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Die »Granderisierung« der Welt
ОглавлениеSie haben sicherlich schon einmal belebtes Wasser getrunken, vermutlich »Granderwasser«, in einem Hotel oder einem Gasthof, und mit Sicherheit hat das Haus mit dem »belebten« oder »energetisierten« Wasser stolz geworben. Das Tiroler Unternehmen Grander ist Marktführer im Gewerbe des »Wasserbelebens« und macht damit Millionenumsätze, vermutlich nicht trotz, sondern gerade wegen des offensichtlichen Humbugs. Die sogenannte »Wasserbelebung nach Grander« – sie ist eine wunderbare Metapher für den Erfolg von Esoterik und Pseudomedizin – und ein weiterer Beweis für die Beständigkeit des »wilden Denkens«.
In dem Fall versteckt sich das »wilde Denken« hinter einer angeblichen »Technologie«: Sie beruht, vereinfacht gesagt, darauf, dass Leitungswasser an einem geheimnisvollen »Informationswasser« vorbeifließt. Das »Informationswasser« ist ein geheimnisvolles Ur-Granderwasser – nur die Familie Grander kennt dafür das »Rezept« –, und es befindet sich in den Wasserbelebungsgeräten. Diese werden in die Wasserleitung eingebaut, das Informationswasser befindet sich in abgeschlossenen Kammern. Das Leitungswasser rinnt – getrennt durch zentimeterdichtes Metall – daran vorbei. Eine wie immer geartete Manipulation des Trinkwassers oder einen Kontakt mit dem geheimnisvollen Ur-Granderwasser gibt es dabei nicht. Das Leitungswasser wird weder erhitzt noch bestromt oder verquirlt, es kommt mit keinen biowirksamen oder chemischen Stoffen in Berührung, es wird nicht gesiebt, geschüttelt oder gekühlt. Nichts wird dem Wasser zugesetzt oder entzogen. Das behauptet Grander auch nicht. Das Unternehmen behauptet in beeindruckend ehrlicher Schlichtheit: Das Leitungswasser erhält beim Vorbeifließen am Ur-Granderwasser »Informationen«. Das klingt verdächtig nach Homöopathie, und das ist kein Zufall, die Phänomene ähneln sich frappant.
In die Kammern mit dem geheimnisvollen Ur-Granderwasser könnte man getrost auch Buttermilch, Marillenmarmelade oder Luft füllen, auch ein starkes Gift würde unserem Leitungswasser nichts anhaben. Das Wasser, das wir nach dem Einbau einer Granderanlage trinken, ist in jedem Fall exakt das Wasser, das wir vor dem Einbau einer Granderanlage getrunken haben.
Damit wäre alles gesagt. Aus dieser Perspektive ist es natürlich unsinnig, der Grandertechnologie und dem Wesen des Ur-Granderwassers weiter auf den Zahn zu fühlen. Seit einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2006 darf man diesen Zinnober als »aus dem Esoterikmilieu stammenden, parawissenschaftlichen Unfug« bezeichnen. Geschadet hat dieses Urteil dem Unternehmen kaum.
Auch hier gilt: Die angeblichen Mechanismen der Wasserbelebung sind irrelevant. Nicht das, was das Unternehmen als Grandertechnlogie bezeichnet, interessiert uns. Was unser Interesse weckt, das sind die Mechanismen, die Menschen dazu bringen, diesen Unfug zu akzeptieren, zu verteidigen oder Geld dafür auszugeben.
Die »Granderisierung der Welt« – das ist die Transformation des »wilden Denkens« ins Marketing, ist das sichtbare Symptom für die Lust, belogen zu werden, mitzuspielen bei einer Chimäre und darauf auch noch stolz zu sein.
Wer sich die Granderwasser-Technologie für sein trautes Heim leistet – und dabei ist man schnell eine vierstellige Summe los –, der will kein besseres Wasser. Er will lediglich besser dastehen. Er kommuniziert mit seiner Umwelt, mit Bekannten und Freunden und gibt zu verstehen: Ich gebe mich nicht zufrieden mit dem Wasser, das bei uns aus der Leitung kommt, ich lege was drauf für etwas Besonderes. Und das klappt, solange niemand dem Besonderen auf den Zahn fühlt.
Bei der Fakemedizin ist es ganz ähnlich. In der Regel muss dafür bezahlt werden, über die Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung hinaus. Wer mit seinen Kindern zum Homöopathen geht, der signalisiert: Ich kann mir das leisten. Mir sind meine Kinder mehr wert als euch eure Kinder wert sind, die nur Medizin von der Stange und vom Kassenarzt bekommen. Das Honorar, das bei den Fakemedizinern aller Arten abgeliefert wird, wird nicht umsonst bezahlt. Umsonst ist es nur, was die gesundheitliche Wirkung betrifft. Die gesellschaftliche Wirkung ist phänomenal: Es befördert jemanden, der zuvor auf die »Gratis-Medizin« für die dumpfe Masse angewiesen war, zum Patrizier, der sich etwas Besonderes gönnt.
Beim Thema Granderwasser kommt – zumindest in Mitteleuropa – noch ein Aspekt dazu. Wir sind in der glücklichen Lage, aus der Leitung Trinkwasser beziehen zu können, um das uns vermutlich 99 Prozent der Weltbevölkerung beneiden. Sauberes, einwandfreies Trinkwasser ist ein Privileg, dessen wir uns ebenso wenig bewusst sind wie des Privilegs einer umfassenden Versorgung mit medizinischer Versorgung auf höchstem Niveau. Wer sich damit ostentativ nicht zufrieden gibt, der signalisiert, egal ob mit Granderwasser für den Haushalt oder mit der Bioresonanzanalyse, Globuli oder teuren und sinnlosen Vitaminpräparaten: Das Gute genügt mir noch lange nicht.
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Grander nimmt seine Kunden in Geiselhaft. Wer Tausende Euro für »Grander-Technologie« ausgibt, wird das Produkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch verteidigen. Alles andere würde ja bedeuten: Ich habe mich übers Ohr hauen lassen, ich bin auf einen Humbug reingefallen. Auf der Webseite Granders werden zahlreiche Gemeinden angeführt, die in den Schwimmbädern ihrer Kommunen Granderanlagen installiert haben. Sie erzählen wahre Wunderdinge: Die Gäste gingen nun viel lieber ins belebte Wasser, das fühle sich jetzt so geschmeidig an auf der Haut, der Bedarf an Chlor habe deutlich abgenommen. Was sollten die Bürgermeister oder sonstige Verantwortliche sonst sagen? »Es tut uns leid, wir haben öffentliches Geld ausgegeben für eine nutzlose Anlage?«
Genauso wirken die Referenzen der Fakemedizin, und hier geht es um mehr als um Geld. Wer auf Fakemedizin vertraut, wird in der Regel von positiven Effekten berichten. Alles andere würde bedeuten: »Da geht es um meine Gesundheit, und ich Dummkopf habe ernsthaft geglaubt, dass mir die irren Versprechen eines Scharlatans helfen.«
Noch ein Detail am Rande: Das Unternehmen Grander hatte und hat auch in Krankenhäusern bei der Vermarktung einigen Erfolg. Bis vor wenigen Jahren fand man in Broschüren und auf den Webseiten der oberösterreichischen Landeskrankenhäuser den stolzen Hinweis, dass das Trinkwasser im Haus »gesundes Granderwasser« sei. Mittlerweile – und nach einigen kritischen Berichten der Stiftung Gurutest – sind alle diese Hinweise verschwunden.