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Notlandungen

Das Vielfliegen gehört zum täglichen Brot eines internationalen DJs. Man ist ja per se gezwungen, häufig und weit zu fliegen. Im Grunde verbringt man meist mehr Zeit im Flieger, als man am Ende im Club ist. Das Umherjetten zwischen den verschiedenen Zeitzonen ist auch weitaus anstrengender als die zwei Stunden Auftritt, die dir oftmals sogar eher Energie und Befriedigung geben, als dass sie Kraft kosten. Und je mehr man fliegt, desto größer ist natürlich auch die Chance, unangenehme Dinge während des Reisens zu erleben. Ich musste schon des Öfteren durchstarten, Extrarunden drehen, notlanden oder durfte überhaupt gar nicht erst abheben. Hier eine kleine Auswahl der skurrilsten Begebenheiten rund ums Fliegen:


Vorsicht, Kühe! – Miles per Minute: 4.051

Von Hyderabad kommend im Anflug auf den Flughafen von Mumbai gibt der Kapitän auf einmal kurz vor der Landung voll Schub und startet durch. Kurz danach die Durchsage aus dem Cockpit: “Sorry, we needed to abort our landing due to some cows on the runway, please keep your seatbelt fastened. We‘ll soon update you with news.? Kühe sind heilig in Indien, die können nicht einfach so vertrieben oder gar abgeknallt werden. Also mussten wir erst mal eine Stunde über dem Flughafen der größten Stadt Indiens kreisen, bis sie sich endlich gemächlich von selbst von der Landebahn entfernt hatten.


„Some kind of vibration“ – Miles per
Minute: 5.916

Schon beim Abheben von Florianópolis nach Rio konnten alle Passagiere an Bord die Vibrationen und ein heftiges Rütteln des Flugzeuges spüren. Kurz danach meinte der Kapitän nur trocken über den Lautsprecher: “Dear passengers, you might have recognized some kind of vibration during our take-off. Probably one of our tires went flat.” Das war noch die gute Nachricht. Die schlechte war, dass es wahrscheinlich eines der beiden Bugräder war. So mussten wir am Ende mit ausgefahrenem Fahrwerk sehr tief über dem Tower des Rio Int. Airport kreisen, um sicher zu gehen. Die Fluglotsen konnten per Fernglas feststellen, dass tatsächlich eines unserer Bugräder platt war. Man sollte eigentlich meinen, dass ein modernes Flugzeug an Bord Sensoren für so etwas hat, oder? Jedenfalls mussten wir mit dem Status einer offiziellen Notlandung Rio anfliegen. Daraufhin konnte der komplette Flugplatz für uns gesperrt werden, die Feuerwehr stand parat und mir rutschte das Herz in die Hose. Ich machte schon fast mein letztes Gebet. Am Ende war es aber eine beinahe ganz normale Landung und die ganze Aufregung umsonst. Dafür lernte ich dabei meinen Sitznachbarn näher kennen. Rui Pitanguy, praktisch der Erfinder der plastischen Schönheitschirurgie, einen der reichsten und bekanntesten Brasilianer. Glücklich darüber, die ganze Sache heil und gesund überlebt zu haben, zeigte er mir daraufhin ganz Rio in seiner Privatlimo und bot mir eine kostenlose Botox-Behandlung gegen die Falten auf meiner Stirn an, die sich während des Fluges deutlich vertieft hatten. Diese lehnte ich dann aber trotzdem dankend ab.


Winterzauber– Miles per Minute: 3.918

Ich hatte eine tolle Woche und zwei erfolgreiche Gigs im Süden Manhattans hinter mir, als ich mich wieder auf den Rückweg nach Deutschland machte. Die Wettervorschau verhieß nichts Gutes und am Flughafen angekommen, musste ich vom Taxi schon durch mehreren Zentimeter tiefen Schnee zur Eingangstür der Abflughalle waten. Dort herrschte das reinste Chaos. Viele Flüge waren verspätet oder gar gestrichen worden, denn ein großes Sturmtief befand sich im Anzug. Mein Flug hatte bis jetzt nur 30 Minuten Verzögerung, also hieß es für mich schnell einchecken und zum Gate gehen. Alles lief glatt, wir kamen sogar etwas früher vom Finger. Glück gehabt, dachte ich bei mir. Bis wir irgendwann auf dem Vorfeld im Stau standen. Mit 30 anderen Fliegern, die alle auf das Go für ihren Abflug warteten. Aufgrund des mittlerweile starken Schneetreibens konnte immer nur eine der insgesamt vier Startbahnen des JFK-Airportes genutzt werden, während die anderen geräumt wurden, sodass unser Abflug sich immer weiter verzögerte. 30 Minuten, noch mal 45 Minuten … das kann nerven. Irgendwann teilte uns der Pilot mit, dass er die Triebwerke abschalten müsse, ansonsten hätte er nicht mehr genug Sprit, um über den Atlantik zu kommen. In diesem Fall müssten wir wieder zurück zum Gate und nochmals Nachtanken. Also standen wir eine weitere Stunde auf dem Vorfeld. Außen minus 15° Grad, drinnen gefühlte plus 50° bei saunahafter Luftfeuchtigkeit, denn die Lüftung eines Flugzeuges ist an die Triebwerke gekoppelt. Sprich, sie wurde beim Abschalten der vier Hauptturbinen auch auf ein Minimum heruntergefahren. Am Ende hatten wir über vier Stunden Verspätung, doch alle an Bord waren froh, als die Maschine endlich gen Europa abhob. So viel zum Thema lockeres Jet-Set-Leben.


Mit dem Kopf in der Klobrille – Miles per Minute: 1.013

In jenem Sommer spielte ich einen ganzen Monat als Resident des bekannten Paradise-Club auf Mykonos. Ich musste dafür von München nach Athen und von dort aus weiter nach Mykonos fliegen. Ich hatte die Nacht davor in unseren damaligen Produktionsstudios in München übernachtet und war am Morgen ziemlich spät dran. Das Frühstück fiel also aus, es gab nur ein paar Tassen kalten Kakaos, die ich nebenbei beim Packen meiner Sachen trank. Erst beim dritten Glas fiel mir beim Einschenken auf, dass die Milch irgendwie ins Glas bröckelte statt zu fließen. Mist! Die Milch war sauer. Im Stress und durch den beigemischten Kakao war mir der leicht bittere Geschmack gar nicht aufgefallen. Scheiß drauf, dachte ich bei mir und machte mich zum Flughafen auf. Alles ging gut, bis ich beim Einsteigen in die Maschine ein leicht flaues Gefühl im Magen verspürte. Und dann ging es los, so richtig. Ich verbrachte die ganzen zweieinhalb Stunden auf der Flugzeugtoilette mit übelstem Brechdurchfall. Ich finde die Toiletten im Flieger so schon recht eklig. Aber richtig eklig ist es, dort vor der sperrigen Schüssel stundenlang auf dem schmutzigen Boden zu knien und zu liegen, den Kopf über die fleckige Klobrille gebeugt, und sich zu übergeben. Dabei permanent abgestandene Luft aus der Düse über dem Spiegel ins Gesicht geblasen zu bekommen und von grellem Neonlicht angestrahlt zu werden. Ein Alptraum! Die Stewardessen hatte ich schon vorgewarnt, dass ich wüsste, was mir fehlt und ich „lediglich“ zu viel saure Milch getrunken habe. Mann, ging es mir schlecht, ich wollte einfach nur sterben. Zum Glück im Unglück musste ich mich zum letzten Mal übergeben, als die Anschnallzeichen wieder angeschaltet wurden und ich mich für die Landung in Athen wieder hinsetzen musste. Mit leicht flauen Beinen und total müde, aber sehr erleichtert – im wahrsten Sinne des Wortes – legte ich mich nach der Landung für zwei Stunden einfach auf eine Wiese am Rande des Flughafens von Athen und schlief sofort ein. Zum Glück hatte ich mir einen Wecker für den Weiterflug gestellt, ansonsten wäre ich wahrscheinlich erst am nächsten Morgen wieder aufgewacht. Seitdem schenke ich der Milch ganz besondere Aufmerksamkeit beim Einschenken.

Odyssee von Kiew – Miles per Minute: 969

Eigentlich hätte es ein ganz entspanntes Wochenende mit nur einem Gig am Samstag in Kiew werden sollen. Es ging steil auf Weihnachten zu und ich freute mich, bald viel Zeit mit meinen Freunden und meiner Familie verbringen zu können. Ich hatte einen tollen Auftritt im Club D’Lux in Kiew gehabt und sollte gleich morgens um acht nach Frankfurt zurückfliegen. Am Flughafen Borispol angekommen, war ich recht müde, hatte ich doch noch keine Minute geschlafen und freute mich, gleich im Flieger die Augen zumachen zu können. Beim Check-in lief alles glatt, kein Anzeichen von Problemen oder Verspätungen. Doch kurz vor der geplanten Boardingzeit wurde die erste Verspätung von 30 Minuten angezeigt. Okay, das kommt häufig vor. Doch ab diesem Zeitpunkt wurde der Start immer weiter nach hinten verlegt. Als erfahrener Vielflieger prüfte ich schnell die typischen Indikatoren für eine Verspätung. Das Wetter in Kiew war schön, minus zehn Grad und klarer Himmel. Das Flugzeug stand am Gate und sah startbereit aus. Auch die Crew war schon an Bord gegangen. Also ging ich schnell online und checkte die Webseite des Frankfurter Flughafens. Schon auf der Startseite fielen mir die dick rot eingefärbten Sätze wie „Verspätung aufgrund dichten Schneetreibens …“ oder „Flug annulliert“ ins Auge. Mir schwante nicht Gutes. Die Ankunftszeit meines Fluges war wegen starken Schneefalls von ursprünglich geplant zehn Uhr vormittags auf vierzehn Uhr verschoben worden. Ich sollte also noch weitere drei Stunden hier auf meinen Abflug warten. Am Flughafen von Kiew gibt es so gut wie nichts zu tun, kaum Geschäfte, nicht einmal ein schönes Café. Alles sehr dröge. Also suchte ich mir eine Bank mit drei freien Sitzen nebeneinander und legte mich hin, um ein wenig zu schlafen. Vorsichtshalber stellte ich mir noch einen Weckruf auf meinem Handy ein, um meinen Abflug nicht zu verschlafen. Nach zweieinhalb Stunden Schlaf prüfte ich erneut die Anzeige im Flughafen wie auch die Webseite. Noch einmal um drei Stunden verschoben. Irgendwann wird einem so sterbenslangweilig, man hat alle Spiele auf seinem Computer durch, dessen Akku sowieso nach zwei Stunden schlapp macht. Finde mal auf dem Flughafen in Kiew eine freie Steckdose. Ein Buch zum Lesen hatte ich auch vergessen. Laaaangweilig … Ich hatte schon Angst, hier auf dem Flughafen übernachten zu müssen. Irgendwann bekommst du Alpträume, hier dein ganzes Leben lang gefangen zu sein und nie mehr weg zu kommen. Schließlich jedoch wurde unser Flug um 16 Uhr zum Einsteigen aufgerufen. Vier Stunden später befanden wir uns im Landeanflug auf den Frankfurter Flughafen. Unter uns alles weiß, mit ein paar blinkenden Lichtern der Räumfahrzeuge gespickt, die vergeblich versuchten, die Landebahn schneefrei zu bekommen. Unser Landeanflug musste noch zweimal abgebrochen werden, weil die Landebahn kurzfristig wieder geschlossen wurde. Das alles konnte mich jetzt auch nicht mehr schocken. So setzten wir schließlich um kurz nach acht in Frankfurt auf. Endlich geschafft, dachte ich mir, als ich ins Flughafengebäude hineinlief. Mitnichten. Überall waren hier schon Feldbetten aufgestellt worden, um gestrandeten Fernreisenden wenigstens einen Schlafplatz zu bieten. Der Flughafen quoll über vor Leuten. Nur schnell Richtung Fernbahnhof und dann bist du in zwei Stunden in Ulm, dachte ich bei mir. Denkste! Egal, ob Hitze, Regen oder Schneefall, die Deutsche Bahn findet immer Gründe für ihre Verspätungen. Ich wollte einfach nur noch heim in mein Bett. Schließlich bekam ich einen Zug um kurz vor zehn, der dann um halb eins morgens in Ulm am Hauptbahnhof einfuhr. So froh, daheim zu sein, war ich schon lange nicht mehr gewesen. Da hatte ich eine richtige Odyssee erlebt.


Karma – Miles per Minute: 5.916

Diesen Flug am 31.05.2009 hatte ich zum Glück nicht gebucht, denn es war eines der größten Flugzeugunglücke der letzten zehn Jahre, bei dem alle 228 Insassen ums Leben kamen.

Genau eine Woche zuvor hatte ich den gleichen Flug mit wahrscheinlich der exakt gleichen Maschine genommen. Als ich den Bericht in den Fernsehnachrichten sah, lief es mir schon kalt den Rücken hinunter. Karma.

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