Читать книгу Die Verdammten Reiche - Casy Paix - Страница 7
--¤-¤-- Zacharias --¤-¤--
ОглавлениеDas Feuer wärmte mein nasses Fell und vertrieb zu einem gewissen Teil meine schlechte Laune. Ich verstand Ellysa nicht. Warum ging sie jedes Mal bei diesem Wetter hinaus auf den Friedhof?
Wie ich dieses trübe Wetter und vor allem den Regen hasste!
Die Herbststürme standen bevor, was wiederum bedeutete, dass es mir noch öfter bevorstand bei Regen und Sturm nach draußen zu gehen.
Jedes Mal meinte sie, ich solle innen bleiben, doch keine tausend Dämonen aus den Verdammten Reichen könnten mich davon abbringen sie irgendwo alleine hingehen zu lassen.
In letzter Zeit wurde das Gefühl sie beschützen zu müssen übermächtig. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals jemanden so verschwören könnte.
Für einen Wolf aus den Verdammten Reichen war ich jung und es gab eigentlich nichts Schöneres für mich, als durch die Wälder zu streifen und jeden zu reißen, der mir über den Weg lief, dabei machte es keinen Unterschied, ob Mensch oder Tier. Der Geruch nach Blut und das Fleisch zwischen meinen Zähnen bedeuteten das pure Glück für mich, aber mit Ellysa hatte sich alles verändert. Jetzt war ich zufrieden, wenn ich mich vor dem Kamin ausstrecken, dem Prasseln des Feuers lauschen konnte und wusste, dass sie in Sicherheit war.
Im Kopf ging ich nochmals das Gespräch mit Ellysa durch. Ich meinte es ernst damit, dass es mir egal war, ob sie das Land mit Dunkelheit überflutete oder nicht. Ich wusste nur, dass sie es sich niemals verzeihen könnte, wenn es tatsächlich so wäre. Schuld daran war diese andere Seite in ihr und die einzige Frage war, wie lange sie es schaffte beide Seelen einigermaßen im Gleichgewicht zu halten. Irgendwann würde auch ich Ellysa nicht mehr beruhigen können, ganz zu schweigen von Viktor und den abschaumartigen Rest, der sie umgab. Sollte es jemals soweit kommen, dann konnten wir alle nur hoffen, dass sie uns in einem Stück in die Verdammten Reiche schicken würde.
Ich spürte, noch bevor sich die Türen zum Thronsaal öffneten, dass sich Unheil ankündigte und meine Vermutung wurde bestätigt, als ich Viktor roch.
Viktor, Ellysas erster Hauptmann, der ebenfalls für ihre Sicherheit sorgte und die restlichen Bastarde in Kassathor unter Kontrolle behielt. Viktor, der sich hier eingenistet hatte aus welchem Grund auch immer.
Viktor, der Dämon, der bei mir ein undefinierbares Gefühl auslöst.
Wie ich ihn verabscheute!
Er nutzte jeden Moment, um verächtlich auf mich hinabzusehen, als wäre er etwas Besseres.
Warum bei allen verfluchten Göttern hatte Ysa ihn nur aufgenommen? Warum war er nicht in den Verdammten Reichen geblieben?
Am Rande bekam ich mit, wie sich Viktor und Ellysa über irgendetwas unterhielten, doch es interessierte mich nicht sonderlich. Ich wollte nur meine Ruhe, vor allem vor Viktor.
Das prasselnde Feuer war so beruhigend, dass ich fast wegdöste, bis ich das Wort Hund hörte.
Wie konnte er es nur wagen, mich als solchen zu bezeichnen?
Wütend öffnete ich meine Augen und versank regelrecht in Viktors braunen Seen. Bei seinem Blick erstarrte alles in mir.
Warum nur? Warum überkam mich in letzter Zeit so ein sonderbares Gefühl bei seinem Anblick und warum wurde es immer stärker anstatt zu verschwinden?
Ellysa schien meine Anspannung mitzubekommen, denn ihr grauer Blick richtete sich auf mich und ich mahnte mich selbst, mich nicht weiter von Viktor provozieren zu lassen.
„Warum geht ihr nicht beide raus und lasst mich alleine?“
„Herrin!“
Meine Augen huschten zu Leah, die gerade zu einem ihrer bekannten Tadel ansetzte, in der Hoffnung Ysa noch etwas mehr Lieblichkeit und Schicklichkeit einzutrichtern.
Die Jahre in denen Ellysa noch etwas angenommen oder gar gelernt hätte, waren allerdings vorüber. Ich hatte sie die ersten Jahre, in denen wir alleine waren geprägt und mir lag wenig an Etikette oder gar Schicklichkeit.
Ein leises Geräusch aus Viktors Richtung ließ mich wieder zu ihm sehen und meine Augen huschten über sein kantiges Gesicht und mir entging nicht sein süffisantes Lächeln.
„Hört auf ihr beiden!“
Ellysas Befehl erlöste mich aus seiner Anziehungskraft und ich wandte schnell den Kopf ab. Viktors dämonische Aura strich um mich herum und setzte sich in meinem Fell fest.
Im Moment wäre ich tausendmal lieber draußen im Regen als mit ihm hier zusammen in einem Raum.
Plötzlich spürte ich Ellysas Angespanntheit und wandte meine Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen vor mir. Ich durfte mich nicht von Viktor ablenken lassen und zum Glück wusste ich gleich, was bei Ysa so plötzlich dieses Gefühl auslösen konnte. Dieses verfluchte Tor!
Jedes Mal, wenn sie daran dachte, wurde sie nervös.
Ich fragte mich oft ob Ellysas Tante und die Männer, die sie damals nach Kassathor verbannt hatten, wussten, dass es dort einen direkten Zugang in die Verdammten Reiche gab. Ob sie wohl wussten, wie viel Glück sie hatten, dass dieses Kind klug genug war, dieses Tor zu versiegeln?
Wohl kaum! Ich hätte ihnen gegönnt, zu erleben was aus diesem Tor alles hervorkommen konnte. Finsternis und Verderben, etwas anderes gab es in den Verdammten Reichen nicht. Bis auf ihn. Er, der über all das dort herrscht. Mein ehemaliger Herr und Meister.
Ellysas innerliche Angst nahm zu und ich riss mich von meinen Erinnerungen los, um sie zu beruhigen, wie ich es so oft tat.
„Du hast das Tor selbst versiegelt, warum jagt es dir jedes Mal aufs Neue so eine Angst ein?“
„Ich weiß es nicht. Es hat etwas an sich das ich nicht greifen, nicht in Worte fassen kann. Es ist schwer zu beschreiben. Genauso wie das, was auch immer zwischen dir und Viktor vorgeht. Warum kannst du dich nicht mit ihm vertragen?“
„Warum sollte ich? Er ist derjenige der nichts besseres weiß als mich jedes Mal aufs Neue zu reizen.“
Mein gedankliches Gespräch mit Ysa verlief in eine Richtung, die nicht gut war. Viktor war eine Sache, über die ich nicht mit ihr sprechen wollte.
Ich legte meinen Kopf auf die Pfoten und versuchte mich auf das warme Feuer neben mir zu konzentrieren. Das gelang mir genau so lange, bis ich erneut Ysas aufgewühlte Gefühle wahrnahm und was noch viel Schlimmer war, ihre erwachende Magie. Schwarz schillernde Fäden woben sich in einem wirren Muster um sie herum und ich verfluchte Viktor auf ein Neues, denn irgendetwas hatte Ellysa so durcheinander gebracht, dass ihre dunkle Seele die Chance nutzte sich zu zeigen und dieser verfluchte Dämon war bestimmt der Grund dafür. Schnell erhob ich mich und ging zu ihr. Sobald mein Fell ihre Fingerspitzen berührte, beruhigte sie sich sichtlich. Ihre Magie ebbte ab und ich spürte, wie ihr Herzschlag langsamer wurde.
„Danke.“
„Herrin geht es euch gut?“
Mein Blick schweifte zu der kleinen, rundlichen Nonne, die sichtlich darum bemüht war, ruhig zu bleiben. Sie war nur etwas älter als Ellysa und ich würde es nie verstehen, wie sie es hier mit all den Dämonen, Mördern und sonstigem Abschaum aushielt.
„Ja, es ist alles in Ordnung. Vielleicht könntest du mir noch etwas zu essen bringen?“
Ich sah Leah hinterher, als sie eilig Ysas Bitte nachkam und den großen Saal verließ.
Ellysa begann mich abwesend hinter den Ohren zu kraulen, eine Angewohnheit, die ich ihr nicht abgewöhnen konnte.
„Was wollte dieser Bote? Hat er eine Nachricht?“
„Er wollte nicht reden, obwohl er einen Dolch an der Kehle hatte.“
„Woher weiß er, dass ich hier bin?“
Viktor zuckte mit den Schultern und ein düsterer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.
„Ich denke, er wusste es nicht. Wahrscheinlich hat man ihn zu dem Wachposten geschickt und alles weitere hat seinen Lauf genommen.“
„Und er war sicher alleine unterwegs?“
Ich hörte Ysas versteckte Drohung und auch Viktor entging sie nicht. Die Gefahr, dass der Bote nicht alleine unterwegs war, war groß. Sollte er oder eine mögliche Begleitung die Gelegenheit gehabt haben nach Hilfe zu schicken, dann konnte es bedeuten das Ellysa in Gefahr war. Ysas bisheriger Schutz galt der Tatsache, dass sich niemand freiwillig Kassathor näherte. Das Kind von damals war wahrscheinlich nicht mehr als eine düstere Geschichte, denn alleine die Möglichkeit das ein siebenjähriges Kind auf sich alleine gestellt überleben konnte, war absurd. Bis jetzt schien es so, als hätte das restliche Land die Fluchträgerin vergessen und es war für alle das Beste, wenn es so blieb. Ellysa war stark geworden und ich wollte mir nicht vorstellen, welche Kräfte sie entfesseln würde, wenn jemand Kassathor oder speziell sie angreifen würde.
„Ein Wort von dir und er weilt nicht mehr unter den Lebenden. Ich bin mir sicher, dass er alleine war, aber wenn du glücklicher bist, wenn er tot ist, dann genügt nur ein Wort“, entgegnete Viktor unbeeindruckt.
Ich wünschte Viktor in die Verdammten Reiche zurück. Sollten er und seine Männer Ellysa durch ihr Handeln wirklich in Gefahr gebracht haben, dann würde ich ihn höchstpersönlich dorthin befördern. Sollte es neue Gerüchte geben, dass sie noch lebte, die Erbin des dritten Burgherrn, noch dazu die Trägerin dieses Fluchs, dann wäre ihr Leben aufs Neue in Gefahr.
Damals in der Eingangshalle, bei dem Streit von Sira und ihrer Tante, hatte mich ein Gefühl reiner Vorfreude gepackt. Ich hatte gespürt das eine Veränderung anstand und sie sehnlichst erwartet. Ich hatte mir so sehr gewünscht aus den einengenden Mauern heraus zu kommen, allerdings nicht auf dem Weg, den wir vor fünfzehn Jahren gezwungenermaßen nehmen mussten.
So ungern ich es mir jetzt eingestehen wollte, so stieg allmählich genau jene Vorahnung wieder in mir auf, nur mit dem Unterschied, dass sie diesmal mit Furcht vermischt war.
Bei den Gehängten der Verdammten Reiche was konnte das nur bedeuten?
„Ich werde ihn selbst fragen, was ihn an die Grenzen von Kassathor geführt hat“, meinte Ysa ruhig und zog ihre Hand aus meinem Fell.
Viktor wandte sich zum Gehen und streifte mich dabei mit seinem Blick.
„Vielleicht solltest du den Hund hier lassen. Das Verlies ist kein Ort für ihn. Am Schluss könnte ich noch auf die Idee kommen ihn dort anzuketten.“
Ich stieß ein leises, warnendes Knurren aus und mein Nackenhaar sträubte sich. Viktors braune Augen verengten sich belustigt und ein wissendes Lächeln glitt über seine Lippen.
„Viktor hör auf ihn zu provozieren! Und du, lass dich nicht ärgern! Du weist doch, wie er es meint.“
Ellysa zwickte mich ins Ohr, während ich mit meinen Blicken versuchte diesen verfluchten Dämon zu töten.
Ja, ich wusste ganz genau, wie er es meinte. Viktor meinte es genau so, wie er es sagte.
Ich folgte den beiden aus dem Thronsaal und mit jedem Schritt nahm dieses ungute Gefühl in mir weiter zu.