auf etwas Spezielles gerichtet ist, nicht auf die Magie schlechthin, sondern auf ihre Quelle. Ich weiß auch, dass anderen Magiern die Fähigkeit genommen worden ist, Magie zu weben. Und“, jetzt hob Bandath die Stimme, „ich denke, dass die Heere der Gorgals, die sich auf den Weg in die Drummel-Drachen-Berge befinden, diesen Angreifer unterstützen sollen.“

„Du glaubst, sehr viel zu wissen. Wir sollten uns unterhalten.“ Der Halbling trat einen Schritt zur Seite und machte mit seiner freien Hand eine einladende Geste.

Bandath trat ein, Barella und Farael folgten.

Romanoth Tharothil hob abwehrend die Hand. „Nichtmagiern ist das Betreten der Feste verboten, schon seit Urzeiten. Das ist eine Regel.“

Bandath, der bereits innerhalb der Mauern stand, hob die Augenbrauen. „Auch ich bin ein Nichtmagier, Romanoth Tharothil. Hast du vergessen, dass ihr mich vor knapp zwei Jahren aus der Gilde ausgeschlossen und den Bann auf mich gelegt habt? Ich bin jetzt ein Hexenmeister und habe die Feste bereits betreten. Meine Gefährten werden mit mir kommen. Und zumindest Farael“, er wies auf den Menschen hinter Barella, „ist als Seher eine Art Magier. Oder?“

Der Halbling zögerte einen Moment und hob dann in einer resignierenden Geste die Schultern. „Besondere Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Kommt denn rein und folgt. Vielleicht“, murmelte er zum Schluss halblaut, „erleichtert das auch vieles.“

Er führte sie an der Front des gewaltigen Burggebäudes vorbei über den riesigen Burghof, auf dem leicht ein Drummel-Drache hätte landen können. Barella und Farael hoben ihren Blick und folgten der Fassade aus rotem Backstein und Felsen, folgten den Linien der Stockwerke, betrachteten die Fenster, Erker, Vorsprünge, Türmchen und Türme. Etwas so Gewaltiges und zugleich Filigranes hatten sie noch nie gesehen und zumindest Barella konnte von sich behaupten, schon sehr weit herumgekommen zu sein. Romanoth Tharothil aber lotste sie zu einem kleinen, sehr massiv gebauten Seitengebäude. Hinter einer Tür aus fast schwarzem Holz, uralt, schwer und mit Eisenbeschlägen, öffnete sich ihnen ein Raum, der augenscheinlich zu Beratungen genutzt wurde. Bandath, der sich auf dem Weg zum Gebäude umgesehen hatte, wie jemand, der nach einer langen Abwesenheit wieder in eine bekannte Gegend kommt, blieb auf der Schwelle stehen.

„Ich sehe niemanden auf dem Burghof, Romanoth Tharothil. Wo sind die Magier und all die Schüler, die hierher gehören?“

„Wir haben wenig Schüler im Moment. Und sie sind in den Unterrichtsräumen. Bitte.“ Er machte eine einladende Geste. „Lass uns reden.“

Bandath sah sich noch einmal um. Sein Blick streifte Barella. „Falle“, formten ihre Lippen lautlos, ohne dass Romanoth Tharothil es mitbekam. Bandath zwinkerte einmal kurz. Er hatte es auch bemerkt. Barella lockerte unauffällig ihre Messer in den Scheiden am Gürtel. Ihren Bogen hatte sie an Sokahs Sattel gelassen, was sie jetzt bereute.

Bandath machte ein paar Schritte in den Raum hinein, Barella und Farael folgten. Romanoth Tharothil trat ebenfalls ein und schloss die Tür hinter sich. Seine Hand wies auf die Stühle, die rund um einen niedrigen Tisch standen. Für Bandath und Barella hatten sie die richtige Größe. Farael sah unglücklich aus, als er sich auf einen der Stühle zwängte.

Bandath sah Romanoth Tharothil an. „Als wir uns das letzte Mal sahen, waren wir unten am Orakel. Seitdem ist viel Wasser den Ewigen Strom herabgeflossen und die Dinge haben sich geändert.“

„Wohl wahr.“ Der Halbling nickte.

„Aber jetzt“, fuhr Bandath fort, „entwickelt sich etwas, dass uns zwingt, unsere Streitigkeiten zur Seite zu schieben. Zumindest vorübergehend.“

„Die Ansichten darüber gehen auseinander, wie immer, Bandath. Aber es würde mich freuen, dich auf unserer Seite begrüßen zu können.“

Bandath war einen Moment sprachlos. „Die Ansichten gehen auseinander? Eure Seite? Ich denke nicht, dass es hier mehrere Seiten gibt. Wieso sollen die Ansichten auseinandergehen, wenn der Magie selbst Gefahr droht?“

„Du verstehst es nicht. Denke nach Bandath.“

Bandaths Gesicht verfinsterte sich. „Nein“, flüsterte er nach einem Moment des Nachdenkens. „Sag mir, dass das nicht wahr ist, Romanoth Tharothil. Ihr wart das?“

„Du verstehst es immer noch nicht vollständig, Zwergling. Wir haben unsere Magie genommen, Bandath. Und wir haben die Magie der Dunkel-Zwerge genutzt. Erinnerst du dich?“

„Ihr wolltet damals das Diamantschwert, ich weiß.“ Bandath war sichtlich irritiert. Er wusste nicht, worauf Romanoth Tharothil aus war. „Die Dunkel-Zwerge haben es gefertigt. Aber ich habe es euch nicht gebracht, ich …“ Bandath erstarrte, als Romanoth Tharothil ein Glasfläschchen aus der Tasche seiner Kutte zog. In ihm häufte sich eine geringe Menge an Diamantsplittern. Barellas Blick huschte zwischen dem Glasfläschchen und Bandaths Gesicht hin und her. Sie war durch die Blässe auf Bandaths Haut irritiert. Was war so schlimm an einem Glasfläschchen mit Diamantsplittern? Es sei denn, es wären …

„Sind das …“ Dem Hexenmeister versagte die Stimme.

Romanoth Tharothil nickte. „… Splitter des Diamantschwertes. Sie waren sozusagen die Eintrittskarte für Anuin Korian zur Magierfeste. Oh, du glaubst gar nicht, wozu Hass auf Trolle, Zwerge und Halblinge einen Elfen beflügeln kann.“

„Und dann habt ihr ihn zur Todeswüste geschickt?“ Noch immer klang Bandaths Stimme tonlos. Es schien Barella, als würde sich die Unterhaltung in eine Richtung entwickeln, die Bandath auf keinen Fall einschlagen wollte.

Der Oberste Magier nickte. „Auch diesen Auftrag hat er zu unserer Zufriedenheit erfüllt.“ Mit dem Eintritt in den Raum hatte sein Verhalten eine Sicherheit angenommen, die beängstigend war, gerade so, als wäre er absolut überzeugt davon, dass nichts und niemand ihn hier etwas anhaben konnte.

Ein zweites Fläschchen kam aus einer anderen Tasche seiner Kutte zum Vorschein. In ihm tobte ein Miniatur-Sandsturm und brandete vergeblich an die Wandungen seines gläsernen Gefängnisses.

„Ihr habt …“, Bandath verschlug es die Sprache. Dann wurde er bleich, bleicher, als Barella ihn je gesehen hatte. Rote Flecken bildeten sich an seinem Hals, Zeichen für den enormen Stress, unter dem ihr Partner stand. Seine Stimme war jetzt nur noch ein Hauchen. „Nein!“ Er stand auf. „Ihr habt drei Formen der Magie.“

Romanoth Tharothil nickte. „Unsere, die der Dunkel-Zwerge und die des Dämons von Cora-Lega.“

„Romanoth!“ Da war ein Flehen in Bandaths Stimme, das Barella überhaupt nicht gefiel. Sie wusste nicht, worum es ging, nur, dass hier etwas Ungeheuerliches passierte, war ihr klar. Sie hatte plötzlich Schwierigkeiten durchzuatmen, ganz so, als würden sich eiserne Bänder um ihren Brustkorb legen.

Bandath räusperte sich, vergeblich. Er bekam seine Stimme nicht unter Kontrolle. „Ihr wollt … die Prophezeiung von Um-Ba-Tha … ihr könnt doch nicht …“

Er machte ein paar Schritte um den Tisch herum, als wolle er in einer Geste der Verzweiflung den Magier an der Schulter packen und zur Vernunft bringen. Romanoth Tharothil stand auf und stellte sich hinter den Stuhl. Es sah fast so aus, als bringe er sich vor Bandath in Sicherheit. Der Hexenmeister stoppte seine Bewegung.

„Sag mir, dass das nicht wahr ist. Bitte!“ Jetzt flehte Bandath und Barella überlief ein Schauer, als sie ihren Gefährten so betteln sah.

Sie trat neben ihn. „Bandath? Was ist geschehen?“

Die Luft zwischen Bandath und dem Magier der Gilde schien zu gefrieren. „Romanoth! Bitte, lasst es bleiben. Es ist der Untergang.“

Romanoth Tharothil entfernte sich einen weiteren Schritt von Bandath. Sein Gesicht nahm endgültig einen anmaßenden Ausdruck an.

„Wir haben die Kontrolle, Bandath. Es ist bereits vollbracht.“

„Nein.“ Bandath stöhnte. Dann schrie er voller Pein: „Nein! Ihr Wahnsinnigen! Ihr Narren! Wisst ihr, was ihr getan habt?“

„Die anderen haben mich gewarnt.“ Romanoth Tharothil nickte wissend. „Du würdest es nicht akzeptieren, haben sie gesagt. Nein, entgegnete ich. Lasst es mich zumindest versuchen. Immerhin warst du einer unserer fähigsten Schüler. Alles hätte dir offen gestanden. Alles! Du und ich im Inneren Kreis der Gilde und keiner hätte uns widerstehen können. Aber es scheint schon zwecklos, mit dir überhaupt darüber zu reden.“ Übertrieben bekümmert schüttelte er den Kopf. „Siehst du nicht, was sich uns für Möglichkeiten dadurch bieten?“

Er drehte sich um, ließ Bandath stehen und ging zur Tür. „Die Konsequenzen für deine Weigerung, mit uns zusammenzuarbeiten, wirst du tragen müssen, Bandath, du ganz allein. Und deine beiden Begleiter.“

„Wo ist ER?“ Bandaths Stimme hatte jetzt einen eisigen Klang.

„Nicht da“, antwortete Romanoth Tharothil. „Du bist zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen, Bandath. Du wirst ihn nicht einmal sehen vor deinem Ende.“ Dann ging er durch die Tür, als bestände das massive Holz aus nichts als Nebel.

„Jetzt ist mir alles klar“, hauchte Bandath und sah Barella an.

„Was?“ Sein Schrecken verunsicherte sie mehr, als sie wahrhaben wollte.

„Später. Zuerst müssen wir hier raus. Und zwar schnell.“ Er wandte sich gegen die Tür, hob die Hände und ein Feuerball zerschmetterte die soliden Bohlen, als wären sie Zündhölzer. Im selben Moment schüttelte ein Krampf seinen Körper, kurz, aber heftig. Bandath keuchte. „ER kommt. Wenn ich Magie anwende, spürt ER mich, weiß wo ich bin und greift die magischen Kraftlinien an.“

Er sah Barella an. „Du musst uns hier raus bringen, wenn ich nicht mehr kann.“

Sie nickte. Das würde sie. Ganz gewiss würde sie das. Nie im Leben würde sie Bandath den Magiern überlassen … oder dem, was sie getan hatten. Was immer das auch war. Und es musste etwas sehr Furchtbares sein.

Sie rannten zur zerschmetterten Tür. Auf dem Burghof hatten sich mehrere Magier im weiten Halbkreis um die Tür aufgestellt.

„Da seid ihr ja alle“, knurrte Bandath, „oder zumindest fast alle.“ Er sah in die Runde, sah die Magier an, die früher seine Lehrer gewesen waren und die jetzt langsam die Hände hoben, um Magie gegen einen ihrer besten Schüler zu weben. Aus dem Nichts heraus füllte sich der Burghof mit Nebel, sehr dichtem Nebel. Die Sichtweite reduzierte sich auf wenige Schritte.

„Weg hier“, flüsterte Bandath. Sie huschten mehrere Schritte zur Seite. Im selben Moment rauschte ein knappes Dutzend Feuerkugeln heran – rot, blau, gelb, groß, klein – und schlugen in den Türrahmen ein, vor dem sie soeben noch gestanden hatten. Sie donnerten in den Raum hinter der Tür, verwüsteten die Einrichtung und setzten sie in Brand. Gleich glühenden Lanzen zischten helle Strahlen hinterher, Feuerspeere schlugen in den Boden ein und Kaskaden winziger, glühender Kugeln rauschten durch die Luft.

„Burgfrieden!“, rief Bandath wütend in den Nebel. Er verstand nicht, wieso die Magier den Nebel herbeigerufen hatten, wenn er sie doch behinderte. Selbst die Feuerkugeln hatten den Nebel nur aufwallen lassen, ihn aber nicht ausgedünnt.

„Der Burgfrieden gilt nicht für dich und deinesgleichen!“ Die Stimme von Romanoth Tharothil klang dünn und verloren aus den gelblichen Wolken, ohne den Standort des Magiers zu verraten.

„Weiter!“, flüsterte Bandath und im selben Moment, in dem sie sich in Bewegung setzten, schlugen hinter ihnen erneut Feuerkugeln in die Mauer.

Meinesgleichen, also“, knurrte Bandath und hob die Hände. Ein feines Gespinst aus Blitzen knisterte von seinen Fingern ausgehend über den Burghof und verlor sich im Dunst. Schmerzensschreie ertönten.

„Hiermit ist der Burgfriede beendet“, keuchte Bandath und sackte auf die Knie. Barella half ihm hoch.

„Weiter an der Mauer entlang.“ Bandaths Stimme klang leise, aber trotzig. Die Magier würden ihn nicht klein kriegen.

„Was ist das?“ Barella starrte auf Bandaths Brust. Dort bildete sich ein bläulicher Lichtfleck, das Ende eines ebensolchen Strahls, der aus der Undurchsichtigkeit des Nebels kam.

„Hierher.“ Es war eher ein Hauch als ein Flüstern, trotzdem konnte Bandath es sofort zuordnen.

„Moargid?“ Die Heilmagierin hatte immer zu ihm gehalten.

„Schnell!“ Wieder dieses Flüstern.

„Folgen wir dem Licht.“ Noch immer auf Barellas Arm gestützt, strebte Bandath vorwärts.

„Hilf mir“, fauchte sie Farael an. Der packte Bandath auf der anderen Seite unter der Schulter und sie hasteten nach links.

Aus der Undurchdringlichkeit des Nebels schälte sich eine Gestalt die reglos stand, die Arme nach vorn gestreckt. Der Lichtstrahl führte weit links an ihm vorbei. Der Magier starrte in den Nebel und schien nicht damit zu rechnen, dass sie sich von der anderen Seite näherten. Barella ließ Bandaths Arm los, sprang nach vorn, drehte sich in der Luft und bevor die Gestalt noch reagieren konnte, knallte die Fußspitze der Zwelfe vor die Schläfe des Magiers. Mit einem dumpfen Ton sackte der zusammen. Barella landete mit Fußspitzen und Händen auf der Erde, wippte kurz und sprang wieder auf die Füße. Dann schlug sie sich den Staub von den Händen und grinste.

„Ich kann es noch“, sagte sie zufrieden, würdigte die liegende Gestalt keines Blickes mehr und half Bandath, der sich bereits wieder kräftiger fühlte, an dem ohnmächtigen Mitglied des Inneren Ringes vorbei.

Bandath musterte den Mensch, der vor ihnen lag. „Gorlin Bendobath, Meister des Lebens. Er also auch.“

„Nun, im Moment ist er eher der Meister des Schlafes.“ Farael kicherte.

Vor ihnen tauchte eine fast schwarze Wand aus dem Nebel auf. Der Lichtfaden von Bandaths Brust führte genau zu einer unscheinbaren Tür, die man bei Tageslicht eher übersehen hätte. Fast im selben Moment, in dem Barella die Hand nach der Klinke ausstreckte, öffnete sich die Tür lautlos. Die wohl älteste Zwergin, die Barella je gesehen hatte, erschien. Zugleich erlosch der blaue Lichtfaden.

„Schnell“, murmelte die Zwergin, hielt sich am Rahmen fest und keuchte. Genau wie Bandath schien auch sie Angriffen auf der magischen Ebene ausgesetzt zu sein, wenn sie Magie wirkte. Mit der Herbeibeschwörung des Nebels, hatte sie sich dem Ring zu erkennen gegeben. Sie winkte die Bedrängten an sich vorbei, stampfte mit dem Fuß auf und erneut verdichtete sich der Nebel. Gelber Dunst quoll durch die Tür in den Raum. Moargid schloss den Eingang und murmelte etwas, während sie mit der Hand über die Steine strich, die den Türrahmen bildeten. Sie verschmolzen mit dem Holz der Tür. Als sie ihnen ihr Gesicht zuwandte, erkannte Barella die tiefe Erschöpfung der Zwergin.

„Bandath“, keuchte Moargid. „Ich wünschte, ich hätte dich unter anderen Umständen wiedergesehen.“

„Moargid.“ Bandath streckte seine Arme aus und fasste sie an den Händen. „Wie kommen wir hier raus?“

„Wir? Ich bleibe und halte dir den Rücken frei. Ihr verzieht euch. Dort hinten“, sie wies auf eine kleine Öffnung im Stein der Rückwand, „ist ein Gang, der euch in die Bibliothek bringt. Bethga und ich haben ihn in den letzten Monden geschaffen. Man weiß ja nicht, wozu man so einen Gang noch gebrauchen könnte, dachten wir. Und nun ist er nützlich.“

Bethga, eine Yuveika, eine Spinnendame, war die Meisterin der Bücher auf Go-Ran-Goh und als einzige Meisterin nie Mitglied des Inneren Ringes geworden. Ihre Bibliothek lag unterhalb der eigentlichen Burganlage im Berg versteckt und nur ein einziger Zugang führte – bisher jedenfalls – von der Feste in die Bibliothek.

„Bethga?“ Bandath war erstaunt. Wenn er mit Hilfe gerechnet hatte, dann auf keinen Fall von Seiten der Yuveika. Doch dann sah er die Heilmagierin an. „Und was wird mit dir?“

„Kümmere dich lieber um dich und vermeide so weit wie möglich die Anwendung von Magie. ER kann dich dadurch aufspüren. Ich werde euch den Rücken freihalten und der Ring wird merken, dass die alte Moargid bedeutend mehr kann, als Brummschädel heilen und Wunden zusammenwachsen lassen.“

„Ich werde dich nicht …“

„Oh doch, mein kleiner Bandath, dass wirst du sehr wohl. Du hast eine andere Aufgabe, als dich um eine alte Zwergin zu kümmern. Mach dir mal keine Sorgen, ich habe so einiges parat.“ Sie wies energisch zur Öffnung in der Wand. „Ich habe einen dichten Nebel über den Go-Ran gelegt, so dass keiner der großen Meister dort draußen ihn mit Blicken durchdringen kann. Einen sehr dichten Nebel. Nutzt ihn und verschwindet so schnell wie möglich.“

Bandath nickte. Man sah ihm an, dass er alles andere als erfreut darüber war, Moargid hier zurücklassen zu müssen. Doch als die ersten magischen Schläge gegen die Tür donnerten, drehte er sich um und verschwand ohne ein Wort im Gang. Moargid hatte vorsorglich eine brennende Fackel in einer Wandhalterung vorbereitet, die er an sich nahm. Die wenigen Sekunden in Moargids Raum schienen Bandath Kraft gegeben zu haben. Barella und Farael folgten wortlos. Bevor sich hinter ihnen die Wand fugenlos schloss, wehten ihnen noch Worte der Heilmagierin hinterher: „Halte IHN auf Bandath. Nur du kannst das!“

„Wen?“ Barella lief eng hinter dem Hexenmeister. „Von wem sprecht ihr?“

„Später“, entgegnete Bandath. „Ich erzähl dir alles, wenn wir hier raus und auf dem Weg sind.“

Auf dem Weg wohin? Wer war dieser ER, von dem Bandath und Moargid geredet hatten? In Barellas Kopf jagten sich die Gedanken fast so schnell, wie ihre Füße den Gang entlang hetzten. Aber sie wusste, dass sie von ihrem Gefährten jetzt keine Antwort bekommen würde.

Der Gang führte in engen Windungen bergab und man sah den Felswänden an, dass sie zwar mit Magie, aber in großer Eile geschaffen worden waren. Sie sahen aus, als hätte jemand mit einer gewaltig heißen Flamme ein Loch in den Fels gebrannt, ohne sich die Mühe zu machen, die Wände zu glätten. Herab getropftes und erkaltetes Gestein bildete lange Nasen und gefährliche, von der Decke ragende Spitzen. Einige von ihnen waren abgebrochen und die Reste lagen auf dem Boden. Wahrscheinlich hatte Moargid mit einem Hammer nachgeholfen, wo die Zacken zu gefährlich für die Vorüberlaufenden waren.

Nur unterbrochen von gelegentlichen dumpfen Schlägen, die wie ein leises Dröhnen durch den sie umgebenden Stein grummelten, eilten sie vorwärts. Einmal blieb Bandath stehen. Er drehte sich um, sah erst Barella und dann Farael an. „Ich kann das nicht.“ Sein Gesicht war vor Leid ganz grau. „Ich kann sie nicht allein lassen.“

„Bandath, wenn du ihr hilfst, dann werden wir nicht entkommen können. Und ich denke, von deinem Entkommen hängt viel mehr ab, als die Sicherheit Moargids. Die Zwergin wusste das.“

„Sie wird überleben“, mischte sich Farael ein. „Ich weiß das … auch wenn du diesen Satz nicht hören möchtest, aber ich lüge nicht. Ich habe gesehen, dass sie überleben wird.“

Nur unwesentlich beruhigt ging Bandath weiter. Farael folgte dem Paar. Er hatte das erste Mal in seinem Seher-Leben gelogen. Nichts wusste er über die Magierin.

Als sich vor ihnen die Wand öffnete, schlossen sie einen Moment geblendet die Augen. In der Bibliothek herrschte immer diffuses Zwielicht, von Leuchtkristallen und kalten Flammen so weit aufgehellt, dass man an den Arbeitsplätzen problemlos lesen konnte. Das war aber deutlich mehr, als ihnen die Fackel in der Dunkelheit des Ganges gespendet hatte.

„Bandath“, knarrte eine unfreundliche Stimme von der Decke. „Ich hätte es wissen müssen. Nur du kannst für so viel Aufregung dort oben sorgen.“

„Bethga“, entgegnete Bandath. „Ich bin auch nicht erfreut, dich wiederzusehen.“

Die Yuveika hielt sich mit ihren Spinnenbeinen an der Decke des Raumes fest. Ihr Frauenkopf mit den streng nach hinten gekämmten, grauen Haaren und der überdimensionalen Brille vor den Augen war grotesk verdreht, um die Ankömmlinge sehen zu können. Es raschelte leise, als sie an einem Bücherregal nach unten kletterte und sich vor Bandath stellte. „Hat Moargid also ihren Rettungsgang für dich geöffnet. Und ich kann jetzt sehen, wie ich sie da oben raus kriege.“

„Ich habe …“, begann Bandath, doch Bethga fuchtelte mit einem ihrer Spinnenbeine vor seinem Gesicht rum.

„Bla … bla … Ich will gar nichts von dir wissen. Moargid wird ihre Gründe gehabt haben, auch wenn ich sie in deinem speziellen Fall nicht nachvollziehen kann.“ Sie drehte sich um. „Wo sind die Zeiten, da ich dich wegen Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen tagelang in einen Kokon gewickelt hier von der Decke herabhängen lassen konnte?“

Flink wie nur Spinnen rennen, verließ sie den Raum. „Folgt mir!“, hörten sie ihre Stimme durch den Gang hallen. „Ihr müsst schnell hier raus.“

Bandath löschte die Fackel. Zu viele Bücher und Schriftrollen lagen in den Regalen rund um sie herum. Selbst in Augenblicken höchster Gefahr dachte er an die Sicherheit des hier gesammelten Wissens.

Im Licht der Leuchtkristalle hasteten sie durch die Räume, in denen Bandath vor vielen Jahren das zugängliche und zugelassene Wissen der Magie gelernt hatte. Sie holten Bethga in einem winzigen Raum ein, der mit Gerümpel aller Art vollgestellt war. Regalteile, Bretter, Besen, Eimer, Reinigungsmittel in halb zusammengebrochenen Regalen, Schränke mit herausgebrochenen Türen. Spinnweben hingen von der Decke, Staub, der sich scheinbar über Jahrhunderte angesammelt hatte, bedeckte alles. Bethga hing von der Decke und erwartete sie.

„Was soll das?“ Bandath sah sich irritiert um. „Wir wollen raus. Der Weg nach draußen führt dahinten lang.“ Er wies mit der Hand zu einer Tür hinter ihnen.

Bethga kicherte. „Du wirst es nie lernen, Bandath. Das hier ist mein Reich und hier passiert nichts, was ich nicht weiß. Gar nichts. Nicht einmal, wenn du dir unberechtigt Dokumente in einen Lese-Kristall speicherst, um sie dann in der Bücherstadt Konulan zu übersetzen, entgeht mir das.“

Bandath musste zwinkern und dachte an die Weissagungen des Verrückten von Pukuran. „Im Gegensatz dazu“, fuhr Bethga mit einem triumphierenden Unterton fort, denn ihr war Bandaths Reaktion nicht entgangen, „entgehen allen anderen Magiern die Dinge, von denen ich denke, dass sie niemanden etwas angehen.“

Sie griff mit einem ihrer Spinnenbeine durch den Schrank hindurch, als wäre er aus Luft, fasste nach etwas, das nur sie fühlen konnte, vielleicht einen an der Wand befindlichen Eisenring, und zog. In der Wand hinter dem Schrank öffnete sich ein Spalt und gab den Blick auf einen Raum voller Regale frei, die bis unter die Decke mit Büchern und Schriftrollen angehäuft waren, denen Bandath sofort ihr enormes Alter ansah.

„Das …“, stotterte er. „Das ist …“

„… mein geheimer Raum. Gesammeltes Wissen, das dem Ring der Magier nie in die Hände fallen durfte.“ Bethgas Augen funkelten jetzt fiebrig. „Mit nur der Hälfte der hier vorhandenen Schriftrollen kannst du die Existenz der Magierfeste völlig in Frage stellen.“ Stolz wies sie über die Regale. „Hier, mein kleiner Zwergling, liegt all das über den wahren Charakter der Magie, was seit den Drummel-Drachen-Kriegen geschrieben worden ist. Alles, von dem du nur gerüchteweise gehört hast.“

„Die Schriftrollen von Ku-Ran am Dunklen Meer?“

„Habe ich.“

„Die Manuskripte der Weisen aus den Höhlen?“

„Genauso wie die Schriften der Drei Könige aus Gelroth.“

„Aber ihr habt immer behauptet, diese Dokumente gäbe es gar nicht.“

„Natürlich. Sie alle stellen allein durch ihre Existenz die Rolle des Rings der Magier in Frage. Und durch ihren Inhalt erst recht.“

„Und das hast du alles vor uns verheimlicht?“ Bandath sah sich fassungslos in dem Raum um. Mit zitternden Händen griff er nach einer Rolle direkt neben sich.

„Das wirst du nicht lesen können. Es ist in der alten Sprache der Dunkel-Zwerge verfasst, lange bevor sie das Diamantschwert geschaffen haben.“

Bandath legte die Rolle wieder in das Regal. „Ich will …“, er schluckte, „ich würde gern all das hier studieren.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Bethga kicherte. „Aber zuerst wirst du dich darum kümmern müssen, dass unsere Welt nicht in die Dunkelheit fällt. Denn ich nehme an, dass das der Grund war, weshalb Moargid sich dort oben dem Ring entgegengestellt hat.“

Wie eine Antwort auf diese Worte grummelte es im Fels über ihnen und Gesteinsstaub rieselte von der Decke.

„Kommt“, sagte Bethga und huschte erneut voraus.

Sie führte Bandath und seine beiden Begleiter um ein Regal herum in dem Wälzer standen, so dick, wie der Unterarm Bandaths lang war, schwarz und mit unendlich vielen Lesezeichen zwischen den Pergamentblättern. Aus den Augenwinkeln nahm Bandath eine Beschriftung wahr und blieb wie angewurzelt stehen.

„Du hast die Chroniken der Reisenden hier?“ Von ganz allein griff seine Hand nach Band eins der Chroniken. „Staub-Kristall“, flüsterte er den Titel.

„Alle acht Bände“, erklärte Bethga. „Später, kleiner Hexenmeister, wenn alles vorbei ist und du noch lebst, dann darfst du reinschauen. Aber jetzt komm endlich!“

Er stellte den Wälzer vorsichtig wieder in das Regal und hastete der Spinnenfrau hinterher. Hinter einem Mauervorsprung strich die Yuveika über den kahlen Fels, der Stein wurde durchsichtig und öffnete sich zu einem Durchgang. Nebelschwaden wallten herein und sie erkannten wenige Schritte vor ihnen den Berghang. Bandath setzte sofort die Pfeife an die Lippen, die er an einer Kette um seinen Hals trug. Ihr unhörbarer Ton würde Dwego und mit ihm zumindest Sokah und vielleicht auch das Quilin Faraels herbeirufen.

„Beeile dich, Hexenmeister. Sieh zu, dass du verschwindest solange Moargids Nebel hält. Es wird nicht lange dauern, dann ist ER zurück. Ich gehe davon aus, dass Tharothil IHN gerufen hat, sobald er wusste, dass du vor dem Tor stehst. Solange du keine Magie wirkst, kann ER dich nicht finden. Du wirst deine Aufgabe also dieses Mal ohne Magie lösen müssen. Es sei denn, du findest die Quelle.“

Nach diesen Worten schloss sich zwischen Bethga und den drei Flüchtlingen der Fels. Sie standen draußen im Nebel.

„Kannst du mir jetzt endlich sagen, was hier passiert?“ Barella war angespannt. Bandath schüttelte den Kopf.

„Das ist nicht so einfach erklärt. Zuerst müssen wir hier weg. Die Magier werden recht schnell mitbekommen, dass wir die Feste verlassen haben.“ Wieder setzte er die Pfeife an die Lippen und blies hinein. „Wir brauchen unsere Reittiere.“ Er machte zwei Schritte auf dem abschüssigen Hang nach vorn, als wolle er bergabwärts fliehen. Doch plötzlich blieb er stehen, als wäre ihm etwas Wichtiges eingefallen.

„Bandath?“ Barella fasste ihn vorsichtig an die Schulter. Er drehte ihr den Kopf zu und seine Augen glänzten wie im Fieber.

„Du meine Güte“, flüsterte er kaum hörbar. „Diese Reinheit habe ich noch nie gespürt.“

„Was?“

„Eine magische Kraftlinie, Barella, in einer Kraft und Reinheit, wie ich sie noch nie zuvor gespürt habe. Selbst vor den ersten Angriffen auf die Magie nicht. Und da ist noch etwas.“

„Was?“, drängte die Zwelfe, als Bandath schwieg.

„Als wir hierher kamen, haben wir mehrere andere Kraftlinien überquert und bei ausnahmslos allen floss die Magie von Go-Ran-Goh fort. In dieser hier fließt sie nach Go-Ran-Goh.“ Er sah sich um. „Ich glaube, wir sollten ihr folgen. Vielleicht führt sie uns zur Quelle, oder zumindest in deren Nähe.“

„Dein Bauchgefühl?“

Bandath nickte mit einer Zuversicht, die er seit Tagen nicht empfunden hatte.

Die Drachenfriedhof-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling

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