Читать книгу Vater unser - Christian Hörtl - Страница 7

Prolog

Оглавление

Heute

Langsam versuchte sie ihre Augen zu öffnen bis es erst blitze und dann ein stechender Schmerz sich dabei in ihren Kopf bohrte. Ihre Lippen waren unangenehm trocken, sodass sie sich mit der Zunge über den Mund leckte, in der Hoffnung dieser Trockenheit zu entgehen. Nur schwer gelang es ihr den Schleier der ihre Augen und Gedanken umgab zu lüften, denn es war so, als wäre sie aus einem langen Schlaf erwacht. An Träume erinnerte sich Anna nie und sie wollte auch nicht mehr Träumen. Nie mehr seit damals nach jenem Anruf welcher Annas Schicksal besiegelte. Ihr Therapeut half Anna mittels Hypnose seid vielen Jahren dabei. Aber nun hatte sie geträumt und es war der Traum, der vor vielen Jahren kein Traum war, sondern brutale Realität und es war die Nacht, in welcher sie geschändet worden war. Und er, der Anna das damals angetan hatte, begleitete sie weiterhin viele Jahre bis nach ihrer Entlassung aus der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. Sie galt nach ihrem Aufenthalt und moderner Hypnotherapie als geheilt. Die Schmerzen, die sie körperlich und seelisch wirklich empfand konnte ihr aber niemand nehmen. Aber leben konnte sie damit und musste sie auch, denn sie wollte nicht dass dieses Tier über sie herrschen konnte und er Ihre Seele besaß. Und tatsächlich, er war weg. Zumindest nachts. Tagsüber aber sah Anna ihre Narben, die immer noch teile Ihres Körpers bedeckten und für Anna somit zur Ewigkeit wurden. Wie ein ausgeweidetes und zum Sterben verurteiltes Tier, in Ihrem Blut und Urin liegend, fand man Sie jenem Raum, in welchem Anna das Martyrium erleben musste. Viele Stunden später im Krankenhaus eingeliefert und Erstversorgt hörte Sie, immer wieder das Bewusstsein verlierend, die Unterhaltung zwischen Max und dem diensthabenden Arzt in Ihrem Krankenzimmer.

„Doktor“ wie geht es ihr, fragte Max. Seine Augen waren verquollen, seine Lippen nass von den Tränen, die er geweint hatte. Max hatte die halbe Nacht auf Anna gewartet, da sie erst nicht zu Hause war als er von der Kanzlei heimkam und als für Anna untypisch kein Anruf kam, dass Sie spontan zum Lernen in die Unibibliothek gegangen war oder mit einer bei Freundin bei einem Kaffee von der Hochzeitsreise erzählte. Kurz nach Mitternacht rief er Annas beste Freundin an, die verwundert sagte, dass die beiden sich gar nicht getroffen hatten die letzten Tage. Ab diesem Zeitpunkt machte sich Max große Sorgen und wartete neben dem Telefon.

„Gehören Sie zur Familie“? versicherte sich der Notarzt fragend.

„Ich bin ihr Mann“. Max Seibold. Er reichte dem Doktor die Hand. Dieser nahm sie kurz. Max sah ihm dabei in die Augen und meinte zu erkennen, dass auch der Doktor sehr verstört wirkte. Er wusste sofort, dass was Schlimmes passiert sein musste.

„Doktor Lauenstein“ erwiderte dieser den Gruß. Der Doktor rang sichtlich um seine Fassung und Worte.

„Herr Seibold haben Sie schon mit der Polizei gesprochen“?

„Nein“! antwortete Max irritiert und ängstlich. „Wie geht es meiner Frau. Bitte sagen Sie mir was los ist“.

Doktor Lauenstein atmete schwer ein, hielt in der Mitte die Luft an und atmete dann schwer aus um seine nächsten Worte Ausdruck zu verleihen.

„Herr Seibold Ihre Frau wurde um 23.09 mit einem Krankenwagen in unsere Klinik eingeliefert. Die Polizei bekam einen anonymen Hinweis, dass in einem verlassenen Gebäude sich eine schwerverletzte Frau aufhielt. Sie gingen diesem nach und wir wurden verständigt“.

„Oh mein Gott“ Max rang um Luft und sah panisch Dr. Lauenstein an.

„Was, Wie, Wo“ versuchte er sich einen Reim auf das Ganze zu machen. „Wir haben doch nachmittags noch miteinander telefoniert. Was hat Sie dort gemacht“?

„Die Polizei wird sich um diese Fragen kümmern Herr Seibold. Sie werden sicher bald hier sein und Ihnen Fragen stellen“.

Max nickte und sah den Doktor weiter fragend an.

„Wird Anna wieder gesund? Was ist denn eigentlich genau passiert“?

Doktor Lauenstein wusste, dass er nun nicht mehr herumkam diesem Mann die Wahrheit zu sagen.

„ Herr Seibold, lassen Sie uns setzen. Er wies Ihm den Stuhl und setzte sich auf den zweiten daneben“. Kurz machte der Arzt mit seinem Mund eine Gestik die Max wahrnahm als suchte dieser nach den richten Worten um seine Diagnose zu beginnen.

„Ihre Frau wurde wie schon anfangs erwähnt um 23.09 bei uns eingeliefert und sofort operiert. Sie OP verlief sehr gut, aber sie hatte viel Blut verloren. Gott sei Dank hatten wir in der Datenbank aufgrund ihrer letzten Blutspende, ihre Blutgruppe gespeichert und konnten hier sofort Maßnahmen ergreifen. Wir mussten bei ihrer Frau Vaginale und Anale Wunden versorgen die wahrscheinlich von Schnittwerkzeugen stammen“.

„Wassss“? schrie Max. Er wusste nicht ob er gleich das Bewusstsein verlor oder sich sofort mit einer Axt aufmachen sollte um dieses Schwein kleinzuhacken, der ihr das angetan hat. Ich bringe diesen Kerl um schrie er und Doktor Lauenstein hatte Mühe Max auf dem Sitz zu behalten.

„Bitte beruhigen Sie sich, ihre Frau schläft und soll nicht geweckt werden“.

„Wollen Sie lieber draußen weiterreden“?

„Nein ich will einfach nur bei ihr sein schluchzte Max. Mein Gott, was für ein Alptraum. Wir sind gerade erst zurück von den Flitterwochen, wissen Sie.

Doktor Lauenstein blickte Max mit einem beschämten lächeln an.

„Es tut mir sehr leid“ sagte er leise und versuchte Max immer noch zu beruhigen.

„Herr Doktor“ sagen Sie mir bitte die Wahrheit versuchte nun Max stark und mit einem Durchatmen beruhigter zu sagen.

„Nun gut“ antwortete dieser und legte Max beruhigend die Hand auf die Schulter, wohlwissend dass es nach seinen nächsten Worten zu einem Ausbruch kommen wird.

„Ihrer Frau wurden die Schamlippen entfernt und dazu die Brustwarzen. Darüber hinaus vermuten wir, dass eine Vergewaltigung Vaginal und Anal stattgefunden hat, nachdem der Täter Ihrer Frau das angetan hat.“

Max starrte ohne mit der Wimper zu zucken ins leere. Er vermochte weder zu atmen noch zu sprechen. Gänsehaut und Kälte machte sich auf seiner Haut breit. In den Augenwinkeln sah er Doktor Lauenstein wie in dieser eindringlich ansah, bereit jeden Ausbruch von Max an Wut und Weinkrämpfen zu besänftigen.

„Kann ich fortfahren“ fragte der Doktor vorsichtig. Max nickte stumm. Sein Blick und seine Augen waren nun nicht mehr die selbigen. Doktor Lauenstein wusste, dass dies das Ende von jedem menschlichen Gefühl in diesem Manne war.

„Der oder die Täter, ja wir können natürlich nicht ausschließen, dass nicht nur ein Täter ihre Frau misshandelt hat, hatte ihr noch etwas in die Haut tätowiert. Das wird sehr wahrscheinlich auch wichtig für die Polizei sein.

„Was denn“ fragte Max seltsam ruhig aber erstaunt.

„Wir konnten es erst nicht lesen, da Ihre Frau am ganzen Körper stark blutete und die Schrift spiegelverkehrt tätowiert wurde.

„Was um Himmelswillen“ fragte Max eindringlich und nicht mehr imstande klar zu denken.

„DU GEHÖRST FÜR IMMER MIR“!

antwortete der Arzt ruhig und alle Wörter betonend.

Anna wurde aus ihren Gedanken gerissen

Wo war sie?

Anna konnte sich nicht bewegen. Wieso konnte sie sich nicht bewegen? Um des hellen Lichtes, welches bis in ihren Kopf durchdrang zu entfliehen, lies sie die Augen geschlossen und versuchte erst mal in sich klar zu werden. „Wo zum Teufel bin ich“? fragte Anna- eigentlich sich selber, doch ihre Lippen öffneten sich dabei und sie hörte wie sie ihre Worte flüsterte.

„Was ist passiert?“

„Hallo?“

Stille- vollkommene Stille. Langsam, gewöhnte Anna sich an das Licht und an die Situation, doch sie hielt ihre Augen immer noch verschlossen. Zu schwer lagen ihre Lieder auf den Pupillen. Nochmal versuchte Anna ein

„Hallo?“ Ihre Stimme glich einem flüsternden Krächzen.

Immer noch Stille. Immer noch war sie unfähig sich zu bewegen. „Beweg einen Finger“ redete Anna zu sich.

„Na los“

„Oder Beweg dein Bein“.

Nichts. Nur Stille. Warum nur, bin ich immer noch so müde dachte sie. Ich kann kaum meine Augen öffnen. Benommen, unfähig sich zu bewegen und mit aufkommender Angst lag Anna da. Die ganze Situation kam ihr unwirklich vor.

Anna versuchte sich zu erinnern. Alles vor dem Traum. Aber da war nur die Dunkelheit.

„Das gibt’s doch nicht“. Ich muss mich doch an was erinnern können.

„Das letzte was ich noch weiß“- Sie überlegte, in der Hoffnung, dass durch eine Erinnerung sich die Situation aufklären würde. Auch in der Hoffnung, dass nichts Schlimmes passiert sei. Aber da ist nichts. Gestern war… Auch nichts. „Wie kann das sein“?

„Was ist nur los“?

„Wie lange liege ich schon hier“? Minuten? Stunden? Tage? Sie hatte kein Zeitgefühl mehr.

Jetzt fiel es ihr auf. Nach was duftete es hier? Der Duft kam Ihr bekannt vor. Lilien? Diesen teilweise beißenden aber durchaus betörenden Geruch, liebte Anna. Sie liebte die Farben und Formen dieser Blume und Anna erinnerte sich, dass überall in Ihrem Haus Lilien standen. Max kaufte ihr immer welche. Auch damals, als Anna zusammengeflickt 3 Monate in der Klinik lag. Beschämt, vergewaltigt und gebrochen und wie sich später heraus stellte mit einem Balg unter ihrem erkaltetem Herz.

Max? Wo ist er?

Wo bist du? Dachte sie

„Max“ ? Rief sie jetzt.

„Bist du hier“?

„Hilf mir bitte! Ich kann mich nicht bewegen“.

Immer noch Stille. Panik kam nun auf. Da Sie

überhaupt kein Zeitgefühl hatte kam es Anna vor, als läge sie nun schon seit vielen Minuten wach und keiner kümmerte sich um sie. Und dazu diese unerträgliche Unbeweglichkeit. Anna musste nun endlich die Augen komplett öffnen, denn egal wie stark der Schmerz sie stach. Ich muss endlich wissen wo ich bin sagte sie sich. Langsam öffnet Anna die Augen. Erst nur eines wie immer wenn sie früh morgens auf dem Wecker sah oder wenn sie mit David verstecken spielte und sie beim weg sehen schummelte. David,- oh nein. Nicht schon wieder diese Erinnerung. Anna hasste es, wenn sie an ihn denken musste. Jetzt überkam sie eine Traurigkeit. Anna konnte damals nicht anders handeln, denn zu schmerzlich war es für sie nach der Vergewaltigung gewesen. Anna sah in Ihm immer den Mann, der Ihr Leben zerstört hatte, denn als sie David das erste Mal sah, das kleine Baby auf dem Arm nahm wusste sie, dass in ihm der Dämon seines Erzeugers war. Sie blickte in die kleinen Augen und erkannte nur eines wieder: IHN. Und es war so als funkeln seine Augen Anna an, wie diese es in jener Nacht getan hatten. Das war für Anna der komplette Zusammenbruch. Er hatte sie leider nicht getötet aber in Anna den Dämon und die immerwährende Erinnerung jener Stunden in ihr gelassen und dieser Blick in sein Gesicht hatte Annas Leben restlos zerstört.

Endlich gelang es ihr, die Augen ganz öffnen. Automatisch versuchte Anna auch ihre Hand vor das Licht zu heben um nicht ganz so geblendet zu sein. Doch immer noch konnte sie keinen Finger bewegen. Anna lag bewegungslos da. Ihren Kopf aber konnte sie bisschen wenden und drehen und Anna begann sich um zu sehen.

Das hier ist kein Krankenhaus dachte sie sofort.

„Wo bin ich?“

In ihrer Nase war immer noch der Duft von Lilien, also mussten es viele Lilien sein. Darum dachte Anna auch, sie wäre sicher in einem Krankenhaus und Max hätte diese mitgebracht zur schnellen Genesung. Aber hier war nichts. Nichts. Nur ein leerer Raum. Annas Körper füllte auch komplett die Liege aus auf der Sie lag und so konnte sie auch hier nicht erkennen worauf sie war. Annas Blick glitt entlang den Wänden. Kein Fenster, nur Mauer stellte sie fest. Kahl aber verputzt. Ein Keller also. Das einzige was in diesem Raum zu sein scheint war Anna auf der harten und viel zu schmalen Liege. Nun begann ihr Herz zu klopfen, als Vorwarnung, dass gleich etwas Böses passieren würde. Viel zu ruhig war Anna bisher gewesen. Doch jetzt brach alle Ruhe. Sie spürte wie es in ihrem Körper zitterte. Nach außen konnte sie keine Bewegung machen, doch innerlich zitterte Anna nun heftig. Nun kam auch die Kälte hinzu, denn Anna fror so stark, dass sich Ihre feinen Härchen zu einer Gänsehaut aufstellten. Vorher war ihr das gar nicht aufgefallen. Doch jetzt fühlte es sich an, als wäre es eiskalt und als würde Frost in diesen Raum gepumpt werden. Ihr Blick ging nach unten und sie erstarrte erneut. Nackt! „Ich bin nackt“! „Oh Fuck!“

Jetzt packte Sie die Panik. Bilder jener Nacht vor 26 Jahren kamen schlagartig hoch. Bitte nicht, dachte Sie sich. Bitte nicht. Innerlich zuckte Anna mit jedem Atemzug zusammen so sehr fror Anna mittlerweile. Die Panik ließ alle Bilder von damals vor Ihren Augen erscheinen und ihre Haut wie eine gerupfte Gans blass werden. Anna hatte plötzlich nicht mehr den Duft von Lilien in ihrer Nase sondern den von ihm. Wie er sie packte, auf ihr lag. Sie konnte dabei Sein lächeln sehen in jener Nacht obwohl es Dunkel war und Anna ihn nicht erkennen konnte. Doch Ihr Hirngespinst hatte eine Fratze gespeichert mit dem Lächeln, was Anna auch in Davids Augen sah. Die Bilder im Kopf ließen sie nicht mehr los, darum versuchte sie die Augen zu schließen, und schrie

„Geh weg!“ „Geh weg“!

Da kam aus dem Nichts die Stimme

„Wohin soll ich gehen Dr. Seibold“? Die Stimme war männlich. Sehr leise und freundlich. Fast schon angenehm sanft. Doch Anna erkannte sie nicht.

Sie zuckte zusammen.

„Hallo“? Rief sie kleinlaut.

Ihr Herz klopfte. Sie spürte ihren Puls bis in die Hals Schlagader. Die Finger zitterten unkontrolliert.

„Wo bin ich“?

Stille wieder. Nachdem man Anna erneut in die geschlossene Abteilung der Münchner Klinik gebracht hatte weil sie jeglichen Kontakt mit ihrem Baby verweigert hatte und nur noch starr in ihrem Bett lag hatte Anna die Stille eigentlich geliebt. Da war nur sie. Alles ganz still.

„Ich hoffe Sie haben gut geschlafen Frau Doktor“.

Sie hörte Schritte. Nur Leise, aber sie waren da.

„Bitte helfen Sie mir“

„Ich kann mich nicht bewegen“ antwortete sie.

„Wo bin ich eigentlich“? „Was ist passiert“?

So sehr hoffte sie auf eine Reaktion. Doch wieder nur Stille. Nur die leisen Schritte konnte sie hören, die langsam näher kamen. Sie wagte jetzt nicht mehr zu sprechen. Anna schluckte immer und immer weil sie starr wurde. Langsam nahm Anna an der Wand einen Schatten wahr. Eine Gestalt. Oh mein Gott dachte sie.

Jetzt kam der Schatten näher. Die Gestalt wurde deutlicher über ihrem Kopf. Anna blinzelte als wäre ihr Augenlicht immer noch stark getrübt und als wäre sie tatsächlich gerade aufgewacht und alles nur ein Traum gewesen. Jetzt wäre ihr der Traum sogar lieber. War es aber nicht. Es war ganz und gar kein Traum, das wurde Anna nun deutlich bewusst als sie über sich die Gestalt sah. Sie konnte nicht viel sehen. Musste sie auch nicht, weil Anna beim ersten Anblick klar war um wen es sich handelte, in welchem Alptraum sie war und warum sie hier war.

Er lächelte.




Vater unser

Подняться наверх