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V-6414 hat, wie er am 11.1.1962 in München mündlich darstellt, ohne weiteres die Möglichkeit in Bozen bzw. in Südtirol mit einer Anzahl von Persönlichkeiten zu sprechen, die über die Hintergründe der Attentatswelle mehr wissen, als in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. […] V-6414 hat für Reisen nach Südtirol insofern eine gute Legende, als sein Freund, der Inhaber einer Fabrik in Karlsruhe, Rudolf Enseling (bekannt) in der Nähe von Bozen ein Landhaus besitzt, das von den beiden Familien häufig aufgesucht wird. 938 fragt, ob es unter Umständen für zweckmäßig angesehen wird, V-6414 hier einzusetzen. An Kosten würden für die Bahnfahrt Karlsruhe-Bozen und zurück und die Aufenthaltskosten für schätzungsweise 2−3 Tage entstehen.37

„Lückrath“ antwortet vier Tage später:

Vielen Dank für den Hinweis auf die Möglichkeiten des V-6414, an deren operationeller Nutzung hier Interesse besteht. Bezugnehmend auf Ihre Anfrage, wird daher gebeten entsprechende Maßnahmen für eine Reise des V-6414 zu treffen.

Vordringlich interessieren hier neben allen zu gewinnenden personellen Erkenntnissen, die im Zusammenhang mit der Südtirol-Krise getroffen werden können, Klärung:

•der Hintermänner der wegen Sprengstoffvergehens überführten Inhaftierten;

•Verbindungen zur KP Italiens;

•Hinweise auf Oststeuerung (Namen und Fakten);

•Namen von beteiligten deutschen Staatsangehörigen.

Um weiterhin laufende Berichterstattung wird gebeten.38

Dass Rudolf Enseling von Hartmann Lauterbacher als „bekannt“ apostrophiert wird, hat einen einfachen Hintergrund. Auch Enseling ist zu diesem Zeitpunkt ein Spitzenfunktionär der HIAG. Der damals stellvertretende HIAG-Bundessprecher ist bereits beim Gespräch in Wien dabei und eine der wichtigsten Unterquellen für Karl Cerff.

Der Karlsruher Unternehmer Rudolf Enseling (1914–1977), SS-Obersturmbannführer und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichneter Panzerkommandant, hat ein Haus in Jenesien oberhalb von Bozen. In einem vertraulichen Bericht der Bozner Quästur heißt es:

In den vergangenen Tagen wurde diesem Amt die Meldung zugetragen, dass der deutsche Staatsbürger Enseling Rudolf, Präsident einer Vereinigung ehemaliger SS-Leute in Deutschland, seit einigen Jahren in der Gemeinde Jenesien kürzere Urlaubsperioden verbringt. Laut der Mitteilung hat Enseling, der von starken antiitalienischen Ressentiments erfüllt ist, Geldsummen für die in Italien inhaftierten Kriegsverbrecher überbracht, die in Deutschland gesammelt wurden. Zudem soll er Kleidung an die Bauern im Ort verteilt haben. […] Es wurde außerdem festgestellt, dass die genannte Person in dieser Gemeinde Besitzer der Villa Erika ist. Ein Haus, das aus zwei Wohnungen besteht, in dem während der sommerlichen Ferienzeit immer wieder auch Angestellte des genannten Unternehmens mit ihren Familien die Ferien verbringen. Dabei soll auch ein nicht näher bekannter Cerff Karl des „Hilfswerk für Südtirol“ [gemeint ist damit wohl das „Kulturwerk für Südtirol“ – Anm. d. Autors] zu Gast bei diesem Ausländer sein.39

Hartmann Lauterbacher meldet Anfang Februar 1962 an Kurt Weiß („Winterstein“), dass Cerff seine Erkundungsfahrt angetreten hat und vom 7. bis 9. Februar in Bozen sei. Schon Wochen zuvor legt der Karlsruher HIAG-Funktionär gegenüber dem BND seine Südtiroler Gesprächspartner offen, von denen er Informationen erhält.

Cerff trifft sich in Südtirol mehrmals mit Hermann Nicolussi-Leck (1913–1999). Der Kalterer Anwalt, der zwei Legislativen lang (1956–1960 und 1968–1973) für die SVP im Regionalrat sitzt, ist der Bruder des damals bekanntesten Südtiroler SS-Mannes: Karl Nicolussi-Leck (1917–2008). Der ehemalige SS-Hauptsturmführer war nach Kriegsende in der Fluchthilfe für die gesuchten Nationalsozialisten tätig und ging schließlich selbst unter falschem Namen nach Argentinien. Auch als Karl Nicolussi-Leck in den 1950er-Jahren nach Südtirol zurückkehrt, bleibt er wichtiger Teil eines weltweiten Netzes ehemaliger freiwilliger SS-Männer.40

Hermann Nicolussi-Leck hingegen war im Weltkrieg bei den Gebirgsjägern. Was ihn für den BND aber besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass er der Verteidiger des inhaftierten Südtiroler BAS-Gründers Sepp Kerschbaumer ist. Der BND will über den Anwalt zu vertraulichen Informationen kommen. Dabei soll Cerff für den BND auch eine Verbindung Kerschbaumers nach Deutschland zu einem namentlich bekannten Busunternehmer abklären.

Segretissimo, streng geheim!

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