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Aus „Leben und Briefe von Charles Darwin“, hrsg. von seinem Sohn Francis Darwin
ОглавлениеIch hatte mir den ersten Band von Lyells ›Principles of Geology‹ mitgenommen, den ich aufmerksam studierte; und das Buch erwies mir in vielerlei Hinsicht die besten Dienste. Der erste Ort, den ich untersuchte, nämlich St. Jago auf den Kapverdischen Inseln, zeigte mir eindeutig die wunderbare Überlegenheit von Lyells Weise, die Geologie zu behandeln, verglichen mit jedem anderen Autor, dessen Werk ich dabeihatte oder jemals später las.
Mein Werk ist nun nahezu vollendet; aber ich will mir noch zwei oder drei weitere Jahre Zeit lassen, um es zu ergänzen; und da meine Gesundheit keineswegs fest ist, so sah ich mich zur Veröffentlichung dieses Auszugs gedrängt. Ich sah mich noch umso mehr dazu veranlasst, als Herr Wallace, welcher jetzt die Naturgeschichte der malaiischen Inselwelt studiert, zu fast genau denselben allgemeinen Schlussfolgerungen über die Artenbildung gelangt ist. Letztes Jahr sandte er mir eine Abhandlung darüber mit der Bitte zu, sie Sir Charles Lyell zuzustellen, welcher sie der Linnéschen Gesellschaft übersandte, in deren Journal sie nun im dritten Bande abgedruckt worden ist. Sir C. Lyell sowohl als Dr. Hooker, welche beide meine Arbeit kennen (der Letzte hat meinen Entwurf von 1844 gelesen), beehrten mich, indem sie den Wunsch ausdrückten, ich möge einen kurzen Auszug aus meinen Handschriften zugleich mit Wallaces Abhandlung veröffentlichen.
Dieser Auszug, welchen ich hiermit der Lesewelt vorlege, muss notwendig unvollkommen sein. Er kann keine Belege und Autoritäten für meine verschiedenen Feststellungen beibringen, und ich muss den Leser ansprechen, einiges Vertrauen in meine Genauigkeit zu setzen. Zweifelsohne mögen Irrtümer mir untergelaufen sein; doch glaube ich mich überall nur auf verlässliche Autoritäten berufen zu haben. Ich kann hier überall nur die allgemeinen Schlussfolgerungen anführen, zu welchen ich gelangt bin, in Begleitung von nur wenigen erläuternden Tatsachen, die aber, wie ich hoffe, in den meisten Fällen genügen werden. Niemand kann mehr als ich selber die Notwendigkeit fühlen, alle Tatsachen, auf welche meine Schlussfolgerungen sich stützen, mit ihren Einzelheiten bekannt zu machen, und ich hoffe, dies in einem künftigen Werk zu tun. Denn ich weiß wohl, dass kaum ein Punkt in diesem Buch zur Sprache kommt, zu welchem man nicht Tatsachen anführen könnte, die oft zu gerade entgegengesetzten Folgerungen zu führen scheinen. Ein richtiges Ergebnis lässt sich aber nur dadurch erlangen, dass man alle Erscheinungen und Gründe zusammenstellt, welche für und gegen jede einzelne Frage sprechen, und sie dann sorgfältig gegeneinander abwägt, und dies kann nicht wohl hier geschehen.
Ich muss bedauern, nicht Raum zu finden, um so vielen Naturforschern meine Erkenntlichkeit für die Unterstützung auszudrücken, die sie mir, mitunter ihnen persönlich ganz unbekannt, in uneigennützigster Weise zuteilwerden ließen. Doch kann ich diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne wenigstens die große Verbindlichkeit anzuerkennen, welche ich Dr. Hooker dafür schulde, dass er mich in den letzten fünfzehn Jahren in jeder möglichen Weise durch seine reichen Kenntnisse und sein ausgezeichnetes Urteil unterstützt hat.
Wenn ein Naturforscher über die Entstehung der Arten nachdenkt, so ist es wohl begreiflich, dass er in Erwägung der gegenseitigen Verwandtschaftsverhältnisse der Organismen, ihrer embryonalen Beziehungen, ihrer geographischen Verbreitung, ihrer geologischen Aufeinanderfolge und anderer solcher Tatsachen zu dem Schluss gelangen könne, dass jede Art nicht unabhängig von anderen erschaffen sei, sondern nach der Weise der Varietäten von anderen Arten abstamme. Dem ungeachtet dürfte eine solche Schlussfolgerung, selbst wenn sie richtig wäre, kein Genüge leisten, so lange nicht nachgewiesen werden kann, auf welche Weise die zahllosen Arten, welche jetzt unsere Erde bewohnen, so abgeändert worden seien, dass sie die jetzige Vollkommenheit des Baues und der Anpassung für ihre jedesmaligen Lebensverhältnisse erlangten, welche mit Recht unsere Bewunderung erregen. Die Naturforscher verweisen beständig auf die äußeren Bedingungen, wie Klima, Nahrung usw., als die einzig möglichen Ursachen ihrer Abänderung. In einem sehr beschränkten Sinne kann dies, wie wir später sehen werden, wahr sein. Aber es wäre verkehrt, lediglich äußeren Ursachen z.B. die Organisation des Spechtes, die Bildung seines Fußes, seines Schwanzes, seines Schnabels und seiner Zunge zuschreiben zu wollen, welche ihn so vorzüglich befähigen, Insekten unter der Rinde der Bäume hervorzuholen. Ebenso wäre es verkehrt, bei der Mistelpflanze, die ihre Nahrung aus gewissen Bäumen zieht, und deren Samen von gewissen Vögeln ausgestreut werden müssen, wie ihre Blüten, welche getrennten Geschlechtes sind, die Tätigkeit gewisser Insekten zur Übertragung des Pollens von der männlichen auf die weibliche Blüte voraussetzen, die organische Einrichtung dieses Parasiten mit seinen Beziehungen zu jenen verschiedenerlei organischen Wesen als eine Wirkung äußerer Ursachen oder der Gewohnheit oder des Willens der Pflanze selbst anzusehen.
Dr. Erasmus Darwin (1731–1802), Wissenschaftler, Dichter, Erfinder und Großvater väterlicherseits von Charles Darwin. Er hegte diffuse Ideen über die Evolution und verfasste erotische Verse über Pflanzen.
Erasmus Darwins zweiteilige Dichtung über die Vegetation. Teil II war der feurige.
Tafeln aus The Botanic Garden.
Erasmus Darwins Zoonomia, ein Prosawerk mit seinen Ideen zur Evolution. Sein Enkel Charles las es als junger Student, wurde davon aber nicht bewusst beeinflusst.
Es ist daher von der größten Wichtigkeit, eine klare Einsicht in die Mittel zu gewinnen, durch welche solche Umänderungen und Anpassungen bewirkt werden. Beim Beginn meiner Beobachtungen schien es mir wahrscheinlich, dass ein sorgfältiges Studium der Haustiere und Kulturpflanzen die beste Aussicht auf Lösung dieser schwierigen Aufgabe gewähren würde. Und ich habe mich nicht getäuscht, sondern habe in diesem wie in allen anderen verwickelten Fällen immer gefunden, dass unsere Erfahrungen über die im gezähmten und angebauten Zustand erfolgenden Veränderungen der Lebewesen immer den besten und sichersten Aufschluss gewähren. Ich halte es für wichtig, meine Überzeugung von dem hohen Wert solcher von den Naturforschern gewöhnlich sehr vernachlässigten Studien auszudrücken.