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Kapitel 2

29. Juni 1888

Die Pferde und bunten Wagen der Sinti bewegten sich langsam die staubige Straße entlang. Die Reisenden hatten es nicht eilig. Manche begleiteten den Zug zu Fuß, andere saßen auf den Wagen oder ritten zu Pferde. Kinder rannten von einem Wagen zum anderen, verfolgt von großen, zotteligen Hunden, die aufgeregt bellten. Hin und wieder vernahm man das Schreien eines Säuglings. Das Geklapper der beschlagenen Hufe mischte sich mit dem fröhlichen Geschwätz der Frauen, dem Geschrei der Kinderschar und den gelegentlichen Rufen der Männer.

Es war ein noch junger Tag und man hatte noch ein gutes Stück Weg vor sich. Die Sonne war angenehm mild um diese Zeit, doch später würde sie sengend auf die Menschen niederbrennen und das fahrende Volk würde für die heiße Mittagszeit sein Lager irgendwo an einem schattigen Plätzchen aufschlagen und den Weg erst am Nachmittag fortsetzen.

Ivo und Sergio ritten an der Spitze des Zuges. Die beiden Brüder waren die Söhne von Santino, dem Anführer der Sippe.

„Schau mal Ivo“, rief Sergio plötzlich und deutete nach vorn. „Da liegt jemand am Wegesrand.“

Sergio spornte sein Pferd an und galoppierte zu der am Boden liegenden Gestalt, stieg eilig ab und kniete sich neben den leblosen Körper. Mit kundigen Fingern prüfte er den Puls.

„Er atmet noch!“, rief er seinem Bruder zu, der nun ebenfalls heran geritten kam.

Ivo gewahrte den prächtigen Hengst, der in einiger Entfernung graste. Er kannte sich mit Pferden aus und dieses Pferd war viel zu kostbar für die traurige Erscheinung seines Reiters. Offensichtlich hatte der Bursche das Pferd irgendwo gestohlen und war mit dem edlen Tier nicht fertig geworden, sodass er abgeworfen worden war. Geschah ihm recht. So ein Pferd musste man zu handhaben wissen und Ivo war gut im Umgang mit Pferden, wie die meisten Sinti.

„Wir müssen ihm helfen“, meinte Sergio.

„Lass ihn liegen. Wir nehmen das Pferd mit“, sagte Ivo und ritt auf das reiterlose Tier zu. Es ließ sich willig einfangen und schnaubte freudig, als er es mit sich führte.

Inzwischen waren auch die Anderen an der Unglücksstelle angekommen und schauten neugierig auf den Verletzten herab. Ein großer Mann mit vollen schwarzen Haaren und einem ebensolchen Schnurrbart löste sich aus der Menge und trat neben Sergio.

„Lebt er?“, fragte der Mann mit polternder Stimme.

„Ja Vater. Der Puls ist normal. Ist auf den Kopf gefallen, schätze ich“, antwortete Sergio.

Er nahm dem Fremden den Hut ab, um nach einer möglichen Verletzung zu sehen und erstarrte. – Langes, blondes Haar quoll aus dem Hut hervor.

„Eine Frau!“, rief er erstaunt und die Leute kamen neugierig näher.

Man drängte sich um die beste Sicht und Mutmaßungen wurden angestellt. Eine Frau in Männerkleidung und ein kostbarer Hengst. Das gab Rätsel auf und die Sinti liebten Rätsel.

„Macht Platz! Zurück mit euch!“, schnauzte Santino und die Leute wichen etwas zurück, murrten aber und begannen bereits wieder, sich gegenseitig hin und her zu schubsen und voran zu drängen, als der Anführer die junge Frau begutachtete und sie auf den Rücken rollte.

Eine alte Frau kletterte erstaunlich flink von einem der Wagen und die Menge machte ihr respektvoll Platz. Ihre Augen waren blind, aber sie bewegte sich zielsicher auf die am Boden Liegende zu.

„Sie ist Schicksal. Wir müssen sie mitnehmen“, raunte die Alte bestimmt.

Aufgeregtes Gemurmel entstand. Man hatte nicht gerne Fremde im Lager, doch die Alte war eine allgemein respektierte Frau und was sie sagte, war von großer Gewichtigkeit. Sie war die weise Frau, eine Seherin.

„Wessen Schicksal?“, fragte Santino, dem die Sache gar nicht schmeckte, ungehalten.

Die Alte war seine Schwiegermutter und er hatte einigen Respekt vor ihr, was nicht bedeuten musste, dass er gewillt war, diese merkwürdige junge Frau mitzunehmen. Sicher würde es ihnen nur Ärger einbringen. Wer wusste, was dieses Mädchen verbrochen hatte. Womöglich wurde sie gesucht.

„Das weiß ich noch nicht, aber es wäre schlecht für die Sippe, sie hier zu lassen, das flüstern mir die Ahnen. – Sie ist Schicksal!“, antwortete die Alte entschlossen.

Santino kratzte sich am Kinn und musterte skeptisch die merkwürdige Frau in Männerkleidung. Ihm war nicht ganz wohl bei der Sache, aber er wagte nicht, der alten Frau zu widersprechen. Mehr als einmal hatte er erfahren, dass es besser war, auf das zu hören, was sie sagte. Schließlich seufzte er ergeben.

„Also gut. Schafft sie auf einen Wagen, dann geht es weiter. Wir wollen noch ein Stück Weg schaffen, ehe es Mittag wird“, befahl er schließlich mürrisch.

Der Unbezähmbare

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