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Vorwort
ОглавлениеIn der modernen westlichen Gesellschaft hat sich das Bild von Familie und Vaterschaft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Es ist im Vergleich zu früher viel bunter, vielfältiger und facettenreicher geworden.
Während früher der Vater in erster Linie lediglich der Erzeuger und Ernährer seines Kindes war, ist er heute auch noch Betreuer, Freund, Spielkamerad oder Chauffeur.
Väter gehen heutzutage in Elternzeit, begleiten ihr Kind auf den Spielplatz, machen mit ihm die Hausaufgaben oder bringen es zum Kindergarten. So mancher Vater übernimmt sogar das komplette Alltagsmanagement für sein Kind, was früher unangefochten Aufgabe der Mutter war. Die klassische Rollenverteilung wurde aufgelöst, was sowohl für das Kind wie auch für den Vater positiv ist.
Das alte, verstaubte Vaterbild ist schon längst verblasst; stattdessen existiert eine Vielzahl verschiedener neuer, moderner und lebendiger Vatertypen.
In dieser Vielfalt der Väter gibt es aber jene, die nicht so recht zu den schönen, bunten Vaterbildern passen. Sie existieren eher als Randgruppe und tun sich schwer im Kreis der anderen Väter.
Die Rede ist von den Vätern, die ihr Kind noch nicht einmal jedes zweite Wochenende, sondern nur sporadisch oder für lange Zeit überhaupt nicht sehen.
Die Ursachen für solche längeren Trennungen können vielfältig sein, aber als Resultat bleibt am Ende ein Vater, der sein Kind ungewollt nie oder nur selten sieht. Diese Tatsache bringt eine ganze Menge an Herausforderungen und Belastungen für alle Beteiligten mit sich.
Die dauerhafte Trennung vom Kind und die Ungewissheit darüber, wann er denn sein Kind wiedersehen wird, bringt den getrennten Vater irgendwann an den Punkt, wo er sich voller Zweifel fragt: Bin ich denn überhaupt noch ein Vater?
Um diese Frage gleich vorab zu beantworten: Ja, auch auf die Entfernung ist man Vater, und man bleibt es. Es stellt sich aber die Frage, wie man diese ungewollte und unpopuläre Vaterrolle gestalten soll und gestalten kann.
Vor dieser Frage stehen viel mehr Väter, als man vermuten würde. Klassisch nach Trennung und Scheidung sind Besuchsregelungen wie das Residenzmodell oder das Wechselmodell. Darin finden sich vermutlich die meisten Väter nach einer Trennung von der Kindsmutter wieder.
Daneben gibt es aber auch noch solche Väter, die nicht den Luxus einer funktionierenden Besuchsregelung oder einer eingespielten Routine genießen können, sondern bei denen jeder Besuch oder jedes Wiedersehen mit dem Kind zum ganz besonderen, weil seltenen Ereignis wird. Ich schreibe zu diesem Thema übrigens nicht auf der Grundlage eines angelesenen Wissens, sondern aufgrund eigener Erfahrungen. Das hat den ungewollten Vorteil, dass ich mich nicht erst mühsam in die Thematik hineinversetzen muss: Ich bin seit vielen Jahren mittendrin.
Um seine eigene Vaterrolle individuell zu gestalten, richtet sich ein junger Mann überwiegend an dem aus, was er selbst als Kind erfahren und im Laufe seines Lebens gelernt hat. Dabei spielen auch männliche Vorbilder eine große Rolle. Da es um ein neues und modernes Vaterbild geht, steht der eigene Vater häufig nicht als gutes Beispiel zur Verfügung. Viel eher orientiert sich ein junger Vater deshalb an anderen Vätern im ungefähr gleichen Alter, die er kennt oder denen er auf dem Spielplatz begegnet, und von deren Erfahrungen er profitieren kann.
Mit diesen Vätern kann er sich austauschen, untereinander Tipps geben und sich vielleicht sogar in schwierigen Situationen gegenseitig unterstützen. Wie läuft das bei dem anderen? Wie macht der das? Er ist nicht alleine, sondern einer von vielen Vätern.
Wie hoch ist dagegen die Wahrscheinlichkeit, einen getrennten Vater zu kennen oder zufällig auf dem Spielplatz zu treffen? Woran erkennen sich getrennte Väter überhaupt, wenn sie ohne ihr Kind unterwegs sind? Der da drüben mit dem traurigen Blick – ist das vielleicht einer?
Getrennte Väter leben quasi inkognito, werden nicht auf den ersten Blick erkannt, haben keine Treffpunkte oder eindeutigen Merkmale. Als getrennter Vater ist man die meiste Zeit über einfach nur ein Mann. Daran ist nichts falsch, aber wen fragt man, wenn man sich nicht auskennt? Wohin geht man, wenn man Rat sucht oder Hilfe braucht? Wer kann helfen, weil er die Situation aus eigener Erfahrung kennt? Wo findet man andere getrennte Väter? Da wird die Luft allmählich dünn!
Mit meinem Buch möchte ich versuchen, all jene Väter anzusprechen, die ansonsten viel zu wenig Ansprache haben. Ich schildere meine Erfahrungen, gebe Tipps und schreibe über meine Ängste und Sorgen, damit hoffentlich jeder getrennte Vater beim Lesen das Gefühl hat, verstanden zu werden und mit seinen Ängsten und Sorgen nicht alleine zu sein.
Das Buch richtet sich an alle Männer, die nicht wissen, wie sie trotz Entfernung Vater bleiben können. Es beantwortet jedoch keine Fragen aus dem Bereich der Rechtsprechung oder der Medizin, da ich weder Jurist noch Mediziner oder Psychologe bin. Für solche Fragen gibt es entsprechende Fachleute, zuständige Behörden oder auch Einrichtungen.
Zum Schluss möchte ich noch kurz die Perspektive wechseln: Zu jedem getrennten Vater gehört auch mindestens ein von seinem Vater getrenntes Kind. Jedes dieser Kinder braucht seinen Vater, genauso wie es die Mutter braucht. Die gelungene Gestaltung der ungewollten Rolle des getrennten Vaters kommt also nicht nur dem Vater zugute. Und darum geht es doch letztendlich, oder?