Читать книгу Rauhnachtsfrüchte - Christine Kralik - Страница 6

Ratlos

Оглавление

Gestern bin ich doch – tatsächlich – etwas länger geblieben als sonst und habe es erstmals gewagt, in deine schönen Augen zu schauen. Dein Blick ist offen und ruhig und ich – sterbe tausend Tode.

Schon treibt mich ein eiliger Puls in wunderliche Räume hinein, deren Verheißung mich verführerisch anweht.

Ein feiner, lieblicher Wind lässt zarte Schleier tanzen, und dein schmales Gesicht ist ganz ernst und anders und fremd, und dennoch vertrauter denn je.

Ich stehe mitten im Zauber und kann sehen, wie du mit der Zeit immer durchsichtiger wirst und nun in anderen Gestalten vor mir erscheinst, mal alt, mal hässlich, bedrohlich und streng – mal kräftig und edel und schön – ein Elf und ein Prinz, eine Dirne, ein Mönch und ein Kind.

All deine zahlreichen Formen kommen hervor und sprechen sich aus.

Die Luft ist jetzt stark elektrisch geladen, und winzige Blitze knistern mal hier und mal dort.

Mir ist, als könnt ich im nächsten Moment die ganze Wahrheit erkennen.

Sie wölbt sich mir schon entgegen, wie ein Brot, ich muss nur nach ihr greifen, doch etwas hält mich zurück, will sich in Sicherheit bringen!

Vertraute Gedanken säen ihre Zweifel, befürchten, du könntest heimlich über mich lachen, wie ich so dasteh, so seltsam und stumm vor dir …

Du gibst mir kein Zeichen, und mir fehlt jetzt der Mut, dich darum zu bitten.

Mein Zögern öffnet sein Ohr jener Stimme, der ich oft folgen muss, obwohl ich weiß, dass sie lügt: „Mach dich doch hier nicht zum Narren“, herrscht sie mich an. „Schleunigst nach Hause mit dir. Der ist doch für dich viel zu jung!“

Beschämt drehe ich mich um, zur Tür. Vielleicht hast du ja gar nichts gemerkt, vielleicht – ist ja gar nichts geschehen?

Daheim tropft die Stille in mich hinein und zu meinen Füssen bilden sich kleine Pfützen.

Sie fließen zusammen zu einem See, der schnell größer und größer wird. Das Wasser steigt höher und höher und ich sinke tiefer und tiefer hinab auf den grundlosen Grund.

Ein zärtlicher Friede heißt mich willkommen, und ganz sachte legt er seinen samtenen Mantel um mich.

Jetzt hält er sogar meine Hand, als wüsste er wie traurig ich bin.

Rauhnachtsfrüchte

Подняться наверх