Читать книгу The Complete DJ Guide - Christian Haase - Страница 6

1.2 Die Bedeutung des DJs

Оглавление

Der Begriff „DJ“ stammt vom englischen Ausdruck „Discjockey“ und setzt sich aus dem Wort „Disc“ (Schallplatte) und „Jockey“ (Handlanger) zusammen. Das trifft den Nagel ganz gut auf den Kopf, denn in den Anfängen der Club-Musik war der DJ nicht mehr als ein simpler Nachtarbeiter, der wenig zu sagen hatte und lediglich dafür sorgen sollte, dass die Gäste Spaß beim Tanzen haben. Er war in seiner Position nicht unbedeutend, schließlich würde ohne ihn keine Party stattfinden können, doch er selbst als Person, war weder cool noch nennenswert einflussreich in seinem Umfeld.

Die Anfänge des Platten-Auflegens und des Berufs, der sich daraus entwickelt hat, gehen sogar noch weiter zurück, nämlich in die Radio-Zeiten der 50er, 60er und 70er Jahren. Denn damals war es üblich, dass Musikstücke anmoderiert wurden - vom Radio-Discjockey. Seine Aufgabe war es, auf Tonträgern gespeicherte Musik abzuspielen und diese zu kommentieren. Ein guter Discjockey war demnach wortgewandt und konnte seinen Zuschauern die Musiktitel schmackhaft machen, bevor er sie abspielte. Gespickt mit reichlich Hintergrundwissen über die Produktionen und bestens informiert über das Leben der Musiker, konnte er Wissen und Gossip gleichermaßen an seine Hörer vermitteln, die diese Informationen aufsaugten wie ein Schwamm. Man bedenke, es gab damals weder Musik-Fernsehen, noch das Internet zum Streamen von Musik oder gar dem stetigen Folgen der Künstler auf Sozialen Medien. Hinzu kommt, dass man sich damals nicht unbedingt immer die neuste Musik auf Schallplatte besorgen konnte, diese waren rar und teuer. Der kostenlose Hörgenuss neuer Musik kombiniert mit Hintergrundinformationen rund um das Musikstück und den dahinterstehenden Act, waren einer der wichtigsten marketing-strategischen Errungenschaften der Musikbranche. Musiksendungen waren also keine flüssige Abfolge von Musik, sondern eine Aneinanderreihung einzelner Titel, die durch die Ansagen des DJs unterbrochen wurden.

Parallel dazu entwickelten sich die ersten Discos, welche ihren Anfang schon zur Kriegszeit hatten, als Live-Musik in den Clubs durch Musik „aus der Konserve“, also vom Tonträger, ersetzt wurde. Selbstverständlich wurden auch hier DJs gebraucht - also Personen, die einzelne Stücke gut kannten und es verstanden, eine vernünftige Musikauswahl zu treffen. In den 60er Jahren blühte die Disco-Kultur, dank Modetänzen wie dem "Twist", und auch die Radiosender konnten sich über rege Zuhörer-Quoten freuen - es liefen Hitparaden, bei denen die Moderationen hohen Unterhaltungswert boten. Sowohl live im Nachtleben als auch im Radio entwickelten DJs ihre Techniken des Musikabspielens im Rahmen ihrer damaligen Möglichkeiten weiter. Es war nun möglich, Musikstücke miteinander zu vermischen, statt nur nacheinander abzuspielen.

Der damals berühmte DJ Francis Grasso aus New York war der erste DJ, der „Slipcueing“ erfand - durch das Festhalten der Platte mit den Fingern war es möglich, den Beat der vorigen Platte enden zu lassen und das neue Stück nahtlos anzuschließen. Auch gab es den Trick, dass man eine auf die Form der Schallplatte zugeschnittene Filzmatte verwendete, welche zwischen Plattenteller und Vinyl gelegt wurde. Dies hatte den Vorteil, dass der Motor den Plattenteller weiter antrieb und die Platte stehen blieb, ohne dass der Plattenteller das schwarze Gold zerkratzte. Francis Grasso war es auch, der das „Beatmatching“ erfand – die wohl wichtigste Eigenschaft eines guten DJs. Musikstücke wurden in unterschiedlicher Geschwindigkeit aufgenommen, doch um einen perfekten Übergang zu schaffen, in welchem die Platten synchron liefen, ohne dass man einen Knoten im Gehörgang bekommt, war es nötig, sie auf die gleiche Geschwindigkeit zu bringen. Die Aufgabe des DJs war es also, und ist es auch heute noch, die Geschwindigkeit von Platte A an die Geschwindigkeit von Platte B anzugleichen, ohne technische Hilfsmittel, sondern nur im Kopf und das auf die Zehntel-Sekunde genau.

Anfang der 70er Jahre war es DJs möglich, die Vorhörfunktion zu nutzen, welche manche Pulthersteller schon in ihre Sende- und Disco-Pulte integrierten hatten. So konnte die Lautstärke des nächsten Songs an die des laufenden angepasst werden. Auch die Abspielgeschwindigkeit ließ sich besser angleichen. Musiksendungen waren nun eine flüssige Abfolge von Titeln. Wie man erkennt, hatte die Fertigkeit der damaligen DJs viel mit wortwörtlichem Fingerspitzengefühl zu tun - es kam auf Geschick, Flexibilität und gutes Gehör an. Als guter DJ galt einer, der Lieder möglichst fließend ineinander übergehen lies. Durch den technischen Fortschritt und im Zuge der Digitalisierung haben es DJs von heute verlernt oder gar nie erst gelernt, diese elementare Praktik des Beatmatchings anzuwenden. Ein Knopfdruck und der Computer analysiert die Geschwindigkeiten zweier oder mehrerer Tracks und gleicht sie umgehend an.

In den Discos waren DJs ebenfalls unverzichtbar - die Verantwortung für gute Stimmung lag in der Hand derjenigen, die hinter den Plattenteller standen. Club-Betreiber erkannten in der aufkommenden Zeit der Disco-Kultur früh, dass sich mit Tanzveranstaltungen eine Menge Geld verdienen lässt. Jedoch hatten sie keinerlei Ahnung von professionellem Musik-Auflegen, sodass sie geübte DJs benötigten, die Club-Besucher zum Tanzen brachten. Etablissements gab es genug - insbesondere Ende der 70er Jahre schossen diese in Amerika und Europa wie Pilze aus dem Boden. Die Pop- und Disco-Kultur florierte so gut, dass sich selbst die Film-Industrie dem Thema widmete und 1977 den Kassenschlager „Saturday Night Fever“ mit John Travolta herausbrachte.

Die „Konserven“-Musik hatte sich durchgesetzt: Für Club-Betreiber war es günstiger, eine einzige Person zu bezahlen, statt eine ganze Band samt Instrumenten live auf der Bühne zu beschäftigen. Für DJs bedeutete die darauffolgende Epoche der Musikgeschichte endlich den ersehnten Siegeszug weg vom Radio, rein in das Nachtleben der großen Städte. Es wurde fröhlich gemixt, aufgelegt und experimentiert – bspw. wie man anhand verschiedener Techniken Spannungsbögen in seine Sets einbauen konnte. Machte ein DJ gute Arbeit, war er für die Gäste ein Garant für gute Laune und Spaß beim Tanzen. Für die Besitzer der Discos und Clubs bedeutete ein guter DJ automatisch einen vollen Geldbeutel. So wurden DJs zum unverzichtbaren Personal und erlangten immer mehr Ruhm - es gab durchaus einige unter ihnen, die sich von Groupies feiern ließen und auch dem Thema Drogen gegenüber nicht abgeneigt waren. Wie in jeder Szene gelangt man durch Ruhm schnell an sogenannte Freunde, die einem das Leben auf den ersten Blick schöner gestalten, doch im Grunde genommen an nichts anderem als dem eigenen Wohle interessiert sind.

Da viele Club- und Disco-Besitzer in den 80er und 90er Jahren kalkulierbare Kosten und vor allem planbare Erfolge einfahren wollten, gingen sie dazu über, gute DJs an Land zu ziehen und dann fest anzustellen - oder aber vertraglich eine Mindestanzahl an regelmäßigen Auftritten in ihren Etablissements festzulegen, die sie natürlich für eine ausgehandelte Summe entlohnten. Und so entstand der Begriff „Resident DJ“, da dieser nun quasi zum Inventar eines Clubs dazu gehörte. Der Resident DJ sorgte entweder die ganze Nacht selbst für gute Stimmung oder bereitete den Abend musikalisch auf den Haupt-Act, eine überregional bekannten oder gar internationalen Star-DJ vor. Berühmte Resident DJs sind beispielsweise Sven Väth, der jahrelang regelmäßig im Cocoonclub in Frankfurt sein Können unter Beweis stellte und Solomun, der seine Residency im Pacha in Ibiza hat. Da die Gagen der namhaften DJs zur heutigen Zeit exorbitante Höhen erreicht haben, leisten sich nur noch wenige Club-Betreiber einen berühmten Resident DJ. Das Budget für solche Gagen wird vermehrt in den Haupt-Act gesteckt, weil man sich so mehr Publikum erwartet, dass die Möglichkeit, diesen besonderen Künstler zu sehen, wahrnehmen will und völlig überteuerte Eintrittsgelder bereit zu zahlen ist. Dabei wird oft die Wichtigkeit des Resident DJs unterschätzt. Er ist derjenige, der aus der Region kommt, sich im Laufe der Jahre fest in der lokalen Szene etabliert hat und die Party-Gäste der Region genau wissen, wenn Resident DJ X dort spielt, dann wird es ein toller Abend.

Für kleinere DJs, vorwiegend Newcomer mit wenig internationalem Bekanntheitsgrad, bedeutet ein Residency-Vertrag ein gesichertes Einkommen und Planungssicherheit, was deutlich angenehmer ist, als jedes Mal auf eine neue Buchung zu hoffen. Deshalb sind Residencies auf DJ-Seite nach wie vor beliebt, wenn auch Club-Betreiber deren Bedeutung stets herunterspielen und die Gagen in gleichem Maße nach unten drücken, wie die von Star-DJs in die Höhe schnellen.

Da heutzutage Computer-Programme für flüssige Übergänge sorgen, haben sich die Aufgaben eines DJs ein wenig verändert.

Allgemein muss ein DJ in der Lage sein, sein Set so zu spielen, dass er genau zur richtigen Zeit die passenden Songs laufen lässt. In den frühen Abendstunden und zu Beginn der Veranstaltung sollten Tracks laufen, welche die Menge langsam aber sicher warm werden lassen. Das Ziel ist es, die Menschen zum Tanzen und ausgelassenen Feiern zu bewegen. Wenn die Stimmung kocht, muss sie über mehrere Stunden hochgehalten werden. Niemals sollte der DJ den Fehler begehen, seinen persönlichen Musikgeschmack das Set dominieren zu lassen (außer er befindet sich in einem Künstler-Status, der es ihm erlaubt, auf der Bühne alles machen zu können, was er will, und dennoch von den Leuten frenetisch gefeiert wird). Der DJ muss in der Lage sein, sich an der Menge zu orientieren und auf unterschiedliche Stimmungen reagieren können - hierbei hat ein Resident DJ einen klaren Vorteil, da er den Club und seine Gäste bestens kennt. Er weiß aus der Erfahrung heraus genau, ab wann die ersten Gäste kommen, diese in Feierlaune sind und welche Hits beim Publikum besonders gut ankommen. Je nach Club-Betreiber war es früher mitunter auch gängig, dass DJs beim Aufbau der Technik halfen und sich schon lange vorher am Ort des Geschehens einfanden, weil sie sich vor Antritt des Sets selbst noch einen kleinen Drink genehmigen wollten. Heutzutage ist das undenkbar, weil es für alles Personal und klare Vereinbarungen gibt. Ein Resident DJ wird nur für die Zeit seines Auftritts bezahlt, welcher vertraglich ganz genau geregelt ist. Und da diese, wie bereits erwähnt, stetig nach unten gedrückt wird, ist die Bereitschaft der DJs, auch andere Aufgaben neben ihrem eigentlichen Fachgebiet zu übernehmen, deutlich gesunken.

Tritt ein DJ im privaten Bereich auf, bspw. auf einer Hochzeit oder einem Geburtstag, geht es etwas lockerer zu - dennoch muss er sich auch hier an Vorgaben des Gastgebers halten. Es kann durchaus sein, dass dieser ihm eine Playlist mit auf den Weg gibt, auf dem ein Pflicht-Teil an Liedern zu finden ist, die im Laufe des Abends unbedingt abgespielt werden müssen. Alternativ wird ein Motto vorgegeben, an dem sich der DJ bei seiner Musikauswahl orientieren kann (90er Party, Hip Hop, etc.).

Ein guter Event-DJ bespricht seine Musikauswahl vorher mit dem Kunden und lässt ihm ein Mitspracherecht - so kann man Reklamationen und ausbleibende Honorare im Vorfeld vermeiden und gleichzeitig eine gewisse Sicherheit im Ablauf des Abends garantieren, wobei man schon im Vorfeld weiß, auf welche Musik die Gäste wohl am ehesten tanzen werden. Im Bereich der Privatfeiern gilt ebenfalls das Outfit geschickt zu wählen. Auf einer Hochzeit in einem klassischen Schloss, sollte der DJ nicht im Kapuzenpulli auftauchen, sondern sich der Gesellschaft anpassen und einen Anzug tragen.

Ein DJ ist zwar in erster Linie Musikkünstler, aber am Ende des Tages trotzdem Geschäftsmann. Als One-Man-Show im privaten Bereich muss der DJ alles selbst stemmen - Kunden akquirieren, Auftritte absolvieren, Rechnungen schreiben und Buchhaltung führen. Werbung in eigener Sache sollte nebenher auch noch auf die Beine gestellt werden, weil sonst die Aufträge ausbleiben. Hier hilft das Empfehlungsgeschäft, welches gerade im Event-Bereich gut funktioniert (es kennt einer einen, der einen kennt etc.). Für DJs mit ansehnlichen Gagen gibt es dafür natürlich Agenturen und Dienstleister, welche ihnen die diversen Aufgaben abnehmen. Lediglich die Social Media Accounts werden manchmal von den Künstlern selbst geführt, wobei auch hier der Trend immer mehr dazu geht, externes Personal zu beschäftigen.

Ein DJ sollte keine Scheu vor Rampenlicht aufweisen - denn insbesondere in den Mainstream-Musikbereichen, wo die meisten Aufträge winken, ist ihre Fähigkeit als Showman gefragt. Ein Set gleicht einer Show, die gelungen absolviert werden muss, um das Publikum zu begeistern. Den Radio-Shows und Disco-Tanzveranstaltungen von früher stehen heutzutage moderne Clubs und große Open Air Festivals gegenüber, die musikalisch bedient werden wollen. Ein guter DJ versteht es, die Menge nicht nur zum Feiern zu bringen, sondern auch eigene Tracks zu produzieren und diese in sein Set einfließen zu lassen. Ist man für die Bühne nicht gemacht, wird man es schwer haben, wenn alle Augen auf die DJ-Booth gerichtet sind. Ein prominentes Beispiel dafür ist der verstorbene Schwede Tim Bergling alias Avicii, der sich bei seinen Bühnen-Auftritten in der EDM-Szene immer sichtlich unwohl gefühlt hat. Avicii war ein wahrer Künstler, der sein Handwerk in Perfektion beherrschte und somit für mehrere Hits sorgt. Doch dem Druck, ständig vor tausenden von Menschen spielen zu müssen, obwohl er viel lieber in seinem Tonstudio neue Musik produzieren wollte, konnte er nicht standhalten, was sicher einer der größten Faktoren war, welche zu seinem Tod am 20. April 2018 führte.

In einem erfolgreichen DJ muss also auch immer ein Stück Showman stecken, der gute Unterhaltung auf Knopfdruck liefern kann. Denn: „The show must go on“, gerade in einem sich so spannend und vielfältig entwickelnden sowie schnell verändernden Umfeld wie dem der Musikbranche.

The Complete DJ Guide

Подняться наверх