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Samstag, 11. Juli, 10.04 Uhr

Richard Borowka lehnte gelangweilt an der Küchenzeile und telefonierte mit seinem Handy. Er sah abwechselnd aus dem Fenster und auf seine nackten Füße, die in blau-weißen Adiletten steckten. Sein Gesprächsanteil beschränkte sich auf einige „Ahs“ und „Ohs“, die er einwarf, ab und zu auch mal ein „Echt?“. Am anderen Ende des Telefons überschlug sich ein aufgekratzter Fredi Jaspers, der von dem Überfall auf den Tante-Emma-Laden berichtete. Mittlerweile waren immer mehr Einzelheiten an die Öffentlichkeit gedrungen. Als der Laden überfallen worden war, hatten sich Inhaber Hans-Peter Eidams und eine Kundin im Laden befunden. Ein maskierter Mann war in den Laden gestürmt und hatte die Kasse leer geräumt. Als Hans-Peter sich zur Wehr setzte, hatte der Maskenmann auf ihn geschossen und ihn verletzt. Wie schwer, hatte Fredi noch nicht herausbekommen. Borowka, wie ihn der Einfachheit halber alle nannten, war offenbar nur mäßig interessiert an den Neuigkeiten. Er hatte zurzeit ganz andere Probleme, über die er mit Fredi aber nicht sprechen wollte. Dabei waren Fredi und Borowka seit der gemeinsamen Schulzeit die engsten Freunde. Aber selbst wenn Borowka mit ihm darüber hätte sprechen wollen, in diesem Telefonat wäre er ohnehin nicht mehr zu Wort gekommen. Denn mittlerweile war Fredi zu seinem Lieblingsthema gewechselt: Martina. In epischer Breite folgte ein Bericht über die gescheiterte Fahrt ins Phantasialand und seinen neuen Plan, am morgigen Sonntag essen zu gehen. Ob er und Rita Lust hätten, mitzukommen. Oh Gott, dachte Borowka. Auf nichts hatte er im Moment weniger Lust. Deshalb fiel er Fredi schroff ins Wort: „Oh, Fredi. Da kommt gerade ein wichtiger Anruf rein. Lass uns später noch mal quat schen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte er das Gespräch weg und atmete erleichtert durch. Dann wählte er eine Nummer mit holländischer Vorwahl. Als nach längerem Klingeln am anderen Ende abgehoben wurde, wechselte Borowkas Stimmlage in ein Flüstern: „Hör zu. Da ist leider was schiefgelaufen. Ich muss ein bisschen aufpassen. Wir müssen ein neuer Treffpunkt ausmachen. Ich ruf dich wieder an.“

Als er das Gespräch gerade weggedrückt hatte, hörte er ein Räuspern, schaute auf und sah seine Frau Rita in der Tür stehen. Borowka hatte keine Ahnung, wie lange sie schon dort gestanden hatte.

Rita hob eine Augenbraue. „Wer war denn dran?“ Sie trug einen bequemen Jogginganzug in Pink und Flip-Flops mit leichten Absätzen, die ihre rot lackierten Fußnägel mit den aufgeklebten Strasssteinchen optimal zur Geltung brachten. Ihre wasserstoffblonden Locken hatte sie zu einem Dutt zusammengesteckt.

„Wie? Wer war dran? Darf ich nicht mehr telefonieren, oder was? Noch nie was von Privatfähre gehört?“, schnauzte Borowka und ließ das Handy in der Gesäßtasche seiner kurzen Sporthose verschwinden.

Rita sah ihn prüfend an. „Ich hab doch nur gefragt, wer dran war. Oder darf ich das nicht wissen?“

„Wie? Nicht wissen. Klar ...“, Borowka geriet ins Stocken, „das war ... das war der Fredi. Der hat erzählt, dass es ein Überfall gegeben hat auf der Laden von Hansi und dass gerade überall Polizei ist und so.“

Sofort war Ritas Interesse geweckt: „Was denn für ein Überfall? Hier, der Hansi, der mit dir Fußball spielt?“

„Ja. Oder kennst du noch ein anderer Hansi, der ein Laden in Saffelen hat?“, blaffte Borowka seine Freundin an und wollte die Küche verlassen.

Aber Rita stellte sich ihm in den Weg und funkelte ihn mit durchdringendem Blick an. „Was ist los mit dir, Richard? Du bist schon seit Tagen so gereizt. Bei jede Kleinigkeit bist du dich am aufregen. Und immer diese Heimlichtuerei. Geht es sich um eine andere Frau?“

Borowka sah sie entgeistert an. „Sag mal, geht’s noch?“ Ihm wurde plötzlich klar, dass er sich auf ganz dünnem Eis bewegte. Wenn er jetzt nicht einlenkte, würde es wieder einen tagelangen Streit geben, der damit enden würde, dass sie gemeinsam bei Ikea neues Geschirr kaufen mussten. Und es gab nichts Schlimmeres für ihn, als zu Ikea zu fahren. Außerdem stand im Moment zu viel auf dem Spiel, als dass er sich einen Nebenkriegsschauplatz mit Rita leisten konnte. Also änderte er seine Taktik. Er sah Rita treuherzig an. „Wie kannst du so was denken, Rita? Du bist die Einzigste für mich. Ganz im Gegenteil. Ich wollte dich eigentlich überraschen. Ich habe eben mit der Fredi ausgemacht, dass wir vier, Martina, Fredi, du und ich, morgen zusammen essen gehen.“

Rita lächelte schwach. „Hast du deshalb eben geflüstert am Telefon?“

„Ja klar, was denkst du denn?“

Rita musterte ihn einige Sekunden, dann fiel sie ihm so stürmisch um den Hals, dass er mit dem Rücken gegen den Kühlschrank knallte. „Danke, mein Schatz. Wir waren schon so lange nicht mehr zusammen weg.“ Während sie sich an seine Schulter schmiegte, starrte Borowka mit leerem Blick gegen die Wand.

Die Königin der Tulpen

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