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Kapitel 5

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Miles hatte seine finanziellen Mittel gründlich revidiert und war zu dem Ergebnis gekommen, dass er einer Frau auch mit einem hartleibigen Großvater einen bescheidenen Wohlstand bieten konnte.

Wenn er die nette, vernünftige Miss Allington dafür ins Auge fasste – ihr würde ein bescheidener Wohlstand wohl wie das Paradies erscheinen! Und der aufgeweckte Junge konnte auf die Schule geschickt werden, es wäre ja schade, seine Anlagen nicht zu nutzen.

Dann sollte er zuerst seinen Großvater auf die Bedingungen festnageln und danach Miss Allington ein Angebot machen - und das würde er jetzt auch sofort erledigen!

Nate wurde zum Stall geschickt, um Dawn satteln zu lassen, er selbst kleidete sich für einen langen Ritt um und eilte dann, in einem modischen Reitmantel, hochglänzenden Stiefeln, Handschuhe und Gerte in der Hand, nach unten, wo Nate mit dem Stallknecht plauderte, der den schnaubenden Dawn knapp am Zügel hielt.

Er warf dem Stallknecht eine Münze zu, tauschte mit Nate ein Grinsen und schickte ihn nach oben, die Wohnung in Ordnung zu bringen, dann schwang er sich in den Sattel und trieb Dawn an.

Unterwegs hatte er viel Zeit, sich Strategien zu überlegen, mit denen er seinen Großvater auf seine Seite ziehen konnte, aber er musste sie alle wieder verwerfen, denn der alte Teufel war ihm fast fünfzig Jahre an Schlauheit voraus – das konnte schwierig werden…

Er blinzelte ab und zu in die hübsche, aber kühle Spätsommerumgebung und ließ Dawn traben, während er sinnierte. Wenn er nur wenigstens Easton Manor sofort haben konnte! Andererseits war es das einzige, das der alte Teufel nicht dem Langweiler James vererben konnte, wenn es am Titel hing.

Er neidete dem Cousin die Zuneigung des Großvaters nicht, auch wenn er sie nicht recht verstand. Musste der alte Earl sich mit dem behäbigen James nicht langweilen? Er selbst war doch deutlich geistreicher und konnte sich mit dem alten Teufel elegant streiten, wobei dann die alten, aber immer noch lebhaften dunklen Augen amüsiert zu funkeln pflegten. James hatte doch bestenfalls ein unterdrücktes Gähnen erreicht?

Gut, das war unfair, eigentlich war er ein herzensguter Kerl.

Aber eben langweilig.

Bei einem Gasthof hielt er an, ließ seinen Hengst tränken und füttern und trank selbst einen Krug Bier, dann ritt er weiter und kam kurz vor der Lunchzeit in Eastley Hall an. Der Butler freute sich, ihn zu sehen: „Lord Miles! Das wird seine Lordschaft aufmuntern!“

War James etwa dagewesen und hatte ihn angeödet? Laut antwortete er aber nur: „Ich werde mein Bestes tun, Morton.“

Der Earl befand sich in der prunkvollen Bibliothek und saß dort an einem großen Tisch, wo er verschiedene Folianten um sich herum aufgestapelt hatte.

„Sie forschen, Sir?“

„Ah, Miles! Was führt dich denn so schnell wieder hierher? Ja, ich versuche einige Aspekte unserer Familiengeschichte zu klären – so lange es diese Familie noch gibt.“ Er seufzte theatralisch, was Miles ein Grinsen entlockte.

„Ich bin durchaus entschlossen, die Linie fortzusetzen, Sir“, erklärte er dann etwas steif.

„Ach! Nun plötzlich doch? Hat der Sinneswandel etwas mit all diesem hier“ – er vollführte eine elegante Handbewegung, so dass der große Rubin an seinem Ringfinger aufblitzte – „zu tun?“

„Gewiss ist das auch ein Grund. Schließlich hänge ich an diesem Anwesen.“ Er hörte sich sehr förmlich an, fand er selbst, aber die Unterstellungen des alten Teufels ärgerten ihn eben.

„Es freut mich, das zu hören. Nun sag mir aber nicht, dass du schon eine geeignete Dame gefunden hast? Vergiss übrigens nicht, dass ich eines deiner Bettschätzchen nicht als künftige Countess of Eastley akzeptieren werde!“

„Ich möchte wirklich wissen, woher Sie Ihre unzutreffenden Informationen beziehen. Welche Bettschätzchen denn?“

„Ach, ein einigermaßen junger, gesunder Mann – und keine Mätresse? Kann ich mir nicht vorstellen.“

Der Earl grinste frech und Miles erlaubte sich ein schiefes Grinsen. „Versteht sich. Aber erstens sind es nie mehrere zur gleichen Zeit, zweitens ist mir selbst klar, dass eine Mätresse sich nicht zur Ehefrau eignet – nicht, dass meine letzte – äh – Gespielin solche Ambitionen gehegt hätte. Ja, und drittens wird sich dieses Thema mit der Eheschließung doch ohnehin erledigt haben.“

„Wie ausnehmend tugendhaft“, spottete Miles´ Großvater.

„Nicht wahr? Aber ich bin nicht gekommen, um meine Tugendhaftigkeit zu demonstrieren.“

„Ach nein?“ Der Earl läutete und Morton erschien mit einer fragenden Verbeugung.

„Brandy und -?“

„Einen Krug Bier. Ich habe heute noch einiges vor.“

„Ach, tatsächlich… Morton, Sie haben es gehört.“

„Sehr wohl, Eure Lordschaft.“

„Also, warum bist du dann gekommen? Willst du verhandeln? Betteln?“

„Wofür halten Sie mich, Sir? Ich möchte nur die Bedingungen etwas präziser erfahren: Kann ich mit Easton Manor sicher rechnen? Meine Londoner Wohnung dürfte für eine ganze Familie doch etwas knapp bemessen sein. Ich könnte natürlich auch etwas Größeres anmieten, sollten sich die von Ihnen so ersehnten Erben eingestellt haben.“

„Tatsächlich. Ich dächte, du hättest das Erbe deiner Mutter längst verspielt und verschwendet?“

„Sie sollten sich statt James wirklich zuverlässigere Gewährsleute suchen, Sir. Meine Vermögensverhältnisse sind durchaus in Ordnung.“

„Na, freut mich zu hören.“ Der Earl verstummte, denn Morton persönlich trat mit einem Tablett ein und reichte dem Schlossherrn den Brandy und dem Enkel einen kleinen Krug Bier. Miles bedankte sich freundlich.

„Ich möchte wissen“, begann er dann, „ob Easton Manor, falls ich darauf zugreifen kann, auch notdürftig bewohnbar ist.“

Sein Großvater lachte keckernd. „Na, durchs Dach regnet es nicht – soweit ich weiß. Es ist schmutzig und verwahrlost und es gibt nur noch zwei oder drei Pächter auf dem Besitz. Man kann davon leben, aber es ist dürftig. Für einen künftigen Earl nicht angemessen.“

„Warum? Wie Sie schon sagten: künftig. Sie, Sir, sind ja ohnehin unsterblich, nicht wahr?“

„Immerhin hast du Humor, das ist mehr, als man von deinem braven Vetter James sagen kann. Der nimmt jedes Wort für bare Münze…“

„Er ist eben ernsthafter veranlagt“, verteidigte Miles den Langweiler James heuchlerisch. Sein Großvater warf ihm auch prompt einen skeptischen Blick zu.

„Ich könnte also eine passende junge Dame heiraten und mit ihr nach Easton Manor ziehen?“

„Vielleicht siehst du dir den Besitz doch lieber erst einmal an? Und hast du schon eine passende junge Dame ins Auge gefasst?“

„Vielleicht. Ist Ihnen Sir Charles Allington ein Begriff?“

„Was! Der Trottel, der glaubt, er habe Anspruch auf Sherborne? Der Herzog werden will? Hat er eine Tochter?“

„Er hat eine Tochter und einen Sohn. Die Tochter ist in den frühen Zwanzigern, der Sohn, William, müsste dringend zur Schule geschickt werden, aber dazu fehlt das Geld.“

„Diese Tatsache möchtest du wohl als Lockmittel einsetzen?“

Miles hob nur die Brauen.

„Wie heißt die Tochter und welchen Eindruck macht sie auf dich?“

„Nun ja – sie heißt Emma oder Emily, ich habe nur den kleinen William gehört, wie er sie „Em“ genannt hat. Ich habe die beiden nur einmal getroffen – gestern, als auf dem Rückweg von hier Dawn zu lahmen begonnen hat…“ Er erzählte, wie er zum Haus der Allingtons gekommen war und was er dort vorgefunden hatte. „Der Vater hat ja offensichtlich vollkommen den Verstand verloren, aber die Tochter bemüht sich sehr, wenigstens das Nötigste zu schaffen.“

Der alte Earl nippte an seinem Brandy und sah seinen Enkel über das Glas hinweg listig an. „Also wird sie auch Easton Manor wieder in Ordnung bringen?“

„Das werde ich schon selbst in die Hand nehmen, Sir. Aber sie wird sich wenigstens nicht ganz so entsetzt umsehen wie eine verwöhnte Debütantin aus der Stadt. Was halten Sie eigentlich von mir, Sir? Ich habe doch nicht vor, die junge Dame als Hausmädchen zu verwenden!“

„Hm.“ Eine bessere Antwort bekam Miles nicht, also bohrte er nach: „Ist mir das Manor also gewiss?“

„Du bist der Titelerbe und das Manor hängt am Titel. Natürlich gehört es dir. Gut, dein Plan erscheint vernünftig. Ich wünsche dir, dass Miss Allington dir nicht die Tür weist, wenn du mit diesem verlockenden Angebot vor sie trittst!“

Das konnte Miles eigentlich nur auch hoffen, resümierte er auf dem Weg zurück. Nun, vielleicht sollte er unterwegs kurz ein paar Meilen nach Norden reiten und sich den Steinhaufen einmal ansehen…

Das Tor an der Straße, die auch nur ein besserer Feldweg war, hing schief in den Angeln und war nicht abgeschlossen. Er zog einen Fuß aus dem Steigbügel und trat es auf, dann lenkte er Dawn hindurch.

Die Auffahrt schlängelte sich etwas willkürlich dahin und war stellenweise so mit Gras und Unkraut bewachsen, dass man kaum noch erkennen konnte, wohin der Weg ging.

Schließlich kam aber das Herrenhaus in Sicht. Das Dach schien unversehrt, die Fenster waren blind, aber immerhin nicht zerbrochen, die Fassade schmutzig und übermäßig mit Wein und Efeu bewachsen.

Miles saß ab, klopfte Dawn beruhigend den Hals und drückte gegen die schwere Tür, die natürlich verschlossen war. Ein kleiner Rundgang führte ihn an eine kaum noch erkennbare Seitentür, die tatsächlich offenstand.

Warum auch nicht, dachte er abfällig, zu stehlen gab es hier wohl nichts mehr.

Wann war das Haus eigentlich aufgegeben worden? Eastley Hall stammte aus der Zeit von William und Mary, war also noch keine hundertfünfzig Jahre alt. Zuvor hatte man wohl noch hier gehaust…

Die Halle war vollkommen leer, das einzige Licht fiel durch ein recht schmutziges Fenster. Keine Bilder, keine Kerzenleuchter, kein Mobiliar.

Er beschränkte sich darauf, die Räume im Erdgeschoss zu inspizieren – einer sollte wohl eine Art Salon sein, dafür sprach ein vereinsamter Stuhl mit vergoldeten Beinen und zerschlissenem rosa Satinpolster, dann gab es zwei Zimmer, die sich als Frühstücks- und als Speisezimmer eignen konnten, denn fast in unmittelbarer Nähe fand sich ein Durchgang zur Küche samt einiger Kammern für Vorräte, Silber und Porzellan. Die Küche enthielt einen sehr alten Herd – also, da gab es mittlerweile doch wohl Komfortableres! Ein weiterer Raum enthielt einige leere Regale, in denen sich eine verblüffende Menge an Staubmäusen befand. Obwohl – hundertfünfzig Jahre? Ach, und ein Buch deutete das Bedürfnis nach Aufheiterung an! Er schlug es auf: Comfort of Faith. Wunderbar, das würde Miss Allington und ihm gewiss ein Trost sein, wenn es doch durchs Dach regnete…

Er stieg nun doch vorsichtig die Treppe hinauf. Ein schönes Treppenhaus, musste er anerkennen, elegant geschwungen und offenbar recht stabil; jedenfalls knarrte nichts in verdächtiger Weise.

Oben fand er insgesamt vier Schlafzimmer und eine – recht vorsintflutliche – Badekammer. Schränke waren vorhanden, Betten: nun ja! Er schlug probeweise auf das pompöse Himmelbett im Schlafzimmer der Hausherrin und hustete in der prompt aufsteigenden Staubwolke. Man musste wohl doch Personal vorausschicken…

Die Gästezimmer und die Dienstbotenquartiere inspizierte er nicht mehr, lieber wollte er sehen, wo die Allingtonschen Pferde und seine eigenen, vor allem Dawn, unterkommen würden.

Die Stallungen sahen traurig aus, aber auch dort schien das Dach noch zu halten. Keine Streu, kein Heu, sehr baufällige Boxen. Sollte Dawn einmal seinen Unmut äußern, könnte das Gebäude aber wohl nicht in sich zusammenstürzen, denn die Mauern wirkten solide. Immerhin gab es hinter dem Stall eine schöne große Koppel, die sogar gemäht war. Offenbar hatten sich hier die Nachbarn bedient?

Wer sollte es ihnen auch übelnehmen, wenn Easton Manor so verlassen dastand…

Er zog das Fazit, dass das Anwesen einen trübsinnigen Anblick bot, aber wohl noch zu retten war. Und so weit war es von hier nicht nach London, so dass er durchaus seinen Geschäften nachgehen konnte, ohne seine künftige Gemahlin mit diesem Steinhaufen ungebührlich lange alleine zu lassen.

Dawn bekam einen Apfel, den er am Rand der Koppel pflücken konnte, dann schwang Miles sich wieder in den Sattel und ritt zum Anwesen der Allingtons, das etwa eine halbe Stunde entfernt lag. Vielleicht kannte Miss Allington das Manor sogar?

Das Haus der Allingtons lag still in der schwächlichen Sonne; er saß ab, band Dawn locker an einen Baum und betätigte den Türklopfer.

Es dauerte etwas, dann öffnete ein junges Bauernmädchen die Tür. „Sir?“

„Ich hätte gerne Miss Allington gesprochen, wenn sie die Zeit erübrigen kann.“

„Oh! Ja, Sir, einen Moment, Sir!“

Sie rannte weg und ließ ihn an der Tür stehen; wahrscheinlich war er der erste Besuch in diesem Haus, seitdem sie hier diente.

Er lächelte und wartete. Schließlich kam die Kleine zurück, knickste und bat ihn herein. Miss Allington kam aus der Küche und trocknete sich gerade die Hände ab, bevor sie freundlich, aber distanziert den Kopf neigte.

Ganz die große Lady, dachte Miles, lächelte und verbeugte sich. „Miss Allington, guten Morgen!“

„Guten Morgen, Mr. Easton. Wie geht es Dawn?“

„Ausgezeichnet, danke der Nachfrage. Ich wollte mich für die freundliche Hilfe gestern bedanken und mit Ihnen sprechen.“

„Aber gerne – der Dank gebührt aber doch wohl eher William? Und er ist im Moment im Pfarrhaus. Der Pfarrer unterrichtet ihn, Sie wissen ja…“

„Ja, ich weiß. Darüber möchte ich gerne mit Ihnen sprechen.“

„Ach? Wollen Sie etwa sein Schulgeld übernehmen?“ Das kam eindeutig spöttisch heraus, aber immerhin ging sie ihm voraus in das kalte Wohnzimmer und wies gewandt auf eines der ältlichen Sofas.

Sie setzte sich und sah Miles fragend an. „Worüber möchten Sie also mit mir sprechen?“

Er spürte, wie sein Gesicht warm wurde, und Miss Allington lächelte. „Ist es so schwierig?“

„Ja“, seufzte er, ohne großartig nachzudenken, „ich hätte es vorher nicht gedacht, aber jetzt weiß ich wirklich nicht, wie ich anfangen soll.“

„Mir scheint, in dieser Situation waren Sie noch nie?“

„Da haben Sie ganz Recht, Miss Allington. Darf ich fragen, wie Sie mit Vornamen heißen?“

„Emily. Und Ihr Name, Mr. Easton?“

„Ich heiße Miles. Und jetzt werde ich es ganz plump versuchen: Wollen Sie mich heiraten?“

Wie bitte?“

„Ich sagte ja, ich versuche es ganz plump. Das Schwierigste ist damit geschafft, jetzt könnte ich Ihnen meinen Plan in Ruhe auseinandersetzen, wenn ich darf?“

„Ich bitte darum“, antwortete Emily Allington schwach.

„Zunächst hat mein Großvater mir ja die Pistole auf die Brust gesetzt, ich solle endlich heiraten. Zugegeben, damit hat er wohl nicht ganz Unrecht, ich bin fünfunddreißig und werde zu gegebener Zeit auch einen Titel zu vererben haten – den Titel, den im Moment mein Großvater trägt. Er ist der Earl of Eastley.“

„Oh, ich glaube, davon habe ich schon gehört – Eastley Hall? Etwa eine knappe Stunde von hier und Richtung Nordwesten?“

„Richtig. Ich hoffe, den Besitz eines Tages zu erben, aber leider gehört er nicht zum Titel. Der alte Teufel -“

„Mr. Easton!“

„- mein Großvater. Sollten Sie ihn einmal kennenlernen, werden Sie mich verstehen. Er hat jedenfalls verkündet, sofern ich nicht umgehend heirate und natürlich auch für – äh – die Nachfolge sorge, bekomme ich nur Easton Manor, das eine ziemliche Ruine darstellt, denn das hängt am Titel. Geld und die Hall gingen dann an meinen biederen Cousin James.“

„Hm. Und deshalb wollen Sie jetzt die Erstbeste heiraten? Ich weiß nicht, ob ich mich da geschmeichelt fühlen soll…“

„Nein, so sollten Sie es keinesfalls auffassen, Miss Allington. Sie haben mir nur bei meinem Besuch gestern den Eindruck vermittelt, dass Sie tatkräftig sind, energisch, praktisch, angesichts von widrigen Umständen nicht jammernd auf einem Sofa liegen, sondern zupacken können. Obendrein sind Sie, denke ich, klug und schlagfertig. Man kann sich gut mit Ihnen unterhalten, jedenfalls erscheint es mir so. Humor scheinen Sie auch zu haben.“

„Den würde ich wohl auch brauchen?“

Miles grinste. „Da sehen Sie es! Sie haben Humor!“ Sie erwiderte das Lächeln etwas vorsichtig. „Nun ja, unser Vater hat das wohl erforderlich gemacht. Das Leben hier ist schon eine gewisse Herausforderung.“

„Und Sie genießen diese Herausforderung?“

Sie legte den Kopf schief. „Habe ich eine Wahl? Wenn ehrlich bin: Nein, ich genieße sie nicht. Ich hätte gerne mehr Vorräte, wüsste William gerne auf einer guten Schule und würde gerne auch etwas mehr den Kontakt mit den Nachbarn pflegen – aber hier wohnt niemand so, dass man ihn rasch mit dem Gig erreichen kann.“

„Ich denke, ich könnte Ihnen dabei behilflich sein“, sagte Miles und beobachtete sein Gegenüber.

„Indem Sie mich heiraten? Wie hätte ich mir das vorzustellen?“

„Nun, zu allererst könnten wir William nach Eton schicken. Ich habe sowohl das nötige Geld als auch gute Kontakte.“ Er grinste. „Man erinnert sich dort sicherlich noch an mich, wenn auch vielleicht nicht immer im besten Sinne.“

Sie nickte, ohne seinen matten Scherz mit Kichern zu würdigen. Gut so, Gekicher mochte er nicht, herzhaftes Gelächter durchaus.

„Wir müssten natürlich Easton Manor wieder zu einem bewohnbaren Landsitz machen – dieses Anwesen kann mir mein Großvater nicht nehmen, es gehört ja, wie bereits erwähnt, zum Titel. Aber wenn auch das Manor in einem traurigen Zustand ist – ich habe auf dem Weg hierher einen Blick darauf geworfen - unbewohnbar ist es nicht, aber unmöbliert.“

„Oh…!“

„Erschreckt Sie das sehr?“

Sie lächelte geradezu sehnsüchtig. „Im Gegenteil. Ein altes Haus von Grund auf auszugestalten, das würde mir sehr großen Spaß machen. Hätten wir Mittel für wenigstens die nötigsten Dienstboten?“

Sie hatte wir gesagt!

„Dienstmädchen, zwei Diener, eine Köchin, einen Stallburschen? Gewiss doch. Möchten Sie Ihren Vater mitnehmen?“

„Nein, du lieber Himmel! Man kann ihn nicht mehr verpflanzen, fürchte ich. Die kleine Deidre würde ich aber gerne mitnehmen, sie wird mit Vater ohnehin nicht fertig.“

„Also für Ihren Vater einen stoischen Diener, der auch kochen kann?“

Sie seufzte. „Wo sollte man einen solchen Mann wohl finden?“

„Überlassen Sie das mir, - Emily?“ Er griff nach ihrer Hand. Sie lächelte etwas schief. „Recht geschäftsmäßig – Miles. Aber ich denke, das wird das beste Angebot sein, dass ich in meinen Jahren noch erwarten kann, nicht wahr?“

„Möchten Sie lieber auf die große Liebe warten? Die kann ich Ihnen vielleicht nicht bieten, aber ich denke, wir würden uns gut verstehen und angenehm zusammenleben. Wäre das nicht schon recht nett?“

„Doch, gewiss…“

„Jetzt hätte ich beinahe ein Geständnis vergessen – ich habe noch eine kleine Halbschwester, Phoebe. Sie ist zwölf und lebt zu ihrem Missvergnügen bei meinem Großvater. Sobald das Manor ein hübsches Zuhause geworden ist, würde ich sie gerne zu uns nehmen. Wäre Ihnen das eine zu große Belastung?“

„Nicht doch! Vergessen Sie nicht, sie ist gerade so alt wie William. Das könnte doch in den Schulferien recht gemütlich werden?“

„Dann wären wir uns einig?“ Er erhob sich und Emily tat es ihm gleich. Sie streckte die Hand aus. „Ja, wir sind uns einig. Wann und wo soll die – sollen die Förmlichkeiten – äh.“

„Die Hochzeit? Nun, wann und wo Sie wollen. Wollen wir uns aufbieten lassen, wie es der Brauch ist oder soll ich eine Sondergenehmigung besorgen? Noch wohne ich in London, es wäre also gar keine Mühe.“

„Ach, lassen wir uns ruhig aufbieten, dann redet die Nachbarschaft weniger. Können wir uns vorher schon einmal das Haus anschauen?“

„Gewiss. Ich bringe meinen Diener Nate mit, damit dem Anstand Genüge getan ist. Und ich sollte meine Braut auch dem Großvater vorstellen.“

„Dem alten Teufel? Muss ich mich fürchten?“ Der Spott war deutlich hörbar.

Er lächelte anerkennend. „Mit dieser Einstellung ganz gewiss nicht! Er hat eine scharfe Zunge, aber Sie können da ganz offensichtlich mithalten, Emily. Ach – sollte ich der Form halber vielleicht bei Sir Charles um Ihre Hand anhalten?“

„Versuchen Sie´s“, war die trockene Antwort. „Ich mache währenddessen Tee.“

Das klang wenig vielversprechend; er zuckte die Achseln und schlug den Weg ein, den Emily ihm wies. Auf sein Klopfen hin ertönte von innen ein unwirsches Brummen, das nahm Miles einmal als Aufforderung und trat ein.

Sir Charles spähte über seine Brille zur Tür. „Wer sind Sie denn?“

„Mein Name ist Miles Easton, Sir Charles. Ich -”

„Was haben Sie mir mitgebracht, Mr. – äh?“

„Wie bitte? Ich möchte Ihre -“

„Den Stammbaum? Einen Erbvertrag? Verschollene Briefe?“

„Nichts dergleichen. Ich möchte Ihre Tochter heiraten, Sir Charles.“

„Meinetwegen“, war die gemurmelte Antwort, während der Blick des alten Mannes schon wieder auf die zahllosen Papiere auf seinem Schreibtisch gerichtet war.

„Haben Sie wirklich erfasst, was ich gesagt habe?“

Sir Charles sah ruckartig auf und starrte seinen Besucher ärgerlich an. „Was? Natürlich! Sie heiraten Emily. Bin nicht senil, junger Mann!“

„Werden Sie hier alleine zurechtkommen?“

Sir Charles winkte desinteressiert ab und begann, einen Papierstapel zu durchsuchen. Miles gab es auf und verließ den Raum. Draußen lächelte ihm seine nagelneue Verlobte spöttisch entgegen. „Lassen Sie mich raten: Es hat ihn nicht im Geringsten interessiert?“

„So ungefähr. Ist ihm eigentlich klar, dass er hier auf sich selbst gestellt sein wird? Dass ihn niemand versorgen könnte?“

Emily schüttelte den Kopf. „Das verstehen Sie nicht, fürchte ich. Sehen Sie, in wenigen Tagen wird er doch Sherborne übernehmen, weil er der wahre Herzog ist, und dann wird er über ganze Heerscharen von Dienstboten verfügen…“

„Sein Anspruch hat doch nicht einmal den Hauch einer vernünftigen Grundlage, oder?“

Sie winkte ab. „Natürlich nicht! Das Herzogtum ist seit Generationen ganz gesetzmäßig vererbt worden. Ich glaube, Vater führt den Anspruch auf einen königlichen Brief zurück, der leider gar keinen Wert hat. Anscheinend soll Richard III ihm die damalige Baronie Sherborne verliehen haben, aber diese Standeserhöhung – wenn es sie denn jemals gegeben haben sollte – wurde offensichtlich auf Betreiben Henry Tudors vom Parlament für ungültig erklärt. Schon vor der Parlamentsherrschaft hatte ja eine ganz andere Familie das Dukedom inne. Vater hätte sein Vermögen und seine Energie wirklich besser auf dieses Anwesen hier verwenden sollen.“

Dem war nichts hinzuzufügen. Sie legten die Termine für den Antrittsbesuch auf Eastley Hall fest, für die Hochzeit – drei Wochen nach dem nächsten Sonntag – und entschieden sich für die Kirche, die dem Haus der Allingtons am nächsten lag. Miles´ taktvolle Frage, ob Emily einen Zuschuss für eine standesgemäße Garderobe brauchen konnte, wurde mit Kopfschütteln beantwortet; für Williams Ausstattung nahm sie aber gerne eine bescheidene Unterstützung an.

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