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Innsbrucker Jesuit und Professor

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Herwig Büchele gilt heute als einer der renommiertesten Theologen Österreichs. Der 1935 geborene Vorarlberger studierte Wirtschaft und Philosophie in Innsbruck und danach von 1965 bis 1970 Theologie in Löwen (Leuven). Er tritt schließlich den Jesuiten bei und wird 1969 zum Priester geweiht. Von 1972 bis 1983 ist Büchele Leiter der Katholischen Sozialakademie Österreichs, von 1978 bis 2001 Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Innsbruck und von 1995 bis 1999 dort auch Dekan der Theologischen Fakultät. Seit 2001 ist Büchele emeritiert. Der Politikwissenschaftler Anton Pelinka schreibt in einer Würdigung zu Bücheles 80. Geburtstag:

Bücheles Werdegang ist sehr persönlich, atypisch und spezifisch. Als Student der Volkswirtschaft war er Mitglied der schlagenden Burschenschaft „Brixia“; nach Abschluss seines (Erst-)Studiums war er Mitarbeiter von Ferdinand Ulmer, der in den 1950er- und 1960er-Jahren die Brücke zwischen seinem Engagement als (ehemaliger) Nationalsozialist und dem gewaltbereiten Flügel der Südtirol-Aktivisten bildete. Doch dann änderte Büchele seine Perspektive, sein Leben. Karl Rahner, der damals an der Theologischen Fakultät Innsbruck lehrte, beeindruckte und beeinflusste ihn entscheidend. Büchele studierte Theologie, wurde Priester und Jesuit.16

Herwig Büchele spielte im BAS eine wichtige Rolle. Als Student und Burschenschafter der Innsbrucker Brixia ist er einer der engsten Mitarbeiter und Vertrauensleute von Norbert Burger. Der Wiener Militärhistoriker Hubert Speckner schreibt im sogenannten Historikerbericht der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ):

Die Bedeutung bzw. der Einfluss Norbert Burgers auf die Brixia wird gemäß übereinstimmenden Aussagen von deren „Alten Herren“ aber zumeist überbetont. Burger war lediglich häufiger Gast im Innsbrucker Brixenhaus. Hingegen war vielmehr der Jesuitenpater Herwig Büchele, ein Vorarlberger, der an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck lehrte, eine der anregenden Persönlichkeiten und prägenden Gestalten. Pater Büchele war bis zu seiner Priesterweihe als Brixe aktiv und hielt viele Vorträge zum Südtirol-Problem, wodurch er – neben der Geschichte der Burschenschaft Brixia – wesentlich an der Bewusstseinsbildung der aktiven Brixen zur Südtirol-Frage beitrug.17


Theologe und Hochschulprofessor Herwig Büchele: BND-Quelle in den Burschenschaften und im BAS.

In den österreichischen Burschenschaften werden ab 1958 immer wieder Geld-Sammelaktionen für Südtirol veranstaltet. 1959 gründet Herwig Büchele mit mehreren anderen Mitgliedern der Brixia in Innsbruck den „Bund Aufrechter Südtirolfreunde“ (BAS). Das Ziel des Bundes ist es, das Südtiroler Selbstbestimmungsstreben „mit allen Mitteln“ zu unterstützen. Am Kommers des Grazer DBÖ-Tages, des Dachverbands der österreichischen Burschenschaften, wird die „Sammelaktion für Südtirol“ von Büchele vorgestellt, der damals Volkstumsreferent des DBÖ ist. Jeder Burschenschafter soll an den „Bund Aufrechter Südtirolfreunde“ 10 Schilling zahlen, die dann über Herwig Büchele nach Südtirol gehen sollen.18Dass Bücheles Bund dieselbe Abkürzung hat wie der „Befreiungsausschuss Südtirol“, ist kein Zufall. Man hat das Akronym BAS bewusst gewählt, als Tarnbezeichnung für den richtigen BAS, dem das Geld zugutekommen soll. Am 2. März 1960 schickt die Wiener BND-Residentur „Handelskontor“ eine Meldung über das Verhältnis zwischen dem richtigen BAS und Bücheles BAS nach Pullach. Dort heißt es:

Unterstützt wird diese Tätigkeit von einer Aktivistengruppe in Nordtirol (Österreich), die sich im „Bund Aufrechter Südtirolfreunde“ (BAS!) eine organisatorische Basis geschaffen hat. Präsident dieses Bundes ist der Universitätsassistent Dr. Herwig Büchele, Innsbruck, ein in der national-freiheitlichen Bewegung bekannter Aktivist. Seine Hauptaufgabe sieht der Bund in der Beschaffung der Kampfmittel für den BAS/Südtirol.


Bericht des Wiener Handelskontors: Vertrauliche Informationen über den BAS im Frühjahr 1960.

Durch Spendenaktionen werden die Geldmittel zusammengetragen, mit denen Waffen, Munition und Sprengmaterial beschafft werden.19

Warum der BND so zeitnah über den „Bund Aufrechter Südtirolfreunde“ und den wahren Hintergrund informiert ist, geht aus einer Vorbemerkung zu diesem Bericht der Wiener BND-Niederlassung hervor:

Nachstehende Information über Südtirol wurde aus unbedingt zuverlässiger Quelle über eine SV [Sonderverbindung – Anm. d. Autors] bekannt. […] Es darf um besonders vorsichtige Verwendung gebeten werden, da das Bekanntwerden von Einzelheiten aus dieser Information notwendigerweise zur Enttarnung hiesiger SV vor allem gegenüber der Qu. [Quelle – Anm. d. Autors] führen muss, was für die SV äußerst peinliche Folgen hätte. […] Nachstehende Mitteilungen erfuhr SV aus Gesprächen mit Qu., die zwischen Mitte Januar und Mitte Februar 1960 geführt wurden.20

Wer die Sonderverbindung und die Quelle sind, geht aus einer handschriftlichen Notiz hervor, die jemand in Pullach an die Meldung aus dem „Handelskontor“ heftet:

Quelle: Uni-Dozent Herwig Büchele, Innsbruck, geführt von DN Wieland, Wien.21

Rudolf Wihan alias Agent „Wieland“ ist selbst im DÖB tätig und hat zu diesem Zeitpunkt enge Kontakte zu Büchele. Es ist sogar anzunehmen, dass der BND-Mann zumindest bis zu dessen Ausscheiden aus dem BAS Ende 1961 Büchele führt. Ob der Jesuit dabei nur abgeschöpft – das heißt von „Wieland“ unbewusst ausgehorcht wird – oder bewusst für den deutschen Nachrichtendienst arbeitet, geht aus den vorliegenden Akten nicht hervor. Aber es spricht einiges dafür, dass Büchele weiß, mit wem er redet.

Wenige Wochen nach der Feuernacht 1961 schickt der Leiter des „Handelskontors“ denselben Bericht noch einmal nach Pullach. Im Begleitschreiben steht:

In der Anlage Fotokopie eines Berichts vom 2.3.1960. Quelle des Berichts war V-14791 (DN Wieland). V-14 791 hat weiterhin Möglichkeiten, in den in der Meldung erwähnten Kreisen entsprechende Nachforschungen anzustellen. Falls dort Interesse besteht, wird um Rückäußerung gebeten.

Agent „Wieland“ bewährt sich in den rechtsnationalen Kreisen und wird Anfang 1961 vom deutschen Nachrichtendienst auch auf den „Ring Freiheitlicher Studenten“ (RFS) angesetzt. Dort soll der BND-Agent Zuträger und Informanten anwerben, denn der rechtsgerichtete von Burschenschaftern durchsetzte RFS ist ein ergiebiges Rekrutierungsreservoir für die Spionagearbeit des deutschen Nachrichtendienstes in Richtung Ostblock. Man sucht in Wien junge Studenten, die für den BND als Kuriere und Spione in Ungarn oder der Tschechoslowakei tätig werden.

Am 28. Jänner 1961 wird in der BND-Zentrale in Pullach ein neuer Mitarbeiter registriert. Rudolf Wihan wirbt einen neuen Mann an, der in Pullach ab diesem Zeitpunkt unter der Nummer „V-22 271“ geführt wird. Hinter dieser Verwaltungsnummer verbirgt sich der damals 22-jährige Wiener Student und Burschenschafter Rainer Mauritz (* 1939).22

Die Person Rainer Mauritz und seine politische Überzeugung lassen sich am besten anhand eines kleinen Taschenkalenders beschreiben. Dieses „Merkbuch 1961“ hat eine Seite, in die die „Wichtigsten Familiendaten“ eingetragen werden können. Mauritz notiert darin:


Beschlagnahmtes Merkbuch von Rainer Mauritz: Hitlers Geburts tag eingetragen.

24.2. Mutti Geburtstag
16.3. Omi Geburtstag
18.3. Mutti N. T. [Namenstag – Anm. d. Autors]
20.1. Onkel Otto G. T. [Geburtstag – Anm. d. Autors]
20.4. Hitler G. T.
11.5. Karl G. T.23

„20.4 Hitler G. T.“, also 20. April, Hitlers Geburtstag: Ein Kommentar erübrigt sich. Drei Jahrzehnte später holt Rainer Mauritz seine Vergangenheit ein. Mauritz ist zu diesem Zeitpunkt FPÖ-Bezirksobmann von Klosterneuburg und seit fünf Jahren Präsident des „Österreichischen Fechtverbandes“ (ÖFV). Als solcher muss er in den 1990er-Jahren zurücktreten, als das Wiener Nachrichtenmagazin „profil“ diese Taschenbuchnotiz öffentlich macht. Vor allem nach seinem absurden Rechtfertigungsversuch, denn Mauritz erklärt in einem Interview ernsthaft:

Meine Großmutter hatte ein Papiergeschäft, in dem ein Maler namens Adolf Hitler immer Farben und Papier eingekauft hat. Meine Großmutter war von ihm sehr angetan, denn er hat ihr immer Nelken geschenkt. Ich habe meiner Großmutter deshalb bis zu ihrem Tod zu Hitlers Geburtstag immer Nelken geschenkt.24 Fortsetzung

Segretissimo, streng geheim!

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