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Kapitel 2

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„Wirklich, Gabriel“, wiederholte die verwitwete Viscountess Hartford, entspannt auf dem blausamtenen Sofa im türkischen Salon ihres Stadthauses am Berkeley Square sitzend.

Der so Angesprochene seufzte und sah sich in der blaugoldenen Pracht um, bevor er gepeinigt kurz die Augen schloss. „Liebe Honoria, hast du eigentlich auch einen Salon, der für den menschlichen Aufenthalt geeignet ist? Dieser hier ist nur geringfügig weniger furchtbar als das chinesische Horrorkabinett. Was hast du gegen zurückhaltende Farben und klassische Formen einzuwenden?“

Seine Stiefmutter ging darauf nicht weiter ein, sondern verfolgte ihren eigenen Gedankengang weiter: „Du bist jetzt achtunddreißig! Andere haben in diesem Alter längst die nötigen Kinder – und du? Du hast noch nicht einmal eine passende Frau ins Auge gefasst! Ich weiß ja auch, dass zurzeit nicht viele Veranstaltungen geboten sind, aber auch diese kleine Saison kann eine Möglichkeit sein. Geh doch wenigstens auf einige Bälle und sieh dich ein wenig um! Und wenn du das um deiner Zukunft willen nicht tun willst, dann tu es um meinetwillen. Ich mache mir doch Sorgen!“

„Immerhin habe ich doch einen Titel, Grundbesitz und ein beträchtliches Vermögen zu vererben? Das wolltest du doch als Nächstes sagen?“ Gabriel Woodley, Viscount Hartford, grinste seine Stiefmutter frech an. „Schließlich ist das ja nicht erste derartige Predigt!“

„Gegen die wiederholten Predigten gibt es ein ganz einfaches Mittel!“ Die alte Witwe grinste mindestens genauso frech. „Heirate und du hast deine Ruhe!“

„Ob wohl jemals jemand aus diesem abwegigen Grund geheiratet hat? Hast du vielleicht auch schon eine passende Frau für mich im Auge, Honoria?“

Diese schnaubte. „Ich denke nicht daran! Natürlich weiß ich, wie die richtige Frau für dich aussehen müsste, aber suchen darfst du sie gerne selbst.“

Hartford zog die Augenbrauen hoch. „Wie außerordentlich interessant. Wenn du gestattest, werde ich mir, um den Genuss dieser Beschreibung noch zu steigern, einen Brandy gönnen. Du auch einen?“

„Einen kleinen Sherry, bitte.“

Als sie ihr Glas hatte und der Viscount sich, einen größeren Brandy in der Hand, wieder bequem in seinen Sessel gesetzt hatte, begann sie: „Nicht zu jung. Kein Gänschen aus dem Schulzimmer. Irgendetwas zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. Vernünftig. Eine kluge Gesprächspartnerin.“ Sie grinste. „Ein Hauch von Frauenrechtlerin würde nicht schaden, das hält dich jung und frisch. Aus guter Familie, aber niemand, der dauernd auf seinen Rang pocht. Sie sollte das Landleben ebenso schätzen wie Aufenthalte in der Stadt und imstande sein, einem großen Haushalt vorzustehen. Mitfühlend, aber nicht naiv. Möglichst keine zu unangenehmen Verwandten, aber denen könnte man notfalls aus dem Weg gehen.“

Hartford trank einen großen Schluck. „Ein Fabelwesen! Du glaubst nicht ernsthaft, dass es eine solche Frau gibt?“

„Warum nicht? Annabelle Norton ist - nun, besser gesagt, wird - eines Tages eine solche Frau sein.“

„Aber sie ist schon verheiratet, das ist ein Minuspunkt. Und ganz ehrlich, sie ist reizend, aber sie könnte meine Leidenschaft nicht wecken.“

„Umso besser, denk nur an Stephen Norton. Ich meine nur, solche Frauen gibt es. Du musst nur suchen. Und fang damit an, bevor du ein kauziger Tattergreis bist!“

„Deutliche Worte, meine liebe böse Stiefmutter!“ Er trank sein Glas aus und erhob sich, um ihr die Wange zu küssen. „ich werde jetzt gehen und über deine weisen Worte nachdenken. Wann ist denn der nächste geeignete Ball?“

Lady Hartford lächelte triumphierend. „Übermorgen – und sogar bei Amelia Ramsworth!“

„Oh, das ist nun wirklich eine reizende Frau. Leider nach deinen Kriterien zu alt, nicht wahr?“

Ohne seiner Stiefmutter Gelegenheit zu geben, dies zu kommentieren, eilte er hinaus.

*

Tatsächlich kam ihm, als er nach Hause zurückkehrte, sein elegantes Stadthaus in der South Audley Street auf eine undefinierbare Weise leer vor, obwohl er von seinem Butler Murray, seinem Kammerdiener Grisley und einem ganzen Heer von weiblichen Bedienten - von Mrs. Adams, der Köchin, abwärts - auf das Beste umsorgt wurde.

Mit einem weiteren Brandy saß er in der Bibliothek, starrte ins Feuer und überlegte, ob es wirklich Zeit war, zu heiraten. Irgendeine passende Frau… Honoria, die alte Nervensäge, hatte seine Idealfrau gar nicht so schlecht beschrieben – aber eine solche Frau gab es doch gar nicht!

Wenn Honoria nicht irgendein perfektes, nur leider verarmtes Mädchen aus dem Ärmel schütteln konnte – nein.

Er war zwar ein harter und zuweilen hochmütiger Mann, nicht ohne politischen Einfluss und sehr aktiv, wenn es um die industrielle Entwicklung Englands ging, aber im Inneren war er wohl doch so etwas wie ein Romantiker – er wollte eine Frau auch lieben können.

Damit rechnete Honoria bestimmt nicht. Damit rechnete wohl niemand!

Und mit dieser Wunschliste sollte er auf Bälle gehen und das Angebot an jungen Gänschen studieren?

Ganz bestimmt nicht! Noch einen Brandy? Nein, er würde gegen acht zu Abend essen und dann ruhig in der Bibliothek sitzen, bis es Zeit war, sich früh zur Ruhe zu begeben.

Er verzog spöttisch das Gesicht: Offenbar wurde er wirklich schon alt!

Gut, er würde übermorgen auf Amelia Ramsworths Ball gehen. Das war keine zu schreckliche Massenveranstaltung, bei der man beinahe zu Tode gedrückt wurde, sondern ein eleganter Ball mit überschaubaren Mengen an Gästen. Und im Allgemeinen wählte sie diese Gäste auch sehr sorgfältig aus. Dort konnte man als alternder konservativer Politiker durchaus auftauchen! Und Amelia Ramsworth würde sich über seine Anwesenheit freuen…

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