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Es geht um Ihre Glaubwürdigkeit

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Im Sommer 1999 trug jeder zweite Mann ein blaues Hemd mit einer gelben Krawatte. Ein Jahr später waren schwarze und graue Hemden mit schwarzen und grauen Krawatten an der Reihe, und im Herbst 2000 kam der Einheitslook aus dunkelroten Hemden mit dunkelgrauen Krawatten auf den Plan. Es ist unwahrscheinlich, dass all denen, die wie auf einen Schlag anfingen, schwarze, graue und dunkelrote Hemden zu tragen, diese Hemden gefielen plötzlich so viel besser als noch vor ein paar Monaten. Denn gegeben hat es sie schon immer, nur waren sie nicht Mode. Aber sobald etwas als modisch gilt, machen es alle nach. Wer mitmacht, was die Mode vormacht, hat es schwer, als Identifikations- und Integrationsfigur Vorbildfunktion für sich zu beanspruchen. Er sollte eigene Kriterien haben, sonst ist es mit seiner Glaubwürdigkeit nicht weit her.

 Herren-Einreiher haben heutzutage mehrheitlich drei Knöpfe. Obwohl korrekt nur der mittlere geschlossen wird, machen fast alle Männer die beiden oberen zu. Warum? Weil man es in den Magazinen und den Schaufenstern so sieht.

 Bei 95 Prozent der Manager (und Politiker) sind die Ärmel am Jackett zu lang. Von den Verkäufern wird ihnen gesagt, dass man die Ärmel heute nach Belieben auch länger tragen kann. Dem ist aber nicht so. Tenue correcte verlangt, dass die Manschetten im Stehen als Streifen von 1,5 cm sichtbar sind. Die Auskunft in den Läden fällt auch nur so aus, weil die Verkäufer nicht in Klasse geschult sind und Ärmel kürzen zudem eine Dienstleistung ist, die sich nicht mehr rechnet. Und der Zeitgeist tut dann so, als käme es darauf nicht mehr an.

 Brillen sind eine Sehhilfe und sollten die Sicht also in beide Richtungen verbessern und die Kommunikation nicht behindern. Im Moment sind jedoch Minibrillen Mode, bei denen man weder ungeschmälert raus- noch reinschauen kann. Wenn sich nun ein Tagesschausprecher eine solche Modetorheit anschafft, hat das eine fatale Kommunikationseinbuße zur Folge: Die Zuschauer am Bildschirm sehen seine Augen nicht mehr ganz, sondern vom Brillengestell angeschnitten, und er selbst muss mit leicht angehobenem Kopf in die Kamera schauen, weil er sonst selber dauernd seinen Brillenrand störend im eigenen Blickfeld hat.

 Eine offene Ausstrahlung ist ein unschätzbarer Wert im Kontakt mit den Mitmenschen. Wie mächtig muss doch der modebedingte Nachahmungstrieb sein, wenn trotzdem immer mehr Männer mit Backen-, Schnurr- und Zweitagebärten ihren Gesichtsausdruck mutwillig beeinträchtigen. Man könnte meinen, es sei ihnen egal, ob sie einen professionellen Eindruck oder den eines Bohemien machen.

 Als Businesslady legen Sie Wert darauf, dass man Sie in erster Linie als fachliche Kapazität schätzt und nicht als feminine Zierde. Mit Buntheit aus den dezent grau und dunkelblau gekleideten Männern herauszustechen, ist deshalb nicht das Wahre. Wenn Sie also, weil die Modesaison es so propagiert, Ihr Kostüm pink, gelb oder groß gemustert wählen, fallen Sie am Kongress oder am Meeting ganz bestimmt nicht wegen Ihrer Fachkompetenz allen auf.

 Für die Mode sind die weiblichen Reize ein zentrales Thema, im Geschäftsleben nicht. Emanzipiert, wie Sie sind, besitzen Sie heute überzeugendere Durchsetzungsstrategien als die Waffen einer Frau. Es gibt also keinen Grund, ärmellos und bauchfrei im superkurzen, knallengen Rock auf hochhackigen Bleistiftabsätzen zur Arbeit zu erscheinen. Das bedeutet keineswegs, dass Sie als Karrierefrau in Sack und Asche daherkommen müssen. Achten Sie auf edle Stoffe statt auf Farbenfreudigkeit, auf die Varietät von Geweben statt laute Muster.

 Wenn Sie Ihre Gesichtszüge mit Make-up betonen, ist das ganz in Ordnung, aber bitte nicht bemalen. Violette Lippen wirken morbid, pinkfarbene milieufremd, schwarz umrandete Augen machen einen unausgeschlafenen, verlebten Eindruck, und bei farbigen Spraysträhnen im Haar kommen Zweifel auf an Ihrer Fähigkeit, nein sagen zu können.

Kam, sah und siegte - Klasse ist lernbar

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