Читать книгу Das Herz der Greakar - Christian Dornreich - Страница 6

Zwei

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Die dritte Klinge verharrte bewegungslos zwischen Felsen und verdorrten Sträuchern und starrte in den Nebel. Ruhig und fokussiert ruhte ihr Blick auf dem Späher der Greakar, der sein Pferd langsam zwischen den Felsen hindurch manövrierte. Die Läufe des Tieres und die lederne Rüstung des Reiters waren völlig verdreckt und mit Schlamm verkrustet. Darin stand ihm die schwarze Rüstung der elfischen Todesklinge allerdings in nichts nach.

Ansonsten waren die Rüstungen vollkommen unterschiedlich, wie die Klinge bemerkte. Die Rüstung des Greakar bestand aus Flickwerk. Verschiedenste Teile aus verschiedenen Materialien, Formen und Farben. Nichts schien richtig zusammen zu passen. Wie wenig sorgsam die Greakar mit ihrem Handwerkszeug umgingen. Immerhin waren sie ein Kriegervolk. Dennoch trugen die meisten von ihnen lediglich gekochtes und gehärtetes Leder. Natürlich war man dadurch beweglich. Nicht so wie die Menschen in ihren schweren Ketten- und Plattenrüstungen. Einige wenige der Greakar trugen zwar auch einzelne Teile von Schuppenrüstungen, die sie vermutlich ihren toten Gegnern abgenommen hatten. Nicht zu vergleichen mit dem, was der Elf trug. Er strich über den stabilen Umhang, der zwar leicht zu tragen war, aber durchaus auch Schutz bot. Und das nicht nur vor dem Wetter.

Die Klinge sah nach oben. Noch so eine Sache, die er im wilden Land - so hieß dieses Gebiet bei den meisten Völkern - nicht verstand. Für einen Moment der Versuchung ausgesetzt, zu seufzen, besann sich der Elf eines besseren.

Der Regen hatte nachgelassen. Dennoch dämpfte er noch fast jedes Geräusch.


Der Greakar war vorsichtig. Bewegte sich und sein Tier langsam und bedächtig. Natürlich sah er, dass die Elfen hier durchgekommen waren. Überall war das kärgliche Strauchwerk von Pferdehufen niedergetreten worden. Überall waren die Spuren auf den schlamm- und moosüberzogenen Felsen zu sehen. Der Greakar musste sie einfach sehen, dachte der Elf. Und - natürlich - musste er an einem Ort wie diesem - ein schmaler, verwinkelter Pfad zwischen hohen Felsen - mit einem Hinterhalt rechnen. Die Greakar waren nicht eben bekannt für schlechte Späher. Eigentlich waren sie gar nicht bekannt. Aber der Elf wusste, dass die Greakar ein erfahrenes Kriegervolk waren. Der Greakar spähte in alle Richtungen. Nur nach oben sah er nicht.

Nie sehen sie nach oben.

Unwillkürlich verzog der Elf die Lippen zu einem kalten Lächeln und zeigte dunkelrot gefärbte Zähne. Kriegsbemalung einer Todesklinge der Schattenelfen. Weiße Zähne, die in der Dunkelheit leuchteten, konnten einen Attentäter verraten. Blutrote Zähne sah man im Dunkeln weniger. Und, nicht zu verachten, sie jagten dem Feind einen Schreck ein. Die Schrecksekunde, die es dem Elfen schon so oft ermöglicht hatte, die eigene Waffe in den Körper des Feindes zu versenken und dessen Blut zu vergießen.

Das Pferd des Greakar war nun direkt unterhalb der Position der dritten Klinge. Leise zog der Elf einen Dolch, mühelos schwang er sich über den Felsen, hinter dem er gesessen hatte, und sprang ...

Schreckerfüllt wieherte das Pferd des Greakar, als der Elf auf seinem Rücken landete. Noch ehe der Greakar reagieren konnte, fuhr ihm der Dolch des Elfen hinter das rechte Schlüsselbein. Die dritte Klinge fletschte die Zähne ob dieses Missgeschicks. Er war beim Absprung vom nassen Fels abgerutscht und hatte die Waffe verrissen.

Der Greakar brüllte vor Pein. Dennoch fuhr der Krieger blitzschnell herum und schlug dem Elfen den Ellbogen ins Gesicht. Knochen schmetterte auf Knochen. Schmerz explodierte im Gesicht des Schattenelfen. Zurückgeworfen durch den wuchtigen Aufprall, konnte sich die dritte Klinge nicht auf dem Pferd seines vermeintlichen Opfers halten. Noch im Fallen zog der Elf zwei geschwärzte Schwerter. Leicht gebogene, elegante Klingen. Echte elfische Todeskunst. Erneut grinste der Schattenelf.

Der Greakar glitt ebenfalls vom Pferd, zog den Dolch aus seiner Schulter und stürmte mit erhobener Axt auf die Todesklinge ein.

In einer einzigen fließenden Bewegung wich der Elf der Axt seines Gegners aus und stieß seinerseits die Klinge in das Bein des Greakar. Sofort schoss Blut aus der klaffenden Wunde. Brüllend knickte der Greakar ein und starrte mit aufgerissenen Augen in das saturnrote Grinsen der Todesklinge. Langsam, bedächtig, wie ein Raubtier vor dem entscheidenden Sprung, wissend, dass die Beute chancenlos war und nicht mehr fliehen konnte, bewegte sich der Elf.

Das Verlangen zu töten, ließ die Versuchung groß werden. Doch dann siegte das Pflichtgefühl und er trat dem Greakar mit seinem matschverdreckten Stiefel ins Gesicht. Stöhnend sank der verwundete Greakar nach hinten und fiel schwer atmend auf den Rücken. Für den Bruchteil einer Sekunde ließ die dritte Klinge noch den Blick auf dem Gegner ruhen, wandte sich dann ab und verschwand im Nebel zwischen den Felsen.


Der Kriegstrupp der Greakar kam nur langsam voran. Rohar und die anderen rückten vorsichtig in Richtung des alten Steinbruchs vor.

Dieser Ort im wilden Land war ein Platz der alten Geschichten und Legenden. Geschichten von Geistern und grausamen Ritualen am Ufer eines kleinen Sees im hinteren Teil des Steinbruchs. So manche greakarische Sippe hatte den Ort für spirituelle Zwecke genutzt, als die ursprünglichen Besetzer - Eindringlinge ins wilde Land - den Steinbruch verlassen hatten. Nicht lange war hier Stein abgebaut worden. Denn soweit bekannt gewesen war, hatten die Greakar nie mit Stein gebaut - und auch niemand sonst so tief im wilden Land. Rohar hatte - unwillig - den Trupp absitzen lassen. Die Soldaten führten die Pferde am Halfter. Zum einen, weil die Verschnaufpause zu kurz gewesen war und die Tiere immer noch erschöpft waren. Und Rohar konnte - bei aller Eile und Not - nicht riskieren, dass die Pferde schlappmachten. Das würde das Ende der Mission sein. Zum anderen bestand jederzeit die Gefahr eines Sturzes auf dem nun steinigeren Boden, der von dem anhaltenden Regen nass und mit glitschigem Schlamm überzogen war.

Ein schmaler, unübersichtlicher Pfad führte mitten durch den Bruch. Schmale Gassen führten links und rechts weg, tiefer hinein, in Höhlen oder enge Passagen. Nebelverhangen und schlecht einzusehen.

An Rohars Hand, die den Strick hielt, traten die Knöchel weiß durch die sonst graue, zähe Haut des Truppführers. Jahrzehnte des Kampfes und der Übung hatten die typischen Schwielen eines Schwertkämpfers in seinen Handflächen hinterlassen. Sein Blick wanderte ruhelos umher. Ein Ort, wie der nahende Steinbruch wäre ein guter Platz für einen Hinterhalt, falls die Feinde sich ihrer Verfolger entledigen wollten. Außerdem war der Späher noch nicht zurückgekehrt. Ungewöhnlich, denn Bulrar war für gewöhnlich zuverlässig. Er hätte längst wieder da sein sollen. Die verabredete Zeit musste längst verstrichen sein. Zumindest fühlte es sich für Rohar so an. Zwar konnte er die Sonne hinter dem tristen, stahlgrauen Wolkenhimmel nicht ausmachen, aber auf sein Zeitgefühl konnte der Truppführer sich üblicherweise verlassen.

Während er noch darüber nachsann, ob ihn möglicherweise eben jenes Gefühl einmal im Stich lassen würde, erschien eine wankende Gestalt auf einem Pferd im langsamen Trab zwischen den Nebelfetzen am Eingang des Steinbruchs. Selbst bei der schlechten Sicht war erkennbar, dass der Reiter sich kaum noch auf dem Pferd halten konnte.

Ohne ein weiteres Wort schwang sich Rohar auf sein Pferd - der Trupp tat es ihm gleich - und ritt dem Kundschafter im gestreckten Galopp entgegen. Die Entfernung war rasch zurückgelegt und alle Vorsicht vergessen.

Als Rohar Bulrar erreichte, erkannte der Truppführer, dass sein Späher aus einer Wunde an der rechten Schulter und am linken Bein heftig blutete. Dazu kam, dass das Gesicht des Kriegers deutlich geschwollen erschien. So als habe er einen Schlag oder einen Tritt kassiert. Bulrars Gesicht war blutunterlaufen. Sofort sprang Rohar von seinem Gaul und dem Kundschafter entgegen, der bereits im Begriff war, von seinem Pferd zu rutschen oder eher zu fallen.

Rohar fing Bulrar auf und legte ihn auf den nassen und felsigen Boden. Der Truppführer sah, dass der Krieger kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren. Rohar griff mit einer Hand nach dem Halsausschnitt der zerfleddert aussehenden, mehrfach geflickten Lederrüstung des Spähers.

»Heh, wach bleiben Soldat!« Rohars Stimme klang rau und belegt. »Was ist passiert, Bulrar?«

Der Angesprochene öffnete die Augen. Sein flackernder Blick suchte und fand schließlich den seines Truppführers. »Elf…«, stammelte Bulrar, »…hat mich erwischt.«

»Haben sie«, brummte Rohar bestätigend, »aber du lebst noch. Du wirst durchkommen!« Rohar packte fester zu, damit Bulrar das Bewusstsein nicht verlor. »Erzähl mir alles!«, verlangte Rohar.

Bulrar berichtete stockend und in abgehackten Worten, wie er von dem Elfen überrascht und angegriffen wurde.

»Ich… hab… nicht aufgepasst… Rohar!« Entsetzen spielte in Bulrars Augen. Selbst nahe der Ohnmacht sorgte sich der Späher um seine greakarische Ehre als Soldat.

Der Truppführer murmelte etwas. Dann sah er dem Späher erneut in die Augen. »Schon gut, Mann. Alles wird gut.«

Rohar wandte sich von dem Verwundeten ab und an Aldrar, einen der ältesten und erfahrensten Krieger des Trupps. Zugleich war Aldrar der Soldat, der sich um die Wunden der Krieger zu kümmern pflegte.

»Aldrar, versorg’ seine verdammten Wunden!«, herrschte Rohar den Krieger an. Rohars Stimme klang schroff. Er war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. Wut brannte in seinem Magen. Aldrar war schon lange ein Wegbegleiter Rohars. Der alte Krieger kannte den Truppführer gut genug, um zu wissen, woran er war.

Sogleich machte Aldrar sich daran, Bulrars Wunden freizulegen. Er bestrich sie mit einer übel riechenden Tinktur, wickelte grob gewebtes, sauberes Leinen darum und zog alles mit mehreren Streifen abgeschnittenen Leders fest, um den Verband zu schützen. Währenddessen sprach er in leisen Tönen mit Bulrar, um den Späher wach zu halten.

Als Aldrar fertig war, winkte Rohar zwei junge Krieger heran.

»Bindet ihn auf sein Pferd. Aber richtig fest! Wir nehmen ihn mit.« Dann sprach der Truppführer den ganzen Trupp an. »Wir müssen weiter! Durch den Steinbruch!«

Rohar wollte gerade auf sein Pferd steigen, als Untertruppführerin Xalany an ihn herantrat. Sie räusperte sich vernehmlich. Rohars undeutbarer Blick fand ihren.

»Rohar, das ist nicht gut. Bulrar hat nur mit Mühe überlebt.«

Rohar warf Xalany einen flackernden Blick zu.

»Wir gehen durch den Steinbruch, Soldat. Möchtest du meine Befehle infrage stellen?« Rohars Stimme war gefährlich leise geworden.

Die Angesprochene senkte rasch den Blick.

»Liegt mir fern, Truppführer.«

»Aufsitzen!« Rohars Stimme hallte von den nahen Felsen wieder.

*


Das Herz der Greakar

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