Читать книгу Geschichten aus Friedstatt Band 2: Flammendurst - Christian Voss - Страница 6

Ein neues Abenteuer

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Es war wieder einmal eine dieser Nächte – Bagatosh war angetrunken. Zur Überraschung aller Anwesenden, fand sich im Laufe des Abends, ein wenig bekannter Gladiator in der Taverne „Zum dicken Fisch“ ein – er hieß Reisswege oder so. Der verlotterte Kämpe schien anfangs guter Dinge, doch mit den Stunden verflog seine Laune zusehends – die Gladiatoren waren im Ansehen gesunken – seit den Vorfällen von vor drei Monaten. So gab es oft versteckte Seitenhiebe oder man lästerte ganz offen und unverblümt. Die Inquisition durfte an diesem Abend natürlich auch nicht fehlen. Bagatosh prostete den Männern in ihren silbernen Rüstungen missmutig zu – diese Ordensbrüder hier wussten nichts von den Vorfällen am Pier – die Gesichter waren ihm gänzlich unbekannt. Trischaa hielt diese ganze Geschichte – verständlicherweise unter Verschluss. Am liebsten hätte Bagatosh ihnen so richtig in den Arsch getreten, doch aus Rücksicht auf Blutwälz und seiner Kaschemme, hielt er sich zurück und machte gute Miene zum bösen Spiel.

Aber diese ganzen Geschichten und Unwägbarkeiten hatten ihn nicht hierher gelockt nach Nordend. Sie waren zwar eine willkommene Abwechslung – aber mehr auch nicht. Elamorsa, die Bedienung hatte ihn um Hilfe gebeten.

Bagatosh war neugierig, um was es sich handelte – er hatte zwar noch einen Auftrag auf dem Zettel, doch die Spuren versandeten, desto tiefer er bohrte und die Gefahr um sein Leben stieg mit jeder neuen Erkenntnis merklich an.

Jemand verfolgte ihn – es gab Vorfälle. Gestern erst fielen Steine von einem Baugerüst direkt vor seine nassen Stiefel – zu sehen war niemand. Einige Umstehende kamen heran und erkundigten sich nach seiner Gesundheit, aber alle beschworen, auch nach mehrmaliger Anfrage, nichts gesehen zu haben.

Seltsam von einem Jäger zum Gejagten zu werden – eine vollkommen ungewohnte Situation. Er hatte auf den Busch geklopft und jemanden wach gerüttelt – jemanden? Viele kleine Schlangen.

Elmasora trat an ihn heran und setzte sich, sie wischte sich die Stirn mit ihrer langen Schürze und atmete lautstark aus.

"Es ist viel los, hier bei euch." Bagatosh schlürfte an seinem Bier.

"Puh – ja – wie immer eigentlich. Mir tun heut aber auch alle Knochen weh!" Elmasora verzog ihr reizendes Gesicht und rieb sich die Wade.

Ein Barde trat in die Tür – Blutwälz grüßte ihn freundschaftlich und kurz darauf ertönte sein Flötenspiel und heizte die Stimmung in der dichtbevölkerten Gaststube an.

"Kommt, folgt mir hinter die Theke, da haben wir etwas Ruhe."

Bagatosh nickte, nahm noch einen Schluck und folgte ihr unauffällig. Sein Blick wanderte manisch zu ihrem Po, der gut sichtbar hervorstach, die Lederhose stand ihr ausgezeichnet.

Blutwälz reichte ihm, im Vorbeigehen, die Hand: "Mensch Baga! – lang nicht mehr gesehen – alles in Ordnung? Du schaust etwas gequält drein!" Der Mann war gut – offensichtlich wurden die Sinne geschärft in diesem Metier.

Dem Assassine war nicht nach langen Erklärungen, er druckste etwas rum und winkte dann ab: "Alles gut – du weißt doch – mal läuft es und mal nicht!"

Elamorsa und Bagatosh drückten sich hinter der Bar entlang, vorbei an Blutwälz, der schon wieder ein paar Bestellungen auf Handzeichen hin entgegen nahm. Beide verschwanden in einer rückwärtigen Kammer, direkt hinter dem massiven Tresen.

"Hier ist es still." Es stimmte tatsächlich. Die Musik und die Stimmen dröhnten gedämpft vor sich hin.

"Nun, ich hab schon gehört, du hast eine Reise vor? Blutwälz hat so etwas angedeutet."

Elamorsa nickte und bot ihm einen Platz zum Sitzen.

Dankbar nahm Bagatosh an – er hatte schon gut einen im Tee. Elamorsa nahm eine Karaffe aus einem kleinen Wandschrank, dazu platzierte sie zwei einfache Becher auf dem Tisch. "Nun – wo fange ich an. Am besten ganz von vorn." Bagatosh lauschte gespannt – er signalisierte Aufmerksamkeit mit einem Nicken.

Die Kriege waren ihm nicht unbekannt – er selbst war ein Teil der Auseinandersetzung gewesen und kämpfte gegen die Syders. Selbst dem Tod war er auf den Schlachtfeldern begegnet – in Form eines schwarzen Drachen. Immer wenn die Bilder seines Ablebens in ihm aufstiegen, griff er mit zittriger Hand zum Becher und nahm einen kräftigen Schluck. Die unliebsamen Erinnerungsschübe nahmen in jüngster Zeit zu. Er schob es auf seine angespannte Lage.

"Mein Vater – er ist noch am Leben – ich weiß es, irgendwie habe ich es von Anfang an gewusst." Elamorsa sah ihn flehend mit glasigen Augen an.

Bagatosh überlegte – die Kriege waren seit gut dreißig Jahren vorbei – also noch relativ frisch – wie alt mochte sie sein? Die Magie betraf alle. Jeder war, auf die eine oder andere Weise verseucht, der eine mehr, der andere weniger – die Vergiftung war lebensverlängernd – alle, die unter dem Himmel des Reiches Udün wandelten, waren davon betroffen, ausnahmslos. Er schätzte sie auf junge fünfunddreißig Jahre.

"Wie kommst du darauf?" Der Schnaps, den er hinunterstürzte, brannte in seiner Kehle und der würzige Rauch, der träge und heimlich von der Wirtstube in die Kammer sickerte, reizte seine Schleimhäute.

"Er schickt mir Nachrichten – er kommuniziert mit mir in meinen Träumen." Elamorsa sah ihn flehend an. Sie schien mit ihren eindringlichen Blicken beteuern zu wollen, dass sie noch normal war.

War sie verrückt geworden? Hatte der Schmerz über den Verlust ihres Vaters, ihre Sinne verwirrt? Bagatosh kannte die Syders – ehemals Menschen, ob Bauer oder Kanalarbeiter, allesamt eingepfercht in einer magischen Rüstung, die alle Handlungen übernahm. Die Probanden waren Gefangene dieser magischen Apparatur, die sie steuerte und Dinge tun ließ, auch nach den Kriegen, die das Gewissen ihrer Träger schwer belastete. Die Hexer waren verschwunden und somit konnte niemand die armen Seelen aus ihren stählernen Gefängnissen befreien.

Allgemein hin galten sie allesamt als verrückt, blutrünstige Bestien – doch die Leute die diese Meinung vertraten und vorwurfsvoll auf diese Kreaturen niederblickten übersahen, dass die Betroffenen keine Möglichkeit fanden sich der Magie, aus eigener Kraft, zu entziehen oder gar auszubrechen. Sie mussten gehorchen und dabei verloren sie ganz allmählich ihren Verstand.

Bagatosh hatte schon von dieser Theorie gehört, dass sich einige dem Wahnsinn erfolgreich entzogen, sie waren stärker und entwickelten mit der Zeit die Fähigkeit, einige Handlungen der magiegespeisten Rüstung einzuschränken, den mörderischen Impulsen zu widerstehen oder sie ganz zu beherrschen. Sie emanzipierten sich sozusagen von ihrem Joch. Bagatosh erinnerte sich. Die Syders wanderten durch die Lande, immer in kleinen Gruppen und töteten, wahllos was ihnen vor die Waffe trat. Doch einige von Ihnen entfernten sich, bildeten Splittergruppen und blieben regungslos stehen, bevorzugt unter Bäumen. Dort standen diese versprengten Gruppen einfach so, vollkommen regungslos und harrten aus. Wenn kein Feuer sie verzehrte, verrotteten sie an Ort und Stelle.

"Was sagst du?"

Bagatosh war sich nicht sicher. Elamorsa suchte verzweifelt seinen Blick. "Erst vor zwei Monaten habe ich eine Nachricht erhalten." Sie zitterte gut sichtbar.

Bagatosh legte beruhigend seine Hand auf ihren weichen und ausgenommen zarten Unterarm.

"Nun – ich habe schon viele Geschichten über diese Dinger gehört – und die meisten waren unerfreulich – was hat er getan oder – gesagt?"

Elamorsa entzog sich seiner Berührung und legte ihre Hände in den Schoß, sie löste ihren Blick und sah zu Boden.

"Es war eine Art Übertragung – er sprach mit mir – ganz normal und Vater schien in Gefahr zu sein."

"In Gefahr?!" Bagatosh rutschte nervös auf seinem Stuhl.

Ela nickte, ihr Mund war jetzt ganz klein.

Der Assassine konnte den Blick von ihren Lippen nicht loseisen – er ermahnte sich innerlich den Blick abzuwenden, bevor sein gesteigertes Interesse auffiel.

"Ich glaube sie wurden angegriffen."

Das klang plausibel – die Syders waren in Bewegung – vor nicht allzu langer Zeit, verrotteten sie noch untätig in der Talwar – Wüste, nahe der südlichen Schädelplatte, doch wie auf einen unsichtbaren Befehl hin setzte sich dieser Alptraum in Bewegung. Jenseits des Meeres begannen sie einen unerwarteten Kreuzzug gegen die Menschheit. Städte brannten, unzählige Menschen flohen daraufhin nach Friedstatt.

"Und wie soll ich helfen?" Die Pfeifen verklangen, ein tosender Applaus brandete durch die Wirtsstube.

"Ich brauche ein paar Männer – und ich meine Männer, entschlossene Haudegen. Ich will dort hin, in die Wüste und meinen Vater suchen."

Bagatosh staunte nicht schlecht, nervös tippelte er mit seinen Fingern auf dem Tisch vor sich.

Es fiel ihm schwer sich überhaupt noch zu konzentrieren.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht – die Frau imponierte ihn. Nun, wenn Blutwälz sie schätzte, musste sie zwangsläufig ein besonderer Charakter sein.

"Und die Bezahlung?" Es rutschte ihm so raus – es war ziemlich oberflächlich gewiss, aber er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen.

"Nun.." , der Schmollmund war verschwunden – ihre Laune ließ merklich nach, "Gut, das habe ich jetzt nicht erwartet."

Manchmal war es einfach besser – den Rausch zu genießen und einfach die Klappe zu halten.

"Nun, ich habe einige Ersparnisse und alles, was wir auf unserer Reise finden, gehört wohl uns."

Bagatosh nickte nur. So einige Namen fielen ihm spontan ein.

Ela bat ihn noch weitere Männer zu rekrutieren – in ein paar Wochen sollte es losgehen. Warum hatte er den Auftrag angenommen? Es war unweigerlich ein Himmelfahrtskommando, das stand schon mal fest.

Fliehen – seine Situation war unübersichtlich. Täglich stellte ihm jemand nach – und trachtete ganz unverblümt nach seinem Leben. Der Zwerg war insoweit eingeweiht, doch was sollte er tun? Eine Belohnung war zur Hälfte ausgezahlt, aber niemand traute sich an den Truchsess heran, man munkelte er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und das glaubte Bagatosh allmählich auch.

Er wurde vom Jäger zum Gejagten – Hundedreck! Das wäre auf Dauer keine Zukunftsperspektive und kein wirklicher Anreiz zu bleiben.

Bagatosh sah hinauf – es war sternenklar.

Dumpf hörte er die letzten Gesänge aus der Taverne klingen. Er schritt langsam bergab. Die Mauern leuchteten bleich, so mondbeschienen wie sie waren – es war schon eine tolle Stadt – wollte er wirklich schon wieder raus, raus aus den schützenden Mauern? Schützende Mauern – Baga grinste sich eins.

Eine Frage bewegte ihn – konnte es tatsächlich möglich sein, dass jemand diese Qualen über gut dreißig Jahre erlitt und dabei seine Seele unversehrt blieb?

Er war sich nicht sicher – daher räumte er sich, ganz untypisch seiner Natur, eine Bedenkzeit ein. Wollte er tatsächlich mit dieser Frau und – vielleicht einer handverlesenen Schar da hinaus? Sein Blick wanderte zur mächtigen Stadtmauer, das Banner der Stadt, grüner Grund und die Drei goldenen V´s waren gut sichtbar umschlossen von einem Kreis, der die Stadtmauer repräsentierte. Vera, Volare – warum benutzte die Stadt elbische Worte? Worte des alten Volkes?

Bagatosh hegte berechtigte Zweifel. Der Assassine war unseins mit sich. Er lebte gerade einmal ein Jahr in Friedstatt . Er war froh seine persönliche Flucht so ungeschoren überlebt zu haben – gut, neue Probleme taten sich in jüngster Vergangenheit auf und sicherlich würde die schwarze Gilde nach einer Neuordnung und Reformation, sich seiner wenig glorreichen Taten erinnern, aber das würde noch sehr lange dauern – hoffte er jedenfalls inständig.

Ihm ging es gut und das war ein seltener Umstand. Er genoss die Stadt und seine Stellung – warum sollte er sie für so ein Himmelfahrtskommando aufs Spiel setzen? Wegen der schönen Augen?

Diese Frau war wirklich eine Schönheit und kultiviert noch dazu, besaß sie einen gewissen naiven Charme, der ihn unweigerlich faszinierte.

Bagatosh stützte sich gerade an einer niedrigen Mauer ab. Beiläufig bemerkte er das Funkeln einer Rüstung. War das nicht…?

"Nun, wir kennen uns – oder?"

Bagatosh sah auf, tatsächlich, es war Trischaa der Obman, der Großmeister dieser verpissten Inquisition höchstselbst.

Ehe er sich fing und etwas erwidern konnte, bekam Bagatosh auch schon einen groben Schlag auf den Kopf. Er beobachtete noch im halbbewussten Fallen, wie sein Turban über den Asphalt rollte und in einer Böschung gegenüber verschwand.

Geschichten aus Friedstatt Band 2: Flammendurst

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