Читать книгу Säkulare und religiöse Bausteine einer universellen Friedensordnung - Christian J. Jäggi - Страница 7

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Probleme

Das spezifische Thema der vorliegenden Arbeit ist die Gegenüberstellung jüdischer, christlicher und islamischer Friedenskonzepte und die spezifischen religiösen Sichtweisen politischer Ethik und deren Vergleich mit säkularen Denkmodellen. Entsprechend werden einander auf der einen Seite säkulare Konzepte religiösen Vorstellungen gegenübergestellt, und auf der anderen Seite jüdische, christliche und islamische Vorstellungen.

Dabei stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der Heiligen Schrift sowohl für Gläubige als auch für nicht Gläubige: Für erstere insofern, als die Deutung der Schrift und ihre Auslegung auf die aktuelle Lebenssituation immer dem Verdacht einer Abweichung vom „wahren Glauben“ und damit letztlich der Apostasie unterliegt, für letztere, weil nicht Gläubige vielen Textstellen äusserst kritisch oder gar ablehnend gegenüber stehen und nicht bereit sind, einer – wie auch immer gearteten – Heiligen Schrift Autorität oder Legitimität zuzugestehen.

Wahrscheinlich vor diesem Hintergrund hat Schalom Ben-Chorin bereits 1939 mit Blick auf die Tora Folgendes festgehalten: „Für uns – und darin besteht das ‚neue Denken‘ in dieser Kernfrage des Glaubens, – ist die Thorah tatsächlich Gottes Wort, im ganzen unendlichen Ernst dieses Anspruches, ohne dass wir uns den oft überaus triftigen Argumenten der bibelkritischen Wissenschaft mit Scheuklappen verschliessen müssten. Freilich ist die Thorah nicht das ungebrochene Wort Gottes, sondern das göttliche Urwort, schon gebrochen in dem Augenblick, da es in menschliche (hebräische) Vokabel gefasst wurde, um mitteilbar zu sein …“ (Ben-Chorin 1939:25; Hervorhebung durch den Autor). Das Gleiche gilt sinngemäss auch für die christliche Bibel und für die islamischen sakralen Schriften.

Weil die wichtigsten Konzepte säkularer politischer Ethik bereits aufgearbeitet wurden (vgl. Jäggi 2017a, Schockenhoff 2018 sowie Jäggi 2018a) und zentrale religiösen Texte des Judentums, des Christentums und des Islams auf unsere Fragestellung hin analysiert und diskutiert worden sind (vgl. Jäggi 2019a; Jäggi 2020a sowie Schockenhoff 2018; Jäggi 2021a), liegt das Schwergewicht dieses Bandes auf der Gegenüberstellung, dem Vergleich und der Synthese1 jüdischer, christlicher und islamischer Texte auf der einen Seite und säkularer Denkansätze auf der anderen Seite. Ein Grundproblem eines solchen Vorgehens in Bezug auf säkulare und religiöse Friedensvisionen liegt im völlig unterschiedlichen Bezugsrahmen säkularer und religiöser Friedensethiken und in deren stark divergierenden Ausrichtung.

Nur am Rand berücksichtigt wird in diesem Band die gegenseitige Rezeption religiöser und säkularer Friedens- und Heilskonzepte und die Wirkungsgeschichte dieser Auseinandersetzungen. Dagegen liegt das Gewicht auf gemeinsamen und übergreifenden Konzepten und auf Bausteinen der einzelnen Weltanschauungen und religiösen Vorstellungen, die sich möglicherweise zu einem gemeinsamen Weltfriedensverständnis und zu einer übergreifenden Friedensordnung zusammenfügen lassen.

Dabei sollen auch die Schwierigkeiten eines solchen Vorgehens nicht verschwiegen werden: Viele Bezüge in religiösen und auch in säkularen Texten sind auf frühere Lebenskontexte ausgerichtet, der Fokus liegt oft auf einzelnen Postulaten oder Verhaltensnormen, vielfach werden frühere Ereignisse literarisch so dargestellt oder gar narrativ konstruiert, dass sie zur Intention des Erzählers passen, der keinesfalls heutige Problematiken und Fragestellungen im Blick hatte. Darum sind immer nur indirekte Vergleiche oder Bezüge möglich, also punktuelle Aussagen und Denkfiguren, aber keinesfalls eine unkritische und umfassende Übernahme früherer Normenvorstellungen in globo, etwa im Sinne einer engen Glaubensethik oder einer politischen Utopie irgendwelcher Art. Trotzdem scheint es berechtigt, frühere Texte oder Textfragmente auf heutige Fragen zu beziehen – etwa um Abstand zu heutigen, oft unkritischen Sichtweisen zu gewinnen und vielleicht im besten Fall zu einem Perspektivenwechsel zu gelangen, der gar neuen Raum für innovative Lösungen schafft.

1 Mit Synthese ist hier nicht die Konstruktion einer „Über-Religion“ etwa durch ein synkretistisches religiöses System gemeint, sondern eher der Zusammenbau oder die Zusammenschau einzelner Bausteine säkularer und religiöser – konkret jüdischer, christlicher und islamischer – Provenienz gemeint.

Säkulare und religiöse Bausteine einer universellen Friedensordnung

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