Читать книгу Joe Cocker - Die Biografie - Christof Graf - Страница 10

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Joes erste Band „The Cavalliers“ (1960) / Joe verlässt die Schule und beginnt eine Lehre als Klempner (1960) / „Vance Arnold & The Avengers“ (1961) / Als Lokalmatador in Sheffield (1962) / Die erste große Liebe (1963) / Der erste Plattenvertrag mit der Single „I’ll Cry Instead“ von den Beatles (1964) / Joe schmeißt die Ausbildung zum Gasinstallateur (1964) / Mit Chris Stainton Gründung von „The Grease Band“ (1966) / Rückkehr in die Musikszene und so manches Mysteriöse im Esquire Club (1967) / Joe erstmals in Amerika (1968) / Studio-Album Nr. 1: „With A Little Help From My Friends“ (1969) / Legendenbildung im August 1969 mit Love, Peace & Music in Woodstock (1969) / Studio-Album Nr. 2: „Joe Cocker!“ (1969) / Erster Kontakt mit Leon Russell (1969)

Um die Jahreswende 1959/1960 gründete Joe mit seinen Freunden seine erste richtige Band namens „The Cavalliers“. John Mitchell, ein Freund und Nachbar, spielte Banjo und Rhythmus-Gitarre, Phil Crookes Solo-Gitarre und Bob Everson Bass. Joe kaufte sich eine Snare-Drum und ein paar Becken. Er übernahm sowohl die Rolle des Schlagzeugers als auch des Sängers in der Band. Den ersten Song, den sie eingespielt hatten, „Johnny B. Goode“, performten sie auch als Opener beim ersten öffentlichen Auftritt im Jugendclub in der Wesley Hall in Crookes Mitte 1960. Ray Capewells, ein Freund und der Einzige, der einen Firmenwagen zum Transport der Instrumente auftreiben konnte, wurde quasi auch zum Manager der Truppe und damit zu Joes erstem Vertrauten in dessen musikalischer Karriere.

1960 verließ Joe die Schule, die er im letzten Jahr so gut wie nicht mehr besucht hatte, weshalb er relegiert worden war. Im Alter von 16 Jahren trat er im Sommer 1960 schließlich seine erste Arbeitsstelle beim East Midlands Gas Board an, wo er eine Ausbildung zum Gasinstallateur begann. Diesen Job behielt er bis zum 21. Lebensjahr.

Aus „The Cavalliers“ machte Joe 1961 „Vance Arnold & The Aven­gers“. Er war der Meinung, dass dieser wesentlich „pfiffiger“ klingende Name klarmachte, dass die Gruppe einen Solosänger hatte: nämlich ihn. Auf den Namen sei er beim Lesen der Sheffielder Lokalzeitung gekommen, erklärte er: „Joe Cocker war damals kein so annehmbarer Name. Es war immer mein großes Geheimnis, dass niemand außer mir selbst dafür verantwortlich war, dass ich mich ‚Vance Arnold‘ nannte“, gestand er 1982 in einem Interview bei RADIO HALLAM.

Anfang 1963 lernte Joe Cocker dann seine spätere Freundin Eileen Webster kennen, die fortan zu den Auftritten der Band mitreiste. Eileen, die zwei Jahre jünger war als er, traf er bei einem Konzert mit den Cavalliers. Sie arbeitete als Sekretärin für das National Coal Board und lebte noch bei ihren Eltern. Eileen bedeutete ihm ziemlich viel, aber sie spielte anfangs nur mit ihm, worunter er sehr litt. Zeitweise hatte sie sogar neben ihm noch einen zweiten Freund. Dennoch, Eileen war alles für Joe und seine erste große Liebe, die mit richtig großen Hochs und heftigen Tiefs bis Ende der 70er-Jahre hielt.

1963 kamen auch einige Größen der späteren Musikszene nach Sheffield, deren Konzerte Joe natürlich besuchte, etwa Eric Clapton, Jack Bruce oder The Beatles. Aber er fuhr im selben Jahr auch nach Manchester, wo er ein Konzert von Ray Charles miterlebte. All das Gesehene ließ er in seine eigene Performance einfließen, die sich als Melange aus ungewöhnlichem Gesangsstil und seiner unnachahmlichen Art, sich auf der Bühne zu bewegen, beschreiben ließ. „Ich zuckte und wand mich, als ob ich unter Strom stand. Oft spielte ich eine imaginäre Gitarre, die ich trotz intensiver Anleitung durch Phil Crookes nie richtig zu spielen lernte. Vielleicht verkrampft sich mein Körper deshalb irgendwie“, analysierte Joe später. „Eigentlich hätte ich eine Gitarre zum Festhalten gebraucht.“ Später würde man das als „cockeresque“ bezeichnen.

Die Band kleidete sich stets, der damaligen Zeit gemäß, seriös in Anzug mit Fliege und trat außer in den In-Pubs auch in Arbeiterclubs auf. Damals gab es tatsächlich noch Pubs für Angehörige des Mittelstands und Pubs für Arbeiter.

1964 wurde zum Jahr von Joes erstem Plattenvertrag bei Decca Records. In den Decca Studios in West Hampstead nahm Joe seine erste Single „Georgia On My Mind“ auf. Die Aufnahme ist seinerzeit nicht veröffentlicht worden. Dick Rowe – dem Produzenten, der schon die Beatles abgelehnt hatte – gefiel die Aufnahme nicht. Am 28. Juli 1964 nahm Joe dann noch einmal in einer dreistündigen Session den Lennon/McCartney-Titel „I’ll Cry Instead“ auf. Der spätere Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page begleitete ihn an der Gitarre. Joe hatte diesen ersten Plattenvertrag noch als Vance Arnold abgeschlossen, legte aber zur Veröffentlichung seiner ersten Single den Künstlernamen ab und wurde wieder zu „Joe Cocker“.

„Ich hätte damals nicht gedacht, dass es mich länger als fünf Wochen geben würde. 1964 hatte ich meine erste Platte gemacht – eine Beatles-Coverversion von ‚I’ll Cry Instead‘. Plötzlich stand ich im Rampenlicht –

so wie heute Künstler einer Castingshow. Aber die Platte lief nicht gut, und so fand ich mich ganz schnell am Boden wieder. Mein Vater riet mir, wieder in meinen alten Beruf zu gehen, als Gas-Wasser-Installateur zu arbeiten. Doch es war zu spät. Ich hatte Geschmack am Showbusiness gefunden. Ich hätte damals nicht gedacht, dass ich jetzt noch Musik machen würde“, erzählte er 46 Jahre später im NDR Radio.

Im Oktober 1964 war er zum ersten Mal im britischen Fernsehen zu sehen, in der ITV-Show „Stars & Garters“. Joe wurde zu einer musikalischen Lokalgröße in Sheffield. 1965 wurde der erste Plattenvertrag wieder gekündigt, und Joe ging auf eine sechswöchige Frankreich-Tournee durch Clubs für amerikanische GIs auf US-Stützpunkten. Bei dieser Tour kam Joe, der schon immer gerne ein Bier mehr getrunken hatte, erstmals mit einer neuen Droge in Kontakt: Haschisch. Joe rauchte im Dunstkreis des afroamerikanischen Publikums seinen ersten Joint.

Wenig später folgte ein Angebot, bei Manfred Mann im Vorprogramm aufzutreten. Joe gründete dafür extra die „Joe Cocker’s Blues Band“, die sich zeitweise auch „Joe Cocker’s Big Blues Band“ nannte. Die Joe Cocker’s Blues Band stand auch auf den bereits gedruckten Plakaten – doch Manfred Mann trat nie auf, da es vertragliche Probleme gab.

Nach diversen Kleinauftritten zog sich Joe anschließend für ein halbes Jahr von Live-Auftritten zurück. 1966 machte er erst einmal seinen Führerschein und ging im zweiten Halbjahr mit neuem Elan nach London. Zwischenzeitlich hatte er seine Kündigung als Gasinstallateur wahrgemacht und zur Überbrückung der Zeit ohne Engagements einen Nebenjob in einem Pressevertrieb angenommen. Alles hinwerfen für seinen Traum, um allein von der Musik zu leben, wollte er nie. „Ich habe gelernt, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Und zwar jeden Tag. Ich habe die Schule schon mit 16 Jahren verlassen und nie eine Universität besucht. Stattdessen bin ich jede Nacht in den Clubs von Sheffield aufgetreten. Die Straße war meine Schule“, resümierte Joe Cocker und erinnerte dabei gleichzeitig daran, dass er Ende 1966 Chris Stainton aus Sheffield traf, den er als Musiker und Mehrfachinstrumentalisten sofort zu schätzen wusste. Mit ihm traf er eine Art „Brother in Soul“, einen Freund und Weggefährten fürs Leben, der ihn sowohl motivierte wie auch inspirierte, ja, mit dem er sogar begann, gemeinsame Songs wie z. B. „Sandpaper Cadillac“ oder „New Age Of The Lily“ zu schreiben.

1967 und 1968 verbrachten Joe und Chris mit Live-Auftritten und dem Schreiben von weiteren Songs. 1968 zog er mit Chris dann nach London und suchte in den Studios nach Kontakten. Dort nahm er auch den Beatles-Song „With A Little Help From My Friends“ auf. John Lennon und Paul McCartney hatten den Titel für ihren Drummer Ringo geschrieben, der ihn auf dem Kultalbum „Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ sang. Joe legte das Lied als schmerzerfüllte, gefühlsbetonte Tragödie an, in die er all seine Gefühle hineinlegte. „Der Song ging mir nicht mehr aus dem Kopf, aber ich wollte einen ¾-Walzer sowie ein klassisches Bach-ähnliches Orgelintro. Die 13. Aufnahme war dann die, die für die Veröffentlichung am 2. Oktober genommen wurde. Wir wussten sofort: Das ist sie. Es war, als hätte Gott die Regie übernommen“, erinnerte sich Joe an die Entstehung der Aufnahme, die ihn weltberühmt machen sollte. 13 Wochen lang hielt sich die Single in den Charts, mehrere davon auf dem ersten Platz. „Die Beatles schickten mir ein Glückwunsch-Telegramm mit dem Inhalt ‚Thanks, you are far too much‘, und es veränderte sich alles.“

Rückblende ins Jahr 1962: Dass sich alles verändern würde – und das alles auch noch mit „With A Little Help From My Friends“ – wurde schon sechs Jahre zuvor quasi „vorausgesehen“. Terry Thornton und Don Hale erinnern sich in ihren „Geistergeschichten über Joe Cocker, Gespenster und Geister-Nachtclubs“ noch gut an die Jahre 1962–1968, in denen Terry Thornton Joe Cocker bis zu seinem Durchbruch 1968 begleitete und unterstützte. Aus seiner Sicht sahen diese sechs Jahre so aus: Terry war entschlossen, für den jungen großspurigen Cocker, einem unberechenbaren Wildfang, das Management zu übernehmen. Es war oftmals ein Kraftakt, Joe rechtzeitig nüchtern auf die Bühne zu bekommen. Viele Male kämpfte er, um den jungen Blender davon abzubringen, den Selbstzerstörungsknopf zu drücken. Der tüchtige Unternehmer Terry Thornton eröffnete im Keller des alten Acorn Pub in Shalesmoor einen bizarren neuen Ort für Live-Musik, den er „Club 60“ nannte. Seine Entscheidung war eine Herausforderung für die Bürokratie dieser sich dem gegenüber unwillig gebenden Stadt. Aber sein Club wurde bald zu einem einzigartigen Schaukasten für junge Talente und bekannte schon etablierte Showgrößen, die er in diesen beinahe vergessenen nördlichen Außenposten lockte.

Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren zogen Terry und sein Team von Unterstützern in die nahegelegene Leadmill-Straße um, wo der Club umbenannt wurde in „The Esquire Club“. Einer ganzen Schar zukünftiger Jungstars wie Joe Cocker, Dave Berry, Frank White, Jimmy Crawford, Eric Clapton, Rod Stewart, Elton John, Georgie Fame und vielen anderen half er dort zwischen 1962 und 1967 dabei, sich zu etablieren, indem er sie promotete und sie bei ihrer Weiterentwicklung unterstützte. Als der Club eröffnete, da hatte er bereits ein wahres Staraufgebot zu bieten: Johnny Dankworth & Cleo Laine, Dave Berry & The Cruisers, Tubby Hayes, Ronnie Ross, Don Rendall sowie Shane Fenton (später Alvin Stardust) & The Fentones.

Für die jungen Künstler galt: Wenn man einmal im Esquire gespielt hatte, konnte man auch überall anders einen Job bekommen! Die Presse blieb dem Club stets gewogen und schrieb: „Er hatte die richtige Musik und die richtige Atmosphäre.“

In nur wenigen Jahren war es dem Unternehmer Terry Thornton gelungen, Sheffield auf die Karte mit den Veranstaltungsorten zu setzen. Auf einmal kam eine ganze Horde internationaler Top-Sänger und Entertainer in die Stadt – in den Esquire!

Und es war höchstwahrscheinlich dieser ungewöhnliche, unorthodoxe und phantasiereiche Rahmen, der mit Joe Cocker auch einem weiteren jungen und äußerst vielversprechenden Sänger gefiel. Joe hatte sich bereits schnell einen Namen durch Auftritte in den örtlichen Pubs und kleineren Clubs gemacht – und dann wandte er sich an Terry und fragte ihn einfach geradeheraus, ob er einen Gig bekomme! Es sollte sich herausstellen, dass dieses Zusammentreffen einträglich für beide Seiten sein würde, denn in späteren Jahren verließ sich Joe sehr stark auf Terrys Unterstützung, sowohl musikalisch als auch finanziell. Cocker bestand sogar darauf, dass Terrys Name dem Managementvertrag hinzugefügt wurde.

Der Teenager entwickelte schnell ein Interesse an amerikanischer Blues-Musik und fing an, nach seltenen Import-Platten von John Lee Hooker, Muddy Water, Lightning Hopkins und Howling Wolf zu suchen –

viele von diesen waren bereits im Esquire aufgetreten oder waren bereits gebucht.

Terry erinnert sich noch an das erste Mal, als er auf Joe Cocker traf: „Ich unterhielt mich eines Samstagabends an der Bar des Esquire, kurz nachdem wir den Laden aufgemacht hatten, als dieser pausbäckige junge Teenager mich höflich unterbrach. Er stellte sich mir vor und erklärte, dass er mit einer Band namens ‚Vance Arnold & The Avengers‘ auftrete. Dann erläuterte er, dass er eine Lehre zum Gasinstallateur mache, aber gerne einen Gig in meinem Club als Sänger hätte. Ich sah ihn mir an und dachte – ein Sänger? In Millionen von Jahren nicht! Er sah so gar nicht nach einem Sänger aus. Joe sagte, dass er bereits in ein paar örtlichen Clubs und Pubs in der Gegend gespielt habe und gut angekommen sei. Ich sah ihn mir noch einmal genauer an. Hier stand er und erzählte mir, dass er und seine Band beide gut seien. Joe bat mich immer wieder, ihm die Gelegenheit zu geben, und schließlich – nach so viel Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft – willigte ich ein und sagte, dass ich es für eine Fünfpfundnote mit ihm versuchen würde! Joe strahlte vor Freude.“

Und Terry fährt fort: „Ich dachte an Bobby Vee, der auch ein kleiner schüchterner Typ war, aber wenn man ihn auf die Bühne stellte, wurde er plötzlich lebendig, als hätte man einen Schalter umgelegt. Joe war genau der gleiche Typ. Ich entschied mich schließlich dafür, eine andere Band zusammen mit der von Joe spielen zu lassen – eine wirklich gute Band für den Fall der Fälle –, und beschloss, dass ‚Vance Arnold & The Avengers‘ als Vorband spielen sollten. Die Band war jedoch grandios! Und Joes Auftritt war sicherlich auch eine ganz schöne Überraschung. Noch wichtiger, er kam gut bei den Mitgliedern an – insbesondere bei den R&B-Fans, und ich bot ihm schnell einen festen Auftrittstermin im Esquire an.“

Terry erklärte verschiedentlich, dass er es zu diesem Zeitpunkt als seine Pflicht ansah, jungen lokalen Newcomer-Bands eine Chance zu geben. Er wusste noch von seinen eigenen früheren Auftritten, dass es äußerst angsteinflößend sein kann, wenn man das erste Mal vor Publikum spielt, auch wenn man, wie Joe, absolut selbstbewusst war und davon überzeugt, alles gleich beim ersten Mal zu schaffen. „Joe gefiel mir auch als Mensch. Er war so ein netter Kumpel!“

Schließlich wurde Terry auch Joe Cockers erster Manager und Berater. Es war hauptsächlich Terry, der Joe wirklich davon überzeugte, trotz aller Hindernisse weiterzumachen. Mit seiner eigenen Erfahrung gelang es dem Clubbesitzer, die ehrgeizigen Bestrebungen des Stars noch zu verstärken. Später erledigte er auch dessen Finanzgeschäfte und gab ihm die Kraft, weiterzumachen, auch wenn die Dinge gerade einmal nicht so gut liefen.

Nach seinem Debüt trat Joe immer wieder regelmäßig im Esquire auf, und oftmals wurde er von der lokalen Presse überschwänglich gelobt.

An einem nassen Augustabend im Jahr 1963 sorgte Joe Cocker wieder einmal für Schlagzeilen – aber dieses Mal war es nicht seine Schuld. Unter der Überschrift „Chicago-Razzia in Jazz Club“ berichtete die Sheffielder Tageszeitung DAILY NEWS, dass in dem Moment, als Joe Cocker angefangen habe zu spielen, Dutzende Polizisten den Esquire Club gestürmt hätten. „Als Vance Arnold & The Avengers gerade bei ihrer ersten Nummer waren, rauschte die Sheffielder Polizei in den Club mit seinen 400 Teenagern.“ Es hieß weiter, dass die Busladung an Offiziellen, bestehend aus 26 Schutzmännern, drei Wachtmeistern, acht Polizistinnen und einem Inspektor, jeden nach seinem Namen und seiner Adresse befragt habe. Weiter wurde berichtet, dass die Polizei draußen auf der Straße mit Streifenwagen und Motorrollern patrouilliert habe, um sicherzustellen, dass niemand entkommen konnte. Der Clubbesitzer sagte später: „Ich glaube, dass die Polizei das Ganze sehr ungeschickt anging. Es war wie bei einer Razzia in Chicago zur Zeit der Prohibition. Man konnte meinen, dass alle nach der Schließzeit noch trinken würden. Die Polizei stürmte einfach herein und rief: ‚Ihr seid umstellt – rührt euch nicht von der Stelle!‘ Es war völlig irrsinnig. Viele Top-Musiker sind hier aufgetreten und haben das gute Benehmen unserer Mitglieder gelobt. Wir verkaufen keine hochprozentigen Drinks, und die Leute kommen hierher, um eine schöne Zeit zu verbringen und gute Musik zu hören.“

Auf der Titelseite des SHEFFIELD TELEGRAPH stand: „Polizeirazzia in Teenie-Nachtclub.“ Es hieß weiter: „Am Wochenende wurden mehr als 500 Teenager bei einer Polizeirazzia in Sheffields größtem Jazz-Club festgehalten und befragt – manche bis in die frühen Morgenstunden. Drei Stunden lang versperrte die Polizei alle Ausgänge des Esquire Clubs in der Leadmill Road. Niemand durfte das Gebäude verlassen, bis er nicht seinen Namen und seine Adresse zu Protokoll gegeben hatte. Diese wurden dann anhand eines Adressbuches überprüft, und jeder musste einen Fragebogen ausfüllen, in dem er sämtliche Details zu seiner Anwesenheit im Club angeben musste. Der Grund für die Razzia war der, zu überprüfen, wie viele Nicht-Mitglieder sich in das Gästebuch eingetragen hatten, so wie es vom Gesetz verlangt wird. Die Stürmung erfolgte gerade, als Vance Arnold & The Avengers begonnen hatten zu spielen. Während die fünfköpfige Band ihre erste Nummer präsentierte, kam die Polizei herein und verkündete, dass der Club nun unter Polizeiaufsicht stehe.“

„Einer der Avengers – Phil Crookes – erklärte, dass sie in den letzten zwei Monaten bereits fünf Mal im Club aufgetreten seien und dass der Club sehr gut geführt werde. Jeder verneinte die Anspielungen auf Alkoholgenuss und verwies auf die beiden Wirtshäuser, die sich ein bisschen weiter die Straße hinunter befanden.“

Weiter teilte die Zeitung mit, dass der Polizeipräsident Folgendes angegeben habe: „Es wurde gegen das Mitgliedschaftsgesetz verstoßen. Es waren 479 Teenager im Club anwesend, und von diesen waren 345 keine Mitglieder; es gab also in dieser Richtung durchaus Verstöße.“

Der Artikel erwähnte auch den Clubbesitzer, der dazu sagte: „Ich zolle den jungen Leuten aus Sheffield Anerkennung, dass sie die Befragung und die vielen Wartestunden so gut ertragen haben. Die Polizei überprüfte die Mitgliedschaft, ging dabei aber sehr langsam und schwerfällig vor – und manche Leute wurden sogar davon abgehalten, auf die Toilette zu gehen.“

Terry erklärte, dass zwar einige Nicht-Mitglieder an diesem Abend anwesend gewesen seien, sie jedoch von Mitgliedern als Gäste mitgebracht worden seien. Es wurde allerdings behauptet, dass viele Besucher nicht registriert worden seien, da Terrys Frau Audrey sie einfach so hereingelassen habe – schließlich wären sonst die Frisuren der Mädels ruiniert gewesen!

Joe Cocker hatte mit seinen Avengers als Vance Arnold angefangen. Er war der Schlagzeuger gewesen, aber schon bald kam er nach vorne, als die Band sein Talent als Sänger bemerkte, insbesondere bei den Rhythm-’n’-Blues-Stücken. Bassist Bob Everson war ein Shadow-Fan und ganz besonders ein Fan von Jet Harris. Steve McKenna kam als Letzter hinzu und ersetzte Joe dann am Schlagzeug. Graham Hobson an der Rhythmusgitarre war erst 17 Jahre alt und harmonierte gut mit Phil Crookes, der selbst schon bald einen Ruf als ausgezeichneter Gitarrist erlangte. Joes Karriere kam anfangs nur langsam in Gang, da er sich einer harten Konkurrenz von bekannteren und erfahreneren internationalen Künstlern gegenübersah. Oft war er gezwungen, Gigs weiter draußen auf dem Land zu machen.

Terry verhandelte ständig mit Londoner Agenten und versuchte sie davon zu überzeugen, der Band eine Chance zu geben und sie in den südlicheren Regionen auftreten zu lassen. Die meisten der Londoner Agenten hatten etwas gegen den Namen „Cocker“ einzuwenden, und erst als Terry drohte, er würde ihre Künstler im Esquire nur auftreten lassen, wenn sie ihrerseits Joe Cocker auftreten ließen, stimmten sie dem Deal zu.

Terry gab sogar mit Zustimmung von Joe Cocker ein spezielles Demotape von Vance Arnold & The Avengers in Auftrag. Der Clubbesitzer bestätigte: „Es war eigens im Esquire aufgenommen worden. Ich habe alle Kosten getragen, und es sollte Joe helfen, weiterzukommen und zusätzliche Gigs zu finden. Es wurde nur ein ganz einfaches Set verwendet mit einem Mikrofon, das an einer Schnur von der Decke hing. Auf dem Tape waren sechs Stücke, darunter ‚Money‘, ‚Georgia On My Mind‘, ‚You’d Better Move On‘. Der Sound war wirklich großartig und brachte den jungen und frischen Joe Cocker zur Geltung. Die Aufnahme schlummerte 36 Jahre lang in einem Schuppen, bis sie zufällig wiederentdeckt wurde.“

1963 sah die Zukunft für das junge Teenie-Talent trotz einiger anfänglicher Rückschläge indes blendend aus. Er erhielt viele Anfragen für Aufnahmen – und das Vertragsangebot von Terry Thornton und seinem Kollegen Martin Yale. Der Abschluss dieses Vertrages versetzte Joe Cocker, den Handwerker, der bisher lediglich ein paar Pfund die Woche dazuverdient und damit seinen Lohn als Gasinstallateur aufgepeppt hatte, in Hochstimmung.

Die Agentur von Martin Yale regte den Vertrag an, aber Joe bestand darauf, dass auch Terry seinen Namen druntersetzen sollte. Terry zögerte, da er befürchtete, dass seine Verpflichtungen im Club ihn zu sehr fordern würden, und er hatte zudem das Gefühl, dass der Provisionssatz möglicherweise zu hoch sei. Er sagte Joe Cocker, dass er nicht beidem gerecht werden könne, ihm und dem Club, und ließ folglich Martin als einzigen Agenten stehen.

Terry erzählt gerne über diese aufregende Zeit: „Es war für einen Bluessänger ungewöhnlich, den Text zu improvisieren, während die Band den Rhythmus vorgibt. Traditionell haben Bluessongs aus dem tiefen Süden Amerikas bunte Zeilen und Geschichten, und nach einer besonders langen Session auf der Bühne, als Joe im Bluesstil gesungen hatte, fragte ich ihn, worüber er da eigentlich gesungen habe. Bandmitglied Dave Memmott fing an zu lachen und erklärte: ‚Joe singt von seiner Katze. Er liebt diese Kreatur und kann stundenlang davon schwärmen. Er liebt es, von seiner Hauskatze zu singen.‘“

Das war Joe, ein schüchterner, liebenswerter Typ aus der Crookes-Gegend – der singen konnte und sogar damit durchkam, dass er über seine Hauskatze sang!

Im November 1963 war der Esquire Gastgeber für die BBC, die eine besondere Aufnahme mit den Chartstürmern Dave Berry & The Cruisers machen wollte. Die Zeitungen waren voll mit den Geschichten über die New-Wave-Musik, einem Trend, der sich schnell im ganzen Land verbreitete. Eine Zeitung schrieb: „Eine Mischung aus Mods, Beatles, Ravers und langhaarigen Mädchen schüttelten sich, rockten und zuckten nach Herzenslust im Esquire Club, als Dave Berry & The Cruisers all ihren Fans ein großes Dankeschön für die Unterstützung in den vergangenen drei Jahren aussprachen. Im Publikum waren an diesem Abend auch Joe Cocker sowie Ray Stuart und all seine Monster und natürlich auch Frankenstein.“

Terry entwickelte den Club mit vielen anderen verrückten Ideen weiter, und besonders seine „All-Nighters“ liefen richtig gut an. Joe Cocker wurde zu einem der Höhepunkte und änderte den Namen seiner Band, wie gesagt, von Vance Arnold & The Avengers in Joe Cockers Big Blues Band. Joe und seine Band traten bei einer von Terrys besonderen Nächten, die von Mitternacht bis sechs Uhr morgens gingen, am 26. Dezember 1964 auf.

Es wurden für die Mitglieder auch Club-Ausflüge zu Auftritten in anderen Städten organisiert. Joe Cocker und auch einige andere Bands nahmen Teil und schauten sich aufmerksam die Gigs anderer Künstler in größeren Clubs an. Zusätzlich war Joe auch immer in Terrys Club anzutreffen, wenn dort Größen wie Graham Bond, Ginger Baker, Jack Bruce oder Sonny Boy Williamson auftraten.

Im Laufe des Jahres 1963 lehnte Terry ein Auftrittsangebot der Beatles ab. Sie wollten einen Lohn von 30 Pfund, und dies schien Terry für eine noch aufstrebende Band zu viel. Ebenso nutzte er die Chance nicht, eine andere Band aus dem Süden, die sich Rolling Stones nannte, im Club auftreten zu lassen. Ihre Forderung von 75 Pfund wurde zu der damaligen Zeit als astronomische Summe betrachtet!

Aufgrund der Sparsamkeit des Clubbesitzers war Cocker gezwungen, quer durch die Stadt zu reisen, um die Beatles auftreten zu sehen. Das Leben im Esquire war jedoch inzwischen wirklich aufregend geworden, denn die Einladung, im Club aufzutreten, wurde von vielen amerikanischen Top-Blues- und Jazz-Sängern angenommen. Unter den berühmten Gesichtern, die regelmäßig im Club auftraten und die Musikszene dominierten, waren John Lee Hooker, John Mayall, Howling Wolf, Carl Perkins, Memphis Slim, Little Walter, Muddy Waters, Sister Rosetta Tharpe, Alexis Korner und viele andere Künstler.

Die Rock’n’Roll-Stars kamen direkt von den Top-Charts-Shows und anderen Veranstaltungen. Darunter waren The Merseybeats, Billy J Kramer & The Dakotas, die Kinks, die Yardbirds, die Barron Knights, Alan Price & The Animals, die Liverbirds und Joe Cocker’s Big Blues Band. Cocker hatte zu dieser Zeit bereits Höhen und Tiefen. Obwohl er in der Heimat viel Unterstützung fand, schwankte seine Beliebtheit anderswo, und folglich litten seine Finanzen darunter. Er liebte die Auftritte im Esquire, der für ihn ein Ort zum Relaxen war – und wo er sogar ohne Druck neues Material ausprobieren konnte.

Eine der schlimmsten Erinnerungen von Cocker war, als er auf einer Tournee im Empire in Sunderland auftrat. Verschiedene große Namen hatten in letzter Minute abgesagt, und Cockers Band wurde ohne Unterlass ausgebuht und verhöhnt. Wenig später wurde eine Tournee abgesagt. Die Sheffielder Zeitungen schrieben: „Die abgesagte Tournee ist ein Rückschlag für Joe.“ Sie behaupteten, dass Joe Cocker immer noch deprimiert gewesen sei, als er plötzlich die Neuigkeit über die Tournee mit Manfred Mann, den Merseybeats und Little Eva erfuhr. Cocker sagte: „Ich wäre jetzt sehr zurückhaltend bei der Zusage zu einer weiteren Tournee. Man hat mir einen Vertrag angeboten, und in der Konsequenz habe ich viele andere Auftritte abgesagt.“ Er bestätigte, dass er um die 30 Pfund Verlust pro Woche wegen der Absage gemacht habe. Um sein Äußeres ansprechender zu gestalten, beschloss Joe, sich seine Haare richtig kurz schneiden zu lassen. Er sagte: „Ich weiß, zugegebenermaßen, das ist ein Griff in die Trickkiste, aber das schulterlange Haar ist zu schwer zu pflegen, und außerdem kommt es mir immer in die Quere!“

Trotz einiger kleinerer Erfolge außerhalb von Sheffield – meistens war er dabei die Vorgruppe von anderen Bands –, wurde die Situation für Joe Cocker in diesem Jahr kurz nach Weihnachten richtig schlimm. Auf der Rückfahrt von einem Auftritt in Louth, Lincolnshire, während einer Kälteperiode auf vereisten Straßen wurde Cocker endgültig klar, dass er ganz unten angekommen war. Es gab quasi keine Engagements mehr, und er sagte Terry Thornton, dass er die Band auflösen werde. Terry war schockiert und schritt umgehend zur Tat, indem er mit seinen Clubkontakten telefonierte, darunter auch seinem Freund vom Hamburger Star Club und anderen Agenten im Ausland.

Schließlich gelang es Terry, den Jungs ein Engagement für sechs Wochen in Frankreich zu verschaffen. Sie könnten dort auf vielen amerikanischen Luftwaffenstützpunkten auftreten. Das waren gute Nachrichten, aber um die Termine einhalten zu können, mussten sie sofort aufbrechen. Joe wurde zuerst in Kenntnis gesetzt, dann Dave Memmott, Dave Green, Vernon Nash und schließlich Dave Harper. Manche von ihnen wurden regelrecht aus dem Bett geholt …

Joe war jetzt wieder voller Energie, und nachdem sie dem Clubbesitzer für diese neue Chance gedankt hatten, machten sich alle in Dave Memmotts altem Transporter auf zur Südküste. Terry erzählt die Geschichte gerne ausführlich: „Zu dieser Zeit hatte jede Band einen schmutzigen und eher klapprigen alten Transporter. Das war bei Joe und seinen Jungs nicht anders, und Daves Transporter hatte sogar eine klemmende Tür! Ich habe ihnen Geld gegeben für die Überfahrt mit der Fähre und andere Ausgaben. Sie waren unterwegs zu ihrem ersten Gig in Orleans, aber zunächst mussten sie eine eiskalte Winternacht in der Nähe von Dover auf einem matschigen Feld im Transporter verbringen. Allerdings war es so, dass sie, als sie schließlich in Frankreich ankamen, eine Summe von 450 Pfund an den Zoll zu zahlen hatten – denn in diesen Tagen war die Nachfrage nach Bandzubehör sehr groß. Sie hatten dieses Geld nicht und wurden folglich nicht ins Land gelassen. Sie kratzten also gerade noch genug Geld zusammen, um die nächste Fähre zurück nach England zu nehmen. Innerhalb weniger Stunden nach ihrer Abreise befanden sie sich wieder in England und pumpten mich schon wieder um Geld an! Ich sendete es ihnen unter der Bedingung, dass jemand bei ihren Stopps im Transporter bliebe, damit das Equipment nicht verlorengehe. Als Nächstes legte ich ihnen nahe, über Ostende in Belgien einzureisen, da dort der Zoll weniger streng sein sollte.“

Sie mussten also eine weitere kalte Nacht im Transporter auf demselben Feld verbringen, bevor sie schließlich in ein neues Abenteuer aufbrachen, dass bald ihrer aller Leben verändern sollte. Schließlich erreichten sie ihr Ziel und wurden ziemlich überraschend von ihren Gastgebern gefragt, ob sie irgendwelche Lieder der Beatles spielen könnten. Joe erklärte, dass sie dies nicht draufhätten, und er wurde umgehend informiert, dass sie in diesem Fall wahrscheinlich gelyncht werden würden! Joe ging damit allerdings locker um, und schon bald akzeptierten ihn die Soldaten der Luftwaffe. Die Band wurde ständig mit Burgern und kostenlosen Drinks versorgt. Es gab jedoch keine Unterkunft und nur wenig Lohn für die Auftritte, so dass sie die meisten Nächte wieder im Transporter verbringen musste. Cocker telefonierte ständig mit dem Club (sogar per R-Gespräch) und bat um mehr Geld für die Deckung der Ausgaben. „Es kostete mich ein wahres Vermögen“, gesteht Terry Thornton und fügt hinzu: „Später bekam ich von ihm einen weiteren dringenden Telefonanruf. Dieses Mal fragte er nach einem ‚Elch‘! Dies war der amerikanische Ausdruck für eine weibliche Sängerin. Cocker war auf einem weiteren Luftwaffenstützpunkt angekommen, und man teilte ihm rundheraus mit: ‚Keine Sängerin, kein Auftritt!‘“

„Ich habe lange angestrengt nachgedacht“, erinnert sich Terry. „Dann kontaktierte ich Marie Woodhouse. Ihrem Vater gehörte ein Pub in den Randbezirken von Sheffield. Sie war eine sehr gute einheimische Künstlerin und sah außerdem ein bisschen wie Marilyn Monroe aus. Ohne sie wären die Jungs am Ende gewesen. Sie hatte einen sehr breiten Akzent, und die Yankees liebten sie. Sie kam unheimlich gut an! Und mit Marie an Bord bekam die Band auch noch mehr Auftritte anderswo. Diese Tournee formte Cocker, und er kehrte als neuer Mensch zurück. Er war voller Selbstvertrauen, sehr professionell und sehr schlank!“

Joe Cockers Leben war auch weiterhin ein Auf und Ab. Im Anschluss an seine Frankreichtournee hatte er mehrere Auftritte im Fernsehen, darunter bei „Top of the Pops“ und „Dee Time“. Er spielte außerdem in der Royal Albert Hall und bekam dafür beste Kritiken, aber er hatte in der Folge nur unregelmäßig Engagements, und es herrschte wieder eine ziemliche Flaute. Joe war gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen, bis er wieder im Aufwind sein würde.

Terry Thornton kämpft weiter für Cocker: „Joe hat immer an seine eigenen Fähigkeiten geglaubt. Er besaß eine ihm ureigene Entschlossenheit. Das ließ ihn immer weitermachen, und so ist er der geworden, den wir heute kennen. Er legt großartige Auftritte hin und ist inzwischen zur Legende geworden.“

Im November 1968 war der Zeitpunkt gekommen, an dem Cocker auf der Karrierelaufbahn alle Stationen durchlaufen hatte, und er wurde endlich mit einem Charts-Erfolg belohnt, „With A Little Help From My Friends“.

Der eigentliche Grund für diesen Erfolg ist dem Esquire Club geschuldet und liegt vielleicht doch in einem Zusammentreffen von Terry Thornton, Ray Stuart, Dave Memmott und Joe Cocker drei Jahre zuvor begründet, als sie nach einem Auftritt zusammensaßen und ein Ouija (Hexenbrett) befragten.

„Es war damals ein ziemlich gängiges Mittel zur Entspannung, und jeder stellte der Reihe nach eine Frage“, sagt Terry hierzu. „Joe trieb zur damaligen Zeit der Wunsch um, seinen Rivalen Dave Berry in Bezug auf einen Charts-Erfolg einzuholen, und er stellte ganz direkt die Frage: ‚Wann bin ich an der Reihe?‘ Erstaunlicherweise gab das Brett Folgendes wieder: ‚With a Little Help From Your Friends.‘“

Der Clubbesitzer ergänzt, dass es irgendwie ein unheimlicher Augenblick gewesen sei: „Wir haben nur herumgealbert, wie wir das oft gemacht haben, aber es hat diese Worte glasklar von sich gegeben. Es erinnerte mich an die alten Zeiten mit dem Geisterthema im Club 60 – doch es sollte erst ein paar Jahre später der Zeitpunkt kommen, an dem wir an die Bedeutung dieses Abends erinnert werden würden.“

Joe ging auf Promotiontour, gab Interviews und Pressekonferenzen, spielte auf Festivals mit Deep Purple, Jethro Tull und Jeff Beck und bekam einen Plattenvertrag, der ihn mit dem Produzenten Denny Cordell zusammenbrachte, der mit Joe das Debüt-Album vorbereitete. Joe war kurz vorm Abheben und fühlte sich in der damals entstandenen Edel-Hippie-Gesellschaft Londons als aufsteigender Stern sehr wohl. Noch im Dezember 1968 wurde er wegen Marihuana-Besitzes festgenommen. Seine Freundin Eileen nahm die Sache schließlich auf sich, um Joes erste Amerika-Reise im April 1969 nicht zu gefährden. Die Amerikaner waren bei Drogenfällen schon immer recht sensibel. Professionell beendete er die Aufnahmen zum ersten Album namens „With A Little Help From My Friends“, das am 23. April 1969 erschien.

Im Februar und März gingen Joe, Chris und die Grease Band noch einmal auf Englandtournee, bevor es dann mit Hilfe von Denny Cordell erstmals nach Amerika ging. Dort präsentierte sich Joe Ende April in der Ed Sullivan Show, wo er und die Grease Band die zweite Single „Feelin’ Alright“ vorstellten. Für damalige amerikanische Verhältnisse wirkte die Performance von Joe aufgrund des etwas unvorteilhaften Äußeren und der Mimik und Gestik vielleicht ein wenig befremdlich, aber es war ein perfekter Start für die Tournee, die darauf folgte, um das Debüt-Album zu promoten.

Dann trat Joe Cocker im Fillmore West in San Francisco auf, dem legendären Club von US-Konzertveranstaltungs-Guru Bill Graham. Das „neue“ Fillmore hatte erst im Juli zuvor aufgemacht. Aufgrund von Problemen in der Nachbarschaft und der bescheidenen Kapazität des Saales zog der zunächst noch Fillmore Auditorium genannte Club in den ehemaligen Carousel Ballroom an der Market Street, Ecke South Van Ness Avenue, und nannte sich fortan, zur Unterscheidung vom mittlerweile gegründeten Fillmore East in New York, Fillmore West. Joe erntete einerseits phänomenale und andererseits zur leicht befremdlichen Performance passende irritierende Kritiken. Die amerikanische Presse war von Joe Cockers Optik ein wenig verunsichert und beschrieb ihn als „hässlichen fetten Jungen mit goldener Seele“. John Mendelsohn von der LOS ANGELES TIMES meinte: „Auf der Bühne ist Joe Cocker ein wahres Wunder, wie er so spastisch herumfuchtelt, seine Arme um seinen Kopf schwingt und Grimassen zieht, als hätte er die allergrößten Schmerzen.“ Und Albert Goldman vom LIFE MAGAZINE ging noch weiter und sogar unter die Gürtellinie: „Man hatte ja schon von seinen seltsamen Bewegungen gehört“, schrieb er, „aber diese Mischung aus Parkinson’scher Krankheit, Muskelschwund und Veits-Tanz, das musste man erst einmal selber gesehen haben, um es zu glauben.“ Der ROLLING STONE bezog sich bei der Kritik über seinen Auftritt im Whisky A Go Go in Los Angeles auf eine kleine Begebenheit während des Konzertes und bescherte ihm damit große Aufmerksamkeit: „Als die Band zu ihrer explosiven Version von ‚With A Little Help From My Friends‘ kam, sprang ein junges Mädchen auf die Bühne und warf sich zwischen Joe Cockers Beine, offensichtlich halb verrückt geworden vor Entzücken über diese heiße Stimme und seine Verrenkungen, und begann, ihn leidenschaftlich zu bearbeiten. Sekunden später entwich Cockers Kehle der Schrei seiner Karriere.“ Das Ganze wurde fotografisch festgehalten, das Foto mitabgedruckt und die Aufnahme später für ein Riesen-Promotion-Poster am Sunset Boulevard, Hollywood, verwendet.

Der Durchbruch mit dem Debüt-Album „With A Little Help From My Friends“, das zwölf Songs versammelte, war geschafft. Fans urteilen noch heute, dass wie bei so vielen anderen Acts, auch bei Joe Cocker Folgendes zutreffe: Das Debüt-Album ist das beste. 90 Prozent der Songs sind zwar gecovert, darunter zwei von Bob Dylan („Just Like A Woman“ und „I Shall Be Released“). Aber sei’s drum. „Don’t Let Me Be Misunderstood“ von den Animals macht Joe viel romantischer als das Original, und seine raue Stimme scheint irgendwie besser zu dem Song zu passen als die von Eric Burdon. Die Band um Joe und Chris ist exzellent, und Jimmy Page bzw. Steve Winwood veredeln die Songs mit ihren Gitarren. Songs wie „Feelin’ Alright“ und „Bye Bye Blackbird“ werden zu wahren Diamanten, die Joe in der Mine zu entdeckender Songs leidenschaftlich abzubauen und aufzupolieren weiß. Bei zwei Songs hat Cocker darüber hinaus selbst mitkomponiert: „Change In Louise“ und „Sandpaper Cadillac“, welche wahrhaft ambitioniert wie auch nachdenklich klingen.

Nach den ersten Club-Konzerten in den USA tourte Joe weiter durch die Staaten und trat bei den mit dem Monterey-Festival 1967 gerade in Mode gekommenen Massenveranstaltungen in Form der Hippie- und Rock-Messen auf. In Northridge, in der Nähe von Kalifornien, fand vom 20. bis 22. Juni das Newport-Rock-Festival statt, wo 33 Bands und Künstler wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jethro Tull, Steppenwolf, The Byrds und auch Joe Cocker mit der Grease Band vor etwa 150.000 Menschen auftraten. Eine Woche später war Joe beim Denver-Pop-Festival, und zwei Wochen später spielte er beim Atlanta-Festival mit Janis Joplin, Delaney and Bonnie, Led Zeppelin und Creedence Clearwater Revival vor 140.000 Zuschauern. „Das waren schon tolle Tage. Ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Wir waren ziemlich neu in der Szene, und so mussten wir uns ständig mit den schlechtesten Terminen zufriedengeben. Im Atlanta Stadion z. B. sollten wir eigentlich um acht Uhr abends auftreten, aber so allmählich wurde unser Auftritt immer weiter für die anderen Star-Bands verschoben, und schließlich spielten wir erst um sechs Uhr am nächsten Abend. Es konnte einem aber auch den Kopf verdrehen, wenn man an die vielen verschiedenen Stimulanzien und Substanzen denkt, die es in Amerika damals so gab.“ Stimulanzien, denen Joe bekanntermaßen ja nie abgeneigt gewesen war.

Joe experimentierte damals zunächst mit einer Droge, das in der Szene als „Heavy Jelly“ bekannt war. „Man nahm ein ganz kleines bisschen davon auf einen Fingernagel und spülte es mit Coca Cola runter. Nach ungefähr einer Dreiviertelstunde war immer noch nichts passiert – und dann war auf einmal die ganze Welt wie Watte um einen herum –, in Technicolor. Das dauerte dann 36 Stunden, und in dieser Zeit schien dein Kopf von deinem Körper total getrennt zu sein, und du konntest dich aus großer Höhe betrachten – außerhalb deiner selbst.“

Die größte „Messe“ dieser Art, zu der Jünger der Hippie-Bewegung und der „Make Love – Not War“-Philosophie pilgerten, war natürlich die „Love, Peace & Music-Fair“ in Woodstock.

An drei Tagen im August 1969 verwandelte sich das Gelände einer Farm im US-Bundesstaat New York in den Austragungsort eines Musikfestivals, das nicht nur als Höhepunkt der Hippie-Bewegung gilt, sondern indirekt zum Katalysator einer ganzen Generation wurde, die sich mit den politischen Entscheidungen der damaligen Zeit, insbesondere dem Krieg in Vietnam, längst nicht mehr identifizieren konnte. „Woodstock –

3 Days of Peace and Music“, ein Jahr später als Dokumentarfilm veröffentlicht, darf also zu Recht als eines der Ereignisse in der Geschichte der USA bezeichnet werden, das einen nachhaltigen Einfluss ausübte und nicht nur in den Köpfen der insgesamt mehr als 500.000 Besucher etwas veränderte. Der daraus entstandene Film gilt als „die Wiederauferstehung eines der größten Momente des 20. Jahrhunderts! Das bekannteste Rockereignis aller Zeiten.“

Die Menschen versammelten sich in der Nähe des kleinen Ortes Woodstock, um den bedeutendsten Musikern ihrer Generation (u. a. Jimi Hendrix, Janis Joplin und The Who) zuzuhören. Und Joe Cocker war dabei, wenn auch nur aufgrund einer glücklichen Fügung. Laut Intention des Veranstalters und späteren Joe-Cocker-Managers Michael Lang ging es in Woodstock darum, alle wichtigen Rock-Bands der damaligen Zeit auf einem einzigen Festival zu präsentieren, „aber dann kam uns der Gedanke, dass es vielleicht doch eine gute Idee wäre, wenn wir auch ein paar neue Talente vorstellen würden. Joe Cocker war einfach so unglaublich, dass wir wussten, den müssen wir dabeihaben.“

Joe und die Grease Band sollten das Sonntags-Programm mit The Band and Sly & The Family Stone eröffnen, und die Gage betrug laut VARIETY Magazine 1.375 Dollar.

Joe und die Band mussten mit einem Hubschrauber der US-Army eingeflogen werden, da es 30 Kilometer vor Woodstock schon kein Durchkommen mehr gab.

Sie spielten dann das gleiche Set, welches sie überall zuvor auf den Konzerten und Festivals in Amerika gespielt hatten. Erst am 6. Oktober 2009, also über 40 Jahre später, erschien bei A&M erstmals ein kompletter Mitschnitt in einer besseren als der bis dato üblicherweise erhältlichen Bootleg-Qualität. Die Show mit „Joe Cocker and The Grease Band“ und Chris Stainton an den Keyboards, Henry McCullough an der Gitarre, Alan Spencer am Bass und Bruce Rowlands am Schlagzeug startete um 2 Uhr p.m. Ortszeit und endete knapp 90 Minuten später um 3.25 Uhr. Die Grease Band eröffnete, bevor Joe Cocker dann bei „Dear Landlord“ einstieg und sie anschließend zusammen „Something Comin’ On“, „Do I Still Figure In Your Life“, „Feelin’ Alright“, „Just Like A Woman“, „Let’s Go Get Stoned“, „I Don’t Need A Doctor“, „I Shall Be Released“, „Hitchcock Railway“ und „Something To Say“ spielten. Am Ende folgte die legendäre siebenminütige Interpretation von „With A Little Help From My Friends“. Der Rest ist Geschichte.

„Wir spielten in Atlanta vor etwa 50.000 Leuten. Immer wieder hörten wir da von einer bevorstehenden richtig großen Sache. Vor der Show waren wir gerade in Connecticut und mussten mit dem Hubschrauber eingeflogen werden. Man kam ja sonst gar nicht mehr hin. Es war gigantisch, über das Gelände zu fliegen. Die Band stieg zuerst in einen Hubschrauber, ich kam ihnen mit einem dieser kleinen Leichthubschrauber nach. Ich hatte gar keine Zeit für Nervosität oder so was. Kaum war der Hubschrauber gelandet, hatte die Band schon einen kleinen Soundcheck, und Michael Lang tauchte auf und meinte: ‚Seid ihr so weit?‘, und ich meinte: ‚Klar‘, ging die Stufen hoch, und wir legten los. Keine Zeit für Lampenfieber … Im Film sieht man, wie jemand zu mir sagt: ‚Joe, dreh dich mal um.‘ Da sah ich diese riesige Regenwolke, und dann ging die Schlammschlacht los … Ich weiß noch, wie wir die Zeit nach dem Auftritt mit ein paar Hippies in einem Wohnwagen verbrachten. Es dauerte einige Stunden, bis wir wegkonnten. Aber irgendwie hatten wir Glück, wir hatten einen guten Tag. Wenn man vor so vielen Menschen singt – also, man kann vor 50.000 Leuten spielen, und es ist immer noch ein Konzert, aber wenn man diese Grenze überschreitet, wie ich es drei oder vier Mal getan habe –, dann ist das etwas anderes. Ich weiß noch, wie ich nach der Hälfte unseres Auftritts dachte, wir würden nie rüberkommen. Dann spielten wir ‚Let’s Go Get Stoned‘ von Ray Charles, was ja wirklich passte, und dann kam Schwung in die Sache. Zum Abschluss spielten wir ‚With A Little Help From My Friends‘, den Song, der in meinem Leben eine große Rolle spielte“, erinnerte sich Joe. „Zwei Jahre vor Woodstock hatte ich in einer Bar vor höchstens 300 Leuten gespielt. In Woodstock war es nicht einfach, eine solche Menschenmenge bei der Stange zu halten. Aber als ich schließlich ‚With A Little Help From My Friends‘ brachte, hatten wir es geschafft. Wir waren gerade fertig, da zog eine riesige schwarze Wolke auf, und es goss stundenlang. Ich erinnere mich auch noch daran, dass ich der Einzige in der Band war, der kein LSD genommen hatte.“

Und er fügte hinzu: „Ich denke, dass wir an diesem Tag einfach gut gespielt haben, während viele andere Acts nicht gerade ihr Bestes gaben. Wir hatten das Glück, dass die Kamera gerade lief und wir gut spielten, sonst nichts! Dadurch wurden wir zum Synonym der Musik für Leute, die jetzt an dieses Festival denken. Sie wissen schon, man denkt an Jimi Hendrix, wie er ‚Star Spangled Banner‘ spielt, und man wird sich immer an ‚With A Little Help From My Friends‘ erinnern. Es war schon eine unglaubliche Zeit, das Ende einer Ära, das Ende von Flower Power. Ich glaube, dieses Festival fand so großen Widerhall, weil es das Ende dieser Zeit markierte. Zumindest war das Ende damals sehr nahe.“

„Woodstock war magisch“, erzählte Cocker auf einer Pressekonferenz einem Journalisten der österreichischen KRONEN ZEITUNG. „Die Menschen hatten sich das ganze Jahr über die Köpfe heiß geredet. Wir spielten damals auf vielen großen Festivals mit 50.000 Zuschauern und mehr. Als wir vor 70.000 Leuten in Atlanta auftraten, ging schon das Gerücht herum, dass es an der Ostküste eine Show geben würde. Die Mundpropaganda war riesig, du konntest praktisch an jeder Ecke jemanden über ‚dieses riesige Festival‘ reden hören. Aber erst, als wir mit dem Helikopter zur Bühne geflogen wurden, dachte ich mir beim Hinuntersehen: oh mein Gott!“

Bei seiner Woodstock-Performance war Joe Cocker in der Form seines Lebens, und deshalb ist „With A Little Help From My Friends“ auf immer und ewig nicht mit den Beatles, sondern mit „Woodstock“ und mit Joe Cocker verbunden.

Zwei Wochen nach Woodstock flog Joe mit der Band nach England zurück und nahm beim Isle-of-Wight-Festival teil. Dort traf er kurz John Lennon und war froh, Bob Dylans ersten Auftritt nach seinem schweren Motorradunfall drei Jahre zuvor erleben zu können.

Cockers zweites Album wurde anschließend im Frühjahr 1969 eingespielt und erschien schon im Oktober 1969, gerade einmal ein halbes Jahr nach seinem Erstling. Es hieß einfach nur „Joe Cocker!“. Musikalisch fiel es in dieselbe Kategorie wie sein Vorgänger. Die Tracklist begann mit „Dear Landlord“ und dem danach folgenden Leonard-Cohen-Cover „Like A Bird On A Wire“. Cocker führte die Tradition fort, Dylan und den Beatles die Ehre zu erweisen, aber anders als bisher machte er diesmal aus Dylans „Dear Landlord“ (einem Walzer) einen Rock’n’Roll-Song. Neben „Darling Be Home Soon“ von den Lovin’ Spoonful nahm Joe mit „That’s Your Business Now“ zudem auch wieder eine erfrischende Cocker/Stainton-Komposition auf.

Im Frühsommer 1969 hatte er die Beatles, die beeindruckt von seiner Bearbeitung von „With A Little Help From My Friends“ waren, in London besucht und um unveröffentlichte Songs nachgefragt. George Harrison hatte ihm gleich ein Demo von „Something“ aufgenommen und mitgegeben; es existiert ein Foto aus dieser Zeit, das die beiden vermutlich bei diesem Treffen zeigt, und es gibt sogar Gerüchte, dass George auf Cockers Aufnahme die Rhythmusgitarre spielt. Joe wollte auch gerne McCartneys „Golden Slumbers“ haben, was dieser jedoch ablehnte. Aber bei „She Came In Through The Bathroom Window“ gab es keine Einwände, und Joe nahm seine eigenen Versionen der beiden vereinbarten Songs auf. Diesmal fanden die Aufnahmen in Los Angeles statt, und er wurde wieder von kompetenten Musikern begleitet: Neben Chris Stainton und seiner Grease Band wirkten u. a. Merry Clayton, Bonnie Bramlett und Rita Coolidge mit, Sneeky Pete Kleinow und Clarence White (von den Byrds) spielten Gitarre. Am markantesten aber war das Auftreten von Leon Russell, der das Album letztendlich sogar koproduzierte und während Joes „Mad Dogs & Englishmen“-Tour ein Jahr später einen großen Einfluss auf dessen Karriere – im Guten wie im Schlechten – ausüben sollte.

Joe Cocker - Die Biografie

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