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1.3 Die Kunst, Musik aufzulegen

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DJ zu sein, bedeutet, ein Allround-Talent zu besitzen - zumindest, wenn man erfolgreich sein möchte. Denn die Kunst, Musik aufzulegen, geht heutzutage weit über das Bedienen der Plattenteller hinaus. Es ist nicht mehr so wie früher, als der DJ nur eine unbekannte Person war, die eine einzige Aufgabe hatte - ebenso wie die Türsteher Gäste kontrollieren bzw. einlassen und die Kellner Getränke bringen sollten - für tanzbare Musik zu sorgen. Oftmals geht es auch nicht mehr darum, gute Übergänge zu finden und Musikstücke perfekt ineinander zu mixen. Das Mixen übernehmen digitale Computer-Programme, sodass es für einen DJ viel wichtiger ist, eine gute Musikauswahl zu treffen und interessant zu bleiben. Selbstverständlich scheiden sich hier die Geister sehr. DJs der alten Schule, die noch gelernt haben, die Geschwindigkeit einer Vinyl-Schallplatte mit der zweiten anzugleichen und minutenlange Übergänge mit exakt synchron laufenden Songs zu präsentieren, belächeln die neue Generation von DJs immer wieder. Digitale Programme bieten allerdings auch Vorteile, die reine Vinyl-DJs nicht nutzen können. So können die Titel quasi live geremixt werden, oder es lassen sich auch gleich vier Titel synchron ansteuern, Samples einspielen oder durch digitale Synthesizer direkte Melodie-Abfolgen aufnehmen und im DJ-Set integrieren. Wie bei allem im Leben gibt es also zwei Seiten der Medaille und ein jeder DJ sollte für sich selbst entscheiden, wie er sein Set gestalten möchte und zu seiner Entscheidung stehen.

Immer wieder neue Musik zu spielen, ist das A und O, da kein Event-Veranstalter jemanden buchen würde, der jedes Mal die gleichen Lieder spielt, am besten noch immer in derselben Reihenfolge. Selbstverständlich ist es ein Muss, Klassiker einzubauen, wenn diese funktionieren. Es muss ein wenig abhängig von der Art der Veranstaltung betrachtet werden. In einer Disco vor jungem Publikum um die 20 wird man mit Hits der 80er Jahre sicher auf blankes Unverständnis stoßen, beim Techno-Festival wäre es wohl einem Selbstmordkommando ähnlich, wenn man einen Hip Hop-Track spielt und bei einer 90er Jahre Party steht von vorn herein fest, was läuft. Spannender wird es bspw. bei Hochzeiten und anderen Familienfeiern, bei denen mehrere Generationen aufeinander treffen und der DJ vor der großen Herausforderung steht, vom klassischen Schlager für die Oma, 70er und 80er Dance Classics für Onkels und Tanten mit aktueller Musik für die jüngere Generation zu mischen. Evtl. kristallisiert sich auch noch eine spezielle Musikrichtung heraus, vielleicht ist die Gesellschaft eher rockig unterwegs, stehen lieber auf Rap oder sind große Fans von Ballermann und Aprés Ski. Die Kür des DJings besteht also in solchen Momenten, wo man einem so enorm breit gefächerten Publikum gerecht werden muss und für jeden Gast irgendwas dabei zu haben, ohne die Stimmung durch Stilwechsel zu ruinieren.

Auf der Suche nach neuer Musik gab es früher nur einen Weg für DJs: Den Gang in den Plattenladen. Dieser war nicht nur der Ort, wo man die neusten Releases durchhören und mitnehmen konnte, sondern war ebenso ein Treffpunkt für DJs, die sich bei Kaffee und Kippe über das letzte Party-Wochenende austauschten, einander Musiktipps gaben und über ihre neusten Projekte sprachen. Man tauschte nicht nur Tipps, sondern auch Kontakte und Auftrittsmöglichkeiten aus. Ein Gang zum Plattenladen am Freitagnachmittag gehörte für alle DJs zur Vorbereitung für das anstehende Wochenende dazu. Bevor es in den Club ging, musste man sich erst einmal die neusten Sachen kaufen, damit man bei der Party auch auf dem neusten Stand der Dinge ist.

Heutzutage gibt es dafür das Internet - Plattformen wie Spotify und YouTube machen es möglich. Sie sind eine nahezu unbegrenzte Quelle neuer Musik und bieten DJs unzählige Möglichkeiten, neue Musik zu finden, um so ein vielfältiges Repertoire zusammenzustellen. Wer sucht, der findet. Vocal-Künstler finden DJs, DJs finden andere DJs und Größen der Branche finden unbekannte Talente, die sie fördern können und deren Musik zum Produzieren neuer Musik dient. Handelt es sich um einen sehr erfolgreichen DJ, ist er meistens gleichzeitig auch Musik-Produzent und kann so immer wieder neue Tracks für seine Auftritte schaffen bzw. kreieren. Wer seinen eigenen Remix von einem Song erstellt, kann in seinen Sets so ganz exklusive Musik spielen, die sonst keiner hat und bei den Partygästen für große Augen - oder besser Ohren - führen wird, läuft gleichzeitig aber auch Gefahr, dass das Publikum dieser Neuinterpretation abgeneigt gegenüber reagiert und sich fragt, warum der DJ nicht das um Längen bessere Original spielt. In der EDM-Szene beispielsweise ist das die beliebteste Möglichkeit, an neue Musik zu kommen, denn auch die Fans lieben es, wenn sich zwei Künstler oder DJ-Duos mit ähnlichem Sound zusammentun. Immer wieder liest man Kollaboration, die als DJ X & DJ Y oder DJ X feat. DJ Y gekennzeichnet werden. Alternativ tauchen oft auch Kürzel wie pres. oder vs. auf.

Weiterhin umfasst die Kunst, Musik aufzulegen, die Gabe, die passende Musik zur richtigen Zeit zu spielen. Das Set wird im Voraus geplant, sodass der DJ ein Gefühl für die richtige Dramaturgie beweisen muss - mit was fange ich an, welche Tracks füllen meinen Mittelteil, mit was höre ich auf? So wäre es völlig vermessen, wenn ein Hochzeits DJ mit viel zu langsamen Stücken um die Ecke kommt - die Hochzeitsgäste wollen ausgelassen feiern - oder ein House-DJ zu viel Trap spielt. Ein guter DJ weiß, welche Musik er wann auflegen kann. Befindet er sich bspw. auf einem großen Elektro-Festival, kann er, wenn er die Stimmung vorher durch andere Lieder gut aufgebaut hat, auch einmal einen energetischen Song eines anderen (verwandten) Genres einbauen, z.B. Tech-House, Trance oder Drum’n‘Bass - die Menge wird ihn annehmen und abfeiern. Doch dafür braucht es viel Gespür und eine gute Zusammenstellung der vorigen Songs. Selbstverständlich sollte man als DJ aber keine fixe Playlist haben, die man von oben bis unten durchjagt. Es ist enorm wichtig, die Atmosphäre anzunehmen und flexibel zu reagieren, wenn man merkt, dass das Publikum bereit für eine Veränderung (Genre, Tempo) ist. Auch sollte man in der Lage sein, Musikwünsche zu registrieren und darauf zu reagieren. Jedes Publikum wird es dem DJ danken, wenn dieser auch auf die Wünsche seiner Crowd eingeht und nicht stumpf sein Programm abspielt.

Ein recht umstrittenes Thema sind DJ-Sets, welche aufgenommen, elektronisch gespeichert und bei großen Events nur noch abgespielt werden. Gerade große DJ-Stars stehen des Öfteren unter Verdacht, nicht live mixen zu können und diese Pre-Recordings nur abzuspielen und so zu tun, als könnten sie mixen. Es gibt hunderte Videos auf YouTube, die DJ-Größen zeigen, wie sie am Mischpult die Bässe herausdrehen, die Musik sich aber kein bisschen verändert. Für dieses Fake-Arbeiten kassieren sie dann noch tausende von Euro pro Auftritt, was einen sehr faden Beigeschmack für alle DJs mit sich bringt, die ihr Handwerk wirklich beherrschen, leider aber nie die Möglichkeit hatten, vor einem größeren Publikum zu spielen. Diese Pre-Recordings sind insofern wichtig für die großen DJ-Stars, weil auch die Licht- und Pyrotechnik darauf abgestimmt wird. So bleibt allerdings während dem Auftritt wenig Flexibilität. Nuancen lassen sich lediglich durch Auf- und Abdrehen des Lautstärke- oder Bass-Reglers setzen. Kunst? Eher nicht.

Anders verhält es sich bei DJs, die in Discos auflegen und ihre Musikauswahl anhand von mitgebrachten Laptops, CD-Taschen oder gar Vinyl-Cases während dem Set live treffen. Hier kann der DJ auf die spontane Stimmung in der Menge reagieren und dementsprechend die passende Musik spielen. Permanente Interaktion mit dem Publikum erleichtert die Aufgabe - in der Szene als „Crowd Control“ bekannt. Crowd Control geht weit über Moderation hinaus und bedeutet, dass der DJ die Menge insofern im Griff hat und diese kontrolliert, als dass diese all seinen Aufforderungen folgt. Wenn er seine Gäste auffordert, in der Hände zu klatschen oder in die Luft zu springen, kommt man seiner Aufforderung nach - was im Idealfall den Spaßfaktor für die Besucher um einiges erhöht. Es gibt DJs, die diese Methode während ihrer Auftritte systematisch nutzen, um für kochende Stimmung zu sorgen. Sie wissen genau, was sie ins Mikro sagen müssen, und scheuen sich nicht, dieses in die Hand zu nehmen. Dabei sollte die Bewegungsaufforderung zur Musik passen und auch hier gilt es, Gespür zu beweisen und es mit Ansagen nicht zu übertreiben. Manchmal spricht eben auch die Musik gänzlich für sich und ein Gequatsche und ein permanentes Anfeuern per Ansage kann auch schnell gekünstelt oder langweilige werden, im schlimmsten Fall auch richtig nerven.

Moderation gehört ebenfalls dazu, denn besonders bei privaten Anlässen erwartet der Gastgeber von seinem DJ, dass dieser auch in der Lage ist, durch den Abend zu moderieren. Auf Hochzeiten oder Geburtstagen bspw. finden oft Widmungen statt, bei denen der DJ die Aufgabe hat, diese durchzugeben und dann auch anzuspielen. Namen sollte man sich also durchaus merken können. Bei großen Events legen Veranstalter oft vertraglich fest, was während dem Set vom DJ erwähnt werden soll - beispielsweise, dass er das Motto des Festivals mindestens ein oder zwei Mal betont. Viele DJs sind es zudem gewohnt, sich zu Beginn ihres Sets selbst kurz vorzustellen, womit sie ihr eigenes Set in einem Satz anmoderieren. Sehr unschön wird es nur, wenn Produkthersteller sich eine vertragliche Kooperation sichern, und somit Einfluss auf die Moderation nehmen, indem sie festlegen, dass mehrmals ihr Produktname genannt wird.

Allgemein gehören Crowd Control und Moderation bei großen Events jedoch eher der EDM-Szene an, denn Musikrichtungen wie Trance oder Tech-House kommen ganz ohne Ansagen aus. Auch Techno-DJs moderieren nie, hier gilt es sogar als ein Unding, das Mikrofon in die Hand zu nehmen. Eine Ausnahme gibt es hier mit Carl Cox, dessen Mikrofonrufe von „Oh yes, oh yes“ Kultstatus gewonnen haben.

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