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Besuche in den Schulferien und am Wochenende

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Die Trennung oder Scheidung von Eltern macht es für ein Kind häufig schwierig, zu Mutter und Vater weiterhin einen regelmäßigen und intensiven Kontakt zu pflegen. Die Trennung von Tisch und Bett ist häufig auch eine Trennung des Kindes vom Vater.

Wenn die Eltern relativ nahe beieinander wohnen und das Kind selbstständig beide Eltern besuchen kann, dann ist das Wechselmodell für alle Familienmitglieder eine Möglichkeit, den Kontakt untereinander zu pflegen. Beim Wechselmodell gibt es keinen getrennten Vater, es soll deshalb nicht Thema dieses Kapitels sein.

Die Alternative zum Wechselmodell ist das Residenzmodell: Das Kind hat seinen Lebensmittelpunkt bei dem einen Elternteil, der andere Elternteil hat ein Besuchsrecht, um den regelmäßigen Kontakt zum Kind zu pflegen.

In den meisten Fällen hat beim Residenzmodell das Kind den Lebensmittelpunkt bei der Mutter, der Vater hat das Besuchsrecht.

Je nach Alter des Kindes erstreckt sich das Besuchsrecht von ein paar Stunden in der Woche bis hin zu ganzen Tagen oder gar Wochenenden. Der Klassiker ist vermutlich die Regelung, dass das Kind jedes zweite Wochenende sowie ausgewählte Tage und Wochen der Schulferien beim Vater verbringt.

Nach meiner Erfahrung funktioniert diese Art des Umgangs allerdings nur, solange die Entfernung zwischen den Wohnorten relativ gering ist. Exakte Distanzangaben lassen sich an dieser Stelle nicht machen, denn es ist eine individuelle Wahrnehmung, was nah ist und was fern.

Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass entweder das Kind oder der Vater auf Dauer jedes zweite Wochenende eine sehr große Distanz zurücklegt. Die Strapazen einer solchen Reise, der hohe zeitliche Aufwand und auch die Reisekosten bekommen im Laufe der Zeit ein solches Gewicht, dass aus den 14-tägigen Abständen allmählich deutlich größere Abstände werden können.

Meine Erfahrung ist auch, dass ein Kind bis zu einem gewissen Alter sich ohne Widerstand in die Umgangsregelung der Eltern fügt. Mädchen begehren – auch das habe ich erlebt – deutlich früher auf als Jungs. Aber es kommt bei beiden Geschlechtern das Lebensalter und damit der Tag, wo zum ersten Mal der Satz fällt: „Ich hab keine Lust, schon wieder zum Papa zu fahren!“. Ab da wird es spannend!

Ich möchte in diesem Kapitel aber auch nicht auf das Residenzmodell mit Besuchen in 14-tägigen Abständen eingehen. Wenn dieses Modell zuverlässig funktioniert und sich sowohl beide Eltern wie auch das Kind an den regelmäßigen Rhythmus gewöhnt haben, dann ist das nach meiner Erfahrung für den getrennten Vater sehr gut lebbar, wenn auch erst nach einer Zeit der Umstellung und Gewöhnung.

Ich möchte in diesem Kapitel den Schwerpunkt auf ein Residenzmodell legen, bei dem der getrennte Vater sein Kind nur noch hin und wieder sieht, ohne Regelmäßigkeit, ohne Planbarkeit, ohne Zuverlässigkeit. Ich möchte darüber schreiben, wie es ist, wenn die Entfernung so groß ist, dass ein Besuch am Wochenende kaum noch lohnt, wenn Besuche sich auf die Ferien beschränken und auch dann nicht regelmäßig stattfinden, weil sie nicht regelmäßig stattfinden können. Ich nenne dieses Residenzmodell im nachfolgenden Text deshalb das erschwerte Residenzmodell.

Beim erschwerten Residenzmodell kommt ein Besuch des Kindes beim Vater (oder umgekehrt) nur zustande, wenn sich Vater und Mutter rechtzeitig vorher auf einen Besuchstermin sowie auf die Modalitäten der Reise geeinigt haben. Dies setzt voraus, dass der Dialog zwischen dem getrennten Vater und der Mutter zumindest auf der sachlichen Ebene einigermaßen funktioniert. Denn schließlich sollte Einigung erzielt werden zu folgenden Aspekten:

• Wann findet der Besuch statt?

• Wer kümmert sich um Flugtickets oder Bahnfahrkarten?

• Wie werden die Kosten der Reise aufgeteilt?

• Wenn das Kind zum Vater fährt: Was soll es im Gepäck haben?

Es setzt außerdem voraus, dass das Kind seinen Vater besuchen möchte, was keine Selbstverständlichkeit ist. Kinder haben einen eigenen Willen und eigene Vorstellungen, wie das Wochenende oder die Ferien verlaufen sollen. Irgendwann werden Freunde wichtiger als der Papa, und eines Tages kommt auch noch die erste große Liebe ins Spiel. Dann sind sie nicht mehr bereit, sich einfach so in eine Abmachung zu fügen, die ihre Mutter und ihr Vater getroffen haben. Meine Erfahrung und die Lehre daraus sind, dass es unvernünftig wäre, diese Kindeswünsche einfach zu übergehen. Die Qualität der gemeinsamen Zeit gewinnt nicht, wenn diese Zeit erzwungen wird.

Ich gehe in diesem Kapitel zunächst einmal davon aus, dass der Dialog funktioniert, dass sich Mutter und Vater an die getroffenen Absprachen halten und dass das Kind fröhlich, gesund und aus freien Stücken bei seinem Vater ankommt. Wenn das nicht so ist, dann kann es beliebig kompliziert werden, sowohl für den getrennten Vater und sein Kind wie auch für mich als Autor dieses Buches.

Je größer die Abstände zwischen den Besuchen sind, umso mehr spielt das Thema der Entwöhnung eine Rolle. Dass man sich als getrennter Vater von seinem Kind entwöhnt (und das Kind ganz sicher auch vom Vater), wenn man sich mehrere Wochen nicht gesehen hat, war für mich eine neue und auch sehr verstörende Erfahrung. Ich musste feststellen, dass trotz der Vorfreude auf das Wiedersehen in den ersten Stunden des Zusammenseins die Nerven auf beiden Seiten etwas blank liegen konnten.

Ich schreibe hier zwar in der Vergangenheitsform, das bedeutet aber nicht, dass diese Themen heute für meine Kinder und mich Vergangenheit sind – sie sind nach wie vor aktuell, wenn ich mit meinen Kindern zusammenkomme. Im Unterschied zu früher verstehe ich aber heute etwas besser, was bei mir und zwischen uns passiert. Das hilft mir ein wenig, gut damit umzugehen und die eine oder andere Klippe zu umschiffen. Früher bin ich relativ schnell hilflos und überfordert gestrandet.

Es konnte passieren, dass Kleinigkeiten einen Streit ausgelöst haben, weil wir es einfach nicht mehr gewohnt waren, zusammen zu sein. Ich fühlte mich dann oft genervt, in meinen Gewohnheiten gestört oder unter Druck gesetzt, die bevorstehenden Tage mit Unternehmungen zu füllen und den Entertainer für meine Kinder zu spielen. Umgekehrt war es für meine Kinder ganz bestimmt auch nicht einfach, nicht bei ihrer Mutter und in ihrem gewohnten Umfeld zu sein.

Dies war verstörend, weil seltene Besuche sehr kostbar und deshalb mit einer hohen Erwartungshaltung – zumindest von meiner Seite – verbunden waren. Es sollte alles klappen, vom Anfang bis zum Ende. Und am Tag der Abreise sollten alle sagen können: Es war toll. Dazu passten keine Gefühle wie Verärgerung oder Stress, und es passte ganz sicher keine Auseinandersetzung dazu.

Ich durfte im Zuge mehrerer Besuche lernen, dass diese hohe Erwartungshaltung meinerseits bei meinen Kindern überhaupt nicht existiert. Meine Kinder freuen sich einfach darauf, mich zu sehen, ohne irgendwelche Erwartungen zu haben. Sie wollen bei mir sein, und sie wollen sich bei mir willkommen, wohl und geborgen fühlen – eben wie zu Hause. Das kann bedeuten, dass sie damit zufrieden sind, stundenlang in meinem Wohnzimmer zu sitzen und mit ihrem Gameboy zu spielen.

Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass die kostbare gemeinsame Zeit nicht durch Highlights und Action geprägt sein muss. Es genügt, einfach zusammen zu sein und Alltägliches miteinander zu tun – eben wie zu Hause. Das kann ein gemeinsamer Ausflug in den Tierpark sein, aber auch der gemeinsame Einkauf von Lebensmitteln. Für meine Kinder hatte das von Anfang an gepasst – ich habe für diese Erkenntnis deutlich länger gebraucht.

Nun ist es so, dass man als Papa auch hin und wieder ein ernstes Wort mit seinem Kind reden muss, das bringt Erziehung nun mal mit sich. Wenn man sich nur selten sieht, bekommt so ein ernstes – und vielleicht unangenehmes – Gespräch ein viel größeres Gewicht. Ich habe festgestellt, dass solche Gespräche durchaus möglich sind, ohne dem kompletten Besuch einen ernsten Charakter zu verleihen. Wichtig ist in meinen Augen, dass das Gespräch einen klaren Anfang und auch möglichst bald darauf ein klares Ende hat. Und es ist wichtig, dass ein solches Gespräch – soweit möglich und planbar – nicht unmittelbar am Anfang oder am Ende des Besuchs stattfindet. Eingebettet in unproblematische, fröhliche und leichte Phasen lässt sich ein solches Gespräch von allen Beteiligten gut verdauen.

Längere Besuche in den Schulferien bringen die wunderbare Gelegenheit mit sich, gemeinsam in den Urlaub zu reisen. Wenn man eine oder zwei Wochen Zeit hat, lohnt sich eine weite Reise, zum Beispiel mit dem Flugzeug auf die Kanarischen Inseln.

Natürlich gibt es hier noch ein paar Punkte mehr, die mit der Mutter zu klären sind. Vor allen Dingen benötigt das Kind einen Personalausweis oder Reisepass. Aber das ist im Prinzip genauso wie bei intakten Familien, bei denen beide Eltern gemeinsam mit ihrem Kind verreisen.

Allerdings brauchst du als getrennter Vater, der mit seinem Kind ins Ausland reisen möchte, eine Reisegenehmigung von der Mutter. Auch wenn du der Vater bist und dein Kind sich riesig auf den Urlaub freut, kann es passieren, dass der Zollbeamte am Flughafen oder Bahnhof nach dieser Reisegenehmigung fragt und euch am Weiterreisen hindert, wenn du diese Genehmigung nicht vorlegen kannst.

Umgekehrt gilt das im Prinzip auch: Die Mutter braucht eine unterschriebene Reisegenehmigung von dir, wenn sie mit eurem Kind ins Ausland möchte. Ich bezweifle nur, dass eine Mutter mit derselben Wahrscheinlichkeit vom Zoll nach dieser Genehmigung gefragt wird wie ein Vater. Aber wie auch immer, ich schreibe in diesem Buch für getrennte Väter, deshalb erwähne ich die Pflichten der Mutter nur am Rande.

Meine Kinder und ich wären beinahe mal auf einer Reise nach Cádiz in Spanien aufgehalten worden. Wir sind damals zum Glück am Flughafen München auf einen sehr kulanten Zollbeamten gestoßen, der uns passieren ließ, nachdem ihm meine Kinder (schlaftrunken und eingeschüchtert) bestätigt hatten, dass ich ihr Papa bin und mit ihnen in den Urlaub fliege. Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Damit dir mit deinem Kind nicht dasselbe passiert, besorge dir ein Formular für eine solche Reisegenehmigung und nimm es unterschrieben mit auf eure Reise. Dann genießt euren Urlaub so richtig und habt viel Spaß zusammen.

Die Begegnungen mit meinen Kindern finden übrigens häufiger bei mir zu Hause in München statt als bei meinen Kindern in Hamburg. Obwohl Hamburg eine tolle Stadt und eine Reise wert ist, fliege ich nur ungefähr einmal jährlich auf Besuch dorthin. Ich übernachte dann in einem Hotel und treffe mich mit meinen Kindern tagsüber. Es ist mir wichtig und ich genieße es, das Lebensumfeld und auch die Freunde meiner Kinder kennenzulernen. Aber ich finde, dass die Treffen in Hamburg eher den Charakter eines Besuchs haben, während die Treffen in München näher am alltäglichen Leben dran sind. Das liegt an solchen Kleinigkeiten wie dem gemeinsamen Kochen oder dem Ritual, meine Kinder abends ins Bett zu bringen. In München geht das, in Hamburg leider nicht.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass das Ende eines Besuchs und damit der Abschied von meinen Kindern emotional genauso schwierig ist wie der Beginn eines Besuchs. Wenn ich meine Kinder zur Sicherheitskontrolle am Flughafen begleite und ihnen aus der Distanz zusehe, wie sie die Kontrolle passieren, steigt eine große Traurigkeit in mir auf, die sich erst nach mehreren Stunden wieder legt. Bis heute habe ich leider keinen Knopf an mir gefunden, mit dem ich den Papa-Modus einfach an- oder ausschalten kann.

Papa bleiben

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