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Prolog

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Big Bongo verschränkte die Hände hinter seinem Stiernacken und blickte zufrieden an die stuckverzierte Decke des Schlafzimmers. Big Bongos bürgerlicher Name war Karl-Heinz „Kalle“ Kretzschmar, aber so nannte ihn hier in Frankfurt schon seit über 30 Jahren niemand mehr. Angefangen hatte er Ende der 80er Jahre als Türsteher im „Mon Ami“, aber der kleine Kalle aus Offenbach hatte sich schon früh Respekt verschafft, vor allem mit seinen gefürchteten Rechts-Links-Kombinationen. Diese Gabe verhalf ihm auch zum Nulltarif zu seinem ersten Mädchen. Die Abstecke, also die Ablösegebühr, sparte er sich durch einen einzigen spektakulären Schlag, der seinem Kontrahenten einen Schädelbasisbruch bescherte. Schnell wuchs die Zahl der Mädchen und „Bongo“, wie er sich zu dieser Zeit noch nannte, eröffnete sein erstes Laufhaus auf der Taunusstraße. Gefürchtet wegen seiner Brutalität, wurde er bald immer mächtiger. Natürlich wehrten sich in dieser Zeit einige Etablierte und versuchten, dem Emporkömmling das Licht auszublasen. Doch Bongo überlebte Schlägereien, Messerstiche und sogar einen Bauchschuss. Den Zusatz „Big“ erhielt er schließlich nach einer legendären Straßenschlacht auf der Elbestraße, von der noch lange ehrfürchtig gesprochen wurde. Ab da war er der König des Kiez. Und so war es bis heute geblieben, auch wenn der Job rauer wurde. Aber Big Bongo war clever. Er hatte als einer der Ersten gespürt, dass die Zeit der klassischen Rotlichtgrößen zu Ende ging. Nach und nach verschwanden Legenden wie „Der schöne Dieter“, „Neger-Nobby“ oder „Knockout-Charlie“ von der Bildfläche und Albaner und Russen übernahmen die Geschäfte. Brutale und skrupellose Banden und Großfamilien, die mit alter Kiez-Romantik nichts am Hut hatten. Aber skrupellos war Big Bongo auch und er hattefrühzeitig Allianzen mit den Hells Angels und anderen einflussreichen Gangs geschlossen, um sein Revier zu verteidigen. Dass ihm dies bis heute gelungen war, erfüllte ihn mit Stolz. Er hatte sich eine kleine Entourage von Vertrauten geschaffen, die ihm treu ergeben war und auf die er sich blind verlassen konnte. Und dann war da noch Mariella Romano, die sich vor zehn Jahren bei ihm vorgestellt hatte. Big Bongo, der alle seine Mädchen persönlich aussuchte, hatte gleich erkannt, dass Mariella nicht ins Bordell gehörte, auch wenn sie aufgrund ihrer italienischen Wurzeln mit ihrem Exotenfaktor gut fürs Geschäft gewesen wäre. Doch noch bevor er sie wieder wegschicken konnte, hatte er sich schon heillos in sie verliebt. Sie war so anders als jede Frau, die er vorher hatte. Und er hatte viele gehabt, sich aber nicht in eine davon verliebt. Mariella dagegen strahlte unter der Schminke, die sie viel zu dick aufgetragen hatte. Ihrer eigentümlichen Würde konnte er sich nicht entziehen. Ausgerechnet er, der Abgebrühteste von allen, fing Feuer für eine Frau von gerade mal 25 Jahren, die ihm mit ihrer gefährlichen Mischung aus Unschuld und Unnahbarkeit gegenübersaß. Vielleicht waren es zu Beginn auch nur ihr schöner Körper und ihre leichten Bewegungen, doch schon nach wenigen Wochen wusste er, dass sie die Frau seines Lebens war. Mit so etwas hatte er gar nicht mehr gerechnet. Schon gar nicht in seiner Branche und erst recht nicht mit seinem kaputten Lebenslauf.

Big Bongo beugte sich hinüber zum Nachttisch und fischte sich eine Zigarette aus der Packung. Durch die Bewegung erwachte Mariella, die mit dem Kopf auf seiner von eindrucksvollen Narben übersäten Brust gelegen hatte. „Was ist?“, fragte sie im Halbschlaf.

„Alles gut“, antwortete Big Bongo, „schlaf weiter.“

Es war noch sehr früh am Morgen. Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in den Raum. Heute stand ihm ein anstrengender Tag bevor. Er wollte sich persönlich um den Portier eines seiner Etablissements kümmern, den er im Verdacht hatte, krumme Geschäfte hinter seinem Rücken abzuwickeln. Bei so was kannte Big Bongo keine Gnade. Er hatte schon einige, die Ähnliches versucht hatten, spurlos verschwinden lassen. Er kommentierte das im kleinen Kreis gerne damit, dass er für einen „Interessenausgleich“ gesorgt hatte. Big Bongo musste grinsen, als er darüber nachdachte. Er hatte sich auch schon was Schönes überlegt für den bald ehemaligen Portier seines „Wonderland Clubs“.

Ein lautes Geräusch aus dem Flur ließ ihn aus seinen Gedanken hochfahren. Mariellas Kopf wurde zur Seite geschleudert und sie erwachte mit einem Schrei. Big Bongo riss die Nachttischschublade auf, aber noch bevor er seine Beretta herausziehen konnte, flog die Schlafzimmertür auf und vier schwer bewaffnete und vermummte SEK-Beamte standen mit auf ihn gerichteten Maschinenpistolen vor ihm. „Hände hoch. Umdrehen auf den Bauch!“, brüllte jemand.

Während ein Beamter sich auf seinen Rücken setzte, um ihm Handschellen anzulegen, trat ein groß gewachsener Mann mit Helm und hochgeklapptem Visier ins Zimmer. Seinem Auftreten nach tippte Big Bongo darauf, dass es sich um den Einsatzleiter handeln musste. Jetzt war er aber mal gespannt. Was sollten sie schon gegen ihn in der Hand haben? Big Bongo gehörte nicht umsonst zu den wenigen Milieugrößen, die noch nie im Knast gesessen hatten. Selbst für seine Beretta besaß er einen Waffenschein. Ganz abgesehen von seinen Geschäften. Die Verbindungen waren so geschickt gesponnen, dass ihm niemand etwas nachweisen konnte, und von der Handvoll Menschen, die Bescheid wussten, wie es läuft, würde ihn keiner verraten. Jedenfalls keiner, dem sein Leben noch etwas wert war. Aber irgendeiner hatte gesungen, anders war dieser Einsatz nicht zu erklären. Big Bongo schwor sich: Sollte er einfahren, würde der Verräter dafür mit einem qualvollen Tod büßen. Der SEK-Mann riss ihn hoch. Direkt vor dem Einsatzleiter kam er auf die Beine. Ein Lächeln umspielte dessen Mund, während er in sein Kopfmikrofon sprach: „Aktion beendet. Zielobjekt wurde festgenommen.“ Big Bongo schnaubte wütend und drehte sich zu seiner Mariella um, die neben dem Bett stand und ihn traurig ansah. Tränen liefen über ihr Gesicht, aber ihre Stimme klang ungewöhnlich gefasst, als sie sagte: „Es tut mir leid.“

Im ersten Moment wusste Big Bongo nicht, was sie damit meinte. Aber dann verstand er und der Satz explodierte in seinem Kopf wie eine Handgranate.

Die Geliebte des Mörders

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