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Kapitel 3

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Es war doch schon dunkel, als Dawns Hufe über das Pflaster von Piccadilly klapperten. Miles war so geistesabwesend, dass man von Glück sprechen konnte, dass Dawn den Heimweg auch alleine fand.

Schließlich blieb der Hengst in der Stallgasse hinter dem Haus stehen und gab ein mahnendes Geräusch von sich. Miles kehrte in die Wirklichkeit zurück, saß ab und rief einen Burschen aus dem Mietstall, der auch sofort kam und begann, das Pferd abzureiben. Miles steckte ihm noch eine Mohrrübe zu, klopfte ihm den Hals und begab sich in seine Wohnung, wo ihn sein Diener Nate empfing, ein kleiner, drahtiger Bursche, der ursprünglich aus dem East End stammte. „Willkommen zurück, Sir, hatten Sie einen angenehmen Aufenthalt?“

„Teils, teils“, seufzte Miles und trat ein, so dass Nate ihm Hut und Mantel abnehmen konnte. Schließlich kniete er vor ihm und zog ihm die Reitstiefel von den Füßen, nicht ohne das Leder misstrauisch zu inspizieren – nicht, dass der Herr einen Kratzer hineinpraktiziert hatte! Nein, alles tadellos…

„Werden Sie später noch ausgehen, Sir?“

„Ich glaube nicht, ich habe einiges zu überlegen. Bring mir einen Brandy und zwei Sandwiches ins Arbeitszimmer, Nate.“

Dort saß er dann, schaute gedankenvoll ins Kaminfeuer, nippte an seinem Brandy und dachte an den vergangenen Tag.

Der alte Teufel! Das war doch die reinste Erpressung! Würde er wirklich Eastley Hall dem kleinen Langweiler James vererben? Und er selbst bekäme nur diesen heruntergewirtschafteten Steinhaufen, Easton Manor? Aber der Alte war niemand, der leere Drohungen ausstieß…

Was beim Jupiter konnte ihn denn so verärgert haben? Miles war nun wirklich nicht der Enkel, der jede Woche beim Großvater auftauchte und um Geld bettelte! Er hatte ihn noch nie angebettelt. Gut, mit Ausnahme dieses einen Mals, als er gerade nach Eton gekommen war – aber so nachtragend konnte der Alte doch wirklich nicht sein, nach fünfundzwanzig Jahren?

Und damals hatte er gerade mal eine Guinee erbettelt! Der Earl war steinreich, vermutete Miles. Man musste ja nur an Eastley Hall denken, an das Jagdhaus in Melton Mowbray, an Eastley House in Mayfair… und ein großes Vermögen in sicheren Staatspapieren musste er doch auch besitzen?

Miles selbst hielt nicht viel von Staatspapieren – sicher waren sie, denn was sollte England schon zustoßen, wenn nicht einmal Boney es geschafft hatte? Die Rendite war freilich entsprechend dürftig… er selbst investierte lieber in vielversprechende Projekte wie Kanäle, Fabriken und landwirtschaftliche Neuerungen. Dabei riskierte man vielleicht mehr, aber dafür war der Gewinn auch höher, wenn man sich nicht gerade verspekulierte… Er konnte mit seinen Finanzen durchaus zufrieden sein, aber davon konnte er einen Steinhaufen aus dem sechzehnten Jahrhundert wohl kaum instandsetzen! Und obendrein eine Familie ernähren! Und das außerdem auf dem platten Land, wo man die neuesten Gerüchte und Projekte nicht zu hören bekam!

Dieser alte Teufel… er hatte ihn wirklich im Würgegriff.

Der Steinhaufen war allerdings nur etwa zehn Meilen vom Haus der Allingtons entfernt, also vielleicht knapp zwei Stunden von seiner Wohnung hier. Wenn er auf Easton Manor wohnen würde – besser gesagt: hausen, denn wohnen konnte man das ja kaum nennen – , könnte er doch vier-, fünfmal in der Woche in die Stadt reiten oder fahren, sich in den Clubs umhören, an der Börse vorbeischauen, Kontakte pflegen…

Andererseits: heiraten?

Warum trat ihm jetzt wieder diese Miss Allington vor Augen? Sie war nett, das konnte er nicht bestreiten. Sie verstand offenbar, aus wenig etwas zu machen. Sie kümmerte sich gut um ihren Bruder, der sie eindeutig sehr schätzte. Der Vater freilich war offenbar nicht recht bei Trost.

Hatte er keine anderen Möglichkeiten? Was war mit seiner reizenden Christabelle, bei der sich allerdings manchmal fragte, ob sie wirklich auf diesen Namen getauft war? Und eine Tänzerin konnte er nun wirklich nicht heiraten! Zumindest war sie nicht das, was er dem alten Teufel präsentieren konnte. Im Steinhaufen konnte er sie sich auch nicht vorstellen: Die süße Christabelle, die so viel Sinn für Luxus hatte, würde sich da schön bedanken!

Nur gut, dass diesen Luxus auch noch andere finanzierten – er selbst war wahrscheinlich der knickerigste unter ihren Verehrern.

Wenn er heiraten sollte, war es mit solchen Amüsements ohnehin vorbei, denn so sahen seine Vorstellung einer guten Ehe nicht aus, auch wenn man aus vernünftigen Erwägungen heraus geheiratet hatte.

Welche Frau würde sich für einen Mann interessieren, der möglicherweise nur ein verfallenes Herrenhaus erben würde – schließlich konnten ja immer noch die beiden Söhne ausbleiben, nicht wahr? Eine Countess werden: gut, aber dafür in einer Ruine hausen?

Miss Allington freilich war ein solches Leben wohl schon gewöhnt…

Sie war recht hübsch, sie war absolut nicht dumm und sie schien tatkräftig. Er wiederum hatte genug Geld, um William nach Eton zu schicken – und auch gute Beziehungen zu dieser Schule. Ob sie das überzeugen konnte?

Und was würde Phoebe dazu sagen? Sie wohnte notgedrungen auf Eastley Hall und wurde von ihrer Gouvernante erzogen. Ab und zu schrieb sie ihrem großen Bruder und beklagte sich, wie langweilig es auf Eastley Hall sei, immer nur Unterricht und bestenfalls eine Stunde ausreiten pro Tag, Miss Primford sei aber eine so schlechte Reiterin, dass man nur im Schritt gehen könne. Nachbarn kämen auch nie zu Besuch, für Geselligkeiten sei sie noch zu jung, behaupte der Großvater, der sie überhaupt gar nicht verstehe…

Der Gedanke an Phoebe sprach auch dafür, dass er wirklich über eine Heirat nachdenken sollte. Aber konnte er seine kleine Halbschwester mit ihren zwölf Jahren wirklich in den Steinhaufen holen?

Konnte er über den Steinhaufen überhaupt verfügen? Falls nicht – wo sollte er mit seiner Frau, den erhofften zwei Söhnen und obendrein noch Phoebe und ihrer Gouvernante eigentlich wohnen? Die Wohnung hier war doch eher eine Junggesellenwohnung – ein Salon, ein Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche und eine Kammer für Nate. Außerdem eine Badekammer und außerhalb der Wohnung ein Örtchen mit Wasserspülung, für jede Wohnung ein eigenes: vergleichsweise neuzeitlich.

Wie sahen die sanitären Einrichtungen auf Easton Manor wohl aus? Vermutlich gab es dort nichts dergleichen…

Wenn man ihm die Möglichkeit geben würde, könnte er da natürlich Abhilfe schaffen… aus dem Steinhaufen ein außen traditionsreiches und innen modernes und bequemes Haus zu schaffen, das hörte sich doch eigentlich recht reizvoll an…

Er lächelte und nippte an seinem Brandy.

Personal würde man dort brauchen. Nun, Nate natürlich. Und so etwas wie eine Köchin? Das wusste Miss Allington bestimmt besser als er. Nate konnte allerdings auch einigermaßen kochen…

Also musste er den alten Teufel noch einmal ins Gebet nehmen, um die genauen Bedingungen festzulegen. Einen Hausstand in dieser kleinen Wohnung wollte er nicht einrichten – und in Eastley House durfte er seinen Wohnsitz bestimmt nicht aufschlagen.

Und sobald der alte Earl einigermaßen brauchbare Regeln festgelegt hatte, würde er bei den Allingtons vorbeischauen. Hoffentlich war Miss Allington nicht allzu romantisch veranlagt, denn eine Liebesheirat konnte er ihr nicht bieten, wohl aber ein recht friedliches Zusammenleben und die Arbeit an einer gesicherten Zukunft, auch für den jungen William.

Morgen würde er erst einmal seinen Vermögensstand ermitteln. Was nämlich, wenn der alte Teufel sich stur stellte und ihm außer dem Steinhaufen gar nichts überließ? Weil er vielleicht Miss Allington nicht akzeptieren wollte?

Dann könnte er sich natürlich auch eine andere geeignete Frau suchen…

Ach, Unsinn! Miss Allington schien ihm doch genau passend zu sein. Aber mit ihr in dem Steinhaufen zu hausen, war das wirklich eine so gute Idee? Dass er dann wenigstens auf genügend Rücklagen zurückgreifen konnte, um das Manor bewohnbar zu machen, wäre das doch einigermaßen beruhigend; er durfte sich eben nicht verspekulieren – aber das war ihm noch nie geschehen.

Eine vernünftige Verbindung

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