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Kapitel 3

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1981

Philipp lag wach in seinem Bett und starrte an die Decke. Es war noch Nacht in der Heimvolksschule und Besserungsanstalt St. Nikolaus in Passau. Seit er vor einem Monat, gerichtlich angeordnet, hier her kam hatte er noch keine Nacht durchgeschlafen. Mehrfach war er aus seiner Pflegefamilie ausgerissen. Bis er seinen Pflegevater mit einem glühenden Holzscheit vom Kamin den Schädel zertrümmert hatte. Erst als der Knochen brach und nach Kohle riechende Hautfetzen auf dem Holz wie ein Grillhühnchen festsog hörte er abrupt ab und blickte lächelnd erst auf das noch übrige Gesicht mit den eingedrückten Augenhöhlen und auf seine Pflegemutter, die eigentlich schreiend aus dem Zimmer laufen wollte aber vor Angst angewurzelt einfach nur da saß. Konnte er vielleicht sogar ein „Danke, jetzt bin ich ihn los“ in Ihren Augen sehen? Als er voller Wut und Durstig nach Genugtuung, auf den schlafenden Mann einschlug, das Bild vor sich, wie dieser nachts in sein Zimmer kam, nach Schweiß am Körper und Bier bei jedem Wort stinkend, hatte er das Gefühl die Ehefrau schaute interessiert zu.

Niemand hatte es je mitbekommen. Die Familie Larent gab nach außen das perfekte Bild einer Musterfamilie ab. Er, Mitarbeiter beim Sozialdienst und Sie liebende Mutter, fürsorgliche Ehefrau und Teilzeit abends in der Klinik tätig. Sex hörte er bei ihnen allerdings nur selten. Wenn dann war es immer das gleiche grässliche Gestöhne von ihm. Philipp hörte die Frau würgend und gurgelnd den Penis lutschen. Er hasste es, denn es war das gleiche, dass er hören musste wenn Herr Larent bei Philipp im Bett lag. Philipp würgte es bei dem Gedanken. Als Herr Larent fertig war, packte er Philipp nochmal bei den Haaren und fotzte Ihn an.

„Ein Wort und ich hole mir als nächstes Deine

Schwester. Du lebst jetzt unter meinem Dach, du isst von meinem Teller, du scheißt in mein WC. Dich liebt sowieso keiner, darum bist du hier. Wir sind nun Deine Familie, also gehörst du für immer mir.“

Herr Larent hatte Philipp nie geschlagen. Offensichtliche Verletzungen hätten Phlipps Aussagen nach seinem Ausreißen und seiner Tat gestützt. Frau Larent tat so, als würde sie von all dem nichts wissen.

Vor Gericht heulte die arme Witwe in das Mikrofon, welches auf der Aussagebank angebracht war damit auch jeder Schmierjournalist alles hören und der Redaktion mitteilen konnte. Raunen und Kopfschütteln ging durch die Vertreter der Journalisten und Zuseher dieser Öffentlichen Gerichtssitzung, als seine ehemalige Pflegemutter die Tatnacht schilderte. Als sich alle beruhigten fragte die sichtlich schockierte Richterin weiter.

„Frau Larent“ haben Sie je solche nächtlichen Übergriffe wie der Angeklagte Philipp Strolz berichtet mitbekommen. Bitte bedenken Sie, dass Sie Wahrheit sagen müssen.

„Frau Richterin mein Mann war ein liebevoller Vater. Philipp war nicht unser erstes Pflegekind. Desweiterem haben wir wie das Gericht weiß selbst auch 3 Kinder. Er hat keinem Kind je etwas zu leide getan.“ Frau Larent sah dabei mit einem strafenden Blick zu Philipp. Auch der Richter sah bei dieser Aussage zu Ihm und versuchte seine Gedanken zu lesen.

„Frau Larent fing die Richterin erneut an. Können Sie sich vorstellen warum der Angeklagte Philipp Strolz solche Vorwürfe erhebt? Bitte bedanken Sie dabei auch, dass der Angeklagte mehrmals von Ihrem Pflegezuhause ausgerissen ist.“

„Tja“ begann Frau Larent wütend. „Seit Philipp zu uns kam, wollte er die komplette Aufmerksamkeit. Unsere leiblichen Kinder schlug er wenn Sie ihm zu nahe kamen. Wissen Sie Frau Richter, diese Kinder wie Philipp liebt keiner und sie will auch keiner. Darum kommen die zu Familien wie uns.“ Wieder ging ein Raunen durch den Gerichtssaal.

Die Richterin musterte erneut Philipps Mimik und Gesicht. Er sah ihr direkt in die Augen. Er wusste genau was die Richterin dachte. Niemand würde ihm je glauben. Schon gar nicht sie. Zu verblendet von Schein und Sein waren die Menschen in ihrer Scheinheiligen Welt. Und die Richterschaft hatte in dessen Amt eine Urteilsbefugnis, die weit über das Verstehen hinaus geht.

Philipp blieb während der gesamten Verhandlung, welcher mehr einer Hexenanklage kurz vor der Hinrichtung glich, ruhig und sah versteinert ins leere. Er sah nichts was um Ihn rum passierte. Die Laute und Stimmen die er von der Aussagebank hörte konnte er ohne diese zu wissen auswendig mitreden.

Er, Philipp Strolz, Produkt eines unfreiwilligen Sex Aktes, war schon seit je her aufbrausend und gewalttätig. Auch gegenüber seiner Mutter. Der vom Gericht bestellte psychologische Gutachter Dr. Alois Brunner führte in einem Anfall von Selbstverliebtheit und Geil auf sich selbst, seinen Vortrag über den geistigen Zustand von Philipp. Doktor Brunner hatte Philipp nur einmal in U Haft der Jugend JVA München Stadelheim besucht und ihm dabei Fragen gestellt die er nicht beantworten konnte. Er erinnerte sich noch gut.

„Philipp“ warum haben Sie Ihren Pflegevater Herr Larent mit einem Holzscheit getötet.

Philipp antwortete prompt. Es war ein glühendes Holzscheit!

Doktor Brunner nickte während er in seinen Akten blätterte und fragte erneut.

„ Ich wollte Ihm sein ganzes hässliches Gesicht verbrennen und seinen Kopf zu Brei schlagen. Am liebsten hätte ich Ihm auch die Zunge rausgeschnitten, damit ich nicht mehr hören musste. Damit ich Ihn nie mehr sehen musste. Ich wollte Ihn erst gar nicht töten sondern nur so stark verletzen dass jeder an Ihm sehen konnte wie ich mich fühlte.

„Philipp“ warum haben Sie dann nicht aufgehört?

Dr. Brunner sah nun zum ersten Mal direkt in Philipps Augen. Philipp erwiderte diesen mit eisernem Blick, dass Dr. Brunner fröstelte.

„Es hat mir Spaß gemacht“!

Das war doch eigentlich genau das, was der Psycho Verdreher hören wollte. Wäre doch die wahre Geschichte zu komplex und zu viel Arbeit für die Behörden.


Philipp wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Richterin den Gutachter fragte was er letztendlich diagnostizierte. Und bittend es so zu formulieren, dass dies auch die Leihen im Gericht verstehen.

„Frau Richterin“, führte dieser beleidigt, dass seine Fachsprache wenig Begeisterung fand, fort. Darauf achtend, dass er alle Aufmerksamkeit auf sich hatte.

„Philipp Strolz leidet an Wahnvorstellungen und starkem Aufmerksamkeit Komplexen, ausgelöst durch die Unfähigkeit die Liebe seiner Mutter zu bekommen. „Philipp zuckte bei diesen Worten zusammen. Er hatte gar keine Erinnerung mehr an Sie. Wie in einem Nebel war Ihre Gestalt eingebettet in grauem Schleier. Keinen Geruch den er von zu Hause in seinen Gedanken behielt, keine Stimme von Ihr blieben in Ihm als Trost. Nur Anna hatte er immer lächelnd bei sich. Liebe, süße, kleine Schwester. Ich bin bei dir versuchte er Ihr aus der Entfernung seine Gedanken zu bringen. Jetzt konnte er Sie nicht mehr beschützen. Eines Tages würde er zurückkehren um wieder für Sie da zu sein. Diesmal aber für immer. Das schwor er sich. Niemand liebt Dich so wie ich, kleine Anna träumte er vor sich hin. Ich werde da sein. Das verspreche ich Dir. Hörst du Anna, versuchte er weiter in Ihre Gedanken zu gelangen. Ich verspreche Dir, dass ich eines Tages da sein werde.


„Das Gericht zieht sich zur weiteren Beratung zurück“, hörte er die Richterin sagen.

Weiterhin war er weit weg. Nur sein Körper war anwesend. Er hatte sich seit den Vergewaltigungen angewöhnt seinen Geist weit weg zu beamen. Es war ihm mittlerweile egal, wer Gewalt über seinen Körper hatte. Die letzten Male lutschte er beinahe Bewusst und Bewegungslos den Schwanz seines Pflegevaters, der Philipps Kopf hielt und diesen Vor und Zurück bewegte und dabei Sätze sagte wie „Ich besorgs Dir du Hurensohn oder ich spritz Dir allen in Deinen verlogenen Mund“ Seine Seele würde niemand bekommen. Diese war mit ihm weit weg in einer besseren Welt von der er immer träumte. Von der er wusste, dass er diese eines Tages real erschaffen würde. Zusammen mit Anna. Nur er und sie. Er würde sie finden. Dann wären sie beide für immer vereint. Und niemand würde sie mehr trennen.

Philipp verlor jegliches Zeitgefühl während sich der Saal 103 vom Landesgericht München I zur Pause leerte. Draußen hörte er einige Journalisten telefonieren. Andere tuschelten laut miteinander über die Abgründe die sie heute erfahren haben. Sie geilten sich am Sex und gleichzeitig Leid des anderen auf. Egal wie groß oder Peinlich die eigenen häuslichen Probleme und Charaktereigenschaften der Menschen auch sind. Die des anderen sind viel Interessanter. Er war nur Akteur einer von Voyeurismus hungrigen Meute. Sie hatten ihre Show bekommen, dachte er. In Gedanken an das was die Männer im Gerichtssaal gehört hatten, gehen heute Abend sicher viele Männer ins Bett und schlafen mit Ihren Frauen. Keuchend und schwitzend wie dies einst sein Pflegevater tat.



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