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Drei

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Im Schatten der Felsen stand die Luft. Rohar hatte das Gefühl gegen eine unsichtbare Mauer zu laufen. Hier fiel der nachlassende Regen fast lotrecht. Der Geruch von feuchter Erde, Stein und etwas… Scharfem stieg dem Truppführer in die Nase. Nur das Huftrappeln der Pferde, gelegentliches Schnauben und das Prasseln des Regens füllten die Stille aus und hallten leise von den schroffen Felsen wieder.

Der Trupp schien den Atem anzuhalten, als Rohar ihn in die enge Schlucht führte. In der Rechten hielt der Truppführer sein schartiges Hauschwert. Weiß traten die Knöchel unter der sonst grauen Haut hervor. Mit der Linken strich er sich immer wieder die an seiner Stirn klebenden Strähnen zurück.

Krrrr…

Mit einem Ruck stand der gesamte Trupp. Rohar fuhr herum und warf einen scharfen Blick nach hinten. Jemand war versehentlich mit der Spitze seines Schwertes an den Felsen entlang geschrammt.

»Weiter!«, flüsterte der Truppführer rau.


Wie er befohlen hatte, hielten die Kämpfer wechselseitig den oberen Rand der Felsklüfte im Blick. Jeder Zweite sah nach rechts, die anderen nach links. Gute alte Militärtaktik der Greakar.

Rohar ritt an der Spitze des Trupps, abgesehen von Illa, die nach Bulrars Verletzung das Kundschaften übernommen hatte.

Verwundete binden Kräfte.

Unvermittelt brummte Rohar vor sich hin.

»Truppführer?« Tjagar hatte zu Rohar aufgeschlossen.

»Hm?«, Rohar warf dem Freund einen flüchtigen Blick zu und schüttelte dann den Kopf. »Es ist nichts. Geh’ zurück auf deine Position, Tjagar!«

Ein knappes Nicken bestätigte Rohar, dass der Angesprochene verstanden hatte.

Sie waren fast am Ende der Felspassage angelangt. Gleich würde der Pfad breiter werden und sie würden aus der Enge hinaus auf das weite Feld treten. Wie ein Vielfüßler wand sich der Trupp durch den verwinkelten Steinbruch. Fast war es geschafft.

Viel zu ruhig.


Das Ende der Passage durch den Steinbruch wäre schon in Sicht gewesen. Ohne den ständigen Dunst und den Regen wäre der Blick auf die weiten Ebenen des wilden Landes gefallen.

»Mattar Coo«, dachte Rohar, das war der alte Name des Landes in den Ritualen der Geistseher.

Sie hatten es fast geschafft. Rohar hob die rechte Hand. Der Trupp hielt hinter ihm in Schützenreihe. Die Soldaten spähten weiterhin angespannt in den Nebel jenseits der Felshänge. Rohar meinte, ein Kratzen gehört zu haben. Oder ein Scharren. Ein Geräusch, das nicht zum Schnauben, Prasseln und dem Huftrappeln der Pferde passte. Er legte den Kopf leicht schräg, lauschte.

Dann nahm er ein anderes Geräusch war - klick…

Und im nächsten Moment flogen Bolzen gegen die Felsen, zischten und surrten den Soldaten um die Ohren und prallten vom Gestein ab. Pferde wieherten und scheuten. Die Gäule verfielen in Panik in der engen Gasse und prallten gegeneinander. Irgendwo hinten schrie ein Greakar vor Schmerz auf. Rohars Blick flog über die Felsen. Nebel und Regen.

»Verdammt!«

»Pfeile!« Sein Befehl kam unwillkürlich. Sofort ließen die Schützen des Trupps die Pfeile ihrer Knochenbögen fliegen. Nicht, dass sie irgendetwas trafen oder es irgendeinen Sinn gemacht hätte. Blind schossen sie in den Nebel, während sie selbst mit Bolzen beschossen wurden. Irgendwo wieherte das Pferd eines Greakar. Getroffen. Der Bolzen steckte im Hinterteil des Tieres und brach ab, als das Pferd gegen einen anderen Gaul prallte. Ein weiterer Schrei eines Soldaten. Umgeben von Felsen - und doch keine Deckung. Sie saßen in der Falle. Rohar hatte keine andere Wahl.

»Vorwärts! Vorwärts! Raus aus dem Steinbruch!« Hart presste er seine Schenkel gegen die Flanken des Pferdes.

So schnell die Hufe auf dem nassen, glitschigen Boden Halt fanden, schossen die Pferde der Greakar nach vorn. In Richtung der Öffnung der Passage. Hinaus aus der tödlichen Falle. Schreie und Wiehern - klick, klick, klick - das Geräusch der Armbrüste hallte von allen Seiten wider.


Der Trupp schoss aus der Öffnung und ergoss sich auf freies Feld. Kalt und hart schlug ihnen der Wind ins Gesicht, peitschte den Reitern den Regen entgegen.

Das Klicken hatte aufgehört. Die Schreie waren schmerzvollem Stöhnen gewichen und das Wiehern war leiser geworden.

Rohar lenkte sein Pferd - und den aus der Formation ausgebrochenen Reitertrupp, der nun aussah wie ein ungeordneter Vogelschwarm - einer kargen Baumgruppe entgegen.

Das Pack ist nicht weggelaufen. Sie haben auf uns gewartet.

»Formation! Deckung! Rundum sichern!« Rohar brüllte seine Befehle nach hinten durch Regen und Wind. Ob er verstanden wurde, wusste er nicht. Aber der Trupp wusste auch so, was zu tun war.

Bei der Baumgruppe angelangt, ließ sich Rohar vom Pferd gleiten und spähte zurück zu der Öffnung der Felspassage. Nichts war zu sehen. Und noch weniger zu erkennen. Die Soldaten des Trupps hatten rundum Stellung bezogen. Sie spähten und sicherten in alle Richtungen. Die Pferde und die Verwundeten schützten sie inmitten ihres Kreises.

»Meldung!« Rohar brüllte mit belegter Stimme.


Rohar schrie seinen Frust in das Unwetter.

»Verdammte Axt!«

Flackernd und suchend ging sein Blick über die Ebene und dann zu Aldrar, der zu seinen Füßen kniete und sich um das Leben des jungen Soldaten bemühte. Vergeblich. Ein Bolzen steckte quer in seiner Kehle und der Junge gurgelte Blut.

Aldrar schüttelte den Kopf. Das Haar des Veteranen klebte grau in grau an seinem Schädel. »Nichts zu machen, Rohar.«

Resigniert nickte der dem alternden Aldrar zu. »Sieh nach den anderen.«

Im Vorbeigehen legte der Alte für den Bruchteil einer Sekunde seine schwielige Hand auf Rohars Schulter. Dann machte er sich auf, nach weiteren Verwundeten zu schauen.

Verwundete binden Kräfte. Alle Kräfte.


Flehend und voller Angst suchte der Blick des jungen Soldaten den seines Truppführers. Rohar kniete sich neben den Sterbenden und griff fest nach seiner Hand. Die Blicke von Soldat und Offizier trafen sich. Dann wurden die Augen des Jungen starr und weit - und sein Blick ging ins Leere. Rohar legte seine Hand auf die Stirn des jungen Soldaten und schloss dann dessen Augen. Wortlos stand der Truppführer auf und ging davon.

»Verbrennt ihn!«, rief er zwei in der Nähe stehenden Soldaten zu. Der Junge war - ohne Chance sich zu wehren zwar - aber er war im Kampf gefallen oder als Folge davon. In jedem Fall war er durch die Hand des Gegners gestorben. Eine der höchsten Ehren eines Kriegers der Greakar. Also durfte er auch - wie es Brauch war - nach alter Sitte ehrenvoll den Flammen übergeben werden.

»Verdammt!« Erst jetzt fiel Rohar dass andauernde, schmerzverzerrte Wiehern eines Pferdes auf. Wut nahm seine Stimme in Besitz. »Erlöst doch mal einer das Tier. Oder muss ich das selbst machen?«

Einen Herzschlag später verstummte das Tier.


Rohar seufzte innerlich als Xalany mit sorgenvoller Miene auf ihn zukam. »Sag jetzt nichts, Xalany, du weißt, dass es keine andere Wahl gab!«

Xalany schüttelte den Kopf. »Wir wussten alle, dass es eine Falle war.«

»Ach, was du nicht sagst…« Rohars Augen blitzen vor Zorn.

Xalany versuchte, den Blick ihres Truppführers aufzufangen.

»Rohar, jeder hier weiß, was auf dem Spiel steht. Für dich. Für uns alle.«

Rohar spannte die Arme an, ballte die Fäuste. »Wisst ihr das? Meinetwegen. Wir müssen dieses Pack erwischen. Und es gab nur diesen einen Weg. Wie wäre es, wenn einfach alle ihre Arbeit machen?« Unwillkürlich war Rohars Stimme lauter geworden. Der Truppführer war ein gefährliches Bündel, kochend vor Zorn.

Xalany nahm Haltung an. »In Ordnung, Truppführer. Wir haben drei Leichtverletzte, einen Toten, ein totes Pferd. Keine Feinde in Sicht, keine toten Gegner am Boden. Wie lauten die Befehle?«

»Verbrennt die Leichen, auch das Pferd. Können die Verletzten reiten?«

»Alle können reiten, Truppführer«, antwortete Xalany.

Rohar nickte langsam.

»Ausführung, dann aufsitzen! Wir haben Pack zu erledigen!«, befahl er. Xalany wandte sich mit einem erneuten Nicken ab.

*

Das Herz der Greakar

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