Читать книгу MIR DOCH WOSCHD! - Christian Krömer - Страница 13

UND DANN KAM TIKTOK

Оглавление

Es war im November 2019. Ein paar Wochen zuvor hatten wir unseren TikTok-Kanal veröffentlicht und einige Videos gepostet. Es hat einfach Spaß gemacht. Ihr kennt sicher dieses Gefühl, wenn man etwas Neues ausprobiert, voller Energie und mit etwas Anspannung an eine neue Sache rangeht und sich nicht ganz sicher ist, ob es cool ist oder nicht. So war es mit unserem Start auf TikTok auch. Dann kam der Tag, an dem die Aufrufe schlagartig explodierten. Bis abends war es ein ganz normaler Oma-Tag. Ich rief Oma an, als sie gerade am Frühstückstisch saß. Sie erzählte von ihrem Tässchen Tee und einem Stückchen Kuchen. Das war fast jeden Tag das Beste für sie am Morgen. In wenigen Worten und ihrer direkten Art lud sie mich zum Mittagessen ein, schon fast wie ein Befehl oder Kommando: »Kommst um 12 Uhr zum Essen, Christian. Und sei pünktlich!« Wie so oft, bekam ich gerade noch ein »Ja, ich komme« heraus, bevor sie aufgelegt hatte.

Um Punkt 12 Uhr klingelte ich bei Oma. Wehe, eine Sekunde zu spät, dann würde ich zu hören bekommen: »Das Essen wird doch kalt!« Ich stürmte die Treppen hoch, und sie stand wartend in der Tür. Eine kleine Frau, gerade mal 1,58 Zentimeter, mit einem einnehmenden Lachen im Gesicht. »Geh rein. Mach die Tür zu. Das Essen ist schon fertig.« Mein Blick fiel, wie immer, direkt auf den Herd. Oma war bereits wieder mit einer Hand an der Pfanne und mit der anderen am Regler vom Herd. Der Pfanneninhalt schimmerte gelblich und der Geruch war unwiederkennbar: Pfannkuchen. Ich bin mir oft nicht sicher, ob sich mehr Fett oder Teig in der Pfanne befindet. Für Oma aber zählt nur eins: Es muss schmecken.

Der Tisch war schon gedeckt. Zwei weiße Teller mit Goldrand. Eine gefüllte Schüssel mit Salat, der immer gleich angemacht wurde: Essig und Öl, Salz und Pfeffer, etwas Zucker, und dann wird die Schüssel kurz unter den Wasserhahn gehalten – fertig. Zwischen unseren Tellern platziert war die alte, mit Blumen verzierte, Zuckerschüssel. Denn ob mit Marmelade oder mit Zucker, Oma mag es süß. Sobald die Pfannkuchen auf dem Tisch standen, wurde nicht mehr viel geredet. Schon ein »Guten Appetit, Oma« ist da zu viel und wird beantwortet mit einem »Dou etz essen!«, was so viel heißt wie: »Sei leise und fang an zu essen.« Ich habe es mir schmecken lassen, bis zum letzten Bissen. Manchmal quäle ich mich sogar mit einem Nachschlag. Doch mir ist es lieber, wegen zu viel Essen zu leiden, als Oma das Gefühl zu geben, mir hat es nicht geschmeckt, und sie leidet.

Nach dem Essen und dem gemeinsamen Abwasch ging ich zum Lernen ins Wohnzimmer, denn zu dieser Zeit ging ich in die Uni und musste mich auf eine Prüfung vorbereiten. Das Wohnzimmer ist voller Erinnerungsfotos. Sie sind eingerahmt und überall im Raum verteilt. Teilweise in Schwarz-Weiß und teils ausgeblichen. An der Inneneinrichtung hat sich schon mehrere Jahrzehnte nichts mehr verändert.

Der Nachmittag verlief wie gewohnt. Oma legte sich nach getaner Arbeit in den Sessel, die Armlehnen bedeckt mit kleinen Handtüchern, damit sie sauber blieben, die Füße nach vorne auf den Hocker ausgestreckt, die durchgelaufenen Hausschuhe standen ordentlich neben ihr auf dem Boden. Der Kopf berührte die Rückenlehne nicht, weil der Friseur gerade erst da war. Die Tage danach hält Oma beim Schlafen den Kopf eher starr, um die Frisur am Hinterkopf nicht zu zerdrücken. Ich war konzentriert und versuchte, das Wissen einzusaugen, um es am nächsten Tag unkontrolliert bei der Prüfung aufs Blatt zu pusten. In etwa so wie Oma, die im Tiefschlaf neben mir lag, lange über die Nase einatmete und mit einem kräftigen Stoß, sodass ihre Oberlippe flatterte, wieder ausatmete.

Um 17 Uhr wachte sie auf, und es kam der erste Gedanke ans Abendessen. Auf einem roten gepunkteten Tablett wurde in der Küche alles sortiert und anschließend ins Wohnzimmer gebracht. Butterbrot, Wurst, Käse, ein paar Gurken und Tomaten.

Von allem sei reichlich da, so Oma, und sparen solle ich beim Belegen des Brotes bloß nicht. Kennt ihr das? Auch ein ganz normal belegtes Brot schmeckt bei Oma immer besser.


»Des is mir woschd, ob des g’sund is. Mir schmeckt’s halt.«

OMA LISSI, BUTTERBROTEXPERTIN

Wir hatten fertig gegessen, als sie in ihrem Süßigkeitenschub ein paar Salzbrezeln herauskramte, auf die sie Heißhunger hatte. »Da glustert es mir jetzt danach«, erklärte sie mir mit einem breiten Grinsen und voller Vorfreude. Ich wusste nicht genau, was jetzt passiert, aber Oma setzte sich wieder entspannt an den Tisch, nahm ihr Brotmesser, schnitt ein großes Stück Butter ab und strich es auf die Brezel. Es war so viel Butter, dass mehr nicht draufgepasst hätte. Ich zückte mein Handy, begann zu filmen und zu fragen: »Ist das gesund, Oma?« Sie kaute noch immer auf der ersten Butterbrezel, während sie schon die nächste bestrich. »Des is mir woschd, ob desg’sund is. Mir schmeckt’s halt!«, erwiderte sie kauend. Ich konnte kaum mehr vor Lachen. Wie sie es doch schafft, ihre geliebte Butter überall in Einsatz zu bringen.


Ich habe den kurzen Butterbrezel-Clip noch am Abend gepostet. Das Video hatte nach einem Tag über 300 000 Aufrufe auf TikTok. Ich konnte es kaum glauben, die Follower und Aufrufe stiegen täglich weiter. Der Satz »Mir doch woschd« wurde deutschlandweit bekannt. Oma Lissi und Enkel Chris wurden bekannt. Und die gemeinsame Geschichte hatte einen neuen Höhepunkt. Ich bekam so viele Nachrichten zu dem Butterbrezel-Video – aus allen Ecken von Deutschland, aus Österreich und der Schweiz. Jede einzelne habe ich damals gelesen. Oma und die Liebe zur Butter. Es hat mich wirklich gefreut, dass dieser Moment, dieser Spruch von Oma und dieser Tag der Durchbruch für unseren TikTok-Account war. Das hätte ich am Morgen noch nicht zu träumen gewagt.

Tag für Tag veröffentlichten wir neue Videos. Immer kreativer und witziger. Mal aus unserem Alltag und mal mit wirklichem Konzept. Die ganze Familie machte mit – ob vor der Kamera oder dahinter. Es sind unvergessliche Stunden, die wir hatten, um ein 15- bis 30-Sekunden-Video abzudrehen. Teilweise hat das wirklich Stunden gedauert. Aber gut, war doch auch schön, sonntags nach dem Essen ein abwechslungsreiches Programm zu haben. Ich hatte immer wieder neue Ideen, die die Familie dankbarerweise mit umgesetzt hat. Wie ein kleines Filmteam, die Krömers am Set. Es war nicht alles professionell, aber Spaß hat es gemacht.


MIR DOCH WOSCHD!

Подняться наверх