Читать книгу Die Verdammten Reiche - Casy Paix - Страница 4

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Epilog

Epilog


--¤-¤--Zacharias--¤-¤--

Meine Pfoten berührten lautlos den harten Steinboden. Eine innere Unruhe trieb mich durch die verlassenen, kalten Gänge.

Wie ich diese Mauern hasste!

Sie engten mich ein und hinderten mich daran meinen ureigenen Instinkt freien Lauf zu lassen.

Ich war ein Wolf aus den Verdammten Reichen und da es schon schlimm war, dass ich nicht jagen und töten durfte, so wie ich wollte, so war es gleich tausendmal schlimmer, dass ich nicht aus diesen verfluchten Mauern herauskam. Ab und an gestattete man mir durch die umliegenden Wälder zu streifen, um meinem Trieb nachzugehen. Das Erlegen eines Hirsches oder Wildschweins befriedigte mich jedoch nicht im Geringsten und ich kehrte mit noch schlechterer Laune zurück als zuvor.

Genauso wie ich diese einengenden Mauern hasste, hasste ich deren Bewohner, die mich Tag für Tag mit Argwohn und Abscheu betrachteten. Keiner von ihnen verstand, warum ein Wolf aus den Verdammten Reichen als Geschenk für die jüngste Tochter des Burgherrn übergeben wurde. Ich verstand es nur zum Teil. Es war die Strafe meines Herrn für meinen Ungehorsam. Es kam seinen Absichten wie gelegen mich in diese von Gesetzen und Befehlen einengende Welt zu verbannen. Mein Herr wusste ganz genau, wie sehr ich diese Einschränkungen hier hasste.

Warum nur hatte es diese Strafe sein müssen?

Ich zog knurrend die Lefzen nach oben und schüttelte meinen gewaltigen Schädel. Es hätte genügend andere Möglichkeiten gegeben mich zu maßregeln, eine schlimmer als die andere. Aber anstatt mir Schmerzen zuzufügen, mir das Fell abzuziehen oder mich in eines seiner dunkelsten Verliese zu sperren, hatte er mich hierher verbannt – als Geschenk.

Ich bog um eine Ecke und stieß versehentlich mit meiner Schulter an eine kleine Kommode. Die alte, verstaubte Vase darauf schwankte gefährlich, hütete sich aber davor hinunterzufallen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich etwas ungewollt zerstört hätte.

Wir Wölfe aus den Verdammten Reichen waren um ein vielfaches größer als unsere Artgenossen aus dieser Welt. Wobei als Artgenossen konnte man uns gar nicht bezeichnen. Normale Wölfe taten nicht das, was wir taten. Sie dienten nicht dem Herrn, dem wir dienten. Unser verfluchter Ruf eilte uns voraus und verbreitete Angst und Schrecken. Kein Wunder also, dass ich von den Bewohnern dieser Burg nur zähneknirschend geduldet wurde.

Ein Geschenk, das man nicht wollte und doch nicht zurückgeben konnte.

Wie ich sie alle verabscheute!

Das Einzige, das ich nicht hasste, war dieses Mädchen dort vor mir, dieses Kind, das genauso gestraft war wie ich und das eine der schlechten Angewohnheiten hatte, die auch ich besaß.

Ich hatte das Ende des Ganges erreicht. Er mündete auf eine von einem kunstvollen Geländer eingefasste Balustrade. Auf der linken Seite verlief der Gang weiter die Wand entlang, zu einer Treppe, die hinab in die Eingangshalle der kleinen Burg führte.

Genau vor dem Geländer kauerte die jüngste Tochter des Hauses und endlich wusste ich, woher meine innere Unruhe herrührte.

Lautlos ging ich näher und spähte über sie hinweg nach unten in die Eingangshalle. Obwohl ich sie nicht berührte, spürte sie mich sofort. Sie krallten ihre kleinen Hände in mein dichtes Fell und vergrub ihr tränenverschmiertes Gesicht darin. Die lauten Stimmen aus der Eingangshalle drangen zu uns hinauf und verhießen nichts Gutes. Ich spürte, wie sich ein Sturm zusammenbraute und zum ersten Mal, seit ich hierher verbannt worden war, schlug mein Herz vor dunkler Vorfreude schneller.

--¤-¤--Ellysa--¤-¤--

Ich drückte mich enger an die kalten Steine der Wand und hoffe in ihrem Schatten untertauchen zu können. Ich kannte jede Vertiefung, jeden Riss und jede Mulde in dem steinernen Gemäuer. Es war mir alles so vertraut und doch fühlte ich in diesem Moment eine Kälte in mir aufsteigen, die ich noch niemals zuvor gespürt hatte. Als würde sich mein Zuhause verändern und mir fremd werden.

Ich ballte ängstlich meine Hände zusammen, um dieses Gefühl wieder loszuwerden, doch es half nichts.

Mein Herz klopfte wild als ich die aufgebrachten Stimmen meiner Schwester und meiner Tante hörte. Sie stritten schon eine geraume Zeit und hatten mich aus meinem Zimmer gelockt und durch die vertrauten Gänge der Burg geführt. Ich war von jeher ein neugieriges und entdeckungsfreudiges Kind, was aber nicht sonderlich verwunderlich war, denn ich war die Jüngste und wollte meinen größeren Geschwistern in nichts nachstehen. Oft folgte ich ihnen heimlich, wenn sie sich mit Freunden oder Liebschaften trafen und genauso oft wurde ich jedes Mal von ihnen erwischt und nach Hause geschleppt, wo ich dann von meiner ältesten Schwester eine Strafpredigt über mich ergehen lassen musste.

Genau dieser Neugier war es jetzt zu verdanken, dass ich mich langsam vorwärts schob und vorsichtig zwischen den eisernen Streben des Geländers nach unten in die große Eingangshalle spähte.

Meine Schwester stemmte angriffslustig ihre Hände in die Hüften und hob herausfordernd ihr Kinn.

„Ellysa untersteht meiner Obhut Tante! Ich werde niemals zulassen, dass du über sie entscheidest, nur, weil ein paar Bauern Angst haben!“

„Du verschließt deine Augen vor dem Offensichtlichen Sira! Die Bauern alleine sind es gar nicht, vor denen ich dich warnen will. Hörst du nicht, was hinter vorgehaltener Hand alles geredet wird? In den Gasthäusern machen die Gerüchte die Runde, von dort werden sie in das ganze Land getragen werden. Du kannst den Händlern und Reisenden nicht Einhalt gebieten darüber zu reden.“

„Warum hast du auf einmal solch eine Angst? Bisher konnten wir die Ängste der Leute beschwichtigen und zerstreuen. Warum sollte das auf einmal nicht mehr gehen?“

Meine Tante fuhr sich fahrig über das Gesicht und ich konnte ihr deutlich ansehen, wie ihre innere Aufgebrachtheit zunahm. Es war nie leicht mit meiner großen Schwester zu verhandeln oder gar zu streiten. Sira ging meist als überlegende Siegerin daraus hervor.

„Sira ich verstehe dich nicht. Wie kannst du so blind sein? Die Gefahr droht nicht von den Bauern oder Händlern die irgendwann an die Tore dieser Burg klopfen werden. Sie droht von jenen, die sie vielleicht mitbringen werden. Willst du einen neuen Krieg herauf beschwören nur, weil du das deiner Schwester zugedachte Schicksal verhindern willst?“

Onkel Debald, der bisher still neben seiner Frau gestanden hatte, legte beschwichtigend die Hand auf ihren Arm.

„Beruhige dich Beth. Vielleicht sollten wir uns bei einem Glas Wein vor dem Kamin niederlassen und das alles in Ruhe besprechen.“

„Ich werde meinen Entschluss nicht ändern Onkel. Geschweige denn werde ich euch bitten länger zu bleiben“, entgegnete Sira eisig.

„Glaube mir mein Kind, ich würde nicht einmal freiwillig länger als nötig in diesen Mauern verweilen!“, schimpfte Beth und wedelte herablassend mit ihrer Hand.

„Ich habe keine Lust aufgefressen zu werden. Das ist ein weiterer Punkt, den ich nicht verstehe Sira. Warum lässt du es zu, dass dieses verfluchte Biest durch eure Gänge streift?“

„Und ich habe dir schon zum wiederholten Male gesagt, dass dich das nichts angeht!“

„Es geht mich sehr wohl etwas an! Wenn die Händler nicht mehr zu einem kommen, weil man als Angehöriger dieser Familie als verflucht gilt. Weil die Nachbarn einen mit Argwohn anstarren, wenn wieder ein Jahr ins Land zieht, in denen sie Tote in ihrer Familie beklagen müssen. Ich verstehe, dass du als Oberhaupt dieser Familie zu deiner Schwester stehst, aber du musst auch an deine Machtstellung denken! Du hast das Amt deines Vaters übernommen Sira! Wie kannst du für die Sicherheit, für das Wohl des Landes einstehen, wenn du das abgrundtief Böse in deinen Mauern beherbergst?“

Die Worte meiner Tante trafen mich wie eine Ohrfeige. Immer mehr Tränen sammelten sich in meinen Augen und es fehlte nicht viel und sie würden unaufhaltsam über meine Wangen laufen.

„Du wirfst mir vor, dass ich Ellysa beschützen will? Sie ist ein Kind! Sie ist erst sieben Jahre alt!“

„Das ändert nichts daran, dass sie den Fluch in sich trägt!“

Ein Wort folgte dem nächsten und jedes tat noch mehr weh als das vorhergehende. Sira und meine Tante stritten immer lauter und der einzige Grund dafür war ich. In diesem Moment hasste ich mich selbst am meisten. Ich hasste meine weißen Haare, meine grauen Augen, von denen mir alle sagten, sie wirkten nicht wie die einer Siebenjährigen, sondern älter – uralt. Und ich hasste das, was in mir war, das was mich ausmachte.

„Solange ich hier bin Tante, werde ich nicht zulassen, dass du Ellysa nach Kassathor verbannst!“

„Du wirst sie nicht immer beschützen können Sira. Wenn der Fluch seine ersten Auswirkungen zeigt, wirst du es verstehen. Dieses Kind wird das Unglück anziehen. Jeder, der über die Jahrhunderte hinweg diesen Fluch in sich trug, hat Verderben über die gebracht, die ihn retten wollten und ich werde nicht zulassen, dass sie unsere Familie zerstört.“

„Es gibt aber zwei Seiten dieses Fluches“, warf Sira ein und funkelte Beth weiterhin wütend an.

„Diese zweite Seite ist nicht stark genug um über die andere zu siegen. Das war sie noch nie!“

„Woher willst du das wissen?“

„Ganz einfach, die vorherigen Träger des Fluchs haben es bewiesen! Wie viele von ihnen haben diese beiden Seiten in sich bändigen können? Sie alle verloren sich im Wahnsinn und letztendlich rissen sie diejenigen mit sich, die sich um sie sorgten.“

„Und du glaubst diesen Erzählungen? Es ist Jahrhunderte her, seit der Letzte, der den Fluch in sich trug, starb. Keiner weiß was damals wirklich geschah! Es sind nur alte Überlieferungen.“

„Wie kannst du nur so blauäugig sein?“

Meine Tante langte nach ihrem Mantel, den mein Onkel über den Arm trug und unwirsch schlüpfte sie hinein. Ihre Lippen waren zu einem harten Strich zusammen gepresst und man sah ihr die Wut über Siras fehlende Einsicht deutlich an.

„Ich wusste schon damals, als mein Bruder von diesem Mann, dieses verfluchte Geschenk bekam, dass uns unglückliche Zeiten bevorstehen werden. Wer schenkt einem zweijährigen Mädchen so ein Biest? Ich weiß nicht, was in meinen Bruder gefahren ist, dass er sich mit solchen Leuten abgegeben hat.“

„Hör auf schlecht über meinen Vater zu reden“, warnte Sira und ging auf das alte Eingangstor zu.

Immer mehr Tränen rannen über meine Wangen und ich unterdrückte so gut es ging ein verräterisches Schluchzen. Durch meine Aufgelöstheit hindurch spürte ich, wie sich Zacharias näherte. Ich spürte seine Wärme in meinem Rücken und Hilfe suchend krallte ich meine Hände in sein graues Fell. Dankbar das er da war, drückte ich mein Gesicht an seine Schulter.

„Du wirst schon sehen, was du davon hast so stur und dickköpfig zu sein. Ich hoffe, dass es dann nicht zu spät sein wird. Bring Ellysa nach Kassathor, bevor es zu spät ist.“

Die Antwort meiner Schwester ging in meinem gedämpften Schluchzen unter. Ich schlang meine Arme um Rias. Er sank zu Boden und ich kletterte schniefend auf sein Rücken. Bitterlich weinend trug er mich zurück in mein Zimmer. In dieser Nacht hatte ich das erste Mal Angst vor dem Morgen. Ich wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, wusste nicht, was ich tun konnte, um meiner Schwerster keinen Ärger zu bereitete. Ich weinte mich in den Schlaf und nicht einmal Rias konnte mich trösten. Aber was auch immer ich hätte tun können, es hätte nichts an dem mir auferlegten Schicksal geändert, das in jener Nacht begann.

Die Verdammten Reiche

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