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Kapitel 6

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Als kurzer Einschub nun das philosophische Duett, statt dem philosophischen Quartett, aber nicht um Mitternacht, sondern Montag abends um neun.

"Gestern im Tatort war davon die Rede, daß Verbrecher in der Regel kein oder nur sehr wenig Unrechtsbewußtsein haben, und sich teilweise als <normal> betrachten. Das ist doch krass, oder?" meinte Leander zu Angela.

"Ja, allerdings. Wenn sie dieses Unrechtsbewußtsein hätten, würden sie vielleicht gar keine Straftaten begehen, glaube ich." entgegnete Marie.

"Da hast du auch wieder Recht, mal ausgenommen Leute, die wirklich nichts zu essen haben oder obdachlos sind, und deshalb zum Beispiel klauen."

"Wenn aber zum Beispiel jemand betrügt, über Zinsgeschäfte Millionen für sein Kapitalvermögen kassiert, ohne nur einen einzigen Finger dafür zu rühren, oder durch Zockergeschäfte mit Hedgefonds oder Bankwetten andere Menschen schädigt, und sowieso schon genügend Geld hat, aber den Rachen nie voll bekommt, inwieweit ist das dann noch menschlich verständlich?"

"Erstens gibt es die zivil- oder strafrechtliche Komponente, also inwieweit jemand gegen das geltende Recht eines Landes verstößt oder nicht. Dann gibt es die göttlichen Gesetzmäßigkeiten, die teilweise auch in Schriften verfaßt sind, wie der Bibel, der Torah, den Veden, dem Koran und so weiter, und an die sich die Menschen halten sollten. Aber Ethik ist leider vielen immer mehr ein Fremdwort. Und den Zehnten geben eben auch nicht alle. - Warum Leute, die reich oder superreich sind, immer noch geldgieriger werden, ist mir ein absolutes Rätsel. Ich kann es nicht verstehen. - Aber um noch einmal auf die Strafbarkeit einer Handlung zurückzukommen: Zwischen dem Gesetz des Staates und den göttlichen Gesetzen der Schriften gibt es durchaus Überschneidungen, zum Beispiel, daß Morden und Stehlen verwerflich sind. Früher in der Schule habe ich mir auch schon viele Gedanken über sowas gemacht, und nach über 700 gesehenen und gelesenen Krimis bin ich zu dem Schluß gekommen, daß die meisten Straftäter einer innere negative Wesensveränderung haben, eine Art Besessenheit, und eine Persönlichkeitsstörung, auch wenn das nach außen oft nicht erkennbar ist. - Eine Streitfrage bleibt natürlich das Töten im Krieg, aber unabhängig von der Strafbarkeit oder Nichtstrafbarkeit bleibt die karmische Verknüpfung des Täters mit dem Opfer und umgekehrt immer bestehen, nach dem Motto: Was ihr sät, werdet ihr ernten. Also müßten die Verbrecher das Gesetz von Ursache und Wirkung erkennen, Einsicht zeigen und irgendwann merken, daß sich Straftaten nicht lohnen, da sie negative Rückwirkungen erzeugen, auch wenn diese nicht sofort sichtbar werden."

"Und wenn jemand nicht an das karmische Gesetz, Saat und Ernte oder Ursache und Wirkung glaubt, schaut es schlecht aus."

"So schnell können wir die Gefängnisse also nicht abschaffen."

"Leider nicht. Aber der Glaube oder Nichtglaube an bestimmte Gesetze spielen eigentlich keine Rolle. So wie das physikalische Gesetz der Schwerkraft zum Beispiel wirkt, so gibt es auch die Gesetzmäßigkeit, daß schlechte Gefühle und Gedanken eine in der Regel negative Rückwirkung haben, und positive umgekehrt. Mag sein, daß es seltene Ausnahmen gibt, aber die fallen mir jetzt nicht ein."

"Manche Kriminelle sind wirklich besessen. Die erste Leiche, dann die zweite, irgendwann die dritte... oder Bankräuber und Betrüger: Die erste Million, die zweite, irgendwann die dritte..."

"...bis sie dann geschnappt werden, und in den USA oder China sogar dafür mit ihrem Leben bezahlen können."

"Laut Reinkarnationslehre kann man ja dann den nächsten Anlauf zur Besserung im nächsten Leben starten!"

"Das ist aber nur eine Verschiebung der Problematik. Die Täter müssen die Unrechtmäßigkeit im Hier und Jetzt erfassen, ja, es ist eine Einsicht in der Gegenwart erforderlich, es ist eine Frage des Verständnisses, und dazu braucht man eine Art göttliche Inspiration, sowie ein Gefühl von Mitmenschlichkeit, eine Art <Herzenergie>."

"Und die die nicht haben, sind mehr oder weniger Monster."

"Meistens schon. Wenn ich zum Beispiel an die Drogenmafia in Mexiko denke, die ihre Opfer köpfen und zerstückeln..."

"Ein besonderes Extrem. Aber die Graustufen zwischen kleinkriminell und hochkriminell sind wohl fließend."

"Die Einsicht, warum man etwas tut, also die Absicht, die Bösartigkeit und Motivation einer Tat spielen eine entscheidende Rolle."

"Ja, allerdings. Bleibt aber das Problem mit dem Krieg. Ist das Töten im Krieg, laut katholischer Kirche, jetzt wirklich weniger verwerflich als das private Morden? Beides ist ja eine gezielte Handlung des Tötens."

"Generell ist der Unterschied nicht allzu groß. Was bleibt, ist die Illusion des <Feinds>. Feindbilder können aufgebaut und künstlich konstruiert werden. Es sind negative Gedanken- und Gefühlsstrukturen, die wie ein Golem installiert werden können, und die Menschen fallen darauf herein."

"Die Polizei soll die Menschen beschützen und Leben nur im Notfall opfern, während im Krieg ja zum Teil gnadenlos abgemetzelt wird, beispielsweise im Ersten und Zweiten Weltkrieg."

"Es braucht also eine Ideologie dafür. Ob diese allerdings <richtiger> oder <falscher> ist als andere Denksysteme, ist meiner Meinung nach relativ und nie absolut."

"Einen Absolutheitsanspruch hat eigentlich nur der liebe Gott, das allumfassene Schöpfungsbewußtsein."

"Genaugenommen schon."

"Ist also bei Soldaten tendenziell eine höhere Affinität für Straftaten festzustellen als bei Nicht-Militärs?"

"Sehr schwierige Frage. Da müßte man direkt eine soziologische Studie darüber machen. Da fallen mir höchstens die Hells Angels und Bandidos ein. Genau kann ich diese Frage nicht beantworten."

"Ethik macht auch vor den Berufen des Soldaten, des Henkers und Metzgers nicht halt. Jeder und jede sollte sich selbst hinterfragen, ob er oder sie voll für das eigene Tun einsteht oder nicht."

"Ja, dieses eigene Dahinterstehen spielt eine große Rolle. Die Proportion, die Verhältnismäßigkeit sollte nicht zu sehr aus dem Ruder laufen. Bis die Menschheit in Frieden leben kann, ganz ohne Krieg und ohne Straftaten, das ist wohl eine Utopie, die in den Sternen steht."

"Allerdings. Aber der Weg ist das Ziel."

"Stell dir vor, eine Zivilisation hat es gerade geschafft, den Frieden auf ihrer Welt zu verwirklichen, und dann kommen die Berserker-Invasoren aus dem Weltraum eingefallen! Dann ginge der ganze Zirkus wieder von vorne los!"

"Die Paradoxie der materiellen dualen Schöpfung. Manche Dinge erscheinen auf den ersten Blick unlogisch, irrational und schwachsinnig."

"Das emotionale Element stachelt zu Kreativität an, leider auch zu krimineller und gewaltsamer Aktivität und Verblendung."

"Und kleinkariertes schubladierendes Denken schafft die Ideologie dazu, die menschengemachten, oder Reptiloid-erzeugten Illusions-Axiome!"

"Gibt es dann überhaupt eine einheitliche Realität über der Ebene von <Gut-Böse>, <Hell-Dunkel>, <Materie-Gottgeist>, <Involution-Evolution>?"

"Im Advaita-Vedanta ja, aber das wurde von vielen verblendeten Pseudo-Gurus wie dem Backwahn-Oascho total mißverstanden und fehlinterpretiert als hedonistisch-anarchischer Freifahrschein für den eigenen Egoshooter-Trip, leider. Dreißig Rolls-Royce vor der Haustür und keinen Rupee für die Notleidenden in den Slums gespendet, pfui!"

"Der Leser oder die Leserin des <Magiers von Varanasi> könnte langsam an die eigenen Grenzen stoßen. - Guru und Schüler ziehen sich übrigens immer gegenseitig an, auf den unterschiedlichsten Stufen."

"Erst die Überwindung der eigenen Grenzen bringt neue Horizonte hervor. Daher ist die Hauptrolle dieses Buchs ja auch ein geheimnisvoller Magier."

"Er konfrontiert sein Gegenüber immer mit den Schattenseiten der jeweiligen Persönlichkeit, er drückt ganz bewußt, aber nie unter der Gürtellinie, die roten Knöpfe."

"Genau. Und das macht er immer mit einem gewissen Fingerspitzengefühl, und er verschwendet dabei nie seine Energie."

"Faszinierend!"

"Sie immer mit Ihrem <Faszinierend!> Ich kann es schon langsam nicht mehr hören!" tönte es ironisch-belustigt.

"Wohl kein Trekky? Macht nichts. - Ist der Earl Grey von Twinings schon fertig?"

"Du machst Schleichwerbung hier im Roman, das soll man doch nicht!"

"Sollen uns die teetrinkenden Briten halt das Buch vorfinanzieren - dann ist es keine Schleichwerbung mehr. Leider war der blöde Scheck damals ja gefälscht. Eine Niete von 13900 britischen Pfund, ein wertloser Papierfetzen!"

"Ob seine Majestät vielleicht die Vorfinanzierung genehmigen?"

"Habe leider überhaupt keinen heißen Draht zu Seiner Majestät. Und bis dato keinen Mäzen zur Hand. - Vielleicht gewinnen wir ja was im Lotto, im Keno oder der Glücksspirale! Der Student Leander hat gerade mal nach noch 64,57 Euro auf seinem Konto!"

"Ist doch besser als gar nichts! In Indien sind 64,57 Euro für einen Scooterfahrer ein halbes Vermögen! - Spiel' halt Glücksspirale, wenn's dir nicht reicht! Geld, Gold, ein sorgenfreies Leben! Wie klischeehaft!"

"Hoffentlich kommt der Erfolg nicht erst posthum. - Der Weg, die Wahrheit und das Leben. Amen."

"Wenn es immer so einfach wäre."

"Oder visualiere dir den Reichtum einfach à la Bärbel Mohrs <Bestellungen beim Universum>! Und wenn's nicht klappt, schreibst du einfach eine <Reklamation ans Universum>!"

"Die Autorin dieser Bestseller ist vor kurzem an Krebs gestorben!"

"Künstlerpech."

"Die Welt ist sehr viel komplexer, als daß man sie eine starre Schablone pressen könnte. - Meditieren Sie einfach drei Monate im Zen-Kloster, werfen Sie all Ihre Verblendungen und Illusionen über Bord, und werden Sie Bettelmönch! Verschenken Sie all ihren Besitz! - Und danach zehn Millionen per Lottoschein gewinnen und drei Viertel wieder an die Armen abgeben!"

"Wenn man oder frau den Mut dazu hat... verdient das echten Respekt! Aber die heutigen Helden werden ja leider immer weniger. Das sag mal unseren Super-Milliardären auf der Welt, die hinter den Hochfinanz-Kulissen die Politiker-Marionetten bedienen und die Menschen wie Vieh behandeln!"

"Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als daß ein Reicher in den Himmel kommt."

"Genau. Du hast es erfaßt!"

"Meinst du eigentlich, daß wir für die spezielle Arbeit, die wir jahrelang kostenlos gemacht haben, einmal eine Art Ausgleich bekommen werden?"

"Ich hoffe es doch sehr. Nach dem kosmischen Gesetz von Ursache und Wirkung kommt alles wieder auf einen zurück, je nach Art der Absicht. Auch im Positiven! Fragt sich bloß, wann."

"Ja, der Zeitfaktor. Die Menschen haben so ihre Probleme mit der vierten Dimension - Vorwärtszeit, Rückwärtszeit, Gegenwart, alle Paralleluniversen gleichzeitig..."

"Vielleicht landen wir ja doch irgendwann mal als Devotees in Swami Nityanandas oder Ammas Ashram."

"Sag niemals nie! Wenn es unser Dharma sein sollte... der megamäßig-tolle Ausblick vom 17. Stock auf die Palmen und den Strand war wirklich nicht zu verachten!"

<Der Alte muß weg!> Zitat aus einer damaligen Zeitung bezüglich dem geforderten Abtritt Adenauers.

<Der Alte muß weg!> Der zweite, metereologisch sehr versierte "Alte" erwies gewissen zwei Menschen [...] im nachhinein gesehen mit seinem "Live-Abhören" und durch die nachfolgende korrekte Identitätsfeststellung ungewollt einen großen Gefallen, obwohl er ein durchtriebener Ideologe war. Der "Faker" half wahrscheinlich maßgeblich mit, den zweiten "Alten" aus dem Weg zu räumen.

<Der Faker muß weg!> Dann schieben Sie ihn halt durch den Farbkopierer, bis er platt ist wie 'ne Briefmarke!

"Jo, wird prompt erledigt!"

Wenn die Pferde dreimal in Angst wiehern, und das auch noch mehrmals vorkommt in knapp hundert Metern Entfernung ohne direkten Sichtkontakt (!), dann ist das ein eindeutiges Vorzeichen. Pferde sind ein hochsensibler "Seismograph" für feinstoffliche Energien, und manchmal auch für zukünftige Ereignisse in Bezug auf gewisse "Monster" in Menschenkörpern, wie zum Beispiel den "Faker".

Dies ist kein Scherz, sondern reine Beobachtung. Die Pferde reagieren auf das Energiefeld des Menschen, und auf den "Müll", der sich am Rande der Aura befindet, teilweise abgeschirmt von den positiven Energien des Christus und anderen positiven Kräften. Oder anders ausgedrückt: Schutzschilde hochfahren, Feind auf Abstand halten. Feind besiegen, und am Ende in die Tonne kloppen.

Willkommen auf Zulu Drei, meine Herren!

Der Faker träumte einen wilden Traum in der Krankenstation mit den vielen Schwarzen in ihren blauen Kitteln. Er war ein großer, monsterartiger Gorilla, der in einem Gefängnis eingesperrt war und wie wild an den Gitterstäben rüttelte. Laut grölte er um sich und rief:

"Ich will sofort meine Anwälte sprechen, aber sofort! Geben Sie mir ein Telephon, aber dalli!"

Der Wärter lachte und gab ihm eine Banane durch die Gitterstäbe. Wie wild drückte der Faker an der Banane herum und sprach dann in die Banane:

"Hallo, hier Mr. Faker. Mr. Dusseldome, ich brauche dringend Ihre Hilfe! Ich bin im Gefängnis und bräuchte eine Million Dollar, um mich freizukaufen! Bringen Sie den Zaster mit!"

"Aber wo sind sie denn? Im Zoo, ähh, nein, im Gefängnis!"

"Ich brauche eine Straße und Hausnummer!"

"So, das reicht!" Der Wärter riß ihm die Banane wieder aus der Hand, durch die Gitterstäbe hindurch. Der Faker drehte durch und rüttelte jetzt so stark an den Gitterstäben, daß es schon leicht wackelte. Es schien aber nur so. Die Stäbe waren bombenfest. Zum Glück.

"Jetzt bekommen Sie eine Beruhigungsspritze! Mit dem Betäubungsgewehr!" Der Wärter nahm das harpunenartige Gerät und schoß den Betäubungspfeil in seinen schwarzen, extrem behaarten Körper.

"Verdammt! Was war das?" fragte der Faker entsetzt.

"Kleine Ruhigstellung, weiter nichts!"

"Wo bin ich hier eigentlich?"

"Im Militärgefängnis [...] in Maryland."

Und schon sackte der Faker weg in den Betäubungsschlaf.

Nach drei Stunden wachte Faker aber "real" auf. Er sah sich um und war entsetzt. Schon wieder diese verdammte Krankenstation im Urwald mit all den Blaubekittelten! War das mit dem Skin-Typen und dem Gorilla alles nur ein Traum? Oder war die Krankenstation ein böser Traum?

Schon kam der Oberarzt Dr. Tulu-Tulu um die Ecke und lachte, wieder dieses tiefe, leicht schelmische Lachen.

"Mr. Weißer Erdling, Ihren genauen Namen weiß ich leider nicht, sie haben eine hohe Konzentration von Rauschgift in ihrem Körper. Kokain! Sind Sie drogenabhängig??"

"Nein, verdammt nochmal! Und jetzt hau ab, blöder Nigger, sonst..."

"Was, sonst? Wenn du weiter so arschlochmäßig bist, werden wir dich festschnallen und in den körperlichen Entzug bringen, in die Gummizelle. Da kannst du dann um Hilfe schreien, und keiner wird dich hören. Außer ich, per Lautsprecher in meinem Arztzimmer. Also, kooperierst du jetzt mit uns, bist du die nächsten Tage bereit, einige medizinische Untersuchungen über dich ergehen zu lassen? Schließlich gibt es nur ganz selten Weiße auf Zulu Drei. Du bist sozusagen ein totaler Idiot, ähh, Versprecher, natürlich Exot, und das lassen wir uns doch nicht entgehen, oder? Hahahaha!!" Wieder erschallte dieses tiefe Lachen. Es war dem Faker jetzt sehr unheimlich zu Mute. Was für medizinische Untersuchungen?? Oder wollten sie ihn insgeheim foltern? Jetzt kam das schlechte Gewissen über all die Straftaten auf Terra langsam in im hoch, der Drogeneinfluß nahm immer mehr ab, da kein Nachschub mehr da war. Er bekam jetzt echte Angst, gab es aber nicht nach außen zu.

"Hau endlich ab, du verdammter N i g g e r!!!" brüllte er mit Leibeskräften.

Der Oberarzt drückte einen roten Alarmknopf, und nach einer Minute erschienen drei superstarke kräftige schwarze Krankenpfleger, die ihn sofort an seinem Bett mit Ledergurten festzurrten.

"Ab in die Gummizelle!" ordnete Dr. Tulu-Tulu an. "Jetzt kommt der brachiale körperliche und psychische Kokainentzug, aber natürlich unter unserer Beobachtung, Mr. Faker, so heißen Sie doch, oder?"

"Ja, verdammter Motherfucker!"

"Du wirst den Entzug überleben. Es wird hart werden für dich, aber du warst ja früher beim Militär. Stell dich also nicht so an, Memme!"

"Ich bin keine Memme!"

"O.K. Das reicht. - Pfleger, ab die Post!"

"Jawohl, Herr Dr. Tulu-Tulu."

Und ab ging es in die Gummizelle. Sie war blau ausgekleidet, wie in einem OP. Warum war hier bitteschön alles blau??

Der totale Kokain-Entzug entwickelte sich zu einem wahren Höllentrip für den Faker. Er wußte nicht so recht, ob er wachte oder träumte, alle Realitätsebenen schienen sich irgendwie zu überlagern. Er sah vereiste Leichen in roten VW Lupos liegen, die plötzlich wieder aufwachten und ihn anklagend anschauten; er wurde im Traum mit einer Art Strahlenwaffen traktiert, die ihm die Haut wegbruzzelten; dann sah er, wie eine Rufmordkampagne gestartet wurde, und ihn symbolisch dreißig Höllenhunde verfolgten und einer ihn sogar in seinen Allerwertesten biß. Alles das, was er anderen angetan hatte, kam jetzt zu ihm zurück, in einer Vermischung aus Gefühlen und Gedanken der negativsten Art. Dann sah er sich selbst verhungern, er war nur noch spindeldürr wie ein Biafra-Kind und schrie dauernd: <Hunger, Hunger!>. Als nächstes sah er achtundachtzig bayerische Dirndlfrauen, die ihm Bier über den Körper gossen und ihn dauernd auslachten. Der Tiroler-Sepp gesellte sich dazu und zerriß einige Wetterkarten, deren Schnipsel er genüßlich auf dem Körper des Fakers plazierte. Sechs illegal agierende Tracking-Satelliten verfolgten von oben mit ihren Kameras und Mikrophonen jede Bewegung des Fakers und beschossen ihn immer wieder impulsartig mit Mikrowellen und Skalarwellen. Es brummte und dröhnte in seinem Körper, und er glaubte, total wahnsinnig zu werden. Das war er eigentlich sowieso schon, durch das weiße Pulver... Nur hatte es vorher noch nie jemand bemerkt. Wie oberpeinlich und skandalös. Der perfekte Lügner und bestialische Monster-Schauspieler würde nun zur persona non grata herabdegradiert werden, zum Nichts und absoluter Bedeutungslosigkeit verdammt. Als nächstes sah er dreiundzwanzig Farbkopierer, die ihn plötzlich mit blauer und schwarzer Farbe ansprühten, bis er blau und rabenschwarz war. Plötzlich beugte sich Mr. President im Wachtraum über ihn und fragte ihn hundertmal: <Warum hast du das gemacht? Antworte!>. Zudem ertönte parallel tausendmal das Wort: Fälschung, Fälschung, Fälschung, ..., dann tausendmal: Verhaftung, Verhaftung, Verhaftung, ..., und am Schluß tausendmal: Galgen, Galgen, Galgen...

Die Abwärtsspirale hörte gar nicht mehr auf. Am liebsten würde er nochmal sterben, also den Astraltod, aber das wurde vom Schöpfer nicht genehmigt! Nichts da, keine Flucht möglich! Jetzt erlitt der Faker alles in der Astralwelt, was er anderen auf Terra angetan hatte. Soetwas wünscht man seinem ärgsten Feind nicht.

Aber es war gerecht. Gottes Gesetze griffen, und keiner konnte ihnen entkommen.

Keiner, keine und keines.

Basta. Ende. Schluß.

Die Reise durch die Psycho-Hölle ging weiter. Nun kam das Peinlichste: Der Faker war am Pranger, wie im Mittelalter, am Kopf und mit den Armen mit Holzstücken gefesselt und mitten auf einem leicht erhöhten Marktplatz platziert, so daß ihn alle sehen konnten. Rundherum waren tausende von schaulustigen Menschen versammelt und warteten auf den "Startschuß".

Plötzlich kam der "Alte", also der ehemalige Nazi-Metereologe vom Fünfeck, und rief durch eine Art Billig-Megaphon, einen Kegel ohne elektronische Verstärkung: "Achtung, Achtung, mal alle herhören! Nun erfolgt die Verurteilung des <Farbkopierer-Fakers>, des größten Lügners, Betrügers und Hochverräters des letzten halben Jahrhunderts! Auf mein Kommando hin dürft ihr loslegen und alles, was ihr wollt, auf den Faker werfen!"

Oben auf einer Empore, etwas abseits und geschützt von der Wurfweite des Volkes, thronte Mr. President auf einer purpurfarbenen Samtdecke mit weißen Verzierungen am Rande, die wiederum über einen königlichen blauen Samtsessel gelegt war. Seine Frau stand an seiner Seite und wartete ebenfalls gespannt.

"Es geht los! Das Volk darf nun die Verurteilung des Fakers beginnen, die Einleitung des Gerichts gegen ihn. Wie auf Knopfdruck warfen hunderte von Menschen gleichzeitig, vor allem die in den vorderen Reihen, tote Ratten, Mäuse und Hühner, verfaulte Tomaten und Eier, Kakerlaken, Steine, ihren verrotteten und teilweise verschimmelten Hausmüll, drei tote Füchse, abgehackte Schweinshufe und Panshufe, wahrscheinlich Schlachterabfälle, und einige Kilo Schwefelpulver auf den Faker. Plötzlich roch es ganz bestialisch nach Schwefelwasserstoff; in der unmittelbaren Nähe des Fakers war es gar nicht mehr auszuhalten. Das Volk zog sich deshalb in einigen Metern Abstand zurück.

Es war die schlimmste Erniedrigung und Degradierung, die er sich nur vorstellen konnte, viel schlimmer, als es ein schnelles Todesurteil gewesen wäre. Und dann auch noch der "Alte", sein Erzrivale, der die Durchsagen machte.

Verschiedene Zeiten und Dimensionen waren gleichzeitig überlagert, das Mittelalter und die Jetztzeit. Der Kokainentzug glich der Astralhölle, und es zog sich ewig hin, ewig. Auf einmal blitzte und donnerte es wie verrückt, aber es gab keinen Regen.

"Kameradenschwein, Kameradenschwein, Kameradenschwein!!" skandierte die aufgebrachte und total überdrehte Menge rhythmisch im Chor.

"Weg mit dem Hochverräter! Weg mit dem Hochverräter! Weg mit dem Hochverräter!"

Für einige Sekunden züngelten einige schwarze Erdkabel-Schlangen, Telefonkabel-Kobras und Seekabel-Pythons mit ihren offenen Kupfer- und Aluminiumadern und brizzelten dem Faker mit 1323337 Volt eins auf die Birne. Es sah ungefähr so aus wie bei einem Teslatransformator, aus dessen Leitern sich die effektvollen violett-rosa-weißen Hochspannungsblitze ihren Entladungsweg Richtung Faker suchten.

Zum Schluß goß jemand kanisterweise eine brennbare Flüssigkeit über den Faker. Was es war? Vielleicht Lampenpetroleum. Dann warf der "Alte" ein Streichholz in den Müllhaufen, unter dem der Faker begraben war. Es gab eine sechs komma sechsundsechzig Meter hohe Stichflamme, alles begann im Nu lichterloh zu brennen. Der Faker schrie anfangs noch laut um Hilfe und Gnade, bis die Schreie irgendwann unter einem Dauerhusten verstummten und Mr. Faker in seinem Wachtraum scheinbar seinen Geist aushauchte. Zunehmend verkokelte der Farbkopierer-Faker, aber er starb nicht! Bei vollem Bewußtsein wachte das Stück "Koks" plötzlich auf. Klingt paradox.

"Ich will nicht meeehr!" schrie der Faker wie am Spieß. Die blauen Wände der Gummizelle waren perfekt schallgedämmt. Oberarzt Dr. Tulu-Tulu beobachtete alles auf seinem Monitor und begab sich in Richtung des Isolationsraums.

Plötzlich beugte sich ein Schwarzer im blauen Kittel über den Farbkopierer-Faker und sagte: "Na, Mr. Faker, einen schlechten Traum gehabt? Sie sind hier auf Zulu Drei, Andromeda-Galaxie, Doppelsternsystem Zulu, Sternzeit 13.23331751. Kokainentzug, harte Tour. Wir überwachen Sie ständig und passen auf, daß Sie ja nicht abkratzen. So einfach geht's nun auch nicht, Freundchen. Du wirst am Leben bleiben! Ich als Oberarzt Dr. Tulu-Tulu sorge höchstpersönlich dafür. Sie werden medizinisch genauestens überwacht. Die Höllenqualen des Tartarus-Fakers werden sich noch fortsetzen. - Das war's für heute."

"Ich will sofort zurück auf die Erde, nach Kolumbien zu meinem Baby, meiner Super-Blondine! An den Karibik-Ballermann! Und ich will Stoff, verdammt! Pulver!"

"Tut mir leid, Mr. Faker. Ballermann! Soll ich Ihnen eine ballern? - Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Es bleibt dabei. Aus. Schluß. Ende."

Die Erdkabel-Schlangen, Telefonkabel-Kobras und Seekabel-Pythons kamen immer wieder, wie eine vielköpfige dämonische Hydra.

Alan Phoenix hatte gerade seinen Champagner-Piccolo ausgetrunken. Er würde jetzt gerne eine Zeitung lesen. Zum Glück gab es eine "Herald Tribune", die weltweite Ausgabe der New York Times, die ihm auf Anfrage vom Kellner gereicht wurde.

Ariette ging mal "telefonieren", so daß Alan ein paar Minuten allein war.

"Psst, hallo, Mr. Phoenix! Hören Sie mich?" flüsterte der Magier von Varanasi.

"Schon wieder! Verdammt, sagen Sie mir endlich, wer Sie sind und woher Sie kommen!"

"Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen! Steht für Sie die Materie über dem Geist, oder der Gott-Geist über der Materie?"

"Warum fragen Sie mich solche schwierigen Fragen, verdammt? Ich weiß es nicht!"

"Dann machen Sie sich mal darüber Gedanken!"

Und schon war das Phänomen wieder weg.

<Schon wieder diese rätselhaften parapsychologischen Phänomene! Gut, daß das nicht jeder hier mitbekommt! Der Kellner und die Leute am Tisch hinter uns haben zum Glück anscheinend nichts bemerkt!> dachte Phoenix.

"Diese neuen Mobiltelephone mit der Freisprecheinrichtung sind doch echt eine tolle Erfindung! Der Mann am Nebentisch, dessen Frau gerade weg ist, hat anscheinend gerade damit telephoniert!" sagte die Frau am Nebentisch. Sie hatte eine Kette mit fetten, teuren Salzwasserperlen und ein blaues Kostüm an.

"Ja, Liebling." sagte ihr Mann im dunkelblauen Nadelstreifenanzug. "Dieses neue Technikzeugs nimmt total überhand. Ich weiß gar nicht mal, wie man das überhaupt richtig bedient."

"Dann mach halt einen Computerkurs!"

"Ich überleg's mir. Mal sehen."

Alan Phoenix wurde leicht rot. Anscheinend wurde er doch heimlich beobachtet. Wie peinlich!

Ariette kam wieder und setzte sich zu ihrem Mann.

"Du wirst es nicht glauben, Darling! Dieser Inder war wieder da, der vor kurzem am Fahrstuhl war und wieder wie im Nichts verschwunden war!"

"Was??"

"Ja! Er fragte mich, ob die Materie über dem Geist steht oder der Gott-Geist über der Materie!"

"Das ist ja eine hochinteressante philosophische Frage!"

"Mir ging es eigentlich weniger um die Frage, sondern um die Tatsache, daß dieser Typ schon wieder aufgekreuzt und verschwunden ist, und das alles nicht mit rechten Dingen zugeht!"

"Schreib's auf für deine Akten, vielleicht wird es ja irgendwann nochmal wichtig. Notier dir alles, Darling. Ort, Datum, Uhrzeit..."

"Gute Idee, Ariette. - Werd ich oben auf dem Zimmer machen."

"Aber diese Frage mit dem Gott-Geist, die geht mir nicht aus dem Kopf!"

"Er hat sich wenigstens interessante Leute ausgesucht, ich meine, wir sind ja schließlich nicht irgendwer von der Straße. Du weißt schon, wie ich es meine. Es soll jetzt nicht arrogant klingen."

"Ja, ich verstehe, wie du es meinst. - Wahrscheinlich ist es volle Absicht, daß gerade wir mit diesen Phänomenen konfrontiert werden. Aber es macht unsere Reise doch irgendwie aufregend, so ein bißchen abenteuerlich!"

"Ich dachte, du wolltest kein Abenteuer? Stichwort Varanasi!"

"Varanasi. Du immer mit deinem komischen Varanasi! Wer hat dir eigentlich diesen Floh ins Ohr gesetzt?"

"Weiß nicht. Dieses Wort hat so eine gewisse Faszination für mich."

"Wahrscheinlich warst du in einem früheren Leben ein Zauberer in Varanasi, oder ein Shivait. Ist jetzt im Scherz gemeint. Eigentlich glauben wir ja nicht an Reinkarnation... aber hundertprozentig ausschließen kann man es eigentlich auch nicht!"

"Eigentlich. Wenn das Wörtchen <wenn> nicht wär..."

"...dann wäre ich schon Millionär!"

Beide lachten, erhoben sich von ihren Plätzen und begaben sich zum Fahrstuhl, dessen güldene Türen bereits sehnsüchtig darauf warteten, die "Prinzessin" und den "Zauberer" in sich aufzunehmen.

Über dem Großraum Delhi lag wieder die inzwischen leider immer häufiger anzutreffende Smog-Dunstglocke und versperrte den Blick auf die Sonne. Die Scooter knatterten um die Wette, die dröhnenden Busse drängten sich durch die Straßen, die fliegenden Händler, Bettler und Sadhus, oft eher mehr pseudo als echt, gaben sich ein Stelldichein. Alan und Ariette hatten natürlich bereits einiges an Sightseeing gemacht, das Red Fort und Lahore Gate in Old Delhi besichtigt, das Museum of Archaeology; in New Delhi standen das Rashtrapati Bhavan, also die Wohnstätte des indischen Präsidenten, das Purana Qila, das Humayun's Tomb, das Nationalmuseum und noch der abendliche Aufenthalt in zwei indischen sehr guten Restaurants auf dem Programm. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten waren jetzt fast alle abgehakt, und der Aufenthalt in Dilli neigte sich immer mehr dem Ende zu.

Agra nahte, und damit auch die Wahrscheinlichkeit, Emilio Zappatoni so "rein zufällig" zu treffen. Zufall bedeutet, es "fällt einem zu", und gemäß der göttlichen Vorsehung passierten oft Dinge, die man vom rationalen Verstand her nicht einordnen und klassifizieren konnte.

Zum letzten Mal hielten sich Alan und Ariette in der Hotelhalle des ITC Maurya Sheraton Hotels auf, mit der großen Kuppel aus braunen gekrümmten Holzbalken, zwischen denen farbenfrohe Bilder gemalt waren. Supernobel war alles in diesem Hotel, aber man darf eben nicht vergessen, daß der Reichtum auf der einen Seite der Welt immer zu Lasten der armen Leute auf der anderen Seite der Welt ging. Es klingt etwas kryptisch, aber wenn man das Weltwirtschaftssystem analysiert, kommt man letztendlich zu diesem Sachverhalt. Und eine Mittelschicht ist nicht in jedem Land vorhanden; in Indien bildete sie sich gerade, obschon der Höhepunkt des dortigen Wirtschaftswachstums bereits überschritten war.

Ein letztes Mal durch die goldenen Fahrstuhltüren schreiten, im Foyer einen Champagner schlürfen, die Aircondition auf Maximum drehen, bis man sich durch die Temperaturdifferenz im Vergleich zu draußen erkältete - selbst in einem Fünf-Sterne-Hotel lauerten noch irgendwelche Risiken - oder daß der Magier von Varanasi wieder vollkommen ungebeten erschien und die beiden emotional und gedanklich aufwirbelte.

Ariette war schon etwas traurig, den Nobelschuppen verlassen zu müssen. Fünf Tage, fünf Sterne in Saus und Braus - denn ab jetzt würde es schrittweise immer mehr "abwärts" gehen auf ihrer Indienreise - nur gut, daß das Ariette nicht vorher wußte - und die beiden vor neue Herausforderungen stellen.

Agra war bereit. Das Taxi nach Agra war bereits geordert und hielt vor dem Hotel. Ein Page lud die Koffer ein, und ein zweiter öffnete parallel die hinteren Autotüren. Bye, bye Delhi, mit deinem Smog, den vielen Geschäften und skurrilen Leuten. Im Nachhinein würden Ariette und Alan noch öfters an diese Stadt denken, und an das Folgende noch viel mehr.

Sentimental gestimmt stiegen Alan und seine Frau in das schwarze Taxi. Als sie auf der 2er Autobahn Richtung Agra fuhren, hatten alle im Taxi einschließlich dem Fahrer ein so komisches Gefühl. Es fühlte sich wie die allerletzte Fahrt ihres Lebens an, es war eine ganz eigenartige Energie zwischen Leben und Tod. Wäre es wirklich ihre letzte Fahrt? Wie eine Sphärenmusik aus dem Himmel ertönte das Mantra "Om ram ramaya" im Taxi und um das Taxi herum. Keiner konnte sich erklären, wo die Musik herkam. Es war mystisch, traurig und an den Grenzen einer neuen Wirklichkeitserfahrung.

Ariette fragte sich plötzlich, warum sie sich auf diese Indienreise überhaupt eingelassen hatte. Im Fünf-Sterne-Hotel in New Delhi war sie zwar etwas aufgetaut und offen für neue philosophische und spirituelle Gedanken, doch das konservative Südstaaten-Weltbild holte sie im Taxi wieder ein. Ihre Eltern waren aus dem Süden, und auch Alan war eher konservativ geprägt, wenn auch nicht so stark wie seine Frau. Diese freikirchlich-konservativ geprägten Ansichten kollidierten jetzt mit dem typischen Indien. Denn sie verließen ja nun ihr total abgegrenztes Resort, was das Fünf-Sterne-Hotel in New Delhi ja mehr oder weniger gewesen war, und tauchten in das "normale" Indien ein. Ein "normales" Indien gibt es sowieso nicht, was die beiden aber nicht einordnen konnten. Normal war das, was sie aus Amerika kannten, und alles andere war eben ungewohnt und neu.

Zwischen Nandgaon und Vrindavan, im Bundesstaat Uttar Pradesh, passierte es. Ein dicker Lastwagen auf der gleichen Spur wie das Taxi der drei, wollte sowohl das Taxi als auch einen anderen Transporter davor unbedingt auf einmal überholen. Der Fahrer hinten den beiden Fahrzeugen hupte wie verrückt und fing an, zu überholen. Plötzlich gab es einen lauten Knall, wahnsinnig laut, wie ein Pistolenschuß.

"Was war das??" fragte Phoenix sehr besorgt den Taxifahrer.

"Wahrscheinlich ein geplatzter Reifen! Fragt sich nur, bei wem. Kein gutes Zeichen! Beten Sie schnell zu Shiva, Krishna oder was Ihnen lieb ist! Das ist im Ernst gemeint!"

"O je, mir schwant Böses!" sagte Ariette ängstlich und sah auf den Minialtar mit dem kleinen Krishna, der zwischen Gangschaltung und Windschutzscheibe angebracht war. Es war sowieso ungewöhnlich, daß die beiden in einem solch typisch indischen Taxi gelandet waren, da sie ja ziemlich konservativ waren. Alle drei fuhren relativ schnell für indische Verhältnisse.

Es war ein Reifen des Transporters explodiert, den der Lastwagen gerade überholen wollte. Der Lastwagen war jetzt genau rechts neben dem Taxi. Es war ja Linksverkehr. Plötzlich und in Sekundenschnelle drehte sich der kleinere Transporter durch seinen geplatzten Reifen um seine eigene Achse, kippte um und lag quer auf der Autobahn! Der Lastwagen und das Taxi rasten genau auf den Transporter zu!! Der Taxifahrer trat voll auf die Bremse. Durch die Wucht des schweren Lastwagens wurde der Transporter gleichsam weggekickt und blieb auf der rechten Autobahnspur hängen. Er wurde noch einige Meter vom Lastwagen mitgeschleift, bis er schließlich am Straßenrand, besser gesagt in der Mitte an der Leitplanke, völlig eingebeult liegenblieb und ganz schnell zu brennen anfing.

Das Taxi rammte hinten auf den Lastwagen, prallte durch die Wucht ab und drehte sich mehrmals um die eigene Achse! Der Kofferraumdeckel sprang durch die Wucht auf und ihre beiden Koffer wurden auf die Autobahn geschleudert. Sie landeten an der linken äußeren Leitplanke. Ariettes Koffer war aufgegangen, und einige ihrer Kleider fielen heraus. Eine Parfümflasche zerdepperte an der Leitplanke und der Geruch verbreitete sich am Ort des Geschehens. Das am Kühler und an der Motorhaube völlig verbeulte Taxi prallte ebenfalls an die linke Leitplanke und kam zum Stillstand.

Der Fahrer war auf der Stelle tot. Er war durch die Lenkradsäule gleichsam aufgespießt worden, welche sich in seinen Oberkörper gebohrt hatte. Er blutete am Körper und am Kopf, und es kam jede Hilfe zu spät.

Ariette hatte in der Tat ganz kurz zu Jesus Christus gebetet, und war noch am Leben. Was war mit ihrem Mann??

Zum Glück, er lebte auch noch! Eigenartigerweise war Alan und Ariette kein einziges Haar gekrümmt worden. Sie hatten nur ein paar blaue Flecken, nicht der Rede wert.

"Bist du O.K., Alan?" heulte Ariette wie ein Schloßhund los.

"Ja, verdammt! - Wir müssen so schnell wie möglich hier raus, bevor das Auto Feuer fängt! Schnell! Schau, ob du deine Tür aufkriegst!"

"Ja! - Was ist mit dem Fahrer?" fragte Ariette.

Alan beugte sich zu dem Taxifahrer nach vorne und schüttelte ihn.

"Ich glaube, er ist tot! Da rührt sich gar nichts mehr, auch keine Atmung!"

"O mein Gott!"

Alan rüttelte jetzt wie verrückt an seinem Türgriff, aber es rührte sich nichts. Auf Ariettes Seite wackelte die Tür etwas, sie klemmte.

"Geh bitte zur Seite!" Alan stemmte sich mit seinen Beinen und Füßen von innen gegen die Autotür und trat so lange dagegen, bis sich diese öffnete. Nach einer Minute krochen sie aus dem Taxi und flüchteten zur linken äußeren Leitplanke, über welche sie schließlich kletterten. Erstaunlich sportlich schafften es beide, dahinter in Deckung zu gehen.

Es war gerade noch rechtzeitig. Das Taxi ging jetzt ebenfalls in Flammen auf, und zwei brennende Fahrzeuge waren jetzt auf der Autobahn. Dem Lastwagen und seinem Fahrer war nicht viel passiert außer einigen Kratzern.

Hinter dem Unfall staute sich jetzt der ganze Verkehr, und mehrere Inder gleichzeitig riefen hektikermäßig einen Krankenwagen, die Feuerwehr und die Polizei an.

"Ich habe einen Krankenwagen gerufen!"

"Und ich die Polizei und die Feuerwehr!"

"Sind Sie verletzt?" fragte einer der Inder Alan und Ariette, die jetzt wieder langsam aus ihrer Deckung hervorkamen.

"Nein, nicht der Rede wert! Wir haben nur ein paar blaue Flecken!"

"Was ist mit dem Taxifahrer?" machte sich ein anderer Inder, er war schwarz und kam aus Tamil Nadu, Sorgen.

"Ich glaube, er ist tot. Leider. Hundertprozent sicher bin ich mir nicht, aber er wirkte tot." entgegnete Alan.

"Wir sehen nach den anderen Insassen!"

"Ja, O.K." rief Alan.

"Mein halber Koffer liegt auf der Autobahn, ich meine, der halbe Inhalt! O je! Soll ich es einsammeln, oder ist das jetzt zu gefährlich?" fragte Ariette Alan.

"Sammel es ein, aber paß auf, daß du nicht zu nahe an die brennenden Autos gerätst!" schärfte ihr Alan ein.

"O.K. Mache ich." Erstaunlich gewandt kletterten beide wieder über die Leitplanke zurück auf die Autobahn, wo jetzt wirklich ein totales Chaos herrschte. Die schwarze Schminke vom Augenbrauenstift, Kajal nennt sich das im Volksmund, auch ein indisches Wort, lief Ariettes verheultes Gesicht hinunter.

Ist eine Situation in Europa oder den USA chaotisch, dann ist sie in Indien superchaotisch. Aber immerhin waren die Leute tendenziell hilfsbereiter und gafften nicht nur. Das war ja schon mal was. Alle riefen wie wild umher, auf Englisch, auf Hindi, auf Tamil und auf Bengali. Wie im Film.

Man war auf dem Weg zum Taj Mahal in Agra, das wohl prachtvollste und aufwendigste Mausoleum der Welt. Nur daß Alan and Ariette noch nicht so schnell im Grab landen wollten, sie hatten ja schließlich noch einiges vor...

"Die Träne im Antlitz der Unendlichkeit" mußte jetzt etwas länger warten, und ebenfalls das Vier-Sterne-Hotel Mansingh Palace in Agra, das ja gleich in der Nähe des berühmtesten Wahrzeichen Indiens war. Die Sterne der Hotels wurden weniger, und Alan sowie Ariette auf zunehmend härtere Prüfungen gestellt.

"Hallo Mr. Phoenix!" rief ein Inder Alan zu.

"Was? Woher kennen Sie meinen Namen?" fragte Phoenix.

"Erkennen Sie mich denn nicht wieder?"

"O Gott, Sie schon wieder! Ja, Sie sind doch der Inder, der im Maurya Sheraton Hotel in New Delhi vor dem goldenen Fahrstuhl erschienen und wie im Nichts verschwunden ist?!"

"Ja, genau. - Ich habe Ihnen und Ihrer Frau das Leben gerettet, auch wenn Sie es nicht glauben werden."

"Warum sagen Sie mir das?"

"Weil ich Sie aus ihrem konventionellen Denken herausholen möchte, natürlich nur, wenn Sie das auch wollen."

"Möchte ich denn? - Vielleicht, ja, ich bin ein Abenteurer. Aber jetzt sagen Sie mir bitte, wer Sie sind und woher Sie kommen. Bitte!"

"Ich bin Mr. Brahmanchan aus Varanasi. Haben Sie das schon wieder vergessen?"

"Ach so. Ja, so ganz dunkel kann ich mich erinnern. - Ich werde mir Ihren Namen und den Ort jetzt aufschreiben. Und die Uhrzeit. Haben Sie auch eine Telephonnummer?"

"Nein."

"Auch kein Mobiltelephon?"

"Nein."

"Ist Varanasi eigentlich wirklich so schlimm, wie Ariette es immer hinaufbeschwört?"

"Jedem nach seiner Façon. Man wird immer mit dem konfrontiert, was man - oder frau - als Karma abzuarbeiten hat, oder was man sich als Lernaufgabe ausgesucht hat in diesem Leben."

"Karma?? Diese hinduistische Lehre ist mir etwas fremd. - Im übrigen, wenn Sie doch solch besondere Fähigkeiten haben, wie steht es um den Taxifahrer in unserem ehemaligen Taxi? Ist er wirklich tot?"

"Ja, hundertprozentig. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Es war Schicksal."

"Woher wollen Sie das so genau wissen??"

"Seine Lebensuhr war abgelaufen, es war in seinem Energiekörper, seiner Aura, zu erkennen."

"Energiekörper? Aura? Klingt recht esoterisch!"

"Ist es aber nicht, mein Herr. Jeder Mensch ist aus einer multiplen mehrdimensionalen Skalar- und Transversalwellenfunktion aufgebaut, und da gehört unser Energiekörper eben dazu. Auch wenn Sie es jetzt im Moment nicht verstehen."

"Und Sie meinen, ohne Ihre angebliche - wohl unsichtbare - Hilfe wären meine Frau Ariette und ich jetzt ebenfalls tot, wie unser Taxifahrer??" Alan merkte jetzt auf eine geradezu unheimlich-mystische Weise, daß der "Magier von Varanasi" alias Mr. Brahmanchan vollständig recht hatte. Ihm wurde jetzt schlagartig bewußt, wie knapp er und seine Ehefrau am Kelch des Todes vorbeigeschrammt waren.

Als Ariette mit dem Einräumen ihres Koffers fertig war, sah sie ebenfalls "Mr. Brahmanchan" und brach ganz plötzlich in Tränen aus.

"Da ist er wieder, dieser indische Mann, vom Fahrstuhl im Maurya Sheraton Hotel in New Delhi!! Ich glaube, er hat uns das Leben gerettet!"

"Wie kommst du darauf?" Alan nahm seine Frau Ariette in den Arm und tröstete sie. Es war einfach alles zuviel für sie.

"Ich weiß es einfach, frag doch nicht immer soviel! Hartgesottener Kriminaler! Nein, so war es nicht gemeint. - Darling, ich liebe Dich!"

"Ich dich auch, Darling. Jetzt versuche, dich etwas zu beruhigen. Die Rettungskräfte sind ja hoffentlich gleich da." glättete Alan die Wellen der Aufregung.

Das Taxi und der Transporter brannten vollkommen aus. Die Insassen des Transporters und des Lastwagens waren inzwischen in Sicherheit; sie waren rechtzeitig befreit worden und hatten leichte, aber keine lebensgefährlichen Verletzungen.

Alan ging plötzlich die Schießerei von damals in der U-Bahn-Station Río Piedras auf Puerto Rico durch den Kopf. Wie gefährlich war das damals gewesen! Und jetzt wieder knapp dem Tod von der Schippe gesprungen, diesmal mit seiner Frau zusammen! Und damals hatte er offiziell sogar Urlaub an dem Tag, wie jetzt auch...

Der Magier von Varanasi

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