Читать книгу Einrichtung von Compliance Management Systemen (CMS) im Krankenhaus - Christian Corell - Страница 11
2.1.2 Zivilrechtliche Haftungsrisiken
ОглавлениеHaftung im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft
Zivilrechtliche Haftungsrisiken bestehen auf Leitungsebene beispielsweise nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG oder § 43 Abs. 2 GmbHG, wenn ein Vorstand oder Geschäftsführer seine Sorgfalts- oder Treuepflichten verletzt und der Gesellschaft daraus Schäden erwachsen. Insbesondere trifft die Unternehmensleitung die Pflicht, ausschließlich im Interesse der Gesellschaft zu handeln und sie vor Schäden zu bewahren.
Bei der Wahrnehmung der Pflichten kommt ihr nach den Maßstäben der »Business Judgement Rule« aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (ggf. analog) ein unternehmerischer Ermessensspielraum zu. Hiernach sind auf der Basis einer ex-ante Betrachtung vernünftige unternehmerische Entscheidungen auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu treffen. Dies findet seine Grenze im Legalitätsprinzip als der Kardinalpflicht zu rechtmäßigem Handeln, denn für illegales Verhalten darf es auch im Unternehmen keinen »sicheren Hafen« geben.
Ein eindrucksvolles Beispiel aus jüngerer Vergangenheit für die Bedeutung gesetzestreuen Vorstandsverhaltens bildet das Siemens/Neubürger-Urteil des Landgerichts (LG) München I mit der Verurteilung des ehemaligen Finanzvorstands zu 15 Millionen Euro Schadenersatz wegen Verletzung von Aufsichtspflichten. Laut LG München I muss ein Vorstandsmitglied in der Weise für eine Organisation und Beaufsichtigung im Unternehmen sorgen, dass Gesetzesverletzungen unterbleiben. Erforderlich sind daher Prävention und Ahndung inklusive Abstellung von Verstößen, mithin ein komplett funktionsfähiges CMS. Insbesondere folgt hieraus die Verpflichtung jedes einzelnen Vorstandsmitglieds zu ausreichenden Maßnahmen zur Aufklärung, Untersuchung und Unterbindung von zur Kenntnis gebrachten Gesetzesverletzungen. Die aus gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzungen entstehenden Schäden muss der Vorstand der Gesellschaft erstatten; D&O-Versicherungen greifen aufgrund Vorsatzausschlusses nicht.
Neben die sanktionenrechtliche tritt daher die persönliche zivilrechtliche Haftung von Leitungsorganen. Insbesondere haften sie gegenüber ihrer Gesellschaft für Schäden aus schuldhaften Sorgfaltspflichtverstößen in unbegrenzter Höhe. Die Pflichtverletzungen können aus Verstößen gegen das Legalitätsprinzip und gegen weitere Compliance-Pflichten, insbesondere Aufklärung und Untersuchung, Abstellung und Ahndung von Verstößen, resultieren. Die Schadensbemessung und damit auch die Ersatzpflicht des Geschäftsleitungsmitglieds richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen aus §§ 249 ff. BGB. Für den Schadensumfang werden zwei Vermögenslagen verglichen: die tatsächliche Situation und die fiktive Lage ohne das als schädigend identifizierte Ereignis. Hierbei ergeben sich leicht Millionensummen, weil auch sämtliche Schadensermittlungs- und Feststellungskosten (auch Berater- und Rechtsanwaltskosten) zum ersatzfähigen Schaden gehören.
Da es parallel zum Strafrecht zur Gefahrenabwehr verpflichtende zivilrechtliche Garantenstellungen kraft Verantwortungsübernahme gibt, können auch Compliance-Verantwortliche haftbar sein. Unabhängig von Personen und Verantwortungsebenen kann nämlich jeder Regel- und damit Compliance-Verstoß zur Haftung des Unternehmens führen. Also droht jedem Compliance-Verantwortlichen aufgrund Überwachungs- oder Meldeversagens der freilich arbeitsrechtlich beschränkte Innenregress.
Haftung gegenüber Dritten
Zivilrechtlich haften Unternehmen, Gesellschafter und Leitungsorgane je nach Rechtsform im Außenverhältnis vertraglich und deliktisch beschränkt oder unbeschränkt. Bei Compliance-Verantwortlichen entsprechen sich die Grundlagen strafrechtlicher Verantwortlichkeit und deliktischer Außenhaftung aufgrund wiederum paralleler Garantenpflichten. Dabei können externe Geschädigte Compliance-Verantwortliche in Abhängigkeit von deren Verantwortungsbereich und -spielraum im Wege deliktischer Durchgriffshaftung insbesondere auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Ein vertragliche Außenhaftung scheidet hingegen regelmäßig aus, weil Arbeitsverträge üblicherweise keinen Drittschutzcharakter besitzen.