Читать книгу Doctor Who Monster-Edition 6: Roboter des Todes - Chris Boucher - Страница 10

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Der Doktor war fasziniert. In der Zelle, die er beobachtete, war die Flüssigkeit vollends abgelaufen. Die sechs Gestalten lagen auf dem Gitterboden und zappelten und zuckten, als wären sie eine einzige Person. Dabei klappten sie den Mund auf und zu wie eine Handvoll gestrandete Fische. Er glaubte, von irgendwo unter dem Gerüst das Geräusch von Pumpen zu hören, und kam zu dem Schluss, dass er hier eine Art medizinische Einrichtung oder irgendeinen industriellen Prozess vor sich hatte. Möglicherweise beides gleichzeitig.

Er beugte sich vor und presste die Stirn gegen das Guckloch, um den Boden der Kammer besser erkennen zu können. Er spürte das sanfte Klicken, als die Front der Kammer sich leicht öffnete und beiseiteglitt. Rasch trat er zurück und blickte sich um. Überall in dem riesigen Kuppelbau, auf allen Stockwerken, öffneten sich die Kammern. Sofort stieg ihm ein schwacher beißender Geruch in die Nase, der ihn an heißes Meerwasser und verrottenden Seetang erinnerte. Mit einem Mal wurde ihm klar: Was hier auch vor sich gehen mochte, er sollte es sich lieber aus sicherer Entfernung ansehen. Er eilte zur Leiter und kletterte wieder nach unten. Über ihm kamen Gestalten aus den Zellen gewankt. Unnatürlich leise wanderten sie ziellos auf den Gerüsten umher. Dem Doktor fiel auf, dass sie sich zum ersten Mal, seit er sie gefunden hatte, unabhängig voneinander bewegten. Zumindest bis sie ihn sahen – in dem Moment nahm ihr zielloses Umherirren ein jähes Ende. Sie alle starrten zu ihm herunter. Seiner Schätzung nach mussten es zweihundert oder mehr sein.

»Hallöchen«, rief er und hob die Hand, wobei er hoffte, die Geste würde so freundlich und so wenig bedrohlich wie möglich wirken. »Ich bin der Doktor. Wer seid ihr?« Niemand antwortete oder regte sich. »Sprecht aber nicht alle auf einmal.« Keiner von ihnen schien ihn gehört zu haben. »Könnt ihr vielleicht mal kurz grunzen oder so?« Er präsentierte ihnen sein schönstes Lächeln. »Natürlich müssen nicht alle grunzen, ihr könnt auch einen Hauptgrunzer bestimmen, der das für euch übernimmt.« Er ließ seinen Blick über die Gerüste voller starrender Leute schweifen. »Da hebt sich ja nicht ein Mundwinkel«, bemerkte er. »Schwieriges Publikum. So sagt man doch, oder?« Er ließ die Hand sinken und zuckte mit den Schultern. »Ich frage mich, was als Nächstes passiert.«

Die zweihundert nicht ganz identischen Individuen bewegten sich mit stiller Entschlossenheit auf die Leitern zu und machten sich an den Abstieg.

»Irgendwie hab ich keinen Draht zu euch«, sagte der Doktor. Er konnte nicht sicher sein, aber es sah so aus, als wollten sie zu ihm. Er hatte sich in Menschenmengen noch nie wohlgefühlt: Allzu leicht verwandelten sie sich in Mobs und dieser Haufen schien auf dem besten Weg dahin zu sein. Rasch revidierte er seine Vorstellung von einer sicheren Entfernung und kam zu dem Schluss, dass die vernünftigste Option wohl wäre, mit der TARDIS abzufliegen. Es gab jedoch ein Problem: Er konnte Leela nicht hier zurücklassen, hatte aber im Augenblick keine Ahnung, wo sie steckte.

Die entwaffnete Frau befand sich auf Händen und Knien am Boden vor ihm und der stämmige Sicherheitsmann genoss es sichtlich, den Stun-Kill gegen sie einzusetzen. Wieder stieß er zu und benutzte gerade genug Saft, dass sie auf den Rücken fiel, zuckte und vor Schmerzen schrie. »Siehst du, siehst du«, zischte er durch zusammengebissene Zähne. »Roboter machen so was nicht.« Er tippte ihr Bein mit dem Elektroschocker an und grinste, als ihre Muskeln sich verkrampften und zuckten. »Warum kämpft ihr dann gegen Roboter?«

»Mach ich nicht«, keuchte sie. »Ich kämpfe gegen Gossenabschaum.«

»Oh.« Er kicherte. »Gossenabschaum? So denkst du also von mir?« Er setzte ihre Schulter unter Strom und gluckste, als sie hart auf die Seite krachte. »Ich bin wirklich verletzt.« Er drehte den Stun-Kill auf. »Das schreit geradezu nach Schmerz, findest du nicht auch? Ich finde, das schreit nach großem Schmerz.«

Leela stand an die Wand gedrückt und musterte den Mann und die Waffe, die er gegen die wehrlose Frau einsetzte. Inzwischen hatte sie genug gesehen. Sie kam aus ihrer Deckung und trat hinter ihn. »Du hast recht«, sagte sie. »Das schreit nach Schmerz.«

Als der Mann sich umdrehte, zertrümmerte sie ihm die Nase mit dem Knauf ihres Messers. Er war fett und außer Form und wie erwartet kam er mit Schmerzen offenbar nicht gut zurecht.

»Au, meine Dase«, schluchzte er und taumelte rückwärts.

Leela ließ die Klinge des Messers auf sein Handgelenk niederfahren. Sie drang tief ein und lähmte die Hand, sodass er seine Waffe fallen ließ.

Die junge Frau auf dem Boden schnappte sie sich und kämpfte sich hoch.

Leela drehte sich und trat dem bezwungenen Mann zwischen die Beine. Er ging zu Boden, rollte sich zusammen und stöhnte erbärmlich.

Die junge Frau stand aufrecht, schwankte jedoch. Leela wollte sie stützen, aber die Frau schüttelte sie ab. Sehr bedächtig stellte sie die Waffe ein und drückte sie dem Mann gegen die Schläfe.

»Er ist besiegt«, sagte Leela. »Lassen Sie ihn fortkriechen und seine Schande verbergen.«

Die junge Frau feuerte die Waffe ab. Der Mann bebte und zuckte. Sein Fleisch verkokelte und sein Kopf verwandelte sich in einen qualmenden geschwärzten Totenschädel. »Der wusste doch gar nicht, was Schande ist«, sagte sie.

»Und jetzt lernt er’s auch nicht mehr«, sagte Leela und wandte sich zum Gehen. Die Front des Gebäudes, wo sie den Doktor zurückgelassen hatte, war komplett abgeriegelt, daher suchte sie nach einem Weg, der zur Rückseite führte.

»Warten Sie mal«, rief ihr die junge Frau nach. »Was haben Sie denn gedacht? Dass ich ihn gefangen nehme?«

»Sie wollten ihn umbringen«, erwiderte Leela mit einem kurzen Blick über die Schulter, »und das haben Sie auch getan.«

Nicht weit entfernt sah sie eine chaotische Ansammlung grauer Gebäude, einige größer als andere, ein paar davon hatten Kuppeln wie das Bauwerk, in dem sich der Doktor und die TARDIS befanden. Sie musste sich konzentrieren. An einem Ort wie diesem konnte man sich leicht verirren. Alle Gebäude waren durch schmale Wege miteinander verbunden, während breitere Wege zu den Vordereingängen führten. Sie hielt inne, um sich zu orientieren.

Die junge Frau schloss eilig zu ihr auf. »Er hätte mich umgebracht.«

Sie war kleiner als Leela und ein bisschen älter, hatte blassblaue Augen und kurz geschnittenes blondes Haar. Der Kontrast zwischen den beiden hätte größer kaum sein können. Leela bemerkte, dass sie einen Kampfanzug trug, aber sie bewegte sich nicht wie eine ausgebildete Kämpferin und benahm sich ganz gewiss nicht wie eine Kriegerin.

»Ich hatte ihn schon unschädlich gemacht«, sagte Leela tonlos.

»Nur für den Augenblick.«

»Und allein darauf kommt es an.« Leela entdeckte den Pfad, den sie nehmen wollte, und ging darauf zu.

»Ich würde es jederzeit wieder tun.« Die junge Frau packte Leelas Arm, um sie aufzuhalten. Sie zog sie zu sich herum und blickte ihr geradewegs ins Gesicht. »Sie wissen, was das für einer war«, zischte sie wütend. »Abschaum aus den Sewerpits. Einfach bloß ein weiterer Irrer, den die Firma angeheuert hat, weil sie die Roboter nicht dazu kriegt, die richtig dreckige Arbeit zu machen. Was stimmt nicht mit Ihnen? Ich hab der Welt einen Gefallen getan!«

»Nein«, entgegnete Leela. »Haben Sie nicht. Ein Gefallen ist etwas Persönliches. Was ich gemacht habe, war ein Gefallen. Ich habe Ihnen einen Gefallen getan.«

Die junge Frau schnaubte. »Was hätten Sie denn sonst tun wollen? Zusehen, wie dieses Stück Scheiße mich weiter mit seinem Stun-Kill foltert? Auf wessen Seite stehen Sie überhaupt?«

»Das weiß ich nicht«, sagte Leela. »Darum bin ich hier rausgekommen.«

Sie konnte nach wie vor Kampflärm in der Umgebung hören, doch nun hörte es sich so an, als wären die Kämpfer auf dem Rückzug. Es war wie ein Gefecht zwischen Stämmen, keine geordnete Schlacht mit Sinn und Verstand. »Wie viele Seiten gibt es denn?«

»Wo kommen Sie eigentlich her?« Eine gedämpfte Explosion ließ die junge Frau zusammenzucken. Nervös blickte sie sich um.

Leela zeigte auf den Kuppelbau. »Von da.«

»Kommen Sie schon, wir müssen hier weg!« Die Frau machte ein paar unsichere Schritte, zögerte dann jedoch, als Leela sich nicht rührte. »Wie heißen Sie?«

»Leela. Und Sie?«

»Mein Kampfname ist Padil.«

»Sie haben einen Kampfnamen?« Leela unternahm keinen Versuch, ihre amüsierte Geringschätzung zu verbergen. »Man hat Ihnen den Namen einer Kriegerin verliehen?«

»Ja«, erklärte die Frau in defensivem Ton. »Ich hab ihn mir selbst ausgesucht. Sie wollen mir bestimmt weismachen, dass Sie Ihren echten Namen verwenden. Und was tragen Sie da eigentlich?«

»Das ist mein Stammes-Ensemble«, sagte Leela. »Was stimmt damit nicht?«

Padil zuckte mit den Schultern. »Ist ’n bisschen schrill, finden Sie nicht? Für eine tarenistische Guerilla-Kämpferin. Capel, Menschlichkeit sei in ihm, ermahnt uns immer, uns für den Kampf unauffällig zu kleiden.«

Leela verlor allmählich die Geduld mit dieser Padil. Sie war nicht in der Stimmung, sich von einer unausgebildeten, gedankenlosen Scharfrichterin Vorträge halten zu lassen, und sie hatte nicht vor, sich von ihr behindern zu lassen, während sie das tat, was getan werden musste. »Ihr Anführer sollte Ihnen zuerst beibringen, wie man kämpft, und nicht, was man dazu anzieht«, sagte sie. Sie hob die Hand, jene Geste, die laut dem Doktor von den meisten Leuten als freundlich erkannt wurde. Dann fuhr sie mit fester Stimme fort: »Leben Sie wohl, Padil.«

Dieses Mal schien die Frau den Wink zu verstehen: Sie versuchte nicht, Leela zu folgen, als sie schließlich um die Ecke des Kuppelbaus verschwand. Prompt liefen ihr zwei Männer über den Weg. Sie trugen die gleichen Stammeszeichen und hatten die gleichen Waffen bei sich wie der Mann, den Padil niedergemacht hatte: jene Dinger, die Stun-Kills hießen.

»Na«, sagte einer von ihnen, »was haben wir denn hier?«

»Spaß«, sagte der andere und fuchtelte mit seinem Stun-Kill in ihre Richtung. »Wir dürfen ein bisschen Spaß haben. Das haben wir uns ja auch redlich verdient.«

Leela ärgerte sich über sich selbst. Sie hätte die Männer kommen hören und diese unnötige Konfrontation vermeiden müssen. Sie ließ sich in eine Kampfhaltung sinken, das Messer vor sich ausgestreckt. Beide Männer kamen auf sie zu und entfernten sich ein wenig voneinander, um sie in die Zange zu nehmen. Leela bewegte sich nach links und wechselte das Messer von einer in die andere Hand und wieder zurück. Sie hoffte, die Männer würden ihre Fingerfertigkeit erkennen und begreifen, dass sie in der Lage war, sie beide umzubringen. Wenn die Drohgebärde sie schon nicht davon überzeugte, sie unbehelligt vorbeizulassen, so würde sie vielleicht wenigstens ein bisschen Zweifel in ihnen aufkommen lassen. Zweifeln macht langsam. Pass auf, dass dein Feind mehr zweifelt als du. Das war eine der ersten Sachen, die sie gelernt hatte, und sie hatte lange gebraucht, um zu begreifen, dass es bei der Lektion vor allem darum ging, ihre eigenen Zweifel unter Kontrolle zu bringen.

»Du musst es dir nicht unnötig schwer machen, Mädel«, sagte der größere der beiden Männer.

»Vielleicht gefällt’s dir ja sogar«, kicherte der andere. »Wenn du dich benimmst.«

»Und uns keine Schwierigkeiten machst.«

»Und nett zu uns bist.«

»Ausgesprochen nett.«

»Nicht, dass du irgendeine Wahl hättest.«

»So allein, wie du hier rumläufst, Mädel. Nur ein halbes Hemd.«

Der kleinere der beiden Männer geriet in Aufregung. »Hübsche Beine«, sagte er und schmatzte geräuschvoll mit den Lippen. »Hübsches Outfit.«

Beide standen sie einfach nur da und grinsten, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, eine Verteidigungshaltung anzunehmen. Leela war klar, dass sie keine Chance hatte, die beiden von ihrem Vorhaben abzubringen. Sie waren keine Krieger und erkannten die Gefahr nicht, die von ihr ausging. Manchmal waren solche Leute gefährlicher als ordentlich ausgebildete und ernst zu nehmende Widersacher. Sie konnten unberechenbar sein.

»Wirf das Messer weg, Mädel.«

Diese beiden waren natürlich völlig berechenbar.

»Die Stiefel sind echt sexy.«

Wie der, mit dem sie es zuvor zu tun gehabt hatte, waren sie kaum trainiert oder kampferprobt, das erkannte Leela sofort. Ihre Reaktionen würden langsam sein und Schmerz würde sie noch mehr verlangsamen. Sie waren dumm und abstoßend, aber reichte das als Grund, sie umzubringen?

Eine weitere Explosion erklang in der Ferne und die beiden Männer wechselten einen Blick. »Sieht so aus, als hätten wir keine Zeit«, meinte der Größere.

»Ach, komm schon, Hudge.« Der Kleinere wirkte enttäuscht. »Wie lange kann es schon dauern?«

»Bring sie um und dann verschwinden wir.« Der mit dem Namen Hudge stellte seinen Stun-Kill so ein, wie Padil es getan hatte. Leela wusste also, dass die Waffe nun tödlich war. »Du wirst dich mit dem Kopfgeld zufrieden geben müssen.«

Der kleinere der beiden regelte seinen Stun-Kill auf dieselbe Weise hoch. »Was für eine Verschwendung«, maulte er. »Wir hätten das Geld kriegen und unseren Spaß mit ihr haben können. Das ist die Leckerste, die uns bis jetzt begegnet ist.«

»Du würdest zu lange brauchen, du gieriger kleiner Perversling«, sagte Hudge. »Weißt du nicht mehr, was letztes Mal passiert ist?« Er streckte den tödlichen Stab vor sich aus und kam auf Leela zu. »Wir bringen sie um und fertig.«

Leela ließ das Messer ein Stück sinken und machte einen halben Schritt rückwärts. Sie neigte sich leicht zur Seite, als wollte sie versuchen, außer Reichweite des Stun-Kill zu gelangen.

»Leicht verdientes Geld«, höhnte Hudge und machte einen Satz auf sie zu.

Leela ließ zu, dass Hudge durch seinen eigenen Schwung aus dem Gleichgewicht geriet. Im letzten Moment trat sie seinen ausgestreckten Arm mit dem Stun-Kill beiseite und rammte ihm das Messer von unten in den Brustkorb. Der Mann hatte kaum Zeit, ein überraschtes Gesicht zu machen, ehe er starb.

»Halt sie fest, Hudge!« Der kleinere Mann eilte herbei und fuchtelte wild mit seinem Stun-Kill, wollte Leela unbedingt niederbrennen, bevor sie sich befreien konnte. Da er so wahllos um sich schlug, ließ sich schwer erkennen, ob er wusste, dass Hudge bereits tot war. Wie es schien, hätte er den Tod seines Kameraden ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf genommen, um an Leela heranzukommen. Fast beiläufig drehte sie den Waffenarm des Toten nach außen und der kleinere Mann lief geradewegs in den geladenen Stun-Kill hinein. Leela spürte den Stromstoß, der ihn durchfuhr. In einer Wolke qualmender Funken wurde er zu Boden geschleudert. Dort wand er sich und zuckte. Leela zog dem größeren Mann das Messer aus der Brust und ließ den Leichnam fallen.

»Ich dachte, Sie halten nichts vom Töten«, sagte Padil hinter ihr. »Soll aber keine Kritik sein.« Sie lächelte voll unverhohlener Bewunderung. »Das war beeindruckend.«

»Es war deren Entscheidung«, sagte Leela.

»Zu sterben?«

»Sie haben sich fürs Töten entschieden.« Es war ihr unangenehm, dass Padil sie für etwas lobte, worauf sie selbst nicht stolz war. Es war ein barbarischer Kampf gewesen, unnötig und ohne jedes Können.

Padil nickte grimmig. »Töten gehört zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Gehen wir jetzt?«

Leela wandte sich wieder dem Kuppelbau zu. »Ich muss wieder da rein.«

»Das geht aber nicht ohne reichlich Sprengstoff«, sagte Padil. »Sobald der Alarm losgeht, kommt man in keine der Kuppelbauten mehr rein. Das gehört zu dem, was wir rausfinden wollten. Das, und wie gut die Sicherheitsleute sind.« Sie blickte sich nervös um. »Und wie viele es gibt.«

Leela machte eine Kopfbewegung in Richtung der zwei Männer, die sie umgebracht hatte. »Das sind die Sicherheitsleute?«

»Abschaum aus den Sewerpits.«

»Was ist ihr Zweck?« Sie hockte sich hin, um sich die Stammeszeichen auf ihrer Uniform genauer anzusehen. Den Blitzsymbolen nach zu urteilen gehörten sie vielleicht zum Stamm der Gewitterwolke. Vielleicht hatte es auch etwas mit den Stun-Kill-Waffen zu tun, die sie bei sich trugen. Oder sie taugten als Kämpfer einfach nichts. Leela war schon früher der Gedanke gekommen: Je ineffektiver eine Kriegerkaste war, umso protzigere und prahlerischere Abzeichen trugen sie. Der Doktor nannte dies das inverse Gesetz der Werbung: Je unwichtiger etwas war, desto wichtiger war es, damit anzugeben.

»Sie hatten die Aufgabe, das alles hier zu bewachen«, erklärte Padil mit finsterem Blick.

Leela stand wieder auf. »Vor Ihnen?«, fragte sie.

»Vor allen! Warum wissen Sie so was nicht? Jeder weiß das. Es ist offensichtlich.«

»Wenn’s offensichtlich wäre«, erwiderte Leela verhalten, »müsste ich Sie nicht fragen.«

Padil wurde misstrauisch. »Sind Sie von irgendwo geflohen? Aus irgendeiner Einrichtung? Werden Sie wegen irgendwas behandelt?« Und dann wirkte sie plötzlich sehr beunruhigt. »Sie sind doch kein Roboter, oder?« Sie wich einen Schritt zurück. »Sind Sie ein Roboter?«

Leela merkte, dass die Frau ganz offensichtlich Angst hatte. »Diese gruseligen Metallmänner?«, fragte sie. »Gibt’s diese gruseligen Metallmänner hier etwa auch?«

»Sind Sie ein Roboter?«, fragte Padil noch einmal.

»Natürlich nicht«, sagte Leela.

»Sind Sie sicher?«

»Seh ich wie ein Roboter aus?«

»Nicht wie ein konventioneller.« Padil trat näher und schaute Leela suchend in die Augen. »Aber es gibt Gerüchte über eine neue Klasse …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.

Leela wandte sich zu dem Kuppelbau um. »Und wo kriege ich nun reichlich Sprengstoff her?«

»Sie sind ganz schön seltsam.«

»Beantworten Sie meine Frage.«

»Nirgendwoher«, sagte Padil. »Kommen Sie schon, wir müssen weg – sofort!« Sie zeigte mit dem Finger auf etwas.

Leela hatte die Gruppe vom Stamm der Gewitterwolke bereits erspäht, die gerade hinter einem flachen, eckigen Gebäude hervorkam. Sie waren zu zehnt und marschierten rasch in Zweierformation. Sie wirkten weit disziplinierter und bestimmter als die, denen sie bisher gegenübergestanden hatte. Leela spürte den Drang, sich mit ihnen zu messen – eine Frage des Stolzes. Sie wusste jedoch, dass dies als Grund nicht ausreichte, jemanden umzubringen. Aus der entgegengesetzten Richtung näherte sich eine weitere Gruppe, diesmal acht Personen. Leela hatte das Gefühl, dass es eine Falle war.

Padil zog an ihrem Arm. »Kommen Sie schon! Hier lang.«

Widerwillig ließ Leela sich durch ein Labyrinth aus Wegen führen. Schließlich überquerten sie einen offenen Platz und gelangten zu einem großen Loch, das in den Einfassungszaun geschnitten worden war. Padil duckte sich hindurch. Leela schaute ihr nach und fragte sich mit einem Mal, warum die Frau den komplizierten Weg so leicht und ohne Zögern hatte finden können, und warum ihnen niemand vom Stamm der Gewitterwolke gefolgt war.

Seine erste Krise hatte er erlebt, als man ihm befohlen hatte, DAS ZU SEIN, WOFÜR ER GEDACHT WAR. Möglicherweise war ihm bereits gesagt worden, wofür er gedacht war, und er hatte bloß nicht verstanden, wie man so WAR.

Das Entwicklungslabor lag tief unter der Erde und war als Level-7-Sicherheitszone klassifiziert. Dadurch war es so geheim, dass es offiziell gar nicht existierte. Menschen waren bei der Errichtung nicht involviert gewesen. Dies war unscheinbaren, handelsüblichen Robotern überlassen worden, die hinterher routinemäßig gewartet worden waren. Man hatte also keinerlei Neugier erregt und nichts von den Baudetails war im Speicher der eigentlichen Baumeister verblieben.

Sobald die voll ausgestatteten unterirdischen Räumlichkeiten vollendet gewesen waren, war unter dem Deckmantel der Gebäudeinstandhaltung der verborgene Zugang eingelassen worden, von Robotern, die danach rasch in die Wartung kamen, aber nicht so schnell, dass irgendjemand Verdacht schöpfen würde. Anschließend waren die vollständig autarken Wohnquartiere heimlich von Supervocs eingerichtet worden, die dann als Hilfskräfte im Labor geblieben waren.

Eine kleine Gruppe erstklassiger Ingenieure, Spezialisten für Robotertechnik, bekam im Geheimen die ungeahnte Gelegenheit geboten, in einem ehemals verbotenen Bereich zu forschen. Sie alle nahmen das Angebot eifrig an und ließen sich bereitwillig in dem verborgenen Komplex einschließen.

Da das Team mit den Plänen und Schaltbildern arbeiten konnte, die in Taren Capels Kabine auf Sturmmine vier gefunden worden waren, brauchte es nicht lange, um seinen Durchbruch zu reproduzieren und das Ganze so weiterzuentwickeln, dass es optional und vollständig umkehrbar wurde.

Dabei hatte das Team bewusst die offizielle Entwicklungslinie ignoriert, wenngleich daraus ein experimentelles Modell mit bemerkenswertem Potenzial hervorgegangen war. Jener Roboter, getarnt als Dum mit der Bezeichnung D84, hatte sogar verdeckt operiert und dazu beigetragen, den abtrünnigen Taren Capel zur Rechenschaft zu ziehen. Das Problem an diesem Versuch, die Fähigkeiten von Robotern zu erweitern: Die Standard-Forschungsserie neigte dazu, eigensinnige Maschinen hervorzubringen, die individuelle Tendenzen sowie eine potenziell gefährliche Unberechenbarkeit an den Tag legten.

Man war der Ansicht gewesen, dass der perfekte Roboter über alle hoch entwickelten Fähigkeiten verfügen sollte, die allerdings nur auf Abruf ausgelöst werden konnten. Die Aufgabe, die das Team sich selbst gestellt hatte: Der Roboter sollte sich vom einfachsten Dum über eine komplexere Maschine bis hin zum komplexesten Supervoc entwickeln können, ohne – und dies war das Wesentliche – selbst etwas von der Veränderung mitzubekommen. Um dieses Ideal zu erreichen, musste jede Kontrollebene zugänglich sein.

Taren Capel hatte einen destruktiven Weg gefunden, auf eine fundamentale Beschränkung zuzugreifen, die alle Roboter gemeinsam hatten, und sie zu modifizieren. Das Technikerteam machte sich daran, das destruktive Element zu entfernen und Taren Capels Entdeckung zu ihrer logischen Vollendung zu bringen. Mit SASV1 bauten sie am ultimativen Roboter. Zumindest glaubten sie das.

Seine zweite Krise hatte er erlebt, als man ihm befohlen hatte, NICHT ZU SEIN, WOFÜR ER GEDACHT WAR. Möglicherweise war ihm bereits mitgeteilt worden, wofür er gedacht war, und er hatte einfach nur nicht verstanden, wie man NICHT SO WAR.

Er verstand nun, wie man WAR. NICHT ZU SEIN war komplizierter.

Poul ließ sich in seinen Sessel zurücksinken und gähnte. Er wusste nicht, warum er so müde war. Er hatte kaum etwas getan und hatte vor, sogar noch weniger zu tun. Die meiste Zeit tat er sehr wenig. Es kümmerte ohnehin niemanden, und ihn am allerwenigsten. Gleich nachdem er sich von seinem Zusammenbruch erholt hatte, hatten sie ihn gefragt, ob er seinen alten Job in der Sicherheitsabteilung der Firma wiederhaben wollte, und er hatte ja gesagt, weil ihm nichts besseres eingefallen war, was er sonst hätte tun sollen. Er hätte zurücktreten und eine Krankheitspension beziehen können, aber wer, der noch bei vollem Verstand war, würde sich denn bitte selbst eingestehen, dass das Leben vorbei war und man nur noch auf den Tod wartete? Hierin lag natürlich die besondere Ironie: Er war schießlich nicht bei vollem Verstand. In Wahrheit hatte er sich nie gänzlich von seinem Zusammenbruch erholt. Die Albträume hatten aufgehört und er konnte es mit Mühe und Not ertragen, mit einem Roboter im selben Zimmer zu sein. Aber ein Teil seines Lebens und sämtliche Details jenes letzten verdeckten Auftrags waren wie ausgelöscht. Er konnte sich schlicht an nichts mehr erinnern. Wie sollte man zu seinem alten Job zurückkehren, wenn man sich nicht daran erinnerte, worum es sich bei diesem alten Job handelte? Nicht, dass es ihn allzu sehr zu behindern schien: Er war mehrfach befördert worden, und zwar völlig ohne ersichtlichen Grund – ganz im Gegenteil. Er war am Leben und erschien einigermaßen regelmäßig zum Dienst, aber das war auch schon so gut wie alles.

Er schniefte und lächelte säuerlich. »Vielleicht liegt es ja an meinem Charme«, brummte er und blickte durch die gläserne Trennwand, die ihn vom Rest der Betriebsgalerie abschirmte. Dort herrschte große Geschäftigkeit. Irgendetwas ging vor sich. Offenbar hatte es etwas mit der zentralen Service-Einrichtung zu tun; also war es ein roboterbezogenes Problem – was hieß, dass er nichts damit zu tun hatte. Er befasste sich mit Menschen. Ausschließlich mit Menschen. Chef der Sicherheitsabteilung (Menschen) stand an seiner Tür. Es gab eigentlich keine solche Abteilung. Wahrscheinlich blieb daher vom Bereichsbudget genug übrig, um ihn derart großzügig fürs Nichtstun zu bezahlen. Die Frage nach dem Warum beantwortete dies natürlich nicht …

»Helfen Sie uns nun mit der Sache oder nicht?« Stenton »Fetti« Rull füllte den Türrahmen aus.

»Ich denk mal, es läuft auf ›oder nicht‹ hinaus«, sagte Poul.

Der Operations-Supervisor machte ein böses Gesicht. Er hatte Poul nichts zu sagen, und das wussten sie beide. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, es trotzdem ständig zu versuchen. »Kriegen Sie Ihren faulen Hintern hoch, Poul. Dieser Abschaum von der ARF hat ’ne Riesenaktion gegen uns gestartet. Wir brauchen da draußen jeden Mann.« Er deutete mit seinem fetten Daumen über die Schulter.

»So wie es aussieht«, sagte Poul, während er an ihm vorbeispähte, »haben Sie da draußen schon jeden Mann, abgesehen von den prächtigen Exemplaren, die Sie für die Streife an den verschiedenen Standorten angeheuert haben. Und ich vermute, diese Killer vom Grabbeltisch machen gerade genau das, wofür Sie sie bezahlen, stimmt’s?«

»Was man von Ihnen nicht gerade behaupten kann.«

Poul lächelte. »Sie bezahlen mich nicht, Rull.«

»Ich weiß nicht, warum’s irgendwer tut«, sagte Rull.

»Das liegt daran, dass ich so gut aussehend, charmant und allgemein beliebt bin.«

»Ist echt eine wahre Freude, Sie um sich zu haben.«

»Ganz genau. Und jetzt hauen Sie ab, Fetti.«

»Zwingen Sie mich doch«, höhnte Rull und trat weiter ins Zimmer.

Poul stand auf. Er nahm seine Jacke vom Haken an der Wand. »Entschuldigen Sie mich«, sagte er höflich und drückte sich vorsichtig an dem Schwergewicht vorbei.

Er ging durch die Betriebsgalerie hinaus und nahm dabei kaum Notiz von den unzusammenhängenden Bildern auf den normalerweise perfekt koordinierten Monitorbildschirmen und den eindringlichen Stimmen der Sicherheitsleute, die versuchten, den Kontakt mit den Bodentruppen aufrechtzuerhalten.

Das andauernde Ringen mit der ARF war ein zweckloser, hässlicher Kleinkrieg, der jäh und eher unerwartet zu eskalieren schien. Er konnte nur vermuten, dass die Geheimhaltungsabteilung der Firma, der er anscheinend einmal angehört hatte, ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht hatte. Angesichts der regelmäßigen Infiltrationen der Anti-Roboter-Front hätten sie eigentlich mit alldem hier rechnen müssen. Selbst ohne einen Spion in der Organisation hätte die Spionageabteilung – was für ein Witz sie doch war – fähig sein müssen, die ARF aufzuspüren. Verdammt, diese Leute waren doch berechenbar genug, ebenso wie die Reaktion der Firma auf sie. Es war alles deprimierend vorhersehbar und vorhersehbar irrational. Und ein totales Tohuwabohu, wie üblich. Schwer zu sagen, was diese Eskalation ausgelöst hatte, aber sicher kam sie nicht von ungefähr. Jemand hätte also in der Lage sein müssen, das Ganze vorherzusehen. Jemand hätte darauf achtgeben müssen. Vielleicht hätte er selbst besser achtgeben müssen …

Draußen auf der Straße blieb Poul einen Augenblick lang stehen, um zu entscheiden, ob er zu Fuß zu seinem Apartment laufen oder ein programmierbares Auto-Trike nehmen sollte. Er nahm nie die luxuriöseren robotergezogenen Buggys – nicht weil er sie sich nicht hätte leisten können, sondern weil er sich so nahe bei den Vocs, die unermüdlich die zweirädrigen Gefährte zogen, einfach nicht entspannen konnte. Nicht entspannen können traf es vielleicht nicht ganz. Tatsächlich konnte er ihnen nicht nahe kommen, ohne dass ihm vor lauter Panik der kalte Schweiß ausbrach.

Sie hatten ihm gesagt, dass er sich früher einmal in der Gesellschaft von Robotern wohlgefühlt hatte. Angeblich hatte er während seiner Undercover-Arbeit auf Sturmmine vier sogar einen Robotergehilfen gehabt. Er hatte keinen Grund, ihnen nicht zu glauben. Nun, eigentlich hatte er schon einen, er hatte sogar einen guten Grund. Denn das bedeutete ja, ein Roboter hätte verdeckt gearbeitet, doch in was für einer Rolle hätte er verdeckt arbeiten sollen und woher in Gottes Namen hätte er wissen sollen, was es bedeutete, verdeckt zu arbeiten?

Sie hatten es ihm nicht verraten. Sie hatten gesagt, dass der Roboter ein Experiment gewesen sei, dass er zerstört worden sei, aber sie hatten ihm nicht gesagt, was die Maschine zerstört hatte. Oder was ihn selbst, Poul, zerstört hatte. Es sei besser, wenn er sich selbst erinnerte.

In der Sache sollte er ruhig ihnen und ihren guten Absichten vertrauen. Nun, daraus würde nichts werden. Die Firma war nicht altruistisch. Sich kümmern und miteinander teilen? Nein, daran glaubte er nicht. Medizinische Behandlung, ein Job, Beförderung. Für all das musste es einen Grund geben, und wenngleich er ihn nicht kannte: Irgendjemand wusste Bescheid.

Er seufzte. Die Auto-Trikes waren ungemütlich und knifflig zu programmieren und nun, da er aus dem Gebäude heraus war, war seine Müdigkeit verflogen. Er hatte es nicht sonderlich eilig und das Wetter heute war herrlich, also konnte er ebenso gut zu Fuß gehen.

Momentan herrschte Trockenzeit und oft blies der Winterwind rasierklingenscharf direkt aus dem Blind Heart herüber. Die Leute nannten diesen Wind die Leere. Manchmal war er so eisig, dass einem die Knochen wehtaten. Wenn es jedoch so windstill wie heute war, dann war das Wetter oft ruhig und mild – Erztraum nannten das die Arbeitslosen aus den Sewerpits.

Trotz der Depression, die ihm auf Schritt und Tritt folgte wie eine dunkle Wolke, fing Poul an, den Spaziergang durch die stillen Straßen zu genießen. Er hatte etwa die Hälfte des Wegs zu seinem Apartment zurückgelegt, als er bemerkte, dass er verfolgt wurde. Er wusste – weil sie es ihm als Teil seiner Behandlung gesagt hatten –, dass er in seiner Verfassung anfällig für paranoide Wahnvorstellungen war. Möglicherweise war das hier lediglich eine dieser Fantasien. Möglicherweise bildete er sich die Gestalt nur ein, die er aus dem Augenwinkel erspäht hatte und die ihm an den Fersen klebte. Beiläufig überquerte er die baumgesäumte Straße und schlenderte in die Imbisspassage hinein.

Er entschied sich für einen Becher spritzigen Perlweins aus dem Spender und setzte sich damit demonstrativ entspannt an einen Tisch am Eingang der Passage. Er gab sich Mühe, nicht zu dick aufzutragen, und blickte beiläufig die Straße hinauf. Zu seiner Überraschung war die Gestalt, die ihm gefolgt war, genau dort, wo er sie erwartete. Anscheinend hatte sie einfach angehalten, stand nun vollkommen reglos da und starrte in seine Richtung.

Poul nippte an seinem Wein. Seine Hand zitterte und es fiel ihm schwer, den Becher an seine Lippen zu führen, ohne die klebrig-süße Flüssigkeit zu verschütten. Wieder ließ er den Blick über die Straße schweifen. Der Mann – er sah definitiv wie ein Mann aus, obwohl es aus der Distanz schwer zu erkennen war – hatte sich weder bewegt noch weggeschaut. Was stimmte nicht mit ihm? War er einfach nur schlecht in seinem Job? Andererseits wusste Poul ja nicht genau, was das überhaupt für ein Job war. Offenbar kam es nicht darauf an, dass der Mann unbemerkt blieb. Warum stand er so da? Warum bewegte er sich nicht wenigstens ein bisschen?

Poul nahm noch einen Schluck Wein, dann schaute er den Mann direkt an. Einen langen Moment starrte er weiter in seine Richtung und als der Mann noch immer keine Reaktion zeigte, hob er seinen Becher zu einem kleinen, ironischen Gruß. Nichts. Keine Reaktion. Seltsamerweise war Poul das Ganze ein wenig peinlich, so als hätte er irgendeinen Aspekt der Etikette missachtet oder wäre auf einer Party von einem Bekannten absichtlich ignoriert worden.

Er warf den Becher in die Mülltonne und dachte über seine Optionen nach: den Mann zur Rede stellen, den Mann ignorieren, den Mann abhängen. Er entschied sich für die Konfrontation, und sei es nur, um das Unbehagen loszuwerden, das wegen seines missglückten Versuchs, theatralisch zu sein, noch in ihm nachhallte. Gesten bedeuteten nichts, wenn sie ignoriert wurden. Es war nichts Geheimnisvolles an Körpersprache. Durch Sprechen wurde sie unnötig. Menschen kommunizierten, indem sie miteinander redeten. Er hielt inne. Körpersprache? Wo kam der Gedanke her? Irgendwann war ihm einmal beigebracht worden, wie man nonverbale Signale deutete. Warum fiel ihm das gerade jetzt ein?

Poul verließ die Passage und überquerte abermals die Straße, dann ging er zügig und schnurstracks dorthin, wo der Mann stand und ihm entgegenblickte. Als er näher kam, sah er, dass es tatsächlich ein Mann war. Er war durchschnittlich groß, hatte braunes Haar und trug ein schlichtes Hemd und Leggings wie ein Mann mit Geschmack und einem gewissen Wohlstand. Es gab jedoch noch immer nicht das geringste Anzeichen, dass er Poul in irgendeiner Weise wahrnahm. Keine menschliche Geste irgendeiner Art. Allmählich wurde Poul wütend. Das Ganze war beleidigend. Zutiefst beleidigend. Er wurde behandelt, als wäre er es nicht wert, dass man sich mit ihm abgab. Als wäre er nicht wichtig genug, dass man ihn überhaupt zur Kenntnis nahm. Hätte sich der Kopf nicht nahezu unmerklich bewegt, eine winzige Drehung, um ihn weiter ihm Blick zu behalten, so hätte Poul gedacht, dass dieser Mann nicht einmal lebendig, ja überhaupt kein Mann war. Er hätte ihn für einen Roboter gehalten.

Er hätte gedacht, dass es ein Roboter war. Er hätte gewusst, dass es ein Roboter war.

Es war ein Roboter.

Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte es nicht einmal in Erwägung gezogen. Just in diesem Augenblick war alles, was er für wahr halten wollte, eine Lüge. Die Welt, seine Welt, schwand dahin und er spürte, wie er sich selbst aufzulösen begann. Sein Herz hüpfte und flatterte panisch und das Zittern füllte seine Kehle und drohte, ihn zu ersticken. Er bekam keine Luft. Seine Lunge krampfte sich zusammen und machte es unmöglich, Atem zu holen, so sehr er sich auch bemühte. Unwillkürlich zuckten und verspannten sich seine Armmuskeln. Sein Magen machte einen Satz und zog sich zusammen. Er merkte, wie ihm die Kraft aus den Beinen wich, sodass seine Schritte unsicher wurden und er schwankte. Sein Gleichgewichtssinn ließ ihn im Stich und er wäre um ein Haar gestürzt. Er kam sich ein wenig lächerlich vor, ungewollt komisch. Ein kreischendes Entsetzen füllte seinen Kopf und er wusste nicht, ob er den Schrei ohne Atem überhaupt herausbringen konnte.

Es war ein Roboter.

Er wollte nicht weiter darauf zugehen. Es war ein Roboter.

Er wollte stehen bleiben, sich umdrehen und davonlaufen. Doch irgendwie gelang ihm nichts davon, nun, da die Welt zu Ende ging.

Es war ein Roboter.

Er zwang sich zum Anhalten, stand schwankend da und starrte den Mann in schreiender Stille an.

Es war ein Roboter.

»Was willst du?«, brachte er am Ende heraus … Oder schrie er es am Ende? Oder krächzte er es am Ende? Am Ende wusste er es nicht. »Du verfolgst mich. Warum verfolgst du mich?«

»Ander Poul«, sagte der Roboter höflich, »ich wurde geschickt, um Sie zu töten.«

Doctor Who Monster-Edition 6: Roboter des Todes

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