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1.4 Der DJ im Wandel der Zeit

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DJ zu sein ist ein äußerst anspruchsvoller und begehrter Beruf - es gibt tausende von Musikfans, die gerne DJ wären oder sich gerade darin ausprobieren, um es ganz nach oben zu schaffen. Aufgrund der großen Konkurrenz und des veränderten Berufsbilds ist das jedoch nicht gerade ein Zuckerschlecken. Da heutzutage jeder dank digitaler Unterstützung Musik produzieren und auch auflegen kann - die Technik macht es möglich und ist bei weitem nicht mehr so teuer, wie noch vor ein paar Jahren - ist der Wettbewerbsdruck riesig - es kommt nicht mehr darauf an, fließende Übergänge zu beherrschen, sondern geht es vielmehr darum, sich am Markt abzuheben und aufzufallen, um erfolgreich zu werden.

Doch der Reihe nach. Jeder wird sich sicher an seine Kindheitstage erinnern können, an denen er auf langen Autofahrten immer den Lieblingsradiosender seiner Eltern hören musste. Dort liegen die Ursprünge des DJ-Berufs, denn mit dem Radio fing alles an. Früher, also in den 50er und 60er Jahren, glichen die Radio-Discjockeys eher Moderatoren, welche die Lieder ankündigen und den Zuhörern schmackhaft machen sollten. Umso wortgewandter und interessanter sie das taten, desto beliebter waren ihre Sendungen. Selbstverständlich stand die Auswahl von ihnen bzw. der Musikredaktion des Senders auch an vorderster Stelle, doch schien die Zusammenstellung nicht das alleinige K.O.-Kriterium zu sein. Musik wurde vom ältesten Tonträger der Welt abgespielt: der Schallplatte. Lange Zeit gab es nur Schallplattenspieler, sodass sich die Kunst des DJings darauf beschränkte, die richtigen Platten herauszusuchen und aufzulegen.

Der Begriff "auflegen" hat sich bis heute gehalten, obwohl auf modernen Musik-Events niemand mehr Platten auflegt. Ein DJ legt auf - nur mittlerweile eben digital. Durchaus ist es heutzutage sogar wieder in Mode, die gute alte „Platte“ zu verwenden – welche dann auf Events mit dem besonderen Merkmal als „Vinyl-Sets“ ausgeschrieben werden, z.B. DJ-Größen wie die Holländer Armin van Buuren oder DJ Tiesto spielen bei besonderen Anlässen solche Sets. Nach wie vor gibt es aber auch Verfechter der alten Schule, die auch ganz offen sagen, dass sie niemals dem digitalen Trend folgen, sondern immer analog auflegen werden. Sven Väth oder Ricardo Villalobos sind zwei Garanten dafür, dass man eine wirklich gute Party ebenso mit physischen Datenträgern bestreiten kann. Gründe für den digitalen Wandel gibt es dennoch genügend, deren Vorteile für sich sprechen: Eine Plattentasche mit 80 Vinyl wiegt ordentlich ein paar Kilo, welche das Reisen durchaus erschweren können, auf einen USB-Stick passen tausende Musikstücke und er selbst in jede Hosentasche. Zudem bekommt man heutzutage viele Titel gar nicht mehr auf Vinyl, weil sie direkt und nur noch digital vertrieben werden.

Doch zurück zu den Anfängen: Als die ersten DJs die Clubs unsicher machten, galt es, das Publikum durch gute und möglichst lückenlose Musik zu unterhalten. Durch das Abspielen von der Platte ergaben sich für DJs einige Möglichkeiten, mit dem Ton zu experimentieren. Sie konnten per Fingerbewegung zu einer beliebigen Stelle im Lied „zurückspulen“, oder aber auch eigene Töne erzeugen, wie z. B. das im Hip Hop der damaligen Zeit sehr verbreitete „Scratchen“ (schnelles Hin- und Herbewegen der Platte mit dem Finger, um einen kratzenden Ton zu erzeugen). Schon zu der Zeit war es die Aufgabe des DJs, Musik interessant zu machen. Daraus entstand eine eigene Kunstform (Turntablism) und bereits seit mehreren Jahrzehnten gibt es ganze DJ-Weltmeisterschaften, bei denen DJs ihre Skills an den Decks beweisen dürfen.

Mit zunehmender Entwicklung eigener Techniken und Entstehung einer blühenden Club- und Disco-Szene der 70er und 80er Jahre gewann der DJ an Bedeutung - sein Image wandelte sich vom simplen Nachtarbeiter zum gefeierten und vor allem unverzichtbaren Künstler, der die Verantwortung für die gute Stimmung in den Clubs und beim Publikum hatte. Auch die Musikindustrie wurde aufmerksam auf die Männer, die sich hauptberuflich mit Musik beschäftigten und bald schon begannen, eigene Titel zu produzieren. Zum ersten Mal kam es zu Verträgen mit Labels und Kooperationen mit Event-Agenturen.

Bis dato war das Berufsbild DJ hauptsächlich ein Männerberuf und die Szene von Männern dominiert - es gab vereinzelt auch weibliche DJs, diese waren allerdings wenig bekannt und nicht halb so oft gefragt wie ihre männlichen Kollegen. Erst Ende der 80er und in den 90er Jahren gab es Frauen, die sich in der Branche durchsetzen konnten, Auftritte bekamen und ebenso erfolgreich Musik produzierten (z. B. Marusha aus der Techno-Szene). Um den Bemühungen des weiblichen Geschlechts gerecht zu werden, wurde der Begriff „DJ“ angeglichen - das Wort „DJane“ legt mit seiner frühen Entstehung nahe, dass die Club-Kultur schon immer losgelöst von sexistischen Strukturen war. In den letzten Jahren ist das Thema Gleichberechtigung durch die #MeeToo-Debatte stark in den Medien präsent gewesen. Dies hat weniger etwas mit Feminismus zu tun, sondern ist in der Tat eine längst überfällige Entwicklung in unserer Gesellschaft. Die Club- und DJ-Kultur integrierte Frauen schon seit Jahrzehnten zunehmend und ganz aktuell gibt es einen enormen Trend, junge weibliche DJanes so zu pushen, dass sie zu internationalen Superstars werden. Dies ist allerdings ein sehr zweischneidiges Schwert, denn man darf hier nicht vergessen, dass Booker, Agenturen, Labels und Veranstalter sich dem Motto „Sex sells“ ganz bewusst annehmen, was für wirtschaftliche Belange für diese Parteien sicher eine tolle Idee ist, allerdings im direkten Klinsch mit der #MeToo-Debatte steht. Eine kritische Betrachtung dieses Phänomens sollte also auf alle Fälle angestrebt werden.

Die Entwicklung der Technik machte auch nicht Halt und bot DJs viel mehr Möglichkeiten als früher. Der DJ musste nicht mehr mit Platten im Gepäck zu seinen Gigs anreisen, sondern konnte seine Lieder auf CDs und später dem Laptop speichern und sie von dort aus abspielen. Für Fans der gepflegten Tanzmusik war es zunächst ein Schock, als irgendwann aufflog, dass ihre Lieblings-DJs nur den USB-Stick in den Player steckten und die echten Plattenteller gegen einen elektronischen Spieltisch ausgetauscht wurden - am ehesten abbekommen hatte den Shitstorm David Guetta, der wegen seiner Musik aus der USB-Konserve längere Zeit verhöhnt wurde. Ebenfalls sollte man hier aber auch bedanken, dass dieser Shitstorm durch eine große Anzahl an Hatern verbreitet und angeheizt wurde, welche Herrn Guetta seinen Erfolg schlichtweg nicht gönnten und auf sein Erreichtes neidig blickten, dies jedoch niemals zugeben würden.

Nichtsdestotrotz wurden DJs schon Anfang der 2000er Jahre mehr gefeiert als je zuvor - in Zeiten von Kriegen, wachsendem Leistungsdruck auf die Gesellschaft und der verzweifelten Suche nach Idolen sind sie diejenigen schillernden Persönlichkeiten, die der Öffentlichkeit sorglose Stunden bescheren und mit ihrem Modestil und Lifestyle begeistern. Das Auftauchen von Social Media half ihnen endgültig, den gleichen gesellschaftlichen Status zu erreichen wie Fußballstars und machte es noch einfacher, von allen Seiten für die tolle Musik und Performance auf der Bühne ebenso wie ihr glamouröses Privatleben gefeiert zu werden. Kaum gibt es Personen, die auf Flügen vermutlich so viel Meilen sammeln wie erfolgreiche und gut beschäftigte DJs.

Und diese sind ihr Geld auch wert: DJ-Auftritte der namhaften Größen gleichen Entertainment-Shows, die das Publikum sowohl durch perfekt gemixte Musik, gelungene Crowd Animation als auch durch kreative Ideen begeistern. Ob man das Werfen von Torten ins Gesicht der Zuschauer als künstlerischen Akt von Steve Aoki oder doch eher als Zirkus-ähnlicher Lachnummer betrachten mag, muss jeder für sich selbst urteilen.

Nicht nur auf großen Bühnen der Festivals und Clubs dieser Welt, sondern auch im privaten Event-Bereich sind DJs unverzichtbar geworden. So gehört zu einer guten Party mit ausreichend Gästen ein DJ, der die Menge zum Tanzen bringt. Es gibt kaum eine Hochzeit, die ohne die Buchung eines Hochzeits-DJs auskommt. Waren es früher noch Alleinunterhalter (vorwiegend ältere Herren, die auf dem Keyboard herumklimperten und dazu Schlager sangen), sind es heute die DJs, die durch professionelle Ton- und Lichttechnik einen optisch perfekten Anreiz schaffen, eine Party so richtig in Gang zu kriegen. Wenn sie dann ihr Handwerk auch noch verstehen, die Party-Gäste „lesen“ können (also verstehen, was für Musik die Personen auf der Tanzfläche als nächstes brauchen, ohne dass sie ihm dies sagen müssen), kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Im Gegensatz zu früher sind DJs meist aufgeschlossene Menschen, die sich nicht hinter ihrem DJ-Pult verstecken, sondern auf Menschen zugehen können, die Gäste mit einbeziehen in ihr Set (z.B. durch Ansprache ins Mikrofon, Crowd Animation) und selbstbewusst ordentliche Honorare fordern. Der DJ ist nicht mehr der Musik-Nerd, der die Welt der Pop-Musik im stillen Kämmerchen erforscht, sondern eine sozialisierte Persönlichkeit, die auch den Drang danach verspürt, auf der Bühne zu stehen, Menschen zum Tanzen zu bewegen und sich weder zu fein ist, auch mal schwere Lautsprecher von A nach B zu transportieren oder auch Musik zu spielen, die ihm persönlich vielleicht nicht 100%ig zusagt, er aber versteht, dass sein Publikum in diesem Moment vielleicht genau diese braucht, um den Energie-Level der Party aufrecht zu erhalten oder gar noch nach oben zu schrauben.

Auch kann sich der DJ voll und ganz auf das Produzieren und Zusammenstellen oder Mixen von Musik konzentrieren, denn für die entsprechende Technik und Organisation der Events oder Touren sorgen andere Dienstleister. DJ zu sein, bedeutet nämlich meist auch zugleich Produzent zu sein und eigene Titel zu produzieren. Dies hat sich in den letzten Jahren ganz natürlich entwickelt und so ist es nahezu undenkbar, als DJ kommerziell erfolgreich zu werden, ohne nicht auch selbst Musik zu produzieren und zu veröffentlichen. Booking-Agenturen, Artist-Manager, Travel-Agenten und andere neu geschaffenen Berufsgruppen kümmern sich um den wirtschaftlichen Aspekt des Berufes eines DJs und belegen, dass sich aus einer Kunstform aus der Mitte des letzten Jahrhunderts ein ernst zu nehmender Berufszweig entwickelt hat, der um den ganzen Globus bekannt, berüchtigt und gleichzeitig ersehnt wird.

Man könnte zusammenfassend also sagen, dass der Beruf des DJs aufgrund der vielen Möglichkeiten und der hohen Konkurrenz zwar anspruchsvoller geworden, aber immer noch extrem begehrt und mit einem hohen Glamour-Faktor behaftet ist. DJ sein macht Spaß, bringt (bei Erfolg) ein gutes Einkommen und bietet die Möglichkeit, viel von der Welt zu sehen. Die Möglichkeit bzw. die Aussicht darauf, von seinem Hobby einmal leben zu können, wird auch in den nächsten Generationen bestehen bleiben und den DJ weiterhin als Idol, Ikone oder gar Popstar zu sehen.

The Complete DJ Guide

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