Читать книгу Realpräsenz Jesu Christi - Band 1: "Dies (ist mein Leib" ... "Dies ist mein Blut" - Christoph Göttert - Страница 5
Оглавление1. Bemerkungen zum Begriff „Ontologie“
Die Ontologie – ein Wort, das oft gebraucht wird auch in theologischen Monografien, Aufsätzen usw. (auch in dieser Arbeit) – soll hier kurz definiert werden, zumal einer der von mir herangezogenen Autoren, N. Slenczka, bemängelt, dass bei keinem der Neuansätze im 20 Jh. dieser Begriff angemessen beschrieben würde.
Die Ontologie (im 16. Jh. aus altgriechischem Sprachgebrauch gebildet, so z. B. angelehnt an die Definition bei Aristoteles) , bedeutet wörtlich übersetzt die „Lehre vom Seienden als Seiendes“ und ist eine Disziplin der theoretischen Philosophie, die sich mit der Einteilung des Seienden und den Grundstrukturen der Wirklichkeit befasst. Ihr Gegenstandsbereich ist weitgehend deckungsgleich mit dem, was nach traditioneller Terminologie „Allgemeine Metaphysik“ genannt wird.12 Dabei wird z. B. eine Systematik grundlegender Typen von Entitäten (konkrete und abstrakte Gegenstände, Eigenschaften, Systematik, Prozesse) und ihrer strukturellen Beziehungen diskutiert. Fragen, die spezielle Gegenstandsbereiche der Philosophie betreffen, sind zum Beispiel „Was ist der Mensch?“, gibt es einen Gott?“ oder „hat die Welt einen Anfang?“, oder im naturwissenschaftlichen Bereich „Was ist Materie“, „gibt es emergente Eigenschaften?“, Was ist Leben?“ oder „Was ist der Geist?“ Diese Themen fielen nach traditioneller Stoffaufteilung in das Segment „spezielle Metaphysik“. Bei einigen Herangehensweisen steht der Begriff des Seins und sein Verhältnis zu den einzelnen Entitäten im Vordergrund.
Bei den Naturwissenschaften ist das „Werden“ von großer Bedeutung.
Heute werden in der analytischen Ontologie die Ausdrücke „Ontologie“ und „Metaphysik“ zumeist synonym verwendet. In der Informatik bezeichnet Ontologie seit den 1990er Jahren formale Repräsentationssysteme, abgelehnt an den philosophischen Begriff Ontologien bezeichnet.
Die Ontologie stellt im klassischen (unter anderem auf Christian Wolff13 zurückgehenden) philosophischen Systematik einen Teil der Metaphysik dar, nämlich die allgemeine Metaphysik (metaphysica generalis) im Gegensatz zur speziellen Metaphysik (metaphysica specialis), die sich mit Gott (Natürliche Theologie), der Seele (Natürliche Psychologie) und der Welt (Natürliche Kosmologie) beschäftigt.
Die spezielle Metaphysik erhebt den Anspruch, allein auf Vernunftbasis - also nicht-empirisch - bestimmte Bereiche von Entitäten zu untersuchen: Die natürliche Theologie steht dabei z. B. im Gegensatz zu Formen der Theologie, die sich auf die Grundlegung von Offenbarungen, auf „heilige Schriften“ stützen. Die natürliche Kosmologie im Gegensatz zur empirischen Physik. Typische Fragen einer speziellen Metaphysik sind beispielsweise Fragen wie „hat die Welt einen Anfang“ oder „ist die Seele unsterblich“?
Letztere Fragen berühren die Theologie insgesamt, aber auch das Thema dieser Arbeit, denn es geht um einen Wandel von Leib und Blut, der – wie sich im Fortgang dieser Arbeit zeigen wird – empirisch nicht verifiziert werden kann. Dies ist soweit nichts Neues.
Die ontologische Begründung ist also ein metaphysisches necessarium (Notwendigkeit), und so wird sie zu einer geisteswissenschaftlichen Aufgabe. Diesen Weg schlug bereits Aristoteles ein in seiner Kategorienschrift. Heute beschreiben Theoretiker, die einen oft divergierenden erkenntnistheoretischen Ansatz in Geltung bringen, realistisch oder konstruktivistisch beispielsweise, den Begriff „Ontologie“. Vertreter des realistischen Ansatz meinen, dass die Grundstrukturen des Seienden der Realität sich in der Erfahrung prinzipiell verlässlich abbilden und in sprachlicher Form angemessen aussagbar sind.
Antirealistische Theoretiker (auch konstruktivistische) Motive lehren etwa, dass die Grundstrukturen des Seienden nur Projektionen des Denkens über die Welt sind.
Obgleich die beiden erkenntnistheoretischen Grundpositionen sich unversöhnlich gegenüberstehen, kann der beschreibende Inhalt der Ontologie mit beiden Konzepten übereinstimmen. Geht es in der antirealistischen Position nur um die Strukturen, die man als Vorstellung im Wahrnehmungsprozess erzeugt und nicht zugleich auch um jene, die – so der Realist – unabhängig – unabhängig von einem Beobachter in der Welt vorliegen.
Obwohl der Begriff „Ontologie erst spät in die antike, griechische Philosophie eingeführt wurde, wird ihr Gegenstand – das Seiende als Seiendes – bereits ab dem 6. Jh. v. Chr. implizit behandelt (Heraklit, Parmenides, Aristoteles).
Auch in der Philosophie des Thomas von Aquin (1225/26-1274) steht die Ontologie – bereits expressis verbis – der Lehre vom göttlichen Sein gegenüber, die aber nach wie vor zusammen die „reine“ oder „allgemeine Metaphysik“ ausmachen und gemeinsam die Grundlage der übrigen genannten Disziplinen(Kosmologie, Psychologie usw.) darstellen.
Die endgültige Spaltung von Ontologie als übergreifender Metaphysik - (metaphysica generalis) und natürlicher Theologie (metaphysica specialis) - die ihren Beginn Anfang im 17. Jh. n. Chr. zeitigt14, wird schließlich von Christian Wolff (1679-1754) vollzogen. Bei ihm ist die Ontologie als Erste Philosophie“ die Wissenschaft vom Seienden im Allgemeinen. Sie hat die Aufgabe, durch begrifflich begründete Deduktion die Wissenschaft vom Seienden alle jenen Bestimmungen (Prädikate) zu explizieren, die den Seienden als solche zukommen können und die damit von höchster Allgemeinheit sind.15
Immanuel Kant (1724-1804) kritisiert die Ontologie als eine Disziplin, die ihren „stolzen Namen“ unrechtmäßig trägt und sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnis a priori (= von vornherein) in einer systematischen Doktrin zu geben, während der Verstand doch a priori niemals mehr leisten könne, als die Formen einer möglichen Erfahrung überhaupt zu antizipieren.
Deshalb muss für den Königsberger Hausphilosophen der Anspruch der bisherigen Ontologie „der bescheidenen, einer bloßen Analytik des reinen Verstandes, Platz machen.“16
Diese Wissenschaft von den allgemeinsten Begriffen und Grundsätzen aller natürlichen und sittlichen Dinge überhaupt, ohne Objekte anzunehmen, die gegeben wären (…), berührt nicht das Übersinnliche.“ Sie wird Transzendentalphilosophie genannt, weil sie Bedingungen und ersten Elemente aller unserer Erkenntnis a priori enthält.17 In Bezug auf Gott heißt dies: Im Bereich der theoretischen Philosophie ist aufgrund der begrenzten Reichweite des menschlichen Erkenntnisapparats Gott nicht sicher beweisbar, weil: Für Menschen kann es nur im Zusammenspiel von Sinneserfahrung (Empirie) und Rationalität (Denken) zu verlässlichem Urteil über das Sein eines Seienden kommen, also Gegenstände wie die von der Welt. Mit sinnlichen Wahrnehmungen aber ist Gott nicht erkennbar, insofern kann kein sicheres synthetisches Urteil über seine Existenz gefällt werden. „Jedoch weist Immanuel Kant dem Gottesgedanken im Raum der praktischen Philosophie, hier dem der Ethik, einen gänzlich neuen Status zu: Er sichert als Postulat – als unumgängliche Annahme – die Vernünftigkeit moralischen Lebens. Kants Position, „Gott als Postulat der praktischen Vernunft“ zu betrachten, wird beispielsweise von Klaus Müller insgesamt so bewertet, dass sog. Gottesbeweise die Funktion haben, die Vernunftgemäßheit des Gottesglaubens zu belegen – „und mehr wollen die Gottesbeweise auch nicht…“18
12 Zur Herausbildung einer Unterscheidung in der Verwendung von „Metaphysik“ und „Ontologie „ vgl. Elisabeth Maria Rompe, Die Trennung von Ontologie und Metaphysik. Der Ablösungsprozess von Ontologie und Metaphysik. (…) Bonn 1968 (Diss. 1967).
13 Ch. Wolff„ Philosophia prima sive Ontologia. Metthodo scientifica perfecta, qua omnis cognitionis humanaeprincipia continentur, Frankfurt/Leipzig 1730, 1736, § 1.
14 Bei B. Pererius (1535-1610) beginnen Anfang des 17. Jh. „Seins“ und Gotteswissenschaft zu verselbständigen.
15 Ch. Wolff, Philosophia prima sive Ontologia. Methodo scientifica pertrakta… (Frankfurt/Leipzig 1730, 1736), § 1.(s.o. Anm. 1)