Читать книгу Torn apart - Zerrissen zwischen zwei Männern - Cedrina Lautenfeld - Страница 6

Geduld ist erforderlich

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Cassandra hatte sich eine Liste gemacht von den Dingen die sie unbedingt mitnehmen wollte auf ihre Reise nach Mexiko. Ohne Liste tendierte sie dazu wichtige Sachen zu vergessen. Außerdem hasste sie es ihren Koffer zu packen. Es machte sie immer nervös und es bedeutete Abschied nehmen vor ihrer geliebten Routine. Zwar verreiste sie gern, aber neue Dinge und andere Länder machten ihr auch Angst, da sie trotz guter Planung nie genau wusste was sie dort erwartete.

Ihr Koffer lag geöffnet auf dem Teppich in ihrem Zimmer. Verschiedene Kleidungsstücke hatte sie auf ihrem Bett verteilt und ihr Kleiderschrank stand weit offen. Konsequent arbeitete Cassandra ihre Liste ab. Dann überprüfte sie den Inhalt ihrer Kulturtasche und legte sich auf ihrem Schreibtisch all die Dinge bereit, die sie morgen noch einmal benötigen würde.

Ihren Koffer zu packen dauerte nicht so lange wie sie befürchtet hatte, trotz der Tatsache, dass sie versucht hatte alle Kleidungsstücke so ordentlich wie möglich in ihren Koffer zu legen. Denn sie konnte nicht bügeln. Wenn immer sie es versuchte waren die gebügelten Stücke nicht wirklich glatter als vorher.

Doch als sie fertig war mit Kofferpacken, beschlich sie ein ungutes Gefühl. Sie prüfte erneut ihre Liste, doch sie konnte nicht feststellen etwas Wichtiges vergessen zu haben. Außerdem war Mexiko kein Entwicklungsland, sondern längst ein Schwellenland, das kurz davor stand den Anschluss zur so genannten ersten Welt zu schaffen. Wenn sie etwas vergessen haben sollte, könnte sie es sich sicherlich vor Ort kaufen.

Aber diese Erkenntnis beruhigte Cassandra nicht wirklich. Da war etwas anderes das sie quälte. Es war der Gedanke sich morgen für drei Wochen von René verabschieden zu müssen. Dabei hatte sie gerade erst Vertrauen und Zugneigung zu ihm aufgebaut.

Sie versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie schon in wenigen Tagen ihren Bruder Michael wieder sehen würde. Sie lächelte bei diesem Gedanken und versuchte sich auf ihre bevorstehende Reise zu freuen.

In der folgenden Nacht konnte Cassandra nicht wirklich schlafen. Sie drehte sich von einer Seite auf die andere und wachte immer wieder auf, bis sie schließlich in einen wenig erholsamen Schlaf fiel.

René konnte in dieser Nacht genauso schlecht schlafen wie Cassandra. Ihn quälten die gleichen Befürchtungen und Ängste wie sie. Er wälzte sich in seinem Bett hin und her. An Schlaf war für ihn nicht zu denken.

Dann fiel ihm das T-Shirt wieder ein, dass Cassandra in der Nacht zuvor getragen hatte. Er stand auf, suchte danach und ging mit dem T-Shirt in der Hand wieder in sein Bett. Das T-Shirt duftete nach Cassandras Parfüm. Er legte es neben sich ins Bett und versuchte sich einzubilden es wäre Cassandra. Zu seinem eigenen Erstaunen half diese Strategie. Er schlief ein und träumte von ihr.

Gerädert und müde wachte Cassandra am nächsten Morgen viel zu früh auf. Sie quälte sich aus ihrem Bett und ging ins Bad. Noch immer nicht ganz wach, schlich sie vom Bad in ihr Zimmer zurück. Sie zog sich an und überprüfte dann ihre Liste, ob sie auch wirklich alles für ihr Handgepäck dabei hatte. Zufrieden ging sie leise in die Küche, wo sie erschrak. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Emilie dort sitzen würde. Sie begrüßten einander fröhlich, aber leise, da sie Cecilia, die noch schlief nicht wecken wollten.

Doch sie hatten Cecilias Neugierde unterschätzt. Wenige Minuten nachdem Cassandra in der Küche erschienen war, zeigte sich auch das verschlafene Gesicht von Cecilia im Türrahmen. „Könnt ihr nicht leise sein. Ich wollte noch schlafen“, behauptete sie. Doch es war offensichtlich, dass ihre Neugierde sie in die Küche gelockt hatte.

Noch im Schlafanzug setze sie sich zu den Freundinnen und hörte zu was die beiden besprachen. „Du solltest auf jeden Fall etwas essen, Cassandra“, drängte Emilie ihre Freundin. „Aber ich habe keinen Hunger“, protestierte Cassandra. „Egal, iss jetzt etwas“.

Emilie stellte ihr die Schüssel mit einer großen Portion Cornflakes, Haferflocken und Milch hin. Einen großen Löffel legte sie auch dazu. Dann sah Emilie Cassandra eindringlich an, bis diese mit dem Verzehr der Cornflakes begann. „Gutes Mädchen“, grinste Emilie. Dann aß sie selber auch eine große Portion Cornflakes. Genüsslich essend tauschten Cassandra und Emilie Blicke aus, mit denen sie einander zu verstehen gaben, dass die Anwesenheit von Cecilia sie störte.

Doch Cecilia hatte an diesem Morgen erstaunlich viel Geduld und blieb in der Küche, trotz der stummen Protesthaltung der Freundinnen. In aller Ruhe bereitete Cassandra für sich und Emilie einen Instantkaffee mit dem heißen Wasser des Wasserkochers zu, als Cecilia plötzlich in die Stille hinein fragte.

„Wann kommt René um Dich abzuholen?“ Cassandra musste lächeln. Sie hatte Cecilia den Rücken zugewandt um den Kaffee zuzubereiten. Nun drehte sie sich vorsichtig um, damit sie nichts von dem heißen Kaffee verschüttete. Sie reichte Emilie einen Becher und stellte dann ihren eigenen vorsichtig auf den Tisch, bevor sie noch im Stehen mit unverhohlener Freude verkündete.

„René kommt nicht hierher. Ich treffe ihn am Flughafen.“ Dann genoss sie den enttäuschten Gesichtsausdruck von Cecilia, die ohne ein weiteres Wort die Küche verließ. Cassandra war erstaunt über sich selber. Diese fiese Seite kannte sie nicht von sich, aber vermutlich lag es hauptsächlich an Cecilia, die in ihr diesen unfreundlichen Wesenszug erweckte.

Es war eine kurze Nacht für René. Er wachte vorzeitig in Panik auf, er könnte den Abflug von Cassandra verpasst haben. Ein Blick auf die Uhr, die auf seinem Nachttisch stand, beruhigte ihn aber. Er hatte noch Zeit. Langsam setzte er sich auf die Bettkante seines Bettes so wie Cassandra es getan hatte, als sie zuletzt hier war.

Sie fehlte ihm bereits jetzt, auch wenn er noch einmal die Gelegenheit hatte sie zu umarmen und zu küssen. Er drehte sich um, nahm das T-Shirt in die Hand, das Cassandra getragen hatte und schnupperte daran. Es war nach wie vor ihr Duft an dem T-Shirt. Er legte es sorgfältig wieder in sein Bett und stand auf. Müde ging er ins Bad und duschte.

Mit nassen Haaren kam er aus dem Bad und zog sich an. Dann fiel sein Blick auf die Kartontüte, in dem sich das Geschenk für Cassandra befand. Er hatte eine kleine Karte am Geschenk befestigt, in der er aber nicht nur Geburtstagsglückwünsche formuliert hatte. Er war sicher, sie würde sich über das Parfüm freuen und hoffte, dass die dazugehörigen Zeilen ihre Rückkehr zu ihm beschleunigen könnten.

Eigentlich hatte er keinen Hunger. Dennoch ging er in die Küche und füllte sich eine große Portion Cornflakes in eine Frühstücksschüssel. Langsam aß er Löffel für Löffel. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht sich hinzusetzten. Er stand an der Spüle und schaute in die Küche.

Dort auf dem Stuhl hatte Cassandra gestern noch gesessen. Heute würde sie für drei lange Wochen nach Mexiko fliegen und er musste so lange ohne sie sein. Er war traurig und wütend zugleich. Wieso mussten auch Cassandras Eltern ausgerechnet jetzt auf die Idee kommen mit ihrer Tochter nach Mexiko fliegen zu wollen. Plötzlich bemerkte René wie albern sein innerer Protest war. Denn egal ob Cassandra jetzt oder in sechs Monaten oder in einem Jahr nach Mexiko fliegen würde. Sie würde ihm immer fehlen. Er liebte sie und wollte sie immer bei sich haben.

Zurück in seinem Zimmer nahm René sein Geschenk für Cassandra in die Hand und verließ das Studentenwohnheim. Er hatte noch viel Zeit, doch seine innere Unruhe ließ in vorzeitig zum Flughafen fahren. Die S-Bahn ratterte über die Gleise. An diesem Morgen befanden sich nicht so viele Fahrgäste wie sonst in den Waggons, denn es waren immer noch Schulferien in Hamburg, die viele Familien dazu nutzen die Stadt zu verlassen.

Am Bahnhof Ohlsdorf stieg René aus und wechselte das Verkehrsmittel. Wer von hier aus zum Flughafen wollte, musste den Bus oder ein Taxi nehmen. Die vom Hamburger Senat geplante S-Bahnanbindung war noch in der Vorbereitungsphase. Die Shuttle-Busse vom Bahnhof Ohlsdorf zum Flughafen verkehrten alle 10 Minuten. Daher musste René nicht lange auf seinen Anschluss Bus warten.

Neben ihm standen mehrere Personen mit Koffern. Plötzlich hörte er jemanden Spanisch sprechen und blickte auf. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern, eines davon ein hübsches, fröhliches Mädchen, stand dicht neben ihm. Auch wenn René kein Wort von dem verstand, was die einzelnen Familienmitglieder zueinander sagten, so war ihm dennoch klar, dass alle sehr aufgeregt waren wegen der bevorstehenden Flugreise.

Der Bus kam. René half unaufgefordert den Eltern, der Spanisch sprechenden Familie, ihre schweren Koffer in den Bus zu heben. Dankbar schauten sie ihn an mit ihren braunen Augen, der von Natur aus braunen Haut und den schwarzen Haaren. Beide Eltern bedankten sich mit dem Wort „Danke“, dass beide mit starkem Akzent aussprachen. René nickte freundlich und stieg ebenfalls in den Bus. Der freundliche Blick der Eltern hatte etwas Exotisches und faszinierendes an sich gehabt, dass René nicht genauer bestimmen konnte. Auf jeden Fall konnte er ein bißchen mehr die Faszination dieses Kontinents verstehen, zu dem Cassandra eine offensichtlich starke Beziehung hatte. Cassandra, er musste lächeln, sie hätte sicher sofort Kontakt zu dieser Familie aufgenommen und fröhlich mit dem kleinen Mädchen geplaudert. Schade, dachte René, dass ich kein Spanisch spreche.

Der Bus hielt am Abflugterminal und alle Fahrgäste stiegen aus. René half erneut der Spanisch sprechenden Familie mit ihren Koffern und schlenderte dann zum Check-in Schalter. Doch nach einem Blick auf die Uhr war ihm klar, dass es nicht sinnvoll war, hier jetzt schon zu stehen und auf Cassandra zu warten. Also vertrieb er sich die Zeit bis zum verabredeten Zeitpunkt mit einem Schaufensterbummel. Doch die Auslagen interessierten ihn nicht wirklich, weshalb er alle 5 Minuten auf seine Armbanduhr sah. Dann endlich war es soweit. Zielstrebig machte er sich auf den Weg zum, von Cassandra genau bezeichneten, Check-in Schalter.

Cassandra hatte sich ein Taxi gerufen. Sie wollte mit dem schweren Koffer nicht den Bus und danach die S-Bahn besteigen. Emilie wartete mit ihr vor dem Wohngebäude, in dem sich ihre Studentenwohnung befand. „Gute Reise und schreibe mir bitte eine Karte“, sagte Emilie etwas nervös. Dann umarmte sie ihre Freundin und drückte ihr ein kleines Küsschen auf die Wange. Emilie fiel es schwer, genauso wie René, wenn auch aus anderen Gründen, drei Wochen auf die Freundin verzichten zu müssen.

Cassandra war auch nervös und auch ihr fiel es schwer jetzt von Emilie für drei Wochen Abschied zu nehmen. Sie umarmte ihre Freundin und bestätigte dann, „versprochen ich schicke Dir eine Karte. Vielleicht auch noch eine zweite, wenn ich die Zeit dazu finde. Michael hat nämlich schon angekündigt, dass sein Schwager José für uns ein umfangreiches Ausflugs- und Besichtigungsprogramm vorbereitet hat.“ Sie lächelte Emilie aufmunternd an.

Dann kam das Taxi. Der Fahrer lud Cassandras Koffer ein und setzte sich wieder auf den Fahrersitz. Cassandra stieg zu ihm ins Taxi, nannte den Zielort der Fahrt und schaute noch schnell einmal durch das Autofenster zu Emilie. Emilie stand auf dem Bürgersteig und winkte zum Abschied. Der Taxifahrer kannte den Weg zum Flughafen sehr gut und brachte Cassandra auf dem kürzesten Weg zum Ziel. Sie bezahlte und stieg aus.

Nachdem der Taxifahrer ihr den schweren Koffer auf den Bürgersteig gestellt hatte und wieder mit seinem Taxi verschwunden war, ging Cassandra langsam mit ihrem schweren Koffer in das Abflugterminal hinein. Sie bedauerte so viele Dinge in ihren Koffer gelegt zu haben, aber auf die Geschenke für Michaels Kinder wollte sie nicht verzichten. Zum Glück hatte sie einen praktischen Griff und Rollen an ihrem Koffer, die es ihr ermöglichten den Koffer leicht zu transportieren.

Nach nur wenigen Schritten traf sie auf ihre Eltern. Nach einer liebevollen Begrüßung gingen sie gemeinsam zum Check-in Schalter ihrer Fluggesellschaft. Cassandra hatte Glück. Ihre Fluggesellschaft akzeptierte ohne Aufpreis ihren schweren Koffer. Nach Prüfung des Reisepasses durch die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft, erhielten sie die Bordkanten mit ihren Sitzplatznummern und das Abfluggate genannt. Ihre Koffer wurden von Hamburg nach Mexiko-Stadt durchgecheckt, auch wenn sie erst in Frankfurt ihren Flieger nach Mexiko-Stadt besteigen würden. Nur noch mit ihrem Handgepäck an der Hand machte sich Cassandra sofort mit den Augen auf die Suche nach René.

Schon von weitem konnte René Cassandra sehen. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bei jeder Bewegung ihres Körpers wippte. Als Cassandra René sah, lief sie auf ihn zu, umarmte und küsste ihn. Dann stellte sie ihn ihren Eltern vor. Charmant und sehr höflich begrüßte er ihre Eltern. Höflich plauderte René mit ihnen über ihre bevorstehende Reise. Er fragte nach Ausflugszielen und besonders sehenswerten Orten. Cassandras Eltern waren erfreut ihren netten und höflichen Freund kennenzulernen. Sie hatten aber auch Verständnis dafür, dass er vor Abflug noch ein paar Minuten mit Cassandra allein sein wollte und ließen ihn nun wieder allein mit ihrer Tochter reden.

René wendete sich Cassandra zu und gab ihr sein Geschenk. Cassandra war überrascht. „Ein Geschenk für mich? Wozu das denn?“, sie schaute René fragend an. „Du hast doch in 10 Tagen Geburtstag. Ich möchte Dir eine Freude machen und hoffe, dass Du auch in Mexiko an mich denkst.“ Renés Herz schlug heftig. Er lächelte Cassandra zärtlich an. Es war so schön sie noch einmal zu sehen. Ihre Stimme zu hören, ihren Duft in der Nase zu haben und sie umarmen und küssen zu können.

„Danke. Ich verspreche Dir dieses Geschenk erst an meinem Geburtstag zu öffnen und ich vermute, dass ich in Mexiko oft, viel zu oft an Dich denken werde.“ Cassandra schluckte und senkte den Kopf. Ihr Herz schlug schnell, viel zu schnell und sie spürte wie sich Tränen in ihren Augen sammelten.

Als sie René wieder ansah, liefen ihr die ersten Tränen über die Wangen. Sie brauchte René nicht mehr sagen, dass es ihr schwer fiel jetzt weg zu fliegen, er konnte es nur allzu deutlich in ihrem Gesicht sehen. Vorsichtig wischte er ihre Tränen weg und küsste sie zärtlich, dann sagte er, „ich liebe Dich.“ Bevor auch in seinen Augen Tränen standen.

Wortlos nahm er sie ihn seine Arme und hielt sie fest an sich gedrückt. Sie hörte wie sein Herz laut pochte. Es fühlte sich so gut an, von ihm umarmt und geküsst zu werden. Sie sah ihn an und bemerkte die Tränen in seinen Augen. Dieses Zeichen von echtem tiefem Gefühl, machte es ihr noch schwerer ihn zu verlassen.

Doch als ihr Flug aufgerufen wurde, musste sie sich schweren Herzens von ihm lösen. Sie küssten sich noch einmal, dann ging Cassandra schnell in Richtung Sicherheits- und Passkontrolle. Bevor sie sich in die Schlange der wartenden Fluggäste vor ihr einreihte, blickte sie noch einmal zurück zu René. Er stand wie angewurzelt da, hob die rechte Hand zum Abschied und versuchte zu lächeln. Doch das fiel ihm schwer. Ihm war nur noch zum Weinen zu mute. Aber Tränen rannen ihm nicht über die Wangen.

Cassandra hob auch ihre rechte Hand und winkte ihm ein letztes Mal zu. Dann versuchte sie sich auf die Abflugformalitäten zu konzentrieren. Ihre Eltern standen hinter ihr und hatten mitbekommen, wie schwer ihr der Abschied von René fiel. René verfolgte Cassandra mit den Augen bis er ihren wippenden blonden Pferdeschwanz nicht mehr sehen konnte. Er ging zur Aussichtsplattform des Flughafens. Auf dem Weg dorthin schritt er durch lange Flure, vorbei an wartenden Fluggästen und dann durchschritt er diagonal die große Abflughalle.

Am Ende der Halle befanden sich mehrere Rolltreppen, die über zwei Ebenen hinweg die Gäste nach oben transportierten. Nach der zweiten Treppe benötigte René nur noch wenige Schritte bis zur Drehtür, die ihn zur Aussichtsplattform leitete. Er ging bis zum Geländer und suchte nach dem Flugzeug der Fluggesellschaft mit der Cassandra und ihre Eltern nach Mexiko flogen. Es standen viele Flugzeuge an den so genannten Fingern, den Verbindungsbrücken zwischen Flugzeug und Flughafen.

Doch dann sah er das Flugzeug. Die Türen waren bereits geschlossen und ein Rollfeldfahrzeug schob das Flugzeug rückwärts. Dann rollte es mit eigenem Antrieb zur Startbahn. Dort stoppte es. Die Turbinen heulten mit voller Leistung auf und die Piloten starteten den Flug. Es dauerte nur wenige Minuten bis das Flugzeug in der Luft war. René verfolgte es mit seinen Augen bis es in den Wolken verschwand. Innerlich schrie er auf, “Komm zurück Cassandra, komm bitte zu mir zurück. Ich liebe Dich doch so sehr.“ Dann starrte er lange Zeit ins Leere, bis sein Herz nicht mehr ganz so schnell schlug und er wieder die Kraft hatte sich auf den Weg nach Hause zu machen.

Das Flugzeug war bis auf den letzten Platz besetzt. Ihr Flug von Hamburg nach Frankfurt war ein Zubringerflug, der möglichst viele Fluggäste sammeln und von dem Zentralflughafen in Frankfurt in alle Welt bringen sollte. Cassandra saß auf einem Gangplatz. Ihre Mutter Lissi, die eigentlich Lieselotte hieß, saß rechts von ihr am Fenster und ihr Vater Robert links auf dem Gangplatz neben ihr. Als das Flugzeug seine endgültige Flughöhe erreicht hatte und die Anschnallzeichen erloschen waren, stellten Cassandras Eltern die Fragen über René, die sie wirklich interessierten.

Vorhin hatten sie seine höflichen Fragen zu ihrem Reiseziel beantwortet. Nun aber fragten sie Cassandra direkt. „Ist René Dein fester Freund?“, wollte Lissi wissen. Robert fragte, „studiert René auch BWL und wie alt ist er überhaupt?“ Cassandra hatte keine Lust all diese Fragen zu beantworten, doch wie sollte sie ihren Eltern in dieser Situation ausweichen. Kurz und knapp vielen daher ihre Antworten aus.

„Ja, René ist mein fester Freund und ja, er studiert auch BWL und erst ist zwei Jahre älter als ich. Er ist also 23 Jahre alt.“ Cassandra hoffte die verständliche Neugierde ihrer Eltern damit zufriedengestellt zu haben. Geschickt brachte sie ihre Eltern nun auf ein anderes Gesprächsthema. Ihr war nicht danach zumute jetzt weiter an René zu denken. Zu schmerzlich war die Tatsache, dass sie ihn drei Wochen lang nicht würde sehen können. Sie wollte Abstand gewinnen und sich über ihre Gefühle für René erst einmal genau klar werden.

Christian klopfte an Renés Zimmertür. „Ja“, meldete sich René. Christian öffnete die Tür und trat in das Zimmer seines Freundes. „Gut, Du bist schon zurück vom Flughafen. Was war das da gestern Morgen in unserer Gemeinschaftsküche? Cassandra war bei Dir. Hast Du mit ihr geschlafen?“ platzte Christian neugierig mit seiner Frage heraus.

„Nein“, antwortete René knapp und etwas irritiert durch die so direkte Frage seines Freundes. „Nein?“, wiederholte Christian. Verwundert sah er René an. „Das verstehe ich nicht. Cassandra übernachtet bei Dir und Du nutzt die Gelegenheit nicht mit ihr zu schlafen? Verstehe ich nicht. Was ist los mit Dir, René?“ Fragend schaute Christian ihn an.

Während er sprach hatte sich Christian auf den Stuhl neben Renés Schreibtisch gesetzt. René saß auf dem Drehstuhl an seinem Schreibtisch und sah seinen Freund schweigend und mit ernstem Gesicht an. „Ja, Cassandra hat bei mir in meinem Bett übernachtet. Und nein, ich habe nicht mit ihr geschlafen. Ich lag auf einer Luftmatratze neben meinem Bett.“ „Aber wieso?“, unterbrach ihn Christian.

„Ich wollte erreichen, dass Cassandra mir vertraut, mir glaubt, wenn ich etwas sage.“ Er grinste traurig und dachte an den schlechten Ruf als Partylöwe, den er immer noch hatte. Dieser Ruf hatte ihn indirekt gezwungen mit Cassandra besonders vorsichtig umzugehen. Sie sollte auf gar keinen Fall den Eindruck bekommen, dass er nur mit ihr schlafen wollte und sie ihm ansonsten egal war. Er seufzte und erklärte Christian dann wieso er anders reagiert hatte als sonst üblich. „Sie hat nur bei mir übernachtet, weil ich ihr versprochen habe sie nicht anzurühren. Ich hielt mein Versprechen. Sie vertraut mir jetzt.“

Erstaunt schaute Christian René an. So ernst und aufrichtig hatte er René noch nie gesehen. „Das war hart. Sie liegt neben Dir in Deinem Bett und Du hast versprochen sie nicht anzurühren“, bestätigte Christian mitfühlend. „Stimmt“, René nickte und fügte hinzu, „ich war ganz kurz davor wortbrüchig zu werden. Du hast sie kennengelernt. Ihre blonden Haare, ihre blauen Augen, diese Lippen und der sexy Körper. Es hat mich fast wahnsinnig gemacht, in dieser Nacht nicht mit ihr zu schlafen.“

Christian nickte verständnisvoll. Plötzlich sagte er, „Du liebst Cassandra.“ René ignorierte diese Äußerung seines Freundes und schaute aus dem Fenster. Christian blieb aber hartnäckig und fragte erneut nach. René wendete abrupt seinen Kopf und sah Christian ernst an. „Verdammt, ja. Ich liebe sie.“ René schaute traurig aus. Er musste jetzt drei Wochen ohne Cassandra verbringen. Christian sah René voller Verständnis an. Dann stand er wortlos auf und ging aus Renés Zimmer.

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