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5. Weihnachten im Stau

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„Euch ist ein Kindlein heut geborn, von einer Jungfrau aus Elmshorn.“ erzählt mir mein MP3-Player. „Der weiße Neger Wumbaba von Axel Hacke“, denke ich. Eine CD über das Verhören. Jeder weiß, dass es „Von einer Jungfrau auserkorn“ heißt, nicht „Elmshorn“.

Ich sitze in meinem Auto und stehe im Stau. Dass ich es noch pünktlich nach Hause schaffe, ist unwahrscheinlich. Und ich bin sauer, so sauer, dass ich mich ernsthaft frage, wie blöd man sein muss, um „Elmshorn“ statt „erkorn“ zu verstehen. Axel Hacke erzählt weiter, dass man auch „aus Erkorn“ verstehen kann.

Ich kann gar nichts mehr verstehen. Da wir an Weihnachten einen halben Tag arbeiten müssen, habe ich durchgeboxt, früher gehen zu dürfen und quasi nur einen Vierteltag gearbeitet. Musste aber für zwei Stunden in die Firma kommen und jeder weiß, wie wahnsinnig viel Arbeit man in zwei Stunden doch bewältigen kann, aber Urlaub nehmen, nein, das durfte ich nicht.

Und jetzt bin ich auf dem Weg nach Hause. Zu meinen Eltern, um ganz genau zu sein. Die wohnen in Bayern, ich in Hessen. Prinzipiell nicht schlimm und die 250km sind eigentlich auch gut zu fahren, wenn da nicht irgendwer mal wieder sein Auto überschätzt hätte.

Ich tippe ja auf so einen hyperduper Geschäftsmann, der noch schnell vor 18.00 Uhr seine Geschäfte erledigen muss und halt mal ein bisschen auf die Tube gedrückt hat, wahrscheinlich in so einer 200 oder mehr PS Limousine. Und wegen diesem Trottel darf ich jetzt hier im Stau stehen. Na toll!

Ich merke, wie ich immer wütender werde, mir vorstelle, wie meine Familie am Esstisch sitzt, Weihnachten feiert und ich hier im Auto als erstes erfriere und dann verhungere um abschließend zu verdursten, die Reihenfolge ist beliebig austauschbar.

Jetzt tue ich mir leid, sehr sehr leid. Ich will Weihnachten einfach bei meiner Familie sein und zwar pünktlich, einfach weil es schön ist. Mittags wird der Baum geschmückt, Tradition aus Kindertagen, damit die Zeit bis zur Bescherung schneller rumgeht. Danach machen wir einen Waldspaziergang, wobei immer zwei aus der Familie im Wechsel zu Hause bleiben und das Essen vorbereiten (keine Tradition aus Kindertagen). Und dann Bescherung um 18.00 Uhr. Traditionell, aber wunderschön. UND ICH HÄNG IM AUTO FEST.Seit zwei Stunde geht nichts mehr, wenigstens ist der Tank voll. Also er war voll, als ich losgefahren bin.

Der Travel Pilot springt an, Axel Hacke verstummt. „Vollsperrung der A6 wegen Unfall, 18km Stau. Bitte folgen Sie der ausgeschilderten Umgehung“. Nützt mir nichts mehr, die Umgehung, ich steh mitten im Stau. Wütend beginne ich, auf dem Lenkrad rum zu trommeln.

Plötzlich ein Klopfen am Fenster. Ich bin mir sicher, das habe ich mir nur eingebildet. Nein, doch nicht, es klopft nochmal. Vorsichtig lasse ich das Fenster herunter, man weiß ja nie. Das stellt sich als blöde Idee heraus, denn jetzt rieselt Schnee zum Fenster rein.

Eine junge Frau, die mich freundlich anlacht, steckt den Kopf zum Fenster herein. „Ich beobachte dich schon eine ganze Weile wie du immer wütender wirst. Mit gehört das Auto direkt neben dir. Hast du noch was vor?“

„Ja“, brummel ich, „Weihnachten feiern.“

„Wie wir alle vermutlich“ bekomme ich als lapidare Antwort und sie fährt fort „Also Möglichkeit 1: Du grummelst weiter vor dich hin und der Stau bleibt. Möglichkeit 2: Ich hab nen Kasten Cola dabei und irgendwo auch noch Plätzchen. Dann feiern wir beide im Auto Weihnachten?“

Komische Idee, aber irgendwie hat sie was. Besser zu zweit als alleine im Stau stehen und die Vollsperrung kann noch ewig dauern.

„Das ist eine nette Idee, komm rein.“

„Nee, muss erst die Sachen holen, Moment.“ Weg ist sie.

Für einen kurzen Augenblick frage ich mich, ob ich das alles einfach nur geträumt habe. Allerdings ist das Fenster immer noch offen und im Auto fällt die Temperatur merklich.

„So, da bin ich wieder.“ Sie plumpst neben mir auf den Beifahrersitz. „Hab keine Gläser dabei, aber für jeden eine Flasche. Die Plätzchen hat meine Mitbewohnerin gebacken, allerdings kann sie nicht kochen, wenn sie genauso backt, sollten wir die vielleicht aus dem Fenster werfen.“

Ihre gute Laune ist ansteckend, was mich zuerst wütend macht, weil ich mir grad selbst nicht mehr leidtun kann, dann aber stelle ich mir ihre Mitbewohnerin vor, wie sie versucht, einen Topf Tomatensoße zu kochen und ihn in die Luft jagt. Jetzt muss ich lachen.

„Warte mal, ist zwar als Geschenk für meine Schwestern gedacht, aber hinten im Kofferraum hab ich Plätzchen und die kann man zu 100% essen, die hab nämlich ich gebacken.“

„Ein Mann, der backt? Ich lass mich überraschen.“

So endete dieser Weihnachtsabend für mich. Wir saßen 3 Stunden in meinem Auto, tranken Cola, aßen Plätzchen und unterhielten uns. Danach war die Vollsperrung endlich aufgehoben, sie stieg wieder in ihr Auto und jeder von uns fuhr seiner Wege.

Bei meinen Eltern kam ich erst abends um 22.00 Uhr an, sie hatten aber mit der Bescherung auf mich gewartet, nachdem ich per Handy Bescheid gegeben hatte.

Ach ja, ich weiß noch nicht einmal den Namen meiner zeitweiligen Beifahrerin.

Adventskalender einmal anders

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