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Eins

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Gehetztes Getrappel von Pferdehufen erfüllte die Luft, als das Licht der Morgendämmerung trübe durch den Nebel über dem wilden Land brach. Das, der kalten Luft zum Trotz, schweißglänzende Tier schäumte unter seinem Reiter. Dennoch trieb Rohar es unnachgiebig weiter an. Er hatte keine andere Wahl. Seit Stunden waren der Truppführer der Greakar und seine Krieger nun bereits auf der Jagd. Selbst bei diesem halsbrecherischen Tempo konnte er die feine Spur der feigen Diebe klar erkennen. Die Sinne der Greakar waren gut. Sie mussten es sein, um den Überlebenskampf in der Wildnis zu überstehen. Dennoch war es den Dieben gelungen - im Schutz der Dunkelheit - in das Lager der Greakar einzudringen. Sie hatten den Ältesten der Geistseher getötet und das Heiligste gestohlen. Verdammtes Pack! Er würde sie einholen. Er würde sie kriegen. Und das Heiligste – ein Artefakt der Geistseher - zurückholen. Er musste. Er hatte keine andere Wahl. Irgendwie hatte er die niemals.

Rohar wandte sich zur Seite - und fand Tjagars Blick auf sich ruhen.

»Wir kriegen sie!« Tief dröhnte die Bassstimme des - selbst für einen Greakar - großen Mannes durch die Morgenluft. Als hätte Tjagar Rohars Gedanken gelesen. Wahrscheinlich konnte er auch nur die Verbissenheit im Gesicht seines Truppführers sehen. So lange waren sie bereits Seite an Seite in Schlachten und Kämpfe geritten. Grimmig bleckte Rohar die Zähne und trieb sein Pferd härter an.

Wir kriegen sie… Verdammtes Pack!


Rohar wischte sich mit der Hand eine nasse Strähne aus dem Gesicht und schnaubte. Der Atem des Truppführers hing wie Dampf in der Luft. Angestrengt starrte er den Vorhang aus Regen und Nebel an.

»Verdammtes Mistwetter! Ich kann meine Hand kaum vor den Augen sehen.«

Mit dem ersten Licht des Morgens war der Regen gekommen. Der Trupp war stetig langsamer geworden. Zum einen war es nun schwieriger, die Spuren der Diebe nicht zu verlieren. Zum anderen hatte das Wetter den Untergrund in schweren, schwarzen Schlamm verwandelt. Ständig bestand die Gefahr, dass die Pferde ausglitten. Die einzige Genugtuung für Rohar war, dass es den Gegnern seines Trupps ähnlich ergehen musste. Auch die Diebe konnten nicht schneller vorwärtskommen, als das Wetter erlaubte. Zumindest hoffte er das. Und tatsächlich - immer noch konnte er die Spuren der Feinde im Morast erkennen.

Rohar wandte sich an seine Untertruppführerin Xalany.

»Nachricht von den Spähern?« Er musste brüllen, um Wind und Regen zu übertönen.

»Nein. Gar nichts.« Xalany sah sich um. »Vielleicht sollten wir irgendwo Unterschlupf suchen. Bei dem Scheißwetter laufen wir möglicherweise in eine Falle. Und die Pferde brauchen auch eine Pause.«

Rohar warf Xalany einen harten Blick zu. »Wir dürfen die Spur nicht verlieren!«

»Wenn die Pferde unter uns zusammenbrechen, werden wir aber die Spur verlieren!«, setzte Xalany nach.

Rohar entfuhr ein Brummen. Wir haben keine Zeit. Die Pisser haben Vorsprung. »Verdammt! Lagern wir dort!« Er zeigte auf einen kaum erkennbaren Felsvorsprung auf der linken Seite. »Doppelte Wachen und ich will verdammt noch mal wissen, wo die Späher sind!«


Der Felsvorsprung entpuppte sich als kleine Höhle, sodass die Krieger auch die erschöpften Pferde dort unterbringen konnten. Die jüngeren Kämpfer, die weiter unten in der Hackordnung standen, beschäftigten sich damit, die Tiere notdürftig trocken zu reiben und zu versorgen. Einen Ausfall der Reittiere durften die Greakar nicht riskieren.

Rohar lief gegen eine Wand aus feuchter Luft, die ihn unwillkürlich husten ließ. Er blinzelte mehrfach und versuchte, sich an die Dunkelheit in der Höhle zu gewöhnen, um etwas erkennen zu können. Seine Stimme hallte dumpf nach.

»Zündet eine Fackel an und schaut da hinten nach!« Rohar wies mit dem Daumen in den hinteren Teil der Höhle, der im Dunkel lag. »Nicht, dass da ein Bär pennt, oder so.«

Rohar ließ sich mit einem leisen Seufzer auf den Stein sinken. Der Greakar fühlte den rauen Fels in seinem Rücken und ließ den Blick über seine Leute wandern. Vierundzwanzig Kämpfer. Eine gemischte Truppe aus Männern und Frauen - wie üblich bei den Greakar. Weniger das Geschlecht war wichtig, als vielmehr das kriegerische Können.

Rohars Trupp war eine kleine, aber bekannte Einheit. Oder vielmehr eine berüchtigte. Rohar war über die Grenzen seines Trupps und seiner Sippe beim Volk der Greakar bekannt. Ein großartiger Kämpfer, ein Raubein als Truppführer. Er wäre ein hervorragender Kriegsherr geworden. Ein Führer im Krieg und im Frieden. Einer, der die Sippen eint. Wenn, ja wenn nicht…

Rohar hatte Ehrenschuld auf sich geladen. Er hatte keine Wahl. Niemals. Er musste diese Mission erfüllen oder er würde sich das Leben nehmen müssen.

Jeder in Rohars Trupp wusste das. Die Kämpfer in Rohars Trupp waren ebenso berüchtigt. Rohars Trupp bestand vor allem aus jenen Greakar, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen. Der Kodex der Greakar war streng. Die Schuld konnte getilgt werden, in dem man sich selbst, seiner Sippe und seinen Ahnen Ehre machte. Diese Ehre ließ sich in einem Kriegstrupp, wie dem, den Rohar führte, erlangen. Selbst wenn dieser Trupp ein Straftrupp war.

In Rohars Trupp war man einfach. Manche waren dabei, weil sie wollten, andere, weil sie mussten. Aber man redete nicht darüber. Man sprach nicht von Schuld, Sühne oder Wiedergutmachung. Was ein jeder getan hatte, war allein seine Sache. Man war hier.


»Machen wir Feuer?« Elramar, einer der jüngeren Krieger hatte gefragt.

Rohar hob den Kopf. Aus seinen Gedanken gerissen, murrte der Truppführer unwillig.»Wir können auch gleich eine Fahne vor die Höhle stellen… Was hältst du davon, Elramar?« Der Truppführer hob die Stimme an. »Das ist kein verdammter Ausritt, Leute. Wir sind in einem Kampfeinsatz!«

»Also… kein Feuer?«

Rohar schnaubte. Über die tätowierten Gesichtszüge des Truppführers lief ein Zucken. Dann sah er auf und blickte in ein unverkennbares Gesicht.

Crows grinste breit und in seinem Mund blitzten scharfe, angefeilte Zähne, was Crows ein gefährliches Aussehen verleihen sollte. Bisweilen sah er in Rohars Augen eher wie eine merkwürdige Eidechse aus. Ob dieses Anfeilen der Zähne eine spezielle Tradition der Halblinge war oder einfach nur eine Macke von Crows, wer konnte das sagen? Crows war der einzige Halbling, dem Rohar je begegnet war. Vor Jahren hatte er ihn aus einem Kerker befreit.

»Halt´s Maul, Zwerg!« Zymas Stimme fauchte durch die Höhle. «Es ist weder Platz noch Zeit für deine merkwürdigen Scherze!«

Zyma - oder auch einfach Hackfresse - die vielleicht hässlichste Greakar, die man sich vorstellen konnte. Sie trug ihr Haar kurzgeschoren über dem - wie üblich - tätowierten Gesicht. Die Greakar trugen rituelle Tätowierungen im Gesicht, die verrieten, wer man war und woher man kam. Rohar musterte das ihm vertraute Gesicht Zymas. An die Tätowierungen konnte man sich gewöhnen. Die Greakar kannten es nicht anders. Aber an Zymas Narbe konnte man sich weniger gut gewöhnen. Beginnend mitten auf der Stirn, in einem Bogen abwärts durch die Augenbraue - das Auge nur knapp verfehlt - lief die breite, rote und fleischige Narbe weiter über die Wange, über den linken Mundwinkel und verlor sich am Kinn. Hackfresse. Und so was wie die gute Seele des Trupps. Rau, kernig, fähig und vorlaut. Rohar konnte sich jederzeit auf Zyma verlassen. Und auf das, was sie mit den beiden Spaltbeilen zu tun imstande war, die sie am Gürtel trug.

Crows machte den Mund auf - und schloss ihn gleich wieder. Tjagar, der riesenhafte Greakar, hatte dem Halbling einen leichten Klaps verpasst, der Crows fast nach vorn umkippen ließ.

»Wo sie recht hat…« Tjagars Stimme dröhnte tief und durchdringend. Rohar fuhr sich mit der Hand über das feuchte Gesicht.

»Haltet die Klappe! Alle! Hört auf euch zu streiten und ruht euch lieber aus.« Der Truppführer schüttelte entnervt den Kopf. »Hat jemand Xalany gesehen?«


Rohar fand Xalany etwas abseits der anderen in eine Diskussion mit Ilasar vertieft. Die beiden hörten auf zu reden, als sie die Anwesenheit des Truppführers bemerkten.

»Xalany!« Mit einer knappen Geste rief Rohar die Untertruppführerin heran. Sie erhob sich in einer fließenden Bewegung und war mit einem Satz bei ihrem Anführer angelangt. Rohar fand, dass Xalany eine der besten Untertruppführerinnen war, die er je kennengelernt hatte. Außerdem gab es kaum jemanden im Trupp, der in einer besseren körperlichen Verfassung gewesen wäre, als die schlanke Soldatin. Trotzdem waren sie und Rohar oft nicht einer Meinung.

»Was will der Stinkstiefel wieder?« Rohar wies mit einer kurzen Kopfbewegung in die Richtung des noch am Boden hockenden Ilasars. Dessen kleine, auf den Truppführer stets ein wenig missgünstig wirkende Augen beobachteten die beiden Anführer des Kriegstrupps.

Xalany zuckte mit den Schultern. »Das Gleiche wie immer… stänkern. Du machst wie immer alles falsch…«

Rohars Augen blitzten. »So… mache ich das?«

Xalany wich dem Blick des Truppführers aus. »Die Pferde sind versorgt. Wir können bald weiter.«

Rohars Augen verengten sich kurz zu schmalen Schlitzen und seine Kiefermuskeln zuckten. Dann räusperte er sich.

»Wie schön.«

*

Das Herz der Greakar

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