Читать книгу Das Schweigen der Kühe - Christian Macharski - Страница 7
ОглавлениеProlog
Fröhlich pfeifend tänzelte sie die steile Stiege hinab in den kleinen Gewölbekeller, der durch das fahle Licht einer 25-Watt-Birne nur schwach erhellt wurde. Der modrige Geruch, den die gegen das Erdreich gemauerten Natursteine abgaben, vermischte sich mit dem Duft ihres blumigen Parfüms, das sie zur Feier des Tages aufgelegt hatte. Obwohl der Sommer langsam Einzug hielt, fröstelte es sie, als sie den engen Raum mit der bogenförmig gemauerten Decke betrat, an dessen Ende die Kartoffelkiste stand. Dort angekommen, stellte sie den Korb ab und kniete sich vorsichtig auf einen Jutesack. Die Kellnerschürze, die sie trug, breitete sie vor sich auf dem Boden aus. Mit leichter Kraftanstrengung schob sie die hölzerne Trennscheibe nach oben und die staubigen Kartoffeln rumpelten ungeduldig in das aus unbehandeltem Eichenholz gefertigte Auffangfach. Als es voll war, begann sie, die Kartof feln, die von recht unterschiedlicher Größe und Qualität waren, in den Korb zu legen. Sie freute sich. Mit so viel Andrang hatten sie gar nicht gerechnet und jetzt wurden die Vorräte in der Küche knapp. Ein Kellner war sogar schon losgeschickt worden, neues Fassbier zu holen.
Ein Quietschen riss sie aus ihren Gedanken. Es waren wohl die Scharniere der schweren Eisentür, die in den Keller führte. Für einen kurzen Augenblick wehten die fernen Klänge des von der Kapelle gespielten Königswalzers hinab in den feuchten Keller. Ein Lichtstrahl huschte durch den Raum. Die Tür quietschte noch einmal kurz, dann herrschten wieder Stille und dämmrige Dunkelheit. Ein Schlüssel drehte sich knirschend im Schloss. Sie hielt den Atem an und lauschte. Nichts. Endlose Sekunden später begann sie langsam wieder, den Korb mit Kartoffeln zu füllen. Plötzlich ein neues Ge räusch. Schwere Schritte stapften ohne Hast die knarrende Holztreppe hinab. Ihr Kopf fuhr herum und ein kalter Schauer legte sich über ihren Rücken. Ihr Herz jagte, als sie sich zögernd erhob und sich zum Treppenabsatz umdrehte. Ihre zusammengekniffenen Augen konnten im trüben Gegenlicht kaum etwas sehen. Mit einem Mal trat eine riesige Gestalt in den kargen Raum. Die hünenhafte Erscheinung hob sich silhouettenhaft von der Steinwand ab. Doch so sehr sie sich mühte, sie konnte kein Gesicht erkennen.
„Wer sind Sie? Was wollen Sie?“, fragte sie ängstlich und erst jetzt spürte sie, dass sie am ganzen Körper zitterte.
„Guten Tag, schöne Frau“, brummte eine ihr sehr vertraute, männliche Stimme. Für einen kurzen Moment entspannten sich ihre Muskeln. Doch im nächsten Augenblick nahm der Tonfall einen frostigen und ungnädigen Klang an und ließ sie erschaudern.
„So alleine im Keller?“
Als sie unsicher antworten wollte, packte der Mann sie grob an beiden Armen und riss sie ruckartig an sich. Noch bevor sie schreien konnte, presste sich eine raue, massige Pranke wie ein Schraubstock auf ihren Mund. Über ihre vor Schreck aufgerissenen Augen legte sich ein dunkler Schatten.