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Kapitel 1 Mit gezinkten Karten

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Da saß ich nun. Es war der 1. April, der letzte Tag meines Mordprozesses. Ich war so müde, so fertig, so ausgezehrt von diesem Albtraum. Mehr als drei volle Monate lang musste ich montags bis freitags von neun Uhr morgens bis sechs Uhr abends im Gerichtssaal sitzen - so lange brauchten meine Pflichtverteidiger, um die Jury auszuwählen. Dann erst begann der eigentliche Prozess, ein Mordprozess, bei dem mein Leben an einem seidenen Faden hing.

Der tägliche Gang zum Gericht selbst machte mich physisch völlig fertig. Jeden Morgen um sechs Uhr dreißig musste ich aufstehen, um mich für meinen Tag im Gericht zu duschen und anzuziehen, aber ich hatte keinen Wecker. Wenn ich Glück hatte, kam ein Wachmann an meiner Zelle vorbei und sagte mir, dass es Zeit sei, mich vorzubereiten. Meistens allerdings kam keiner.

Ich wurde damals in einer Einzelzelle verwahrt, Einzelhaft weil ich angeblich ein hohes Sicherheitsrisiko darstellte. Jeder, den der Staat für ein Kapitalverbrechen anklagt und zum Tod verurteilen möchte, erhält automatisch den Status eines hochgefährlichen Gefangenen. Die Größe meiner Zelle betrug dreieinhalb mal dreieinhalb Meter. In dieser Zelle gab es eine Vormauerung aus Beton, auf der meine fünf Zentimeter dünne Matratze lag. Am einen Ende dieser Vormauerung stand ein kleiner Stahltisch, der mit der Vorderwand der Zelle verschraubt war. Er war so plaziert, dass ich am einen Ende der Vormauerung saß, wenn ich Briefe schreiben, essen oder lesen wollte. In dieser Zelle strahlte das Neonlicht 24 Stunden pro Tag. Zu jeder Tages- und Nachtzeit leuchtete also ein grelles Licht in jeden Winkel der Zelle. Man konnte ihm nicht entkommen. Der Grund dafür war, dass man sicher stellen wollte, dass ich nicht ausreichend schlafen konnte und dadurch unausgeglichen war. Die Verantwortlichen im Gefängnis wussten, dass ein unausgeglichener Gefangener mit Schlafentzug leichter zu kontrollieren war. An der Rückwand der Zelle befand sich eine Waschbecken-Klo-Kombination aus Edelstahl mit einem Edelstahlspiegel darüber. In der anderen hinteren Ecke gab es eine kleine Duschwanne. In dieser Zelle war ich ein Jahr lang jeden Tag 23 Stunden. Kein Fernsehen, kein Radio, nichts um mir irgendwie die Zeit zu vertreiben, abgesehen von meinem Zugang zu einer Handvoll Taschenbüchern.

Wenn mein Zeitgefühl mich nicht im Stich ließ, war ich um sieben Uhr fertig, wenn das Transportteam mich abholte. Es waren damals zwei Wachleute, die regelmäßig auftauchten, um mich zum Gerichtsgebäude auf der anderen Straßenseite zu eskortieren. Bevor ich die Zelle verlassen durfte, musste ich meine Kleidung ausziehen und mich nackt vor die Wachen hinstellen, damit sie in meiner Kleidung nach gefährlichen Gegenständen stöbern konnten. In Wahrheit nehmen sie den Gefangenen dabei ihre Würde und die letzten Reste ihres Selbstwertgefühls. Wie gesagt, Gefangene ohne Würde und Selbstwertgefühl sind leichter zu steuern, es ist einfacher für die Verantwortlichen, weil sie sie nach diesen Prozeduren ohne Probleme wie eine Schafherde gängeln können. Das Gefängnis raubt dir nicht nur die Freiheit, es versucht dir auch deine Persönlichkeit wegzunehmen.

Danach bekam ich meine Kleidung zurück und durfte meine Unterhose und die Socken anziehen. Dann wurde die Zellentür geöffnet und mindestens zwei Wachleute kamen in die Zelle herein. Ich musste beide Arme über meinen Kopf halten und völlig ausatmen, damit sie den ferngesteuerten Schockgürtel an meinem Oberkörper befestigen konnten. Dieser Gürtel musste auf die nackte Haut gelegt werden. Der Schockgürtel bestand aus einem breiten, elastischen Kunststoffband, mit dem der Körper mehrfach und unglaublich straff umwickelt wurde. Direkt über meinen Nieren wurde daran sorgfältig die Steuerungsbox angebracht. Diese war 20 mal 20 Zentimeter breit und etwa acht Zentimeter dick. Weil damit der Schock verabreicht wurde, musste sie zu jeder Zeit eng am Körper anliegen. Mit diesem Gürtel konnten sie meinen Körper einen Schock zwischen 50000 und 70000 Volt verpassen. Der Schockvorgang dauert ungefähr acht Sekunden. Er wird manuell per Funk ausgelöst und führt dazu, dass man die Kontrolle über die Gliedmaßen verliert, zu Boden fällt, uriniert und sich die Hosen vollmacht. Wenn sie mich zwangen diesen Schockgürtel zu tragen, hatten sie absolute Kontrolle über meine Psyche. Sie zwangen mich dazu, ständig über diesen schrecklichen Schock nachzudenken und die Schmach, die es wäre, mir die Hosen vollzumachen.

Nachdem sie mir den Schockgürtel verpasst hatten, erhielt ich eine Kette um meine Hüfte und meine Handschellen wurden an einem der Kettenglieder befestigt. Dann bekam ich noch Fußfesseln um meine Knöchel, die mich dazu zwangen, bei jedem Schritt die Füße über den Boden zu schleifen. Ich konnte auch nur winzige Schritte machen, bedingt durch die kurze Kette zwischen den Fußfesseln. All diese Dinge musste ich tragen, sooft ich meine Zelle verließ. Hätte ich mich auch nur gegen einen Teil gewehrt, wäre sofort ein Schlägertrupp von 15 Wachen in voller Kampfausrüstung gerufen worden. Diese hätten mich brutal zu Boden gedrückt und mir alles mit Gewalt angezogen.

Wenn ich schließlich angezogen war mit all diesem Zeug an meinem Körper, machte ich mich auf den Weg, um die 600 Meter zum Gerichtsgebäude zu schlurfen. Wir benutzten unterirdische Tunnel, die das Gefängnis mit dem Gericht verbinden. Sobald wir im Keller des Gerichts angelangt waren, wurde ich in eine kleine Verwahrungszelle gesteckt. Wenn ich Glück hatte und das Transportteam gut drauf war, wurden mir die Handschellen abgenommen. Wenn nicht, saß ich dann zwei Stunden lang in dieser Zelle - alleine, mit Handschellen und Fußfesseln, mit dem Schockgürtel um meinen Körper geschnallt und wartete darauf, dass es endlich neun Uhr war. Dann eskortierte mich ein neues Team hoch zum Gerichtssaal für meinen Prozess. Kaum war ich im Gerichtssaal, wurde ich in die nächste Verwahrungszelle gebracht, alleine natürlich, und wartete erneut, bis mir der Gerichtsdiener sagte, dass mein Prozess gleich anfängt. Dreieinhalb Monate lang musste ich diese physische und mentale Tortur über mich ergehen lassen.

Ich saß am hinteren Ende des Tisches, der für die Verteidigung vorgesehen war, meine beiden Anwälte direkt neben mir und wollte nichts als aus diesem Albtraum aufwachen, den ich durchlebte. Mein Rücken war immer nach vorne verkrümmt, weil ja das Steuerungselement des Schockgürtels an meinem Rücken befestigt war. Das war ziemlich schmerzhaft, aber ich musste es Tag für Tag ertragen. Der Wachmann mit der Fernbedienung für meinen Schockgürtel saß immer direkt hinter mir. Durch ihn wurde ich stets daran erinnert, dass ich bei der kleinsten schnellen Bewegung einen Schock erhalten würde. Mehrmals täglich sagte er: „Du machst mich nervös und du weißt ja was passiert, wenn ich nervös werde!“

In dieser Zeit gingen mir unendlich viele Gedanken durch den Kopf. Die brutale und unmenschliche Behandlung durch das Wachpersonal und während des Verfahrens hatte meiner geistigen Verfassung so zugesetzt, dass mir alles egal war. Ich hatte mich mit dem Gedanken abgefunden, dass ich in der Todeszelle landen würde und dass ohnehin alles besser war, als das, was ich im Moment durchmachen musste. Die andauernde Quälerei hatte mich so fertig gemacht, dass ich mich zum Teil wirklich nach dem Tod sehnte. Mein Leben zog in Bildern an mir vorbei. Gedanken und Erinnerungen an das, was ich einst hatte und nun für immer verlieren würde, schossen mir durch den Kopf. Meine Familie war im Gerichtssaal, aber ich durfte nicht zu ihnen hinsehen. Das war für mich am schwersten zu ertragen, meine Lieben nicht ansehen zu dürfen oder meine Mutter, keine Chance ihr wenigstens ohne Worte zu sagen, dass ich sie liebte. Ich durfte es nicht, weil die Verantwortlichen meinten, dass sie das nervös machen würde.

Ich durfte ein Blatt Papier vor mir liegen haben und einen Füller, um meinem Anwalt, falls nötig, eine Nachricht zu schreiben. Dafür wurde die Kette gelockert, die meine Handschellen zur Körpermitte schnürten, so dass ich mich nach vorne lehnen und eine Nachricht kritzeln konnte. Auf dem Tisch stand ein Wasserkrug und ein Glas für mich, aber ich durfte auch das Wasser nicht selbst eingießen. Ich musste meinen Anwalt bitten, das für mich zu tun. Es hätte sie natürlich wieder nervös gemacht, wenn ich mich bewegt und Wasser ins Glas gegossen hätte und wenn sie nervös geworden wären, hätten sie mir vielleicht einen Schock verabreicht. Also saß ich nur dort, ständig in Angst, einen Schock verpasst zu kriegen.

Ich durfte in meinem Prozess nicht selbst in den Zeugenstand. Mein Anwalt sagte mir, dass es glatter Selbstmord wäre, dies zu tun. Dies würde nämlich die Tür aufstoßen zu allerlei Fragen über meine Vergangenheit und jedes „unschöne“ Ding, das ich gedreht hätte. Er versicherte mir, dass ich zwei Tage damit zubringen würde, Dinge aus meiner Vergangenheit auszugraben und jedes kleinste Detail der Zeugenaussage könnte meiner Verhandlung schaden. Meine Anwälte rieten mir, einfach dazusitzen und keine Gefühlsregung zu zeigen, weder zu lachen noch zu weinen, weder zu lächeln noch die Stirn zu runzeln. Mir ist jetzt klar, dass ich wie ein gnadenloser Killer ohne Gewissen und ohne Gefühle gewirkt haben muss. Ich bin sicher, die Jurymitglieder hatten keinen Zweifel daran, dass ich jemanden „verletzen, verstümmeln oder umbringen“ würde, wenn sie mich nicht zum Tod verurteilen würden.

Die Gestapotaktik des Staatsanwaltes war der Grund dafür, dass ich nicht einen einzigen Zeugen zu meiner Entlastung hatte. Als das Verbrechen stattfand, war ich eine Autostunde weit entfernt. Ich konnte dies mit mehreren Zeugen belegen, die zu jener Zeit bei mir waren. Diese Zeugen aus dem Familien- und Freundeskreis wurden zuerst bedroht und anschließend eingesperrt, nur weil sie auf meiner Seite waren. Der Staatsanwalt hat uneingeschränkte Vollmacht, was Verhaftungen von Personen betrifft. Er klagt sie einfach an - egal ob ein Vergehen vorliegt - und der jeweilige Distrikt erlässt einen Haftbefehl. Der Staatsanwalt machte das mehrmals mit meinen Freunden, meiner Freundin und meinen Eltern. Obwohl sie nicht mehr die Jüngsten sind, wurden meine Eltern eingesperrt, weil sie mich liebten und nichts Schlechtes über mich zu berichten hatten, nicht nur einmal, sondern zweimal. Meine Freundin wurde sogar drei Mal eingesperrt, weil sie sich weigerte, die Lügen über mich zu erzählen, die der Staatsanwalt hören wollte. Dieser Amtsmissbrauch von Seiten des Staatsanwaltes hatte verheerende Konsequenzen.

Außergerichtlich einigten sich meine Familienangehörigen mit dem Richter, dass sie nichts sagen würden, falls sie vorgeladen würden. Sie teilten dem Richter auch mit, dass sie dies nur tun würden, weil man ihnen keine andere Wahl ließe. Schließlich standen sie ja selbst unter Anklage. Alle Konfliktparteien waren anwesend, als diese Anhörung stattfand, auch der leitende Staatsanwalt, aber er verwendete weiter diese Taktik, sobald jemand sich weigerte, etwas Negatives über mich auszusagen. Mit der Verhaftung meiner Familie hatte der Staatsanwalt den Ernst seiner Drohung, mögliche Entlastungszeugen einzusperren, deutlich unter Beweis gestellt. Ich saß also da und hatte keinen einzigen Zeugen, der meine Version der Geschichte hätte bestätigen können, keinen, der bezeugt hätte, dass ich mit dem Verbrechen nichts zu tun hatte. Meine Verteidigung vor Gericht war genau so eingezwängt wie mein Körper und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.

Drei Staatsanwälte sprachen über mich, als nach meinem Schuldspruch das Strafmaß festgelegt werden sollte. Zuerst eine Frau: Sie erläuterte, wie böse ich sei, wie ruchlos und dass es für Typen wie mich keine Hoffnung gäbe. Ohne Zweifel wäre ich eine ständige Bedrohung der Gesellschaft, wo auch immer ich lebte. Ich musste also sterben. Sie bezeichnete mich als das „Antlitz des Bösen“. Der zweite Staatsanwalt führte aus, wie unberechenbar ich wäre, wie ich in jedem Augenblick einem Menschen etwas Böses antun könnte. Ich wäre sozusagen ein kriminelles Chamäleon, das sich in einer Masse von unbescholtenen Bürgern versteckt und nur darauf wartet zuzuschlagen. Ich müsste exekutiert werden, weil feststehe, dass ich gefährlich sei. Das „Beste“ hatten sie sich allerdings für den Schluss aufgehoben. Der Oberstaatsanwalt legte dar, was für eine gemeine und üble Person ich wäre. Ich sei so ein schreckliches Individuum, dass nicht ein einziger Zeuge irgendetwas Nettes über mich zu sagen gehabt hätte oder von einer guten Tat von mir etwas gewusst hätte. Dann stellte er die Frage: „Wo sind denn überhaupt seine Eltern? Wo sind seine Geschwister? Wo ist seine Freundin? Warum bezeugen sie nicht die guten Taten, die er in seinem Leben vollbracht hat?“ Dann sprach er weiter: „Ich werde Ihnen sagen, warum sie nicht hier sind. Sie haben nichts Gutes über ihn zu sagen!“ Es gab keinerlei Beweise, um diese Aussagen zu untermauern, also benutzten sie Lügen und verdrehten die Situation, in der sich meine Familie befand, und damit überzeugten sie die Geschworenen. Das waren die Nägel für meinen Sarg, der letzte Schlag, den mir der Staatsanwalt verpasste. Mit diesem Schlag schickte er mich in eine von Menschen gemachte Hölle voll von Folter und Gewalt, in den Todestrakt von Texas.

Meine schwachen und unfähigen Verteidiger sagten nicht ein Wort, um diese tödlichen Schläge zu mildern. Sie standen auf und droschen einige bedeutungslose Floskeln. Einer von ihnen fragte sogar, ob man mein Leben nicht verschonen könnte, weil der folgende Tag Karfreitag wäre und das Osterwochenende bevorstünde. Sie suchten hilflos in ihren Notizen und klangen kläglich und schwach verglichen mit den Powerfrauen und -männern, die das Büro der Staatsanwaltschaft aufgefahren hatte, um mein Schicksal zu besiegeln.

Mir war völlig klar, was kommen würde, als sich die Geschworenen zurückzogen, um über mein Schicksal zu entscheiden. Würde ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen? Oder würden sie zum Urteil kommen, dass ich nichts Menschliches an mir hätte, dass ich in Wirklichkeit ein tollwütiger Hund bin, den man beseitigen müsste. Das waren einige der Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, während ich zur Verwahrungszelle im Keller gebracht wurde. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich eingezwängt in dieser Zelle saß mit dem Schockgürtel, den Fußfesseln und den Handschellen. Die Wachen wollten sie mir nicht abnehmen. Sie sagten mir, dass ich ohne Zweifel zum Tod verurteilt werden würde und dass beim Umgang mit Todeskandidaten die schärfsten Sicherheitsvorkehrungen anzuwenden seien.

Wieder wurde ich mit meinen Gedanken allein gelassen. Der kleine Junge in mir schrie nur noch vor Entsetzen über das, was mit ihm geschah, traumatisiert von der unmenschlichen Behandlung. Alles, was er wollte, war ein Ende dieser schrecklichen Situation. Er spielte mit dem Gedanken einzuschlafen und nie mehr aufzuwachen. Dieser kleine Junge stieß laut die Frage hervor, was er getan hatte, um eine solch schreckliche Behandlung verdient zu haben, aber ich weigerte mich, irgendjemandem auch nur die kleinste Spur von Schwäche zu zeigen.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie es im Todestrakt wohl sein würde. Welche Torturen würde ich dort ertragen müssen. Alles, was mir in den Sinn kam, war ein Gefängnis voll von lauter Hannibal Lecters, von Mördern und Verrückten ohne jegliche Hoffnung und dass ich um mein Leben und meinen Stolz täglich zu kämpfen hätte. In diesem Moment fasste ich den Entschluss, nie aufzugeben, was auch immer geschehen mochte. Ich wusste nicht, wogegen ich in der Zukunft kämpfen musste oder wer meine Feinde sein würden, aber ich würde bis zum letzten Atemzug kämpfen. Erst nach diesem Entschluss konnte der kleine Junge in mir Ruhe finden.

Einige Stunden später kam das Transportteam und sagte mir, dass ich jetzt wieder in den Gerichtssaal zurückkommen müsste. Mir war klar, dass das ein schlechtes Zeichen war. Als ich ankam, warteten bereits meine zwei Anwälte auf mich. Sie waren überzeugt, dass ich zum Tod verurteilt werden würde. Sie meinten, ich solle stark bleiben und es wie ein Mann ertragen. Ich sagte nichts, während ich in ihre Augen sah. Ich hatte das ohnehin bereits entschieden, als ich noch im Keller mit meinen Gedanken allein gewesen war. Ich nickte nur und sagte, dass ich es schnell hinter mich bringen wollte.

Die Geschworenen saßen bereits, als ich den Gerichtssaal betrat. Gleichzeitige drehten sie ihre Köpfe zu mir, um mich anzusehen. Ich starrte sie mit leeren Augen an, schaute niemanden und nichts an und ertrug es, wie meine Anwälte es gewünscht hatten, wie ein Mann. Der Richter fragte den Vorsitzenden der Jury, ob sie zu einem Urteil gekommen seien. Der Vorsitzende bejahte dies. Er stand auf und sagte: „Wir, die Geschworenen, befinden, dass Charles Don Flores eine ständige Bedrohung der Gesellschaft darstellt und sehen keine mildernden Beweise oder Umstände, die uns dazu bewegen würden, nur eine lebenslängliche Haftstrafe und nicht die Todesstrafe zu fordern.“ Dann befragte der Richter die Geschworenen und jedes Jurymitglied musste aufstehen und zu den Fragen „gesellschaftliche Bedrohung“ und „mildernde Umstände“ Stellung nehmen. Das Urteil war einstimmig. Einige der Jurymitglieder starrten mich mit hasserfüllten Augen an. Einige schauten mich überhaupt nicht an. Zwei Frauen weinten, während sie die Fragen beantworteten. Sie taten mir leid. Sie waren gezwungen worden, mich zum Tode zu verurteilen, und ich konnte sehen, wie es sie innerlich zerriss.

Nachdem jedes Mitglied der Jury diese beiden Fragen beantwortet hatte, wandte sich der Richter an mich: „Mr. Flores, nachdem die Jurymitglieder die Frage „gesellschaftliche Bedrohung“ mit „Ja“ beantwortet haben und die nach den „mildernden Umständen“ mit „Nein“, fasst das Gericht hiermit den Beschluss, Sie im Namen des Gesetzes zum Tode zu verurteilen und verfügt, dass Sie in das „Texas Department of Criminal Justice (TDCJ)“ überführt werden. Dort werden Sie die bei einem Todesurteil vorgesehenen Revisionsstufen durchlaufen, die Ergebnisse dieser Revisionen abwarten und dann einen Termin für die Exekution durch tödliche Injektion erhalten. Diese stellt den Abschluss des Strafverfahrens dar. Bringen Sie ihn zurück in die Verwahrungszelle.“ Ich starrte ihn mit leerem Blick an und spürte nichts mehr. Es kam mir vor, als wäre ein Teil von mir schon gestorben. Umringt von Wachpersonal wurde ich aus dem Gerichtssaal entfernt. Ich wusste, dass ein Teil meines Lebens für immer verloren war und dass der Anfang vom Ende gerade begonnen hatte.

Unbesiegt - Unschuldig in der Todeszelle

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