Читать книгу Malvina Moorwood (Bd. 1) - Christian Loeffelbein - Страница 12
ОглавлениеIch stampfte die Treppe nach oben und schlug meine Zimmertür mit voller Wucht hinter mir zu. Dabei fiel mir ein, dass es vielleicht nicht verkehrt gewesen wäre, Mamas chinesische Vase im Flur von der Vitrine zu fegen, damit sie in genauso viele Einzelteile zersprang wie Tristans Erdnussbutterglas.
Aber ich war zu erschöpft, um noch mal umzukehren.
Und natürlich sollte man seine Wut auch nicht an chinesischen Vasen auslassen, die meistens nichts dafürkönnen, dass schlimme Sachen passieren.
Eine Weile trommelte ich mit den Händen auf mein Bett, was wenigstens nicht wehtat. Besser fühlte ich mich dadurch allerdings auch nicht.
Eher noch mieser.
Als mein Handy die fröhliche Melodie dudelte, die es immer dudelte, wenn jemand anrief, hatte ich große Lust, das dämliche Teil auf den Boden zu werfen und darauf herumzuspringen. Aber dann sah ich, dass der Anrufer mein Onkel Frank war.
Onkel Frank war mein Lieblingsonkel, gewissermaßen das männliche Gegenstück zu Tante Frida. Mama, Papa, Opa und Onkel Bob mochten ihn allerdings nicht besonders und behaupteten sogar, er hätte lange Finger gemacht und was gestohlen, als er aus dem Schloss ausgezogen war.
Aber ich glaubte das nicht und es war mir auch egal, denn Onkel Frank war super. Vor vier Jahren hatte er einmal das völlig lahme Fest zu meinem sechsten Geburtstag gerettet, indem er als lustig kostümierter Überraschungsgast aufgetreten war, überall Konfetti verstreut und mit Karamellbonbons um sich geworfen hatte. Das Ganze war in einer tollen Kuchenschlacht geendet, und ich verstand bis heute nicht, warum er danach endgültig Hausverbot bekommen hatte.
»Prinzesschen, du hast Kummer«, stellte Onkel Frank fest, kaum dass ich »Hallo« ins Telefon geschnieft hatte.
»Das geht ja gar nicht«, empörte er sich, nachdem ich die Lage geschildert hatte. »Wir müssen sofort etwas unternehmen!«
Dreimal mitten ins Schwarze getroffen – typisch Lieblingsonkel.
»Kannst du nicht herkommen und Papa und Opa umstimmen?«, fragte ich und war von meiner eigenen Idee so begeistert, dass ich mich ruckartig im Bett aufsetzte. »Doch, das kannst du«, ereiferte ich mich, ohne Onkel Frank zu Wort kommen zu lassen. »Natürlich kannst du das. Es ist doch auch dein Schloss, oder etwa nicht? Du bist doch Papas Cousin, da ist es ganz klar, dass du ein Wörtchen mitzureden hast, wenn euer Familienschloss verkauft wird. Mama hat natürlich nichts zu melden, die kommt ja aus so einer normalen Familie, aber du nicht. Du, Opa und Papa, ihr seid die Bestimmer, und du musst jetzt sofort hierherkommen und auf dein Recht pochen und dann …«
»Prinzesschen, jetzt halt mal die Luft an«, sagte Onkel Frank und lachte ein wenig, aber nicht so, dass ich mich auf den Arm genommen fühlte. Wenn Onkel Frank mit mir sprach, hatte ich immer das Gefühl, viel älter zu sein, als ich es in Wirklichkeit war.
»Prinzipiell ist das eine sehr gute Idee von dir, aber es ist leider nicht ganz so, wie du meinst. Moorwood Castle gehört nicht automatisch allen Mitgliedern der Familie Moorwood, sondern immer nur einem von uns. Und im Augenblick ist das dein Opa.«
»Das heißt, Papa hat auch nichts zu melden?«, fragte ich.
»Hm, ja, könnte man so sagen, doch er wird das Schloss einmal erben.«
»Warum kannst du es nicht erben?«, wollte ich wissen, obwohl die Frage ein bisschen sinnlos war, denn Opa würde hundert Jahre alt werden, mindestens.
Onkel Frank lachte wieder. »Ach, Prinzesschen, das würde uns jetzt auch nicht weiterhelfen, denn Opa wird mindestens hundert Jahre alt«, sagte er.
Klarer Fall von Seelenverwandtschaft. Kein Wunder, dass ich Onkel Frank so gern mochte. Wir dachten fast immer das Gleiche.
»Aber es ist auch felsenfest in unseren Familiengesetzen so geregelt«, fuhr Onkel Frank fort. »Das Schloss wird immer vom Vater auf den ältesten Sohn vererbt.«
»Das heißt, wenn Papa unser Schloss nicht verkaufen würde, dann würde es Tristan mal erben«, schlussfolgerte ich.
»Stimmt genau«, bestätigte Onkel Frank.
Eine Weile schwiegen wir beide.
»Jetzt pass mal auf«, sagte Onkel Frank dann. »Das Problem ist nicht dein Papa«, erklärte er, »auch wenn er den Verkauf an diesen Mr Beaumel angeleiert hat. Entscheidend ist, dass Opa das Schloss verkaufen will, und was Opa will, das wird auch gemacht. Selbst wenn deine Geschwister und deine Eltern nicht so begeistert von der Idee wären, könnten sie gegen den Willen von Opa nur wenig unternehmen.«
»Das heißt, wir müssen Opa umstimmen«, kombinierte ich und fühlte mich wieder total traurig. Opa umstimmen, das war so, wie ohne Rakete zum Mond zu fliegen, und das wusste auch Onkel Frank.
Er seufzte.
»Schwierig, schwierig«, schätzte er die Lage ein. Genau wie ich.
»Aber nicht unmöglich«, sagte er dann und klang auf einmal so ähnlich wie Tom, wenn der vor einer seiner verzwickten Knobelaufgaben oder vor einem Latein-Rätsel hockte.
»Pass mal auf«, sagte Onkel Frank wieder. »Wir brauchen jetzt erst mal Zeit. Irgendwie müssen wir verhindern, dass dieser Mr Beaumel in den nächsten Tagen einen Kaufvertrag unterschreibt. Das hat er doch noch nicht getan, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. Dann fiel mir ein, dass Onkel Frank das ja nicht sehen konnte, und ich sagte: »Ich glaube nicht. Mama meinte, dass er das Schloss nur kaufen will, und dann hat sie so ein komisches Wort gebraucht, das habe ich nicht genau verstanden.«
»Vorkaufsrecht?«, fragte Onkel Frank.
»Ja, kann sein.«
»Okay.«
Schweigen.
»Onkel Frank?«, fragte ich.
»Denke nach«, murmelte er.
»Kannst du nicht einfach herkommen?«, schlug ich noch mal vor.
»Ich würde so gern«, sagte er, »aber ich mache bei einer Großproduktion mit und wir drehen gerade jeden Tag. So was wie Sommerferien gibt es bei uns leider nicht. Ich spiele eine der Hauptrollen und ich kann da echt nicht fehlen.«
Ich hatte ganz vergessen, dass Onkel Frank ja als Schauspieler arbeitete. Auch einer der Gründe, warum er mein Lieblingsonkel war.
»Klingt spannend«, sagte ich.
»Hm«, machte er, »ist es auch, aber im Augenblick ist viel spannender, was bei euch in Moorwood passiert.«
Da hatte er natürlich recht.
»Du hast dich doch mit diesem Mr Beaumel schon einmal unterhalten?«, fragte Onkel Frank.
Mist. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem meine kleine Lügengeschichte aufflog.
»Hm«, machte ich. Das hatte ich mir gerade bei Onkel Frank abgeguckt. Hm war immer gut. Das konnte alles Mögliche bedeuten.
»Vielleicht kannst du noch mal mit ihm reden«, schlug Onkel Frank vor.
»Wie mit ihm reden?«, fragte ich.
»Herausfinden, was er so plant«, erklärte Onkel Frank. »Natürlich darf er nicht Lunte riechen, dass du genau das verhindern willst.«
»Lunte riechen?«, fragte ich.
Onkel Frank lachte wieder. »Das ist so ein altes Sprichwort. Eine Lunte ist eine Art Schnur, die mit ein wenig Schießpulver gefüllt ist und die zu einem Fass führt, in dem sich richtig viel Schießpulver befindet. Wenn man die Lunte anzündet, dann wandert die Flamme langsam zu dem Fass und dann …«
»Dann macht es rums!«, sagte ich.
»Genau«, sagte Onkel Frank. »Und wenn jemand die Lunte riecht, dann merkt er, dass es gleich rums macht.«
Ich kicherte.
»Meinst du, du kriegst das hin?«
»Klar«, sagte ich. »Das mache ich gleich morgen.«
»Prima. Ruf mich danach sofort an.«
»Alles klar.« Ich nickte heftig.
»Ach, Prinzesschen, und noch was«, sagte Onkel Frank und senkte dabei die Stimme. »Wahrscheinlich ist es besser, wenn du niemandem von unserem Telefonat erzählst.«
»Logo«, sagte ich.
»Dann mach’s gut«, verabschiedete er sich.
»Mach’s besser«, erwiderte ich.
Onkel Frank lachte und legte auf.
Ich holte tief Luft. Zwar hatte ich noch keinen Plan, wie ich an diesen dämlichen Mr Bommel herankommen, geschweige denn, ihn in ein Gespräch verwickeln sollte –, aber ich würde es schaffen, das stand schon mal fest. So wahr ich Malvina Moorwood hieß.