Читать книгу Das Leben ist zu kurz, um drüber nachzudenken! - Chapeau Baschtel - Страница 10

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Dem fleißigen Denker wurde langsam aber sicher bewusst, dass sich die Charakterbildung vor allem aus zwei Hauptbestandteilen entwickelt. Den Gefühlen und den Bedürfnissen eines jeden Einzelnen, welche uns das gesamte Leben begleiten und unsere ständige Entwicklung prägen. WOW! Gefühle und Bedürfnisse, davon gab es eine Menge im Leben des fleißigen Denkers. Wie war das noch gleich damals? Welche Gefühle und Bedürfnisse haben ihn wohl am stärksten in seinen jungen Jahren geprägt? Er erinnerte sich zurück an eine für ihn in Erinnerung gehaltene schwere Zeit.

Die Eltern des kleinen Mannes entschieden sich ein Haus zu bauen. Sie fanden es wäre an der Zeit, man bräuchte mehr Platz und vor allem einen schönen großen Garten. Dies bedeutete allerdings für den Wunderknaben, er musste die Schule wechseln, denn das Haus sollte im Nachbarort entstehen. Für ihn als kleiner Mann unendlich weit von seinen Freunden, Klassenkameraden und Silke entfernt. Na gut, von Silke weit weg zu sein, dass empfand er nun doch nicht als den negativsten Faktor an der ganzen Umzugsgeschichte. Das Haus wurde allerdings in rasend-schnellen, wenigen Monaten fertig gestellt, so dass der Tag des Abschieds von seiner gewohnten Umgebung, seinen Freunden und Klassen-kameraden scheinbar viel zu schnell herbei flog. Nun war es also soweit. Der lang gefürchtete Tag war gekommen, die Vorfreude auf das neue Haus und das neue viel größere Zimmer war wie weggeblasen, als er vor seiner Klasse und damit vor dem größten Teil seiner Freunde stand. Die Lehrerin konnte den kleinen Wunderknaben gut leiden, somit fiel es ihr sichtlich schwer die passenden Abschiedsworte zu finden. Mit einem Klos im Hals fasste sie kurz die schönsten und besonderen Momente mit dem kleinen Wunderknaben zusammen, auch der Sturz auf dem Schulhof fand seinen Platz in Ihrer Ansprache. Als ihr allerdings ein paar Tränen über die Wange kullerten, BUFF daran kann sich der fleißige Denker gut erinnern, überkam ihn ein neues ungewohntes Gefühl, wie ein Schauer über den Rücken. Er musste wirklich sehr stark seinem Mann stehen, um nicht auch ein paar Tränen zu vergießen. Es sollte sich aber herausstellen, dass der kleine Wunderknabe noch nicht mannsgenug war, denn spätestens nachdem sich alle Klassenkameraden einzeln mit einer kleinen Geschichte, welche ein gemeinsames Erlebnis mit dem kleinen Mann beinhaltete, bei ihm verabschiedeten und ihm ein gemeinsames Abschiedsgeschenk überreichten, war es um ihn geschehen. Seine Tränen fingen ohne sie aufhalten zu können unkontrolliert an über seine Wangen zu kullern.

Dieses Gefühl musste etwas mit Trauer zu tun haben, denn er fühlte sich sehr, sehr traurig diese wundervolle Klasse, diese wundervollen Freunde verlassen zu müssen. In diesem Moment tat es ihm sogar Leid, dass er Silke verlassen musste. Dieser Abschied tat richtig, richtig weh und dieses Gefühl sollte ihn auch für sein zukünftiges Leben prägen. Es folgte ein turbulenter, kräftezerrender und nervenaufreibender Umzug. So betitelten zumindest seine Eltern das Erlebte, während des Umzugstages. Der kleine Mann bekam schließlich nicht viel davon mit. Er spielte seelenruhig bei seiner Oma im Garten und bezog danach sein frisch renoviertes, neues Zimmer. Nun hatte er auch endlich so etwas wie Freude im Bauch, als er sein neues Reich betrat, 25qm groß, drei Fenster, eigenes Bad, viel Stauraum für das ganze Spielzeug, er hätte es sich selbst nicht besser aussuchen können, dachte der kleine Mann.

Am Montag nach dem Umzugswochenende, kam dann der erste Schultag in der neuen Schule. Der Vorteil war, die Schule war nur eine Straße weiter, also ein sehr kurzer Schulweg und wenig Möglichkeiten zu Stürzen… Auch an dieser Schule war es üblich, sich auf dem Schulhof aufzustellen und auf den Lehrer zu warten. Da es der erste Schultag in der neuen Schule war, kamen die Eltern des Wunderknaben mit in die Schule. Gemeinsam gingen sie an der ersten Schlange vorbei, auch an der Zweiten und der Dritten. Alle Schüler schauten ihn von oben bis unten an und tuschelten, manche lachten sogar. Er meinte so etwas Ähnliches gehört zu haben, wie:

>>Das ist der Neue, guck mal wie der aussieht!<< Aber das kann sich der kleine Mann auch eingebildet haben, so glaubte er zumindest. Nachdem er und seine Eltern im Schulgebäude verschwunden waren, begrüßte sie die Direktorin und die neue Klassenlehrerin des kleinen Mannes. Beide waren sehr freundlich und verabschiedeten gemeinsam mit dem kleinen Mann seine Eltern. Die neue Klassenlehrerin nahm den kleinen Mann dann auch mit in seine neue Klasse, diese wurde bereits vom Schulhof abgeholt und in die Klasse gebracht. Die Lehrerin stellte den kleinen Mann kurz vor, und betitelte ihn ebenfalls als der Neue. Irgendwie fühlte sich das nicht gerade gut an der Neue zu sein. Schließlich kannten sich alle in der Klasse schon mehr als zwei Jahre, manche gingen sogar in denselben Kindergarten oder wohnten nebeneinander. Die Lehrerin beschloss, dass der kleine Mann sich selber kurz vorstellen solle, vor der gesamten Klasse. Na toll, was sollte er nur erzählen? Das Meiste hatte ja seine Klassenlehrerin schon erwähnt. Der kleine Mann fühlte sich überrumpelt, so dass er lediglich ein paar nicht zu verstehende Brocken herausbrachte, er lief rot an und die gesamte Klasse lachte. Die Lehrerin platzierte ihn neben einem Mädchen, das Mädchen hieß Silke, wie sollte es auch anders sein. Den Rest des Tages versteckte der kleine Mann sich hinter seinen Büchern oder verbrachte die Pausen alleine auf einer Bank.

Als der Unterricht beendet war, war der Gong der Schulglocke wie ein Befreiungsschlag für den kleinen Mann. Ziemlich zügig ging der kleine Mann, den kurzen, jedoch zuvor viermal mit den Eltern abgelaufenen Schulweg, nach Hause. PUH, das war kein angenehmer Tag, erinnerte sich der fleißige Denker. Damals, erinnerte er sich zurück, wich er den Fragen nach dem ersten Schultag geschickt aus. In den nächsten Tagen und Wochen wurde es nicht gerade besser. Seine Mitschüler sprachen zwar mit ihm und er durfte auch in den Pausen mitspielen oder besser gesagt teilnehmen. Aber ein Zugehörigkeitsgefühl, wie in seiner alten Klasse, verspürte er nicht. Im Gegenteil, er fühlte sich außen vor, gut zu erkennen auch daran, dass er nie von einem Mitschüler gefragt wurde sich zum Nachmittagsspielen zu verabreden. Immer wenn er nachfragte, hatten die Mitschüler schon etwas anderes vor. Als ob wenn es der kleine Mann nicht schon schwer genug gehabt hätte, machte ihn sein Zahnarzt darauf aufmerksam, dass er eine Zahnspange bekommen sollte. Eine Zahnspange? Was ist das denn und wieso überhaupt? Der kleine Mann hatte bis zu diesem Tage überhaupt nicht wahrgenommen, dass die Hälfte seiner Zähne im Oberkiefer komplett schief waren. Seine Eltern erklärten ihm ausführlich, was dies nun bedeutete und wie eine Zahnspange dabei helfen könne diese Fehlbildung der Zähne zu verbessern. Dem kleinen Mann blieb also nichts anderes übrig, das wie sich herausstellen sollte langjährige Prozedere über sich ergehen zu lassen.

Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit einem so genannten Maulbogen. Wofür das Ding überhaupt gut war, begriff der kleine Mann zwar nicht, aber er sollte dieses Ungetüm so oft wie es nur ging tragen. Auch am Tag, auch während der Schule. Während der Schule, dachte der kleine Mann, oh man das kann ja was werden. Tapfer beschritt der kleine Mann seinen Gang zur Schule. Bereits auf dem Schulweg blieben die Leute stehen und schauten den kleinen Mann mit großen Augen an. So etwas hatten die Meisten noch nie gesehen, denn Zahnspangen waren noch nicht wirklich in der Mode. Und den Maulbogen, welcher aus dem Mund heraus über den Hinterkopf gespannt wurde, konnte man auch nicht übersehen. Auf dem Schulhof angekommen, war es noch viel, viel schlimmer, als am ersten Schultag. Diesmal glotzten ihn wirklich alle an. Und auch fast alle, bis auf die wenigen, die wie erstarrt in der Reihe standen, lachten lautstark über den kleinen Mann und seinen neuen Begleiter, den Maulbogen.

Der kleine Mann empfand vieles zu diesem Zeitpunkt, vor allem aber, kann sich der fleißige Denker erinnern, verspürte er Scharm und Demütigung. So hatte sich der kleine Mann noch nie gefühlt, wieder ein Gefühl auf das er liebend gern verzichtet hätte. Über die nächsten Monate wechselten zwar die Zahnspangenarten, allerdings hatten die meisten Kinder auch noch nie eine feste Zahnspange oder wie es letztendlich betitelt wurde Schneeketten im Mund eines Kindes gesehen. So wurde der tägliche Schulgang des kleinen Mannes immer mehr zu einem Spießrutenlauf. Wann immer es einem Mitschüler möglich war, vor allem den Jungs, machte sich dieser über die Schneeketten lustig und alle fanden es auch nach über einem Jahr immer noch lustig.

Was allerdings am Schlimmsten für den kleinen Mann war, auch die Kinder dieser Schule entdeckten ein neues Spiel, das Kussfangen. Er hatte keine Möglichkeit seine Erfahrungen in diesem Spiel zu nutzen und damit aufzutrumpfen, denn als er es einmal versuchen durfte, rannten alle Mädchen weit, weit weg vor ihm und seiner Zahnspange. Es waren also nicht nur die Schmerzen, welche die grobe stramme Zahnspange im Mund des kleinen Mannes verursachte, sondern ebenso die Demütigung, welche ihm jeden Tag aufs Neue daran erinnern sollte, dass er seine alte Klasse und seine Freunde vermisst. Und nun als Außenseiter in einem neuen Ort, zwar mit einem riesengroßen Zimmer, allerdings war es ihm nicht möglich damit Eindruck zu machen, weil ja keins der Kinder mit ihm spielen wollte. Jeden Tag überlegte er, wie er es schaffen kann, akzeptiert und respektiert zu werden. Er hatte ein Bedürfnis entdeckt, und zwar nicht nur das Verlangen der Zugehörigkeit, sondern auch das Verlangen Akzeptanz und Respekt zu erlangen. Wie konnte er nur diese Bedürfnisse abdecken und in den Griff bekommen?

Das Leben ist zu kurz, um drüber nachzudenken!

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