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I. DAS ZELT – DONNERSTAG

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Die junge Füchsin witterte, wurde unruhig und blieb nervös stehen. Sie erstarrte, horchte. Aber die Geräusche passten nicht zu dem Geruch. Menschen mussten dort gewesen sein, zu hören war jedoch nichts. Geduckt schlich sie langsam vorwärts. Da war noch ein anderer, verlockender Duft, der ihr in die Nase stieg. Vorsichtig betrat sie den kleinen Talkessel und lauschte.

Der vor ihr liegende Grund wurde fast vollständig von einem Teich eingenommen. Rechts neben der Füchsin schoben Weißdornbüsche ihre stacheligen Äste über das Wasser, blickdicht und undurchdringlich. Links von ihr erstreckte sich eine Wiese, die auf der einen Seite vom Wasser, auf zweien vom Wald und auf der ihr gegenüberliegenden Seite von einer Felswand begrenzt wurde. Das nahezu senkrecht aufragende Gestein beherrschte auch das andere Ufer des Weihers. Munter ergossen sich mehrere Bäche über den Granit in den Teich. Zwischen den Weißdornbüschen verlor sich ein aus dem Weiher kommendes Rinnsal.

Mitten auf der Wiese stand eine uralte, kolossale Eiche, die fast den gesamten Talgrund beschattete. Ihr ausgedehntes Astwerk erreichte die Weißdornbüsche am anderen Ufer. Einer der größten Äste überbrückte den Abstand bis zum Felsen und wuchs dann, von ihm in seinem waagerechten Wachstum aufgehalten, wie ein eigenständiger Baum am Stein nach oben und bildete sogar eine unabhängige, auffällige Krone. Direkt unter dieser prangte ein mannshohes Loch im Gestein, von großen starken Bohlen seit vielen Jahren versperrt.

Langsam stieg die Vormittagssonne so hoch, dass sie an einigen wenigen Stellen durch das Eichenlaub drang und den Grund des kleinen Talkessels erreichte. Am Teich stand ein Zelt, offen. Zwei aufgerollte, aber nicht benutzte Schlafsäcke lagen darin, davor ein größerer und ein kleinerer Rucksack, beide geöffnet und zum Teil ausgeräumt: Wäsche, Handtücher … Die Füchsin schnupperte zwischen den Sachen, steckte die Nase neugierig in eine Plastiktüte und zog sie sogleich leise schnaubend wieder heraus – getragene Socken …

Sie blieb stehen und sah sich um. Auf zwei niedrigen Ästen hingen zum Trocknen aufgehängte Handtücher, feucht vom Tau des Morgens genau wie die auf der Wiese herumliegende Kleidung und die Schlafsäcke. Direkt am Wasser stand ein vor vielen Jahren abgesägter Baumstumpf. Darüber lag ein Geschirrtuch, darauf jeweils paarweise Frühstücksbrettchen, Messer und Becher. Ein kleiner Gaskocher neben dem gedeckten „Tisch“ musste schon vor Stunden sein letztes Gas verströmt haben. Ein verbeulter Aluminiumtopf mit einem darin festgesinterten Rest, dem Versuch einer Beutelsuppe, lag umgekippt daneben. Wahrscheinlich hatten ein paar Krähen den Inhalt geprüft. Darauf wiesen auch die weit um den Baumstumpf verstreuten, taufeuchten, angefressenen Brotreste hin.

Keine Menschen im Talkessel, nur das war wichtig für die Füchsin. Krähen zählten nicht. Die Füchsin sprang zu dem provisorischen Frühstücksplatz der abwesenden Camper. Neben dem Kocher lag eine halbe Salami – die Quelle des Geruches, der sie in den Talkessel gelockt hatte. Für die Krähen zu groß, aber für sie gerade richtig! Sie leckte ein paar Mal daran, biss anschließend vorsichtig hinein und schnappte sich dann kühn die ganze Wurst.

Ein roter Blitz und weg war die Füchsin, auf dem Weg zu ihrem Bau und den darin wartenden drei kleinen Welpen.

Bis zum Nachmittag passierte nichts auf der Lichtung vor dem Teich. Dann trat ein alter Mann, auf einen Stock gestützt, auf die Wiese und sah sich um. Grüne Cordhosen mit deutlichen Spuren jahrelangen Gebrauches und ein fast gleichfarbiges Hemd wurden durch einen langen, braunfleckigen Mantel nahezu verdeckt. Ein großer Schlapphut beschattete das faltige Gesicht mit dem grauen Schnurrbart, dem unrasierten Kinn und den tiefliegenden, wasserklaren Augen. Lange und gründlich musterte er den verlassenen Rastplatz.

„So, sind sie schon drüben?“, murmelte er. „Das ging aber schnell diesmal.“

Danach humpelte er zur Felswand und betrachtete den mit dicken, alten Bohlen gesicherten Eingang einer seit mehreren hundert Jahren verlassenen Silbermine. Im Staub davor konnte er deutlich die Abdrücke von Trecking-Schuhen erkennen. Sacht strich er mit den Fingerspitzen über einen größeren und einen kleineren Abdruck. Er richtete sich wieder auf und prüfte den Eingang. Die zweite Bohle von unten hing schräg bis auf die Erde und zeigte Spuren von Axthieben. Da, wo sie in der Barriere vor der Höhle befestigt gewesen war, war ein schmaler Spalt entstanden, groß genug, einem schlanken Menschen Durchlass zu gewähren. Ein Campingbeil lag daneben und einige verbogene Nägel, rund herum mehrere große und kleine Holzsplitter, denen anzusehen war, dass sie von der Bohle stammten. Deutlich erkannte der Alte vor den Bohlen auf der Erde die Spuren von Füßen und Knien.

Gestern. Es muss schon gestern passiert sein.

Der Mann schüttelte unzufrieden den Kopf. Er zauberte eine Taschenlampe aus den weiten Taschen seiner Hose hervor, kniete sich ächzend hin und leuchtete in die Mine.

„Hallo?“

„Lo-lo“, zitterte das Echo aus der Höhle zurück. Sonst kam keine Antwort, nur das ferne Tröpfeln von Wasser, irgendwo.

„Seid ihr noch da?“

„Da-da“ – und Ruhe.

Er stöhnte und richtete sich langsam wieder auf, eine Hand auf der Bohle, mit der anderen die Taschenlampe und seinen Stock haltend. Danach lehnte er den Stock an den Fels, ließ die Lampe wieder verschwinden und hob die Bohle mühsam hoch. Knirschend stemmte er sie in die Lücke und hieb mit der Rückseite der kleinen Campingaxt behelfsmäßig einen der krummen Nägel in das Holz.

Nur provisorisch, ich will euch nicht einsperren.

Danach ging er mit seinem Stock zum Zelt.

Und was mach ich jetzt damit?

Mühevoll sammelte er die herumliegenden Sachen ein und verpackte sie so gut er konnte. Die Handtücher, die Kleider und das, was er etwas abfällig als „den ganzen Essenskram“ bezeichnete, kamen in die beiden Rucksäcke. Schwierigkeiten hatte er, die Schlafsäcke wieder in die zugehörigen Beutel zu verstauen.

Worin die jungen Leute heute so schlafen. Er brummelte etwas ungehalten, während er sich mit schmerzenden Knien nach dem zweiten Schlafsack bückte.

Als alles fertig war, verstaute er die gesamte Ausrüstung im Zelt.

Ich denke, so zwei, drei Tage kann ich das hier stehen lassen. Wenn sie bis dahin nicht wieder da sind, dann kommt das Zeug in meine Scheune.

Er war der Hüter. Er wusste, wann es soweit war, dass jemand „rüber“ gehen sollte und er musste diese Menschen darauf vorbereiten, aber dieses Mal war er von den Ereignissen überrascht worden.

Sie sind unvorbereitet, das ist nicht gut. Er schüttelte den Kopf. Das ist gar nicht gut!

Die Chroniken der Reisenden. Staub-Kristall

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