Читать книгу Torn apart - Zerrissen zwischen zwei Männern - Cedrina Lautenfeld - Страница 4

Erstes Kennenlernen

Оглавление

Inzwischen fuhr Cassandra fast täglich den Weg von ihrer Studenten-Wohngemeinschaft zur Uni mit dem Fahrrad. Es war kein weiter Weg. Sie brauchte nur 17 Minuten für die Strecke von der U-Bahn Christuskirche im Stadtteil Eimsbüttel über die Schäferkampsallee, die Schröderstiftstraße, dann links abbiegend in die Rentzelstraße hin zum Grindelhof, wo sich die meisten Gebäude der Hamburger Universität befanden. Anfangs war ihr die Uni so groß und unübersichtlich vorgekommen. Jetzt im 2. Semester hatte sie sich an die Gegebenheiten gewöhnt und fühlte sich wohl in der Uni.

Cassandra war 20 Jahre alt, studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzen und Versicherungen. Sie war eine ernsthafte Studentin, der Lernen wichtiger war als Party machen, weshalb sie auch nach ihrem 1. Semester an der Uni unbedingt aus dem Studentenwohnheim ausziehen wollte. Der Weg zur Uni war zwar zu Fuß zu bewältigen, doch das Lernen in ihrem Zimmer dort war Schwerstarbeit. Entweder hörte sie ihre Kommilitonen Lärm machen oder es kam jemand in ihr Zimmer, der fachbezogen Hilfe brauchte oder einfach nur reden wollte. Wirklich Ruhe zum Lernen hatte sie im Studentenwohnheim nicht gehabt.

Eine Studenten-Wohngemeinschaft war zwar teurer als ein Zimmer im Studentenwohnheim, aber dafür viel, viel ruhiger. Cassandra hatte nur zwei Mitbewohnerinnen. Emilie, eine ganz stille, schüchterne Studentin und Cecilia, die zwar nicht ganz so still und ruhig war wie Emilie, aber sich zumindest an die Hausordnung hielt. Cassandra mochte Emilie, beide wurden schnell Freundinnen. Mit Cecilia verstand sich Cassandra nicht so gut, obwohl oder vielleicht gerade weil sie das gleiche Fach studierten. Cecilias BWL-Studium hatte den Schwerpunkt Personalführung, womit sie auch ihr großes Interesse an Studentenpartys begründete. Cassandra hatte eher den Eindruck, dass Cecilia nur studierte, weil sie nicht wusste was sie sonst machen sollte und weil ihre Eltern, insbesondere ihr Vater, Wert darauf legten, dass ihre Tochter studierte. Cecilia war ein Einzelkind, was sie zu weilen durch eine überaus ausgeprägte Eigensinnigkeit unter Beweis stellte.

Cassandra wollte nicht auf die in ihrem ehemaligen Studentenwohnheim statt findende Studentenparty gehen. Doch Cecilia nervte sie so lange bis sie mitkam. Es war eine dieser üblichen Partys mit viel lauter Musik, viel Alkohol und viel Chaos in den Zimmern. Cassandra hatte sich eine Cola-Flasche organisiert, an der sie sich stundenlang festhalten konnte und mit deren Hilfe es ihr gelang alle Angebote alkoholischer Getränke abzulehnen. Nicht das Cassandra Alkohol gänzlich verschmähte, doch sie trank lieber in Ruhe ein Glas Wein, Sekt oder auch einmal einen Cocktail. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob in den angebotenen Gläsern oder Flaschen wirklich drin war, was drin sein sollte. Sie war vorsichtig und hatte letztendlich ihren Spaß beim Betrachten des bunten Treibens.

Dabei fiel ihr auch ein Student auf, von dem sie schon gehört hatte. Er hieß René und war bekannt dafür viel trinken zu können und danach trotzdem noch ein oder mehrere Mädchen vögeln zu können. Ob das stimmte oder nur üble Nachrede war, wusste Cassandra nicht. Es war ihr auch egal. Doch eines stimmte auf jeden Fall. Dieser René sah sehr gut aus und er hatte einen wirklich sexy Waschbrettbauch, wovon sich Cassandra fast hautnah überzeugen konnte. René war umringt von mehreren Mädchen, als eine anzüglich sein T-Shirt lüftete und direkt vor Cassandras Augen ein wirklich eindrucksvoller Waschbrettbauch zum Vorschein kam. Cassandra wollte nicht wegsehen, sondern genoss den Anblick dieses schönen Körpers. René bemerkte ihren Blick und versuchte zu ihr Kontakt aufzunehmen, doch die anderen Mädchen, die sich regelrecht wie Kletten an ihn gehängt hatten, verhinderten dies. Cassandra lächelte souverän und wendete sich ab. Kurze Zeit später verließ sie gelangweilt die Party. Cecilia war nirgendwo zu finden gewesen und so ging Cassandra allein nach Hause.

Ein paar Tage nach dieser Party begegnete Cassandra René auf dem Campus. Er sah sie an, lächelte und ging weiter. Dann ein paar Schritte später, stand er plötzlich wieder vor ihr. Cassandra erschrak regelrecht, denn sie hatte nicht mit seinem plötzlichen erneuten erscheinen gerechnet. Sie stoppte und wurde rot. Es war ihr unangenehm, dass sie rot wurde. Es musste so aussehen, als sei sie ein dummes Schulmädchen. Doch die Röte wollte so schnell nicht wieder verschwinden. Genervt schaute sie René an und musste unwillkürlich lächeln, denn dieser René hatte ein so charmantes Lausbubenlächeln drauf, dem sie einfach nicht widerstehen konnte.

Er fragte nach ihrem Namen. Doch Cassandra verweigerte die Auskunft. Als er sie „Cassandra“ nannte, musste sie erneut lächeln. Noch während sie sich fragte woher er ihren Namen kannte, kam von ihm die nächste Charmeoffensive. Er bat sie um ein Treffen im nahe gelegenen Café, doch sie lehnte ab. Er ließ aber nicht locker und so verabredeten sie sich auf einen Cappuccino im Café. René verabschiedete sich charmant und ließ sie gehen.

Cassandra war froh diesen zwar charmanten, aber auch sehr eingebildeten Typen losgeworden zu sein. Sie hatte keinerlei Absicht ihn im Café zu treffen und so verstrich der Zeitpunkt ihres Treffens ohne das Cassandra auch nur eine Fußspitze in das besagte Café gesetzt hatte.

René war vor der Zeit im Café erschienen, hatte sich einen Cappuccino bestellt und wartete mit seinem Mobiltelefon spielend auf das Erscheinen von Cassandra. Doch sie kam nicht. Obwohl es schon 15 Minuten nach der vereinbarten Zeit war, wartete er eine weitere Viertelstunde. Aber Cassandra war immer noch nicht erschienen.

René war in seinem Ego gekränkt und überlegte was nun zu tun war. Dann drückte er ein paar Tasten auf seinem Mobiltelefon und sein Freund Christian meldete sich. „Hast Du ihre Nummer ausfindig machen können?“ Christian bestätigte triumphierend seinen Erfolg und schickte das Ergebnis per SMS an René. „Super Chris, Du hast bei mir etwas gut.“ Er legte auf.

Ungeduldig wartete René auf das Klingeln seines Telefons. Dann drückte er hastig ein paar Tasten und laß die SMS seines Freundes, die die begehrte Mobiltelefon-Nummer von Cassandra enthielt. René grinste und speicherte die Nummer unter seinen Kontakten ab. Dann schaute er erneut auf seine Armbanduhr und registrierte, dass es bereits eine Stunde nach der vereinbarten Treffpunktzeit war.

Grimmig überlegte er, welchen Text die SMS an Cassandra enthalten sollte. Er klopfte mit den Fingern auf den Tisch, doch es viel ihm nichts Passendes ein, da er zu sauer über ihr nicht erscheinen war. So etwas hatte sich noch kein Mädchen mit ihm erlaubt. Er bezahlte seinen Cappuccino und verließ das Café.

Draußen auf der Straße brauste der Feierabendverkehr an ihm vorbei. Da hatte er plötzlich die passende Formulierung für eine SMS an Cassandra. Auf dem Weg zu seinem Zimmer im Studentenwohnheim überprüfte er im Geiste mehrfach seine Worte, dann beeilte er sich ins Zimmer zu kommen, um unbemerkt von anderen Studenten, seine SMS an Cassandra schreiben zu können.

Er tippte in sein Mobiltelefon. „Hallo Cassandra, wo warst Du? Habe Dich so vermisst. Muss Dich unbedingt wiedersehen. Melde Dich bei mir. René“. Er setzte seine Telefonnummer unter die Nachricht, um sicher zu gehen, dass Cassandra ihm auch antwortete, dann grinste er und schickte die SMS ab. Doch René sollte keine Antwort von Cassandra erhalten. Sie ignorierte alle seine SMS und löschte sie sofort nach Erhalt. Cassandra fühlte sich zwar geschmeichelt von René alle paar Tage eine SMS zu bekommen, doch nahm sie ihn nicht ernst. Er hatte einen viel zu schlechten Ruf, als das sie ihm hätte glauben können.

Der Zufall half René. Er traf Cassandra in der Bibliothek. Er steuerte direkt auf sie zu und verstellte ihr geschickt den Fluchtweg. Er lächelte sie mit seinem nettesten Lächeln an und fragte dann mit sanfter Stimme, wieso sie nicht auf seine SMS geantwortet hatte.

Cassandra schwieg, als plötzlich ein Lächeln über ihr Gesicht huschte. Sie fühlte sich geschmeichelt, dass er so hartnäckig ein Treffen mit ihr forderte. Keck legte sie nun ihren Kopf zur Seite und fragte dann. „Von welchen SMS sprichst Du? Ich habe keine bekommen.“ Doch sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Daher wusste René sofort, dass sie gelogen hatte. Sein Herz schlug schneller. Er wollte die Situation im Griff behalten und nicht nervös werden.

„Du warst nicht zu unserem Treffen im Café gekommen. Ich wollte unbedingt wissen wieso und mit Dir ein neues Treffen ausmachen.“ Er lächelte charmant. Doch Cassandra konnte sich dieses Mal besser beherrschen und fragte mit Unschuldsmine. „Wieso sollten wir uns treffen? Wozu? Ich kenne Dich doch nicht.“ Ihr Herz hatte die Taktzahl erhöht, was sie verunsicherte.

Etwas genervt, aber trotzdem weiterhin charmant, versuchte René sie von einem zweiten Treffen zu überzeugen. „Spielst Du gern Dart? Dann könnten wir uns doch in der Dartkneipe treffen, die sich nur wenige Hundert Meter von hier befindet. Da könnten wir uns dann kennen lernen. Ich lade Dich auf eine Cola ein. Bitte sage Ja? Bitte!“

Er setzte seinen treuen Dackelblick auf, der bisher mit großer Zielsicherheit jedes andere Mädchen sofort zum Schmelzen gebracht hatte. Doch Cassandra meinte nur lässig, „wenn Du meinst!“ und ging an ihm vorbei, obwohl sie eine gewisse Freude empfand über eine erneute Verabredung mit ihm.

Er rief ihr noch schnell die Uhrzeit hinterher. Doch er hatte seine Zweifel, ob dieses zweite Treffen stattfinden würde. Sie signalisierte ihm kein Interesse. Daher war er mit seinen Flirtversuchen bei ihr nicht weiter gekommen. Er seufzte. Sein Herz bedeutete ihm, dass er es weiter versuchten sollte. Doch er war enttäuscht und auch ein wenig entmutigt wegen ihrem so abweisenden Verhalten.

Trotzdem erschien er wieder vorzeitig am Ort des Treffens. Er hatte auch wieder sein Mobiltelefon dabei, für den Fall, dass sie ihn anrufen sollte. Die Zeit des Treffens verstrich. Cassandra tauchte nicht auf, aber die Eiswürfel in seiner Cola waren schon geschmolzen. Dann klingelte sein Telefon. René grinste und ließ es ein paarmal klingeln, bevor er abnahm.

Doch zu seiner Enttäuschung rief ihn nicht Cassandra an, sondern Christian war in der Leitung. „Hallo, was willst Du? Ich warte gerade auf …“, weiter kam er nicht. Denn Christian erzählte ihm gerade, dass er Cassandra mit einer Freundin vor einer der Kinokassen am Gänsemarktkino gesehen hatte. René war sprachlos.

Erst als Christian ihn am anderen Ende der Leitung fragte, ob er noch dran sei, reagierte René. „Chris, hast Du mitbekommen in welchen Film die Mädchen gegangen sind?“ „Nein, leider nicht.“, war die für René enttäuschende Antwort. „Danke, Chris. Wir sehen uns.“ René hatte das Gespräch beendet.

Verdutzt und enttäuscht saß René an seinem Tisch. Wie konnte das sein? Wieso ignorierte Cassandra so ganz offensichtlich sein Interesse sie zu treffen? Er war ratlos. Seine Cola war inzwischen warm geworden. Er trank sie trotzdem aus, bezahlte und verließ die Kneipe. Der kühle Wind tat ihm gut. Er schlug den Weg zurück zum Studentenwohnheim ein, da ihm im Moment nichts Besseres einfiel.

In seinem Zimmer im Wohnheim kam ihm plötzlich die Idee, dass er die Mädchen vom Kino abholen könnte, um sie nach Hause zu begleiten. Auf diese Art und Weise konnte er mit Cassandra reden, ohne dass sie gleich das Weite suchte. Er zog seine Schuhe und seine Jacke wieder an und machte sich sofort auf den Weg zu den Kinos.

Der Gänsemarkt war nicht weit von seinem Wohnheim entfernt und da er noch reichlich Zeit hatte, bis die möglichen Kinofilme in die, die Mädchen gegangen sein konnten zu Ende waren, ging er den Weg zu Fuß. Die Stadt sah nachts so ganz anders aus als am Tage. Nun das war keine neue Erkenntnis, doch irgendwie kam es ihm ungewöhnlich vor. Die Anzahl der Bäume schien sich verdoppelt zu haben und der Weg zum Kino kam ihm viel länger vor als sonst.

Es begegneten ihm nur wenige Leute. Denn die, die ins Kino wollten waren bereits dort und die, die in die Spätvorstellung gingen, waren entweder noch zu Hause oder hielten sich in einem Restaurant auf, um vor dem Kino noch etwas zu essen.

René sah Licht in einigen Fenstern der Bürogebäude an denen er vorbei ging. Er wunderte sich. Arbeiten würde dort um diese Uhrzeit an einem Donnerstag wohl kaum noch ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der Versicherung, die ihre Geschäftsräume in dem Gebäude hatte. Es musste sich wohl um das Reinigungspersonal handeln, dass dort zu dieser späten Stunde noch arbeitete.

Als René bei der Ampel ankam, stand sie auf rot für die Fußgänger. Er wartete und schaute zur Seite. Ein paar Schritte neben ihm, stand ein knutschendes Pärchen. Sie waren so intensive bei der Sache, dass sie die Grünphase der Fußgängerampel verpassten. René grinste und überquerte die Straße. Der junge Mann würde bestimmt heute Nacht nicht alleine schlafen. Er war seinem Ziel sehr nahe, dass Mädchen in sein Bett zu kriegen. René musste erneut grinsen. Dann dachte er an Cassandra. Er hatte sie noch nicht einmal geküsst. So dicht hatte sie ihn noch nicht an sich heran kommen lassen. Cassandra war anders als die anderen Mädchen. Sie wies ihn immer wieder ab. Wieso nur? René verstand das nicht.

Das Kino am Gänsemarkt, einem großen dreieckigen Platz in der Hamburger Innenstadt, war in Sichtweite. Als er beim Kino ankam, musste er noch eine halbe Stunde warten. Er positionierte sich so, dass er alle Leute, die aus dem Kino kamen gut sehen konnte. Dann war es endlich soweit. Die Türen gingen auf, die ersten Kinobesucher strömten ins Freie. Cassandra und ihre Freundin gehörten zu einigen der letzten Besucher, die die Kinos verließen. René ging auf die Mädchen zu und begrüßte sie freundlich.

„Hallo ihr beiden!“ Cassandra war völlig überrascht René zu sehen. Sie freute sich aber über seine Hartnäckigkeit. Cassandras Freundin Emilie, schaute fragend ihre Freundin an. Cassandra stellte ihr René vor und erwähnte René gegenüber auch Emilies Namen. René lächelte charmant und begrüßte Emilie noch einmal sehr freundlich. Emilie lächelte schüchtern und wurde rot, doch das war in der Dunkelheit nicht zu sehen.

„Darf ich Euch zur Uni begleiten? Ihr habt doch sicher Eure Fahrräder dort abgestellt, oder?“ fragte René. Doch zu seiner Enttäuschung antwortete Cassandra. „Wir sind mit der U-Bahn gekommen und fahren damit auch zurück. Der Eingang ist gleich da vorn.“ Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, doch im Dunkel des Gehweges sah René es nicht. Er ging schweigend rechts von Cassandra. Links von ihr ging Emilie.

Die Geschäfte rechts von René waren alle unbeleuchtet und hatten schon geschlossen. Einige Leute kamen ihnen entgegen. Vermutlich die, die in die Spätvorstellung der Kinos gehen wollten, dachte René, während er fieberhaft nach einem Gesprächsthema suchte. Dann fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, in welchen Film die Mädchen gegangen waren. Er fragte nach dem Film, während sie die feste Steintreppe zur U-Bahn hinunter gingen.

„Welchen Film habt ihr denn gesehen? Hat Euch der Film gefallen?“ Emilie antwortete voller Begeisterung. “Wir haben „Titanic“ gesehen. Ein toller Film mit guten Schauspielern und..“ Sie stoppte etwas verlegen, denn sie wollte das Liebespaar im Film erwähnen und befürchtete wieder rot zu werden. Der Gang zur Rolltreppe war hell erleuchtet. René hätte also sofort gesehen, wenn sie wieder rot geworden wäre. Cassandra sprang der Freundin zur Seite und beendete den Satz mit den Worten „Kate Winslet und Leonardo Di Caprio haben das Liebespaar sehr gut gespielt“.

Cassandra lächelte René dabei selbstsicher und kokett an. René hatte den Wink verstanden. Emilie redete dankbar für die Hilfe ihrer Freundin weiter. „Die Musik im Film war so gut ausgesucht. Jeder Moment, jede Minute passte.“ Emilie strahlte René an. Der war sich ihrer Begeisterung für den Film und für ihn voll bewusst und suchte ein Ausweichthema.

„Tolle Musik! Welche Musik hört ihr den so?“ fragte René daher nun. Emilie überlegte. Auf der Rolltreppe zu den Gleisen, stand René eine Stufe unter den Mädchen. Er schaute Cassandra an und betrachtete ihr schönes Gesicht, während Emilie sprach. Cassandra hatte dunkle Augenbrauen, lange dunkle Wimpern, blaue Augen, Lippen, die zum Küssen einluden und lange gewellte und unten gelockte blonde Haare. Sie sah einfach bezaubernd aus. René war fasziniert. Sein Herz schlug schneller und seinen ganzen Körper durchfuhr ein leichtes Kribbeln.

Inzwischen waren sie am Bahnsteig angekommen. Die Anzeigetafel teilte ihnen mit, dass der nächste Zug in Richtung Christuskirche in wenigen Minuten einfahren würde. Es waren nur wenige Stationen vom Gänsemarkt zur Christuskirche. Auf dem Bahnsteig stellte sich René so neben Cassandra, dass er ihr Gesicht weiterhin anschauen konnte. Ein wohliger Schauer durchfuhr seinen Körper. Cassandras Anblick löste Spannung in seinem Körper aus. Sie erregte ihn auf eine Weise, die er so noch nicht kannte.

„Ich höre gern Santana, Carlos Santana oder Bob Marley“, hörte René Cassandra antworten. „Super Musik, die mag ich auch. Kommt ihr Freitag in zwei Wochen zur Party in meinem Studentenwohnheim?“ René war etwas nervös geworden. Er hatte die Frage zwar an beide Mädchen gerichtet, doch er sah nur Cassandra an. Sein Blick flehte sie an zur Party zu kommen.

Cassandra erwiderte seinen Blick mit einem Lächeln. Irritiert spürte sie eine innere Anspannung. Sie wurde nervös in seiner Gegenwart. Ihr Herz schlug plötzlich schneller. Charmant, aber ausweichend meinte sie, „ich weiß noch nicht genau. Wir werden sehen.“ „Wäre toll“, versuchte René den Druck zu erhöhen. „Ich kenne den DJ. Ich werde ihn bitten Santana und Bob Marley zu spielen.“ Renés Herz schlug noch schneller als zuvor. Er blickte wieder nur Cassandra an und lächelte charmant. Emilie hatte das ignoriert und fragte voll Bewunderung, „Du kennst den DJ?“

Doch bevor René antworten konnte fuhr die U-Bahn ein. Er wiederholte seine Aufforderung an Cassandra zur Party zu kommen. Dann waren die Mädchen auch schon in der U-Bahn verschwunden. Cassandra und Emilie suchten sich einen Fensterplatz und Cassandra konnte gerade noch sehen wie René seine rechte Hand zum Abschied hob. Dann fuhr die U-Bahn los und verschwand im Tunnel.

Erst jetzt verließ René allein den Bahnsteig. Traurig und enttäuscht ging er allein wieder zur Rolltreppe. Während er jetzt nach oben fuhr, fuhren auf der anderen Seite einige laut lärmende Nachtschwärmer die Rolltreppe hinunter. René steckte seine Hände in seine Hosentaschen und ging mit gesenktem Kopf von der Rolltreppe zur festen Treppe.

Sein Herz schlug immer noch schnell. Er hatte mit ihr gesprochen, ihr ins Gesicht gesehen und war von ihrem Anblick so fasziniert, dass er nervös geworden war. Er wollte es nicht glauben, doch bei Cassandra schien ihm alle seine Erfahrung mit Mädchen nicht zu helfen. Sie machte ihn unsicher und erregte ihn gleichzeitig auf sehr angenehme Weise.

Am Ende der festen Treppe umhüllte ihn wieder die Dunkelheit der Nacht. Er bog nach links ab in die Dammtorstraße. Er ging vorbei an der Hamburger Staatsoper, die ganz im Dunkeln lag und weiter geradeaus in Richtung Dammtor Bahnhof. Nicht weit von hier befand sich sein Studentenwohnheim. Enttäuscht resümierte er, dass er es sich hätte denken können, dass die Mädchen abends nicht mit dem Fahrrad, sondern mit der Bahn fahren würden. Es begann zu regnen. Das Wetter passte zu seiner Stimmung.

Er hoffte inständig Cassandra würde zur Party in zwei Wochen kommen. Vielleicht sollte er sie in ein paar Tagen noch einmal an den Termin erinnern? René bekam Cassandra nicht aus seinem Kopf. Etwas an ihr zog ihn magisch an, machte ihn nervös und erregte ihn. Er wollte sie unbedingt näher kennen lernen. Doch sie wich ihm immer wieder aus.

Noch in seinem Zimmer im Studentenwohnheim, konnte er nur an den Blick denken, den sie ihm zugeworfen hatte, als ihre Freundin von dem Titanic-Film sprach. René fiel es schwer in dieser Nacht zu schlafen.

Als die Bahn abfuhr in Richtung Christuskirche, konnte Emilie nicht mehr an sich halten. Sie platzte mit der Bemerkung heraus, „Oh, der Typ ist aber süß. Mit dem würde ich gern etwas haben.“ Cassandra schaute Emilie erstaunt an. Wusste sie denn nicht was für einen schlechten Ruf René hatte. Cassandra beschloss Emilie darüber aufzuklären.

“Dir ist doch bewusst mit wem wir da gerade gesprochen haben, oder?“ Emilie sah Cassandra irritiert an und fragte dann, „wie meinst Du das?“ Cassandra ahnte das Emilie nicht wusste, worum es hier ging. „René hat einen sehr schlechten Ruf. Er ist ein Party-Löwe, trinkt gern und schleppt auch gern Mädchen reihenweise ab. Wusstest Du das nicht?“

Überrascht und enttäuscht sah Emilie ihre Freundin an. „Aber er sieht doch so super gut aus. Er ist so ein toller Typ. Wie kann das bloß sein?“ „Oh, Emilie, gerade deshalb. Er hat leichtes Spiel bei den Mädchen, gerade weil er so toll aussieht.“ Cassandra grinste. Renés Ausstrahlung hatte bei Emilie ihre volle Wirkung entfaltet.

Doch auch bei ihr selber war sein Charme und sein gutes aussehen nicht völlig abgeprallt. Im Gegenteil, sie musste sich eingestehen, dass sie René sehr anziehend fand. Er war attraktiv und genau ihr Typ. Sie war nervös geworden in seiner Gegenwart. Sie fühlte etwas für ihn. Es hatte geknistert zwischen ihm und ihr. Aber sie weigerte sich es zuzugeben.

„Es stimmt übrigens, dass er einen super sexy Waschbrettbauch hat. “Cassandra lächelte genüsslich bei der Erinnerung daran. „Woher weißt Du das? Hast Du schon einmal mit ihm geschlafen?“, fragte Emilie erstaunt. „Oh, nein, wieso sollte ich?“ antwortete Cassandra leicht empört. „Ich suche mir die Männer jetzt genauer aus, nachdem ich mit Markus so eine Pleite erlebt habe.“ Emilie nickte, denn sie kannte die traurige Liebesgeschichte von Cassandra und Markus. Sie waren fast ein Jahr zusammen gewesen und dann hatte Markus sie aus heiterem Himmel wegen einer anderen im Stich gelassen.

„Aber woher weißt Du dann, dass er einen super sexy Waschbrettbauch hat?“ „Erinnerst Du Dich an die Party in meinem Ex-Studentenwohnheim zu der mich Cecilia unbedingt mit hinnehmen wollte?“ fragte Cassandra. „Ja, ich glaube schon. Das war vor ein paar Wochen. Du kamst Mitten in der Nacht ohne Cecilia wieder nach Hause und stankst nach Rauch und Alkohol.“ Cassandra nickte.

„Genau, diesen Abend bzw. diese Party meine ich. In dieser Nacht hatte ich die Gelegenheit Renés super sexy Waschbrettbauch zu sehen, da ich ganz in der Nähe stand, als eines der Mädchen mit denen er herum machte sein T-Shirt soweit nach oben schob, dass ich alles genau sehen konnte.“ Cassandra lächelte erneut genüsslich bei der Erinnerung daran. Eines aber wollte sie auf gar keinen Fall zugeben. René hatte ihr schon damals gut gefallen. Er war leider genau ihr Typ. Doch aufgrund ihrer Erfahrung mit Markus und wegen des schlechten Rufes von René, hielt sie sich jedoch lieber fern von ihm. Auch wenn es zwischen ihm und ihr geknistert hatte. Er sah viel zu gut aus, um ernstes Interesse an ihr haben zu können.

Die U-Bahn hielt in der Station Christuskirche. Die Mädchen stiegen aus und machten sich auf den Weg zu ihrer Studentenwohngemeinschaft.

Cassandra beschloss, natürlich nicht zu dieser von René so gepriesenen Party zu gehen. Da half auch eine E-Mail von René nicht, die er ihr knapp eine Woche vor stattfinden der Party schickte. Er erwähnte, dass er mit dem DJ gesprochen hatte und der ihm versprochen hätte auch CDs von Santana und Bob Marley zu spielen. Doch auch diese Bemerkung konnte Cassandra nicht umstimmen. Schließlich hatte sie mehrere CDs von beiden Musikern und konnte sie sich anhören, wann immer sie wollte, ohne störende Nebeneffekte wie eine chaotische Studentenparty. René musste sich schon mehr einfallen lassen, um sie zu beeindrucken. Grinsend löschte sie seine E-Mail und wendete sich wieder dem Lernen für ihr Studium zu.

René achtete bei der Party in seinem Studentenwohnheim möglichst unauffällig auf jede Person, die den Flur Richtung Party betrat. Doch Cassandra war nicht dabei. Kurz nach Mitternacht gab er jegliche Hoffnung auf, dass sie noch erscheinen könnte. Er genehmigte sich ein paar trostspendende Getränke und stürzte sich ins Getümmel.

Er schleppte ein oder zwei Mädchen ab und wachte erst gegen Mittag des Folgetages auf. Übernächtigt versuchte er sich an den gestrigen Abend zu erinnern. Doch er wusste nur noch, dass Cassandra nicht zur Party gekommen war. Diese Erinnerung schmerzte ihn. Was sollte er noch anstellen, um sie zu einem Treffen zu überreden?

Doch sein Ehrgeiz war gepackt. So schnell wollte er denn nun doch nicht aufgeben. Außerdem war Cassandra eine viel zu heiße Braut, für die es sich schon lohnte mehr Aufwand zu betreiben als sonst.

Schon bei dem Gedanken an sie schlug sein Herz schneller. Sie war etwas Besonderes. Sie war sexy und hatte so wunderbar weibliche Kurven. Ihr Busen hatte in etwa die Größe, die er führ ideal hielt. Kein Wunder also, dass sein Körper Spannung aufbaute und er Erregung spürte, wenn sie in seiner Nähe war.

Ein paar Tage später sah er durch Zufall ein Pärchen in der Uni-Mensa turteln. Es waren außer den beiden nur wenige weitere Studenten anwesend. Da kam René die Idee, den gleichen Ort für ein weiteres Treffen mit Cassandra vorzuschlagen. Er hatte zwar keine große Hoffnung auf Erfolg, doch er wollte es noch einmal wagen.

Er schickte Cassandra eine E-Mail, in der er sie bat ihn in der Mensa zu treffen. Um nicht all zu blöd in der Mensa herum zu sitzen, hatte René nicht nur sein Mobiltelefon dabei, sondern auch ein paar seiner Bücher und einen unbeschriebenen College-Block. Er hatte keineswegs die Absicht in der Mensa zu lernen, er wollte nur genau diesen Anschein erwecken.

Er hatte sich so positioniert, dass er jede Person sehen konnte, die die Mensa betrat oder verließ. Es herrschte Ruhe in dem großen Essensraum der Uni. Nur wenige Studenten nutzten, wie von René erwartet, die Mensa zu dieser Tageszeit. Dann kamen laut kichernd ein paar Studentinnen in den Raum, aber von Cassandra war weit und breit nichts zu sehen.

Nervös blickte René auf seine Armbanduhr. Es waren erst 10 Minuten nach dem vereinbarten Termin verstrichen. Er hatte noch die Hoffnung, dass Cassandra erscheinen würde. Er blickte aus dem Fenster. Die Sonne schien, doch es war nicht besonders warm. Alle vorbei gehenden Studenten trugen Jacken.

Inzwischen war eine halbe Stunde verstrichen, nach dem eigentlich vereinbarten Termin. René wollte schon frustriert aufstehen, als Cassandra doch noch erschien. Allerdings war sie nicht allein. Diese Freundin von neulich nach dem Kino war bei ihr. Wie hieß die noch gleich? René hatte ihren Namen wieder vergessen.

Sie setzten sich in seine Nähe. Er fragte sich, warum sie nicht zu ihm gekommen war. Sie musste ihn doch gesehen haben. Nervös überlegte er was er nun machen sollte. Sein Herz schlug schneller, was ihn noch etwas nervöser werden ließ. Er blickte auf seine Bücher. Wut und Enttäuschung kamen in ihm auf, doch diese Gefühle waren nicht hilfreich. Er schob sie beiseite und beschloss mit seinen Büchern und dem unbeschriebenen College-Block unter einem Arm zu den Mädchen zu gehen.

„Hallo wie geht’s Euch? Überlegt ihr schon, welchen Kinofilm ihr als nächstes ansehen möchtet?“ Er hatte zwar beide Mädchen angesprochen, doch sah er nur Cassandra ins Gesicht. Seine Lippen formten das Wort „wieso?“ und seine Stirn lag in Falten, um die Dringlichkeit der Beantwortung dieser Frage zu unterstreichen. Cassandra hatte wohl verstanden was er meinte, doch sie reagierte als wäre nichts gewesen und antwortete mit einem schelmischen Lächeln.

„Wir wissen noch nicht genau welchen Film wir sehen möchten. Aber wir gehen bestimmt wieder ins Kino.“ René hatte auf eine andere Reaktion von ihr gehofft. Sein Herz raste jetzt vor Anspannung, die ihn so plötzlich erfasste, dass er nicht denken konnte. Daher brachte er nur ein kleinlautes „Klingt gut!“ hervor. Da Cassandra nicht reagierte und ihm keine weitere Antwort einfiel, verschwand er traurig in Richtung Ausgang.

„Was war das denn? Wieso hast Du ihm nicht gesagt in welchen Film wir gehen werden? Vielleicht wäre er dann mitgekommen?“ überrascht und fragend sah Emilie Cassandra an. „Eben genau deshalb. Ich will nicht, dass er mit uns ins Kino geht. Das funktioniert nicht.“

„Wieso, das verstehe ich nicht.“ In Emilies Gesicht war ein großes Fragezeichen zu sehen. „Wenn ich mit Dir ins Kino gehe, will ich Zeit mit Dir verbringen. Ich will mit Dir über alles reden, was mir gerade so durch den Kopf geht. Das geht aber nicht wenn René dabei ist. Er würde sich unweigerlich in jeden unserer Dialoge einmischen. Wir kennen ihn nicht gut. Wir wären gehemmt. Ich würde mit Dir manche Dinge nicht besprechen können. Verstehst Du?“ Emilie nickte schweigend. Dennoch hätte sie René gern dabei gehabt. Er war so süß und sexy. Sie wurde ganz nervös in seiner Gegenwart, weshalb sie gern Cassandra als Unterstützung dabei gehabt hätte.

Cassandra lächelte ihre Freundin versöhnlich an. Sie wusste, dass Emilie zu gern nähere Bekanntschaft mit René gemacht hätte. Doch genau das wollte Cassandra verhindern. Sie befürchtete, dass Emilie ein leichtes Opfer von René werden könnte. Außerdem war sie selber verunsichert. Denn auch wenn sie nur kurz in Renés Gesicht gesehen und nur ein paar Worte mit ihm gewechselt hatte, so spürte sie doch Anspannung und Nervosität. Ihr Herz hatte schneller geschlagen in seiner Gegenwart und es lag wieder dieses Knistern in der Luft. Er erregte sie ohne das sie etwas dagegen tun konnte.

Auf dem Campus begegnete René seinem Freund Christian. „Was ist los? Du siehst so wütend aus?“ Ohne auf die Frage von Christian zu antworten, fragte René ihn. „Kannst Du für mich etwas herausfinden? Ich würde gern wissen, ob Cassandra einen Freund hat oder hatte oder ob sie vielleicht eine Lesbe ist.“ „Klar mache ich. Sie hat Dich schon wieder versetzt, oder?“ Erneut antwortete René nicht auf Christians Frage. Stattdessen klopfte er ihm auf die Schulter und meinte nur, „bis später Kumpel.“ René entfernte sich schnellen Schrittes, um weiteren Fragen von Christian zu entgehen. Christian schaute René hinter her. Er wusste, dass Cassandra in Renés Kopf steckte, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. René würde nicht nachlassen bis er erreicht hatte, was er wollte.

Ein paar Wochen vergingen, dann hatte Christian die von René erhoffte Antwort. Christian teilte seinem Freund mit, dass er herausgefunden hatte, dass Cassandra zurzeit keinen Freund hatte und dass ihr Ex-Freund, Markus, sie wegen irgendeines anderen Mädchens verlassen hatte. Cassandra war also definitiv keine Lesbe. Nur, wieso traf sie sich nicht wenigstens einmal mit ihm? Wieso wies sie ihn immer wieder ab? Das Semester ging in wenigen Tagen zu Ende. René musste unbedingt vorher noch eine Antwort auf diese bohrende, ihn in seinem Selbstwertgefühl verletzende Frage finden.

Um während der vorlesungsfreien Zeit eine Hausarbeit zu einem BWL Thema bearbeiten zu können, waren Cassandra und Emilie in die Bibliothek der Uni gegangen. Viele Bücher brauchten sie nicht. Schnell fanden sie die, die sie brauchten. Außer ihnen hielten sich nur wenige Studenten in der Bibliothek auf. Die meisten dachten schon daran, wie sie ihre Zeit ohne Uni verbringen konnten und suchten die Bibliothek daher nicht mehr auf. Umso erstaunter waren Cassandra und Emilie, als ihnen René beim Verlassen der Bibliothek über den Weg lief.

Überrascht von Renés verhalten, reagierte Cassandra zu spät, als er sich ihr in den Weg stellte, anstatt ihr auszuweichen. Er hatte die Arme geöffnet und sie blitzschnell um Cassandra geschwungen. Er hatte sie samt ihrer Bücher im Arm. Cassandra schaute ihn verdutzt an.

Dann wurde ihr bewusst, dass sie nur ihre um die Bücher gelegten Hände und Arme und die Bücher selber von Renés unwiderstehlich männlicher Brust trennten, die sie nun unwillkürlich unter seinem Hemd spürte. Ihr Herz schlug vor Errung unwillkürlich schneller. Sie wurde nervös und wollte dieser ungewöhnlichen Situation entkommen. Daher begann Cassandra sich nun zu wehren. Sie wollte sich losreißen.

Doch diese Aktion misslang ihr. Triumphierend lächelnd sah René sie an. Sie war jetzt seine Gefangene. Er genoss es sichtlich, ihren Handlungsspielraum enorm eingeengt zu haben. Sie stand so dicht bei ihm, wie noch nie zuvor. Er konnte ihr Parfüm riechen. Es passte zu ihr. Der Duft kam ihm bekannt vor.

Vor wenigen Tagen war er zufällig in einer dieser Parfüm-Boutiquen gewesen, wo die Verkäuferinnen den Kunden immer kleine Papierstreifen mit Parfüm Proben anboten. Ihm war eine Probe von einem bekannten französischen Parfüm angeboten worden, weil die Verkäuferin vermutete, dass er auf der Suche nach einem Parfüm für seine Freundin war. Er hatte an dem Streifen gerochen und ihn dann achtlos in seine Jackentasche gesteckt. Nun stieg ihm genau dieser Duft, vermischt mit dem Duft von Cassandras Haut, in die Nase.

René spürte eine ungewöhnliche Hitze in sich aufkommen. Sein Herz schlug heftig und Anspannung breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Er verstärkte unwillkürlich seine Umarmung von Cassandra. Das wiederum sorgte bei ihr für erneuten Widerstand und Protest.

Doch so sehr Cassandra sich auch bemühte, sie schaffte es nicht sich aus den starken Armen von René zu lösen. Als ihr bewusst wurde, dass die einzige Möglichkeit sich aus seinen Armen zu befreien, das Fallenlassen ihrer Bücher war, legte sie erschöpft und entmutigt unwillkürlich ihren Kopf an seine Brust. René kam so ihrem Gesicht wesentlich näher.

Cassandra erschrak, als ihr bewusst wurde, dass ihr Verhalten wie Kapitulation wirken musste. Sie sah René mit einem wütenden Blick genau ins Gesicht. Er schien damit gerechnet zu haben, ignorierte ihre Wut und versuchte sie zu küssen. Doch dieses Mal war Cassandra schneller. Sie drehte ihren Kopf zur Seite, so dass René nur ihre Haare küssen konnte.

Sein Herz pochte wie wild. Endlich hatte er sie ihn seinen Armen, spürte ihre Wärme, nahm ihren Duft war. Auch Cassandras Herz pochte wie wild. Sie versuchte dagegen anzukämpfen, dass ihr Widerstand, den sie gegen ihn aufgebaut hatte zerbrach. Sie spürte deutlich ein Verlangen ihn zu küssen und ihn zu spüren, doch sie erlaubtes es sich nicht. Er war der Falsche. Es konnte doch nicht sein, dass sie wieder auf den gleichen Typ von Mann herein fiel.

Nein, nein, Cassandra wehrte sich heftig. Doch gegen Renés starke Arme war sie machtlos. Sie hämmerte, soweit es mit den Büchern in ihren Armen möglich war, gegen seine Brust. Doch es brachte alles nichts. Das Ergebnis war, dass ihre Hände langsam gefühllos wurden und sie ihren Widerstand dann vergessen konnte. Also versuchte sie es mit Worten.

„Laß mich los, laß mich endlich wieder los“. Niemals wieder, dachte René glücklich, doch er sagte grinsend, „Du hast ein kleines nettes Wort nicht gesagt.“ Cassandra sah ihn wutschnaubend an. Sie wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte, bevor ihre Hände komplett gefühllos waren. Dennoch sie wollte den Kampf nicht vorzeitig verlieren.

„Du spinnst doch“, antwortete sie daher. Doch René gab nicht nach. Im Gegenteil seine Umarmung wurde enger und inniger. Panik stieg in Cassandra auf. Mit flehendem Ton in der Stimme wiederholte sie ihre Forderung. „Laß mich los.“

Doch René genoss es sichtlich, ihr weiterhin diesen Wunsch nicht zu erfüllen. Zu schön war es für ihn, sie in seinen Armen zu halten. Ihr Nah zu sein und den Duft ihrer Haut zu geniessen.

Cassandra sah die Aussichtslosigkeit ihrer Lage ein und flüsterte in Renés rechtes Ohr, „laß mich bitte gehen.“ René hatte sie genau verstanden, doch hörte er den Klang ihrer Stimme so gern, dass er sie aufforderte ihre Bitte noch einmal etwas lauter vorzutragen.

Cassandra schluckte zweimal für René unhörbar, um ihrer Stimme mehr Kraft zu verleihen. Die Nähe zu ihm hatte sie völlig nervös gemacht. Sie zitterte innerlich vor Anspannung und Erregung ihm so nah zu sein.

Dann wiederholte sie ihre Bitte lauter. Doch René hatte Gefallen gefunden an diesem Spiel und ließ sie nicht los. Cassandra war langsam der Verzweiflung nahe. Wie sollte sie René davon überzeugen sie los zu lassen? Sie schaute ihn ernst an. Dann flüsterte sie so leise, dass nur er es hören konnte. „Nicht so.“

René war sofort klar, was Cassandra damit meinte. Er hatte sein Spiel überdreht. Seine Umarmung ließ nach. Doch bevor er sie endgültig losließ, drückte er ihr noch einen Kuss auf ihr Haar.

Als Cassandra spürte wie René langsam seine Umarmung löste, bat sie, die noch immer wie angewurzelt da stehende Emilie, um Hilfe. „Greif Dir die Bücher“, befahl sie ihr im Militärton. Emilie reagierte sofort und nahm die Bücher in Empfang.

Cassandra löste sich aus der Umarmung von René und ging ein paar Schritte in Richtung Ausgang. Emilie folgte ihr. Cassandra wollte sich nicht nach René umschauen, doch bevor sie die Ausgangstür erreicht hatte, schaute sie sich dennoch noch einmal zu ihm um.

Sie zitterte vor Anspannung. Seine Umarmung hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie war böse auf ihn, konnte aber eine deutliche sexuelle Anziehung auch nicht mehr leugnen. Ihr Körper verlangte nach ihm. „Verdammt“, dachte Cassandra und wendete ihren Kopf ab von seinem Blick. Dann verschwand sie aus seinem Sichtfeld.

René lächelte ihr glücklich hinterher und stellte sich hilfesuchend an eine stützende Wand in der Bibliothek. Ihm wurde plötzlich bewusst, wie anstrengend auch für ihn diese Gefangennahme von Cassandra gewesen war. Sein Herz schlug jetzt nicht mehr ganz so schnell, aber ihm war immer noch heiß und seine Gedanken kreisten um Cassandra.

Wie gut hatte es sich angefühlt sie im Arm zu halten. Wie weich ihr Haar gewesen war, als er es mit den Lippen berührte. Wie gut sie duftete. Er hatte ihren Duft immer noch in der Nase und ihre sanfte Stimme in seinen Ohren.

Jetzt war er sich ganz sicher. Es hatte zwischen ihnen gefunkt. Auch wenn Cassandra ihn böse angesehen hatte, bevor sie die Bibliothek verließ. Es war ihm nicht entgangen, dass sie gezögert hatte und ihren Blick sekundenlang nicht vom ihm hatte abwenden können. Sie mochte ihn. Ein Anfang war gemacht.

Doch dann hörte er Christian sagen, „Hey, stützt Du die Wand oder sie dich?“ Sofort war René aus seinen Träumen gerissen. Er wollte Christian folgen, der an ihm vorbei zu den Bücherregalen der Bibliothek gegangen war, als er merkte, dass das Zusammentreffen mit Cassandra auch in seiner Hose Spuren hinterlassen hatte. Sie hatte ihn erregt. Seine Männlichkeit zeigte immer noch eine deutliche Schwellung. So schnell, wie jetzt möglich, folgte er Christian.

Christian stand an einem Regal und suchte nach einem bestimmten Buch, als er eher beiläufig erwähnte, dass er draußen vor der Bibliothek auf Cassandra und ihre Freundin Emilie getroffen war. Noch bevor Christian weitersprechen konnte, wusste er anhand von Renés Gesichtsausdruck, dass etwas vorgefallen sein müsste. Doch René reagierte nicht auf seinen fragenden Blick.

“Hat sie Dich wieder versetzt?“ fragte er daher vorsichtig bei René nach. Die Antwort von René viel kurz und knapp aus. „Nein“. Christian wollte nachfragen was denn los gewesen war, doch René fiel ihm ins Wort. „Laß uns schnell diese blöden Bücher finden und raus hier.“ René lief zum nächsten Regal, um weitere Nachfragen zu vermeiden. Christian hatte verstanden, dass René nicht über den Vorfall sprechen wollte, zumindest nicht im Moment. Er half also René die benötigten Bücher zu finden und redete ansonsten nicht mehr über den für ihn unbekannten Vorfall.

Außerhalb der Bibliothek schnappte Cassandra erst einmal nach Luft. Dann bewegte sie prüfend ihre Hände und Finger, um deren Beweglichkeit zu testen. Emilie sah sie fragend an und wartete bis Cassandra ihr vielleicht eine Erklärung gab, zu dem was da gerade in der Bibliothek passiert war. Doch Cassandra sagte kein Wort zu dem Vorfall.

„Gib mir bitte meine Bücher und entschuldige, dass ich eben im Kommandoton mit Dir gesprochen habe. Ich habe es nicht böse gemeint, aber die Situation hat mich irritiert. Meine Hände waren eingeschlafen und ich wollte auf jeden Fall verhindern, dass die Bücher auf den Boden fallen. Ich danke Dir für Deine Hilfe.“ Emilie nickte verständnisvoll. Doch als sie wissen wollte, was da eben genau passiert war, blockte Cassandra sie ab.

„Oh, Emilie. Laß uns jetzt bitte erst einmal nach Hause fahren und die Bücher ordnen.“ Emilie blieb hartnäckig. „Aber dann erzählst Du mir was dazwischen Euch vorgefallen ist.“ Cassandra nickte und ging los. Während sie den kürzesten Weg über den Campus nahm, überlegte sie was sie Emilie erzählen sollte. Doch was eigentlich passiert war, wusste sie selber nicht genau.

Sie spürte nur eine starke sexuelle Anziehung, die von René ausging und der sie nicht lange würde Widerstehen können. Zu sehr verlangte ihr Körper bereits jetzt nach ihm.

Ihr Fahrradhelm drückte und die Bücher aus der Uni-Bibliothek, wogen schwer im Rucksack auf ihrem Rücken. An einer roten Ampel mussten sie und Emilie anhalten. Cassandra warf einen Blick zur Seite auf Emilie, doch die schaute nur zur Ampel. Blauer Himmel erschien zaghaft zwischen Wolkenfetzen. Cassandra hoffte, dass dieser Sommer in Hamburg besser sein würde als der vorherige. Wenn sie schon nicht wie früher zur Schulzeit die Stadt verlassen konnte, wollte sie doch wenigstens ein paar warme Sommertage genießen.

Emilie stieß sie etwas unsanft an. Die Ampel war grün. Sie konnten weiterfahren. Vor dem Wohngebäude, in dem sich ihre Studentenwohnung befand, gab es einen fest installierten Fahrradständer. Deshalb mussten die Mädchen ihre Räder nicht in den Keller des Hauses tragen. Aber trotzdem schloss Cassandra ihr Fahrrad mit zwei verschiedenen Schlössern an. Zu wichtig war ihr Drahtesel für sie. Sie konnte zwar auch mit dem Bus zur Uni fahren, doch mit dem Rad ging es schneller und sie hatte Bewegung. Sie liebte Rad fahren. Früher zum Gymnasium, war sie auch jeden Tag und bei jedem Wetter mit dem Fahrrad gefahren. Reparieren konnte sie es auch selber. Das hatte ihr, ihr älterer Bruder Michael beigebracht, mit dem sie sich immer sehr gut verstanden hatte.

In ihrem Zimmer in der Studentenwohngemeinschaft ordnete Cassandra sorgfältig ihre Bücher. Sie waren so sortiert, dass immer die vorne standen, die Cassandra als nächstes zum Lernen brauchte. Sie wollte die vorlesungsfreie Zeit dazu nutzen, wichtige Themen zu wiederholen, neue schon einmal anzuschauen und ihre Hausarbeit für BWL zu beenden. Damit sie auch wirklich alles schaffte, machte sie sich einen Zeitplan. So wusste sie genau wann, was zumachen war und wann sie Zeit für Freizeitaktivitäten hatte. Sie war gerade fertig mit ihrem Zeitplan, als Emilie in ihr Zimmer kam.

Wie immer hatte Emilie vorher höflich angeklopft, bevor sie die Tür öffnete. „Hast Du einen Moment Zeit?“, fragte sie nun mit der ihr eigenen Art. Cassandra nickte. Emilie schloss die Tür hinter sich und ging auf ihre Freundin zu. Dann setzte sie sich auf den Stuhl, der neben Cassandras Schreibtisch stand und schaute sie fragend an. Cassandra ahnte was Emilie wollte, doch sie fragte trotzdem.

„Was möchtest Du? Wie kann ich Dir helfen?“ Emilie lächelte etwas verlegen. „Ich wollte noch einmal nachfragen wegen des Vorfalles vorhin in der Uni-Bibliothek. Was war das dazwischen Dir und René?“ Auf eine zufriedenstellende Antwort hoffend, wartete Emilie nun, auf das was Cassandra sagen würde. „Ich wusste doch, dass Du noch einmal auf diesen Vorfall zu sprechen kommen würdest. Aber ich kann Dir leider nicht sagen, was da passiert ist.“ Sie lächelte Emilie etwas unsicher an. Dann redete sie weiter. „René hat mich fest in seine Arme geschlossen und er schien es zu genießen. Das ist alles.“ „Wie hat es sich angefühlt von ihm umarmt zu werden?“

Cassandra lächelte. Oh, je dachte sie, Emilie will jetzt alles ganz genau wissen. Das kann schwierig werden. „René hat kräftige, starke Arme, da war es schwer zu entkommen.“ „Cassandra, Du weichst mir aus. War es schön von ihm umarmt zu werden oder hast Du es eher als unangenehm empfunden?“

Cassandra musste erneut lächeln. Sie spürte wie ihr Herz schneller schlug, als sie an René dachte. Es war wunderschön gewesen von René mit seinen starken, kräftigen Armen umarmt zu werden. Doch das wollte sie Emilie gegenüber nicht zugeben. „Na, ja. Unangenehm war es nicht. Ich habe nur nicht damit gerechnet und war empört über seine Reaktion.“

„So, so. Für wie blöd hältst Du mich? Ich konnte doch sehen, wie sehr Du seine Umarmung genossen hast. Du magst ihn stimmt´s?“ Soviel Scharfsinn hatte sie von Emilie nicht erwartet. Wie sollte Cassandra jetzt reagieren?

„Emilie, manchmal gibt es keine Übereinstimmung zwischen Herz und Verstand.“ Cassandra seufzte bevor sie weitersprach. „Mein Verstand sagt mir, ich soll die Finger von René lassen. Mein Herz aber sagt, genieße seine Zuneigung, vielleicht wird mehr daraus.“

Emilie blieb hartnäckig. Sie wollte eine klare Antwort. „Also noch einmal. Magst Du ihn ja oder nein? Ich verspreche Dir, dass Deine Antwort und alles was wir beide hoffentlich zu diesem Thema noch besprechen werden, unter uns bleibt. Ich werde Cecilia kein einziges Wort erzählen. Sie spioniert Dir sowieso schon viel zu viel hinter her.“ Erwartungsvoll sah Emilie Cassandra nun an.

Cassandra sah sich in Zugzwang und trat die Flucht nach vorne an. Vielleicht war es sinnvoll und hilfreich, Emilie in diese Angelegenheit mit einzubinden. Vielleicht würde es dann dieses Mal eine Beziehung werden, die länger hielt als ihre vorherige. Cassandra atmete tief ein und dann wieder tief aus.

„Also gut. Ich gestehe. Ich mag René.“ „Ich wusste es“, triumphierte Emilie. „Nun musst Du mir aber auch ehrlich sagen, wie es sich angefühlt hat von René umarmt zu werden.“ Cassandra lächelte versonnen. Ihr Herz schlug schnell und ihre Hände wurden feucht vor Aufregung.

„Es war wunderschön. Auch wenn er mich richtig fest in seinen Armen hielt, war es keinen Moment lang unangenehm. Du hast gesehen, dass er mich küssen wollte und dann nur mein Haar traf. Nun, ich muss gestehen, dass ich ihn auch gern geküsst hätte. Doch meine innere Stimme sagte mir, dass es besser ist, nicht zu schnell nachzugeben. Immerhin ist er es gewohnt, dass die Mädchen ihn umringen, ihm nachlaufen. Ich will kein Opfer seiner Verführungskünste werden, auch wenn es mir sehr schwer fällt seinem Charme zu widerstehen.“

Cassandra lächelte und sie spürte, dass ihr Herz nun noch heftiger schlug. Es tat ihr gut mit Emilie über ihre Gefühle für René zu sprechen. Sie dachte gern an René. Emilie freute sich, dass Cassandra ihr das Vertrauen entgegenbrachte auf das sie gehofft hatte. „Wie geht es jetzt weiter?“, wollte Emilie neugierig wissen.

Cassandra zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Das werden wir sehen.“ Sie lächelte Emilie glücklich an. Emilie nickte und verließ das Zimmer von Cassandra.

Eigentlich wollte Cassandra heute schon mit der Hausarbeit für BWL beginnen, doch durch das Gespräch mit Emilie war sie zu aufgewühlt. Sie hatte jetzt mehr Lust auf Musik von Carlos Santana.

Sie stand von ihrem Schreibtisch auf, ging zum CD-Regal, suchte eine Santana CD heraus und legte sie in ihren CD-Spieler. Dann setzte sie sich in ihren Sessel und legte die Beine lässig auf ihr Bett. Die Musik erklang und schon während des ersten Titels wanderten Cassandras Gedanken unwillkürlich zu René. Sie ertappte sich dabei, dass sie hoffte, dass René kein falsches Spiel mit ihr trieb, da sie sich danach sehnte einen Mann zu finden, der sie liebte und den sie lieben konnte.

René legte die Bücher aus der Uni-Bibliothek ungeordnet auf seinen Schreibtisch, auf dem ein Chaos aus Büchern, College-Blöcken, herausgerissen Notizen und ein Durcheinander an Bleistiften und Kugelschreibern herrschte. Er hatte seine Lernaktivitäten umgehend weiter reduziert, als die letzten Tage des Semesters angebrochen waren. Auch jetzt hatte René keine Lust das Chaos auf seinem Schreibtisch in Ordnung zu bringen. Er hatte viel mehr Lust mit Christian in die nahe gelegene Dartkneipe zu gehen, Bier zu trinken und Dart zu spielen. Vielleicht könnte er Christian heute wieder mehrfach beim Dart spielen schlagen. Aufräumen konnte er morgen immer noch.

Christian stimmte seinem Vorschlag zu und so machten sich beide ohne zu zögern auf den Weg in Richtung Dartkneipe. Die Kneipe war nicht sehr groß, doch sehr gemütlich eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder von naturbelassenen Landschaften in Irland und Schottland. Der Betreiber der Kneipe war ein Ire, der mit einer Schottin verheiratet war. Beide waren ein ungewöhnliches Paar, verstanden sich aber so gut, dass viele Worte zwischen ihnen nie notwendig waren.

Die Dartscheiben hingen im hinteren Teil der Kneipe. Sie waren elektronisch und registrierten jeden Wurf mit einem kurzen, leisen Signalton. Alle Würfe wurden angezeigt und entweder addiert oder von der Anfangssumme subtrahiert.

Tische und Sitzbänke zum Verzehr kleiner Speisen befanden sich im vorderen Teil der Kneipe. René und Christian ließen sich auf den weinroten, lederbezogenen Sitzbänken nieder, die Platz boten für zwei Personen und von denen jeweils zwei einen robusten Holztisch einrahmten. Tischdecken gab es hier nicht, wozu auch. Es war üblich, dass das Bierglas bis zum Rand gefüllt wurde. Das daraus resultierende überschwappen des Bieres, sorgte regelmäßig für Bierränder auf der Oberfläche der Tische. Mit der Zeit hatte sich daraus ein derart markantes Muster auf den Tischen ergeben, dass sie alleine deshalb schon sehenswert waren.

René und Christian bestellten Bier und eine Art „fish and chips“ nach Art des Hauses. Beim Essen redeten die Freude nicht viel. Sie hatten Hunger, der gestillt werden wollte. Nach dem Essen bestellten beide noch ein Bier und gingen hinüber zu den elektronischen Dartscheiben an der Wand.

René schlug vor mit einer leichten Variante das Dartspiel zu beginnen. Er grinste, da er genau wusste, dass er Christian auch dieses Mal wieder würde schlagen können. Christian kannte René gut. Er wusste, dass sein Freund Herausforderungen brauchte und so ließ er sich immer wieder auf ein Dartspiel mit René ein, obwohl seine Chancen René bei diesem Spiel zu schlagen kaum jemals größer wurden.

Doch Christian ging es nicht um das Gewinnen gegen René. Es reichte ihm mit seinem Freund Spaß zu haben, Bier zu trinken, über Mädchen zu reden und sonst einfach nichts zu tun.

Die Zeit verging. Ein weiteres Essen, mehrere Biere und sehr viele Dartspiele später, war es Zeit die Kneipe wieder zu verlassen. Natürlich hatte René haushoch gegen Christian gewonnen. In entsprechend guter Stimmung zeigte er sich großzügig und bezahlte die gesamte Rechnung des Abends. Leicht angeheitert verließen die Freunde die Kneipe. Die kühle Nachtluft erfrischte sie. Denn auch wenn in der Kneipe nicht mehr geraucht werden durfte, so war die Luft nach vielen Stunden und mit einer stetig ansteigenden Zahl von Gästen nicht besser geworden.

Langsam und schweigend traten die Freunde den Heimweg an. Nach nur wenigen Minuten konnten sie die hell erleuchtete Hauptstraße verlassen. Die weniger stark beleuchtete Nebenstraße hüllte sie in eine leichte Dunkelheit, die Christian ermunterte den Vorfall mit Cassandra in der Bibliothek am Mittag René gegenüber noch einmal anzusprechen.

„Heute Mittag hast Du Cassandra in der Bibliothek getroffen. Was ist da passiert?“ René stoppte kurz und ging dann weiter. Er war sich nicht sicher, ob er das zufällige Treffen mit Cassandra in der Bibliothek mit Christian besprechen sollte. Doch schließlich war Christian sein bester Freund, wem sollte er sonst seine Gedanken anvertrauen.

„Ich hatte mich nicht mit Cassandra in der Bibliothek verabredet. Ich war da, weil Du und ich noch Bücher brauchten für unsere Hausarbeit in BWL. Dann plötzlich sah ich Cassandra auf mich zukommen. Ich reagierte intuitiv und stellte mich ihr in den Weg. Ich umarmte sie mit samt den Büchern, die sie auf dem Arm trug. Sie war überrascht und wehrte sich. Sie protestierte und hämmerte auf meine Brust. Hätte sie geahnt, dass ich diesen Wutausbruch von ihr sehr bezaubernd fand, wäre sie bestimmt noch wütender geworden.“

René grinste amüsiert. Sein Herz schlug plötzlich viel schneller und sein Körper baute Spannung auf, als er an Cassandra dachte. Er erzählte Christian gern von dem was passiert war.

„Doch es reichte, sie noch fester zu umarmen. Es bewirkte, dass ich ihr Gesicht so dicht vor mir hatte wie noch nie vorher. Allerdings verpasste ich die Gelegenheit sie zu küssen. Mein Kuss landete auf ihrem Haar. Dann bat sie mich, sie doch endlich wieder los zu lassen. Es fiel mir schwer ihrer Bitte Folge zu leisten, denn Cassandra zu umarmen fühlte sicher besser an als ich vermutet hatte.“ Er grinste erneut und spürte einen wohligen Schauer am ganzen Körper, beim dem Gedanken Cassandra ganz nah gewesen zu sein.

„Nach einer Wiederholung ihrer Bitte und einem fehlenden Blick von ihr, ließ ich mich dann schließlich erweichen. Sie löste sich aus meiner festen Umarmung und verließ zusammen mit ihrer Freundin die Bibliothek. Allerdings schaute sie vorher noch einmal in meine Richtung. Dann kamst Du.“

René grinste als er an den Vorfall dachte. Wie schön war es doch gewesen Cassandra endlich in seinen Armen zu halten. Nur gegenüber Christian wollte er das nicht zugeben. “Nun verstehe ich den wütenden Gesichtsausdruck von Cassandra. Auch ihre Freundin Emilie schien irritiert gewesen zu sein von Deinem Verhalten“, deutete Christian das was er am Mittag gesehen hatte.

„Mag sein, aber ich habe nichts Schlimmes getan“, beteuerte René. „Stimmt“, fügte Christian hinzu. „Aber ich habe den Eindruck, Dir liegt mehr an Cassandra als Du bisher zugegen hast.“ René ließ diese Äußerung von Christian unkommentiert.

Inzwischen waren sie bei ihrem Studentenwohnheim angekommen. René verabschiedete sich von Christian und verschwand in seinem Zimmer. Er zog seine Schuhe aus und hängte seine Jacke ausnahmsweise einmal ordentlich auf. Dabei fiel ihm der Papierstreifen auf, den er vor ein paar Tagen in der Parfümerie in die Hand gedrückt bekommen hatte und der nun mit einem Ende aus seiner rechten Jackentasche kuckte. Er nahm den Papierstreifen heraus, schnupperte daran und dachte unwillkürlich an Cassandra. Sie trug das gleiche Parfüm. Er hatte es heute Mittag an ihr gerochen. Die Mischung aus Parfüm und dem Duft von Cassandras Haut war wieder für ihn in seiner Nase wahrnehmbar. Verzaubert von ihrem Duft und der Erinnerung an den Moment, in dem er sie fest in seinen Armen hielt, legte sich René samt Jeans und Hemd auf sein Bett. Er schlief ein und dachte dabei an Cassandra.

Torn apart - Zerrissen zwischen zwei Männern

Подняться наверх