Читать книгу Realpräsenz Jesu Christi - Band 1: "Dies (ist mein Leib" ... "Dies ist mein Blut" - Christoph Göttert - Страница 7
Оглавление3. Ein anthropologischer Zugang zu den Sakramenten
3.1 Die Wiederentdeckung der Symbole
Zu einem ersten Verständnis von Sakramentaliität kann die im zwischenmenschlichen Leben vielfach bestätigte Erfahrung führen, dass durch Zeichenhandlungen eine Botschaft vermittelt wird. Eine innere, thematisch zu fassende, inhaltliche Aussage kommt in einer äußeren, in Zeit und Geschichte greifbaren Wirklich zum Ausdruck. „Eindeutig wird das im Zeichen Gemeinte oft erst durch die deutenden Worte und ihren erkennnbaren Bezug zu einer spezifischen Lebenssituation von Menschen.“ In der Theologie, vor allem in der Sakramententheologie, wird der Begriff Symbol zunächst im alten, griechischen Wortsinn verwendet als Erkennnungszeichen, das eine innere Verpflichtung, einen Vertrag, eine bestimmte Weise der Begegnung und Gemeinschaft enthält, darstellt und aktualisiert. Seit dem 4. Jh. n. Chr. ist das Wort Symbol Name für das Erkennnungszeichen der Christen, das gemeinsame Glaubensbekennntnis. Diese Wortwahl hat folgenden Brauch als Hintergrund: „Unter Freunden, Gastfreunden, Geschäftsinhabern oder Kaufleuten war es Sitte, bevor man sich trennte, irgend einen Gegenstand, eine Spielmarke, ein Siegel, ein Täfelchen, ein Knöchelchen, ein Geldstück in zwei Hälften zu teilen, von denen jeder Partner eine an sich nahm, als Zeichen, an dem man sich wiedererkennen sollte oder um einen Boten auszuweisen.“41
Der eigentliche Symbolbegriff der Theologie heißt Sakrament (…) und meint das untrennbar verschränkte Ineinander und Miteinander einer menschlichen, innerweltlichen Wirklichkeit und einer göttlichen Realität.
Gleichwohl; Die gesellschaftliche Verdrängung der sakramentalen Idee in der zweiten Hälfte des 20. Jh., auch daher rührend die stetig sinkende Frequentierung der Sakramente – besonders des Bußsakramentes – und damit die zurückgehende Präsenz christlichen Gedankengutes wie christlichen Verhaltens ist der Ausdruck eines tiefgreifenden Unvermögens des modernen Menschen, die gesamte Lebenswirklichkeit symbolisch zu erfassen. Diese Krise wird mitverursacht durch ein mechanistisches Weltbild, das die Materie allein unter dem Gesichtspunkt der Quantität und der Einzeldinge funktional betrachtet. Daher können die materielle Welt und die Einzeldinge vom Menschen kaum mehr als Medien aufgefasst werden, die ihm helfen, seine Bezogenheit auf den universalen Horizont des Seins und den Grund allen Seins zu realisieren.
Wenn ein materiell verfasstes Symbol nicht als Medium und Ausdrucksgestalt einer transzendentalen Wirklichkeit verstanden werden kann, dann werden Sakramente undenkbar.
Im neuzeitlichen Rationalismus werden zwar symbolträchtige Stützen eines Denkens zugestanden, das sich aber vor allem auf der Ebene der klaren Begriffe und Ideen bewegt. Vielfach, vor allem im Empirismus und Positivismus, haben Symbole nurmehr Bedeutung als Reste einer imaginären Hinterwelt hinter der empirisch gegebenen realen Welt. Real ist das sinnlich Verifizierbare; Geist, Werte, Glauben sind irreal oder irrational. In ihrer empirischen Reduktion bietet die Welt keine Basis mehr für Transzendenzerfahrung.
Kontradiktorisch hierzu ist die Wiederentdeckung der Symbole in einzelnen Erfahrungswissenschaften zu erwähnen. Die Tiefenpsychologie zeigt, wie das Unbewusste der Erlebnisse sich in Anschauungen vergegenständlicht, z.B. in Träumen, Projektionen, Ersatzhandlungen – sich also symbolisch, bildlich repräsentiert. In der Soziologie spricht man von symbolischer Interaktion und Interkommunion. Symbolakte dienen der Identitätsfindung von Individuen und Gesellschaften.
Diese Wiederkehr des Wertes von Symbolen findet in den vergleichenden Religionswissenschaften und der Kulturanthropologie eine Heimat: keine Gesellschaft kommt ohne Rituale und Symbole aus. Das trifft sogar für die modernen Naturwissenschaften zu (M. Eliade). Die Sprachphilosophie entfaltet den Zusammenhang von Denkinhalt und symbolischem Ausdruck als Voraussetzung von Kommunikation. Sprache ist als Welt der Symbole der Kontext, in dem sich eine wechselseitige Vermittlung von Geist und Welt ereignet (E. Cassirer, P. Riceur).
Über diese verschiedenen neuen Zugänge zum Symbol hinaus ist die Sakramententheologie auf philosophisch-ontologische Erhellung des Symbols angewiesen. Denn mit dieser ontologischen Reflexion wird eine umfassende und grundlegende Fundierung des Symbols erreicht.
3.2 Zur Ontologie des Symbols
Symbole stellen kein beliebig konstruiertes System von Signalen dar, abgehoben von der sonstigen Realität. Vielmehr muss die Realität in ihrer allgemeinsten Struktur symbolisch begriffen werden: Das Sein als allgemeine Aktualität des Einzelseienden drückt sich in diesem aus; das Seiende ist Selbstausdruck des Seins, das für sich unabhängig vom Seienden nicht existiert. Als Selbstausdruck des Seins weist das Seiende über sich hinaus. Das Seiende stellt lediglich im „Fragment“, nach Maßgabe seines die allgemeine Seinsaktualität begrenzenden Wesens das Ganze des Seins dar. Dadurch aber vermittelt das Seiende den Sinn von Sein überhaupt, die übergegenständliche Erfahrung der Einheit und Urverbundenheit aller Wirklichkeit. Zugleich weist das Sein des Seienden auf Gott: weil es für sich nicht wirklich ist, aber allem aktuelles Dasein vermittelt, muss es auf einen real existierenden absoluten Seinsgrund zurückgeführt werden.
Die Welt kann daher in ihrer Existenz das Symbol sein, in dem sich „Gottes Macht“ und damit seine Gottheit repräsentiert und an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrnehmen lässt.42
Die Seinssymbolik des Seienden betrifft ebenso das „für sich“; es ist symbolisch, indem es sich darstellt und ausdrückt in bestimmten Eigenschaften, Vollzügen – in einem Anderen: das Geistige etwa im Materiellen, die Seele im Leib, ja als Leib.
Fazit: „Der ursprüngliche Sinn von Symbol und symbolisch, wonach jedes Seiende an sich und für sich und deswegen (und insofern) für einen anderen symbolisch ist, besagt also dies:
„Indem ein Seiendes sich in seine eigene innere und wesenskonstitutive Andersheit, in seine innere und behaltende Pluralität als in einem herkünftigen und insofern so übereinstimmenden Ausdruck vollzieht, macht es sich kund, bemerk- und denkbar. Dieser zur Konstitution des Seienden selbst gehörige, übereinstimmende Ausdruck ist das von dem zu erkennenden Seienden auf das erkennende Seiende selbst (nachträglich nur, weil schon anfänglicher in der Tiefe der beide konstituierenden Seinsgründe) hinkommende Symbol, in dem dieses Seiende erkannt wird und ohne das es überhaupt nicht erkannt werden kann, und so erst das Symbol im ursprünglichen (transzendalen) Sinn des Wortes.“43
3.3 Der menschliche Leib als Ur- bzw. Realsymbol
Mit dem Ausdruck „Realsymbol“ kann die besondere Weise unserer leiblichen Verfasstheit, unseres Existierens in Leiblichkeit, verdeutlicht werden, „die zugleich die Fähigkeit zur Kommunikation mit den Mitmenschen ermöglicht, also Mitmenschlichkeit bedeutet und zeitliche Erstreckung, also Geschichtlichkeit zur Voraussetzung hat.
Wenn der Mensch wie alles andere Seiende von Gott ins Dasein gerufen wird, so schließt das nicht aus, dass der Mensch kraft seiner geistigen Natur eine echte, eigene und zu eigen gegebene Ursächlichkeit besitzt (causa formalis), die ihn zu einem personalen Selbstvollzug ermächtigt und damit zu einem Selbstausdruck, die ihn befähigt (in Geschichte und Gesellschaft mit eschatologischer Dynamik) sich selbst zu verwirklichen. Die geistleibliche Natur des Menschen wird zum konkreten Möglichkeitsgrund, durch den er sich in die Aktualität seines Beisichseins und seines personalen Seins bei anderen vermittelt. Dieses Geschehen ist der Mensch. Er ist nicht zuerst reiner Geist in sich, der sich in einem zweiten Schritt zu sich selbst vermittelt und auf andere Menschen zubewegt. Der Selbstausdruck in der Materie und in der interpersonalen Kommunikation stellt den wesenskonstitutiven Faktor seines personalen Geistes und seiner Freiheit dar. Der Leib ist das Realsymbol der Seele. Der Leib ist nichts Anderes als die Aktualität der Seele selbst in ihrem Ausgedrückt-Sein in der materia prima, d. h. der reinen Möglichkeit, durch die sie sich realisiert und ausprägt. Die Leiblichkeit stellt sich daher nicht trennend zwischen zwei Seelen, die sich begegnen wollen, sondern ermöglicht, trägt und bedingt personale Begegnung.
Auch die personale Unmittelbarkeit des Menschen zu Gott ereignet sich nicht jenseits dieser konkreten Bedingungen menschlicher Existenz, sondern in ihnen. (Eine personale Unmittelbarkeit zu Gott in rein geistiger Sphäre an der geschaffenen Natur vorbei, ist dem Menschen unmöglich.)
Wird das Wort Gottes Mensch, können die Gläubigen in der personalen Begegnung mit dem Menschen Jesus und in der Kommunikation mit der Jüngergemeinschaft zu Gott eine personale Unmittelbarkeit eintreten , die als ihr unabtrennbares Moment diese dialigisch-personale Vermittlungsstruktur hat.
Die vom Menschen herangezogenen weiteren sinnlichen Medien (Brot, Wein) unterstützen die leibliche Kommunikation (Mahlgemeinschaft). Diese Gaben können schließlich ihrerseits, verbunden mit einer entsprechenden mimisch-gestigen Handlung, zum Zeichen für den sich symbolisch realisierenden Gottmenschen Jesus werden. Brot und Wein, die Jesu beim Letzten Abendmahl in seine Hände nimmt, versinnbildlichen, verbunden mit dem Hingabegestus der Mahlgaben (Deuteworte) an die Jünger, seine Selbsthingabe für das Heil der Menschen. In diesen Gaben haben die Jünger darum teil an der Selbsthingabe Jesu, bilden eine Lebensgemeinschaft mit ihm und untereinander.
3.4 Das Symbol im Zeit- und Geschichtshorizont
Der Mensch hat als göttliches Geschöpf in seinem irdischen Sein Zeit- und Raumbezug. Dieser Bezug ist die conditio sine qua non für den materiellleiblichen Selbstausdruck des Menschen. Zeit- und Raumbezug bezeichnen näherhin den symbolischen Selbstvollzug des Menschen im Horizont im von Geschichte und Gesellschaft. Deshalb kann der Mensch durch seine geschichtliche und gesellschaftlich-kommunitär vermittelte Tat Gottes in der Vergangenheit oder Zukunft erreicht werden und zwar durch entsprechende Symbole. Dabei wird zugleich vorausgesetzt, dass diese Tat Gottes ohne einen menschlichen Mittler nicht auskommt. Andernfalls käme diese universale Kommunikation und Vermittlung der einmaligen Tat in symbolischer Form nicht zustande.
Daher kann Jesus Christus der Mittler der Gottesherrschaft, durch Symbole die Menschen an seiner geschichtlichen Heilstat teilhaben lassen: durch die reale memoria dieser Tat in der Vergangenheit und durch dieser Tat in der Vergangenheit und durch den Zeichenvollzug, der eine künftige Verheißung repräsentiert und antizipiert, nämlich die volle eschatologische Realisierung des durch diese Tat gewirkten Heils.
3.5 Die lebensweltliche Konkretisierung in der Pluralität der Symbole
Die eigene Lebensgeschichte bleibt dem Menschen niemals äußerlich. Sie ist der zeitlich strukturierte Selbstausdruck, durch den er sich in die Vollendetheit seiner personalen Aktualität einholt.
In der Lebensgeschichte gibt es signifikante Ereignisse, die zu Schlüsselsymbolen und Wendepunkten menschlicher Existenz werden. Empfängnis und Geburt des Menschen sind über die Positivität des Ereignisses hinaus zugleich Symbole des Anfangs eines endlichen Geistes in der Welt überhaupt. Ihnen ist darum eine natürliche Zeichendimension inne, die auf den absoluten Anfang des Menschen in Gott verweist.
Das Heranwachsen des Menschen repräsentiert als natürliches Symbol bzw. des Sich-Entwickelnden-Zeichens den Ausdruck für die Zeitstruktur, die in Geschichtlichkeit und dem Weg des Menschen zu seiner Vollendung hinweist und auf das zugleich hingewiesen wird eben durch das Heranwachsen des homo sapiens. Aus diesem Grund kann die symbolische Darstellung des Heranwachsens und der Reife zeichenhafter Ausdruck dafür werden, dass der Christ seinen Lebensweg in der Kraft des ihn stärkenden Heiligen Geistes Gottes geht.
Essen und Trinken als Nahrungsaufnahme des Menschen spiegeln das Grundsymbol seiner stetigen Lebenserhaltung. Die notwendige Ernährung als Lebensunterhalt macht die Lebensmittel zum Symbol der Lebenskraft, der konstitutionellen Selbstvermittlung des Menschen mit Materie. Darum enthält jedes Mahl schon die natürliche Symbolik in sich, dass der Mensch in einem absoluten Sinn sein Leben von Gott, dem Urheber des Lebens empfängt, und zwar besonders in der Eucharistie.
Das Ursymbol des Leibes fächert sich also wegen seiner geschichtlichen und gesellschaftlichen Verfasstheit auf in bestimmten Konkretisierungen, die ihrerseits kommunikativ-symbolische Knotenpunkte des Menschen mit Gott und Gottes mit den Menschen werden können. Nur weil der menschliche Existenzvollzug symbolisch ist, kann ihn Gott zum Medium einer personalen Kommunikation bestimmen.
3.6 Kultkritik und christlicher Gottesdienst
Die von den alttestamentlichen Propheten und ebenso von Jesus geäußerte Kritik an einem veräußerlichten Kult und einer legalistischen Gesetzgebung 44 spricht nicht gegen die sakramentale Gestalt seines Heilshandelns. Auch das Wort von der Anbetung Gottes „im Geist der Wahrheit“45 kann nicht im Sinn einer platonisierenden Spiritualisierung des Christentums oder einer Reduktion auf eine moralische Gesinnung abgetan werden. Die Errichtung des ewigen und unvergänglichen Priestertums Christi (dessen Opfer nicht wiederholt und ergänzt werden kann46) bedeutet das Ende der Opfer im alttestamentlichen und im religionsgeschichtlichen Sinn.
Christliche Liturgie und Sakramente sind nicht Ausdruck einer vom Menschen ausgehenden Initiative, um bei Gott etwas zu erreichen und ihn zu versöhnen. Der christliche Gottesdienst setzt schon die von Gott selbst bewirkte Versöhnung der Menschen mit ihm voraus47 und ist die symbolische Feier der gewährten Gemeinschaft mit Gott im Neuen Bund. In ihr ereignet sich die Teilhabe an der Selbsthingabe Jesu an den Vater und der Gemeinschaft mit ihm im Hl. Geist.48 Insofern ist die Eucharistiefeier Antizipation im Hinblick auf das himmlische Hochzeitsmahl mit dem Lamm Gottes, Jesus Christus.
Selbstverständlich erschöpft sich in der Liturgie nicht das ganze Tun der Kirche.49 In den Sakramenten wird der Glaubende befähigt, an der Liebe zu Gott und zu seinem Nächsten teilzunehmen und diese Liebe gegenüber beiden Subjekten im Dienen (Diakonia) zu verwirklichen. Durch die Nächstenliebe bringen sich die Glaubenden „angesichts des Erbarmens Gottes. selbst als lebendiges und heiliges Opfer dar, das Gott gefällt; das ist. der wahre und angemessene Gottesdienst.“50
Nicht äußerliche Brandopfer und andere Opfer dinglicher Art, sondern die Liebe zu Gott aus ganzem Herzen und die zum Nächsten ist die innerste Realität, die Jesu Leben und Opfer bestimmte und die sich in dem symbolisch-liturgischen Handeln in der Gemeinde verwirklicht.51 Besonders der Vollzug des Heiligen Mahls, das die Teilnehmer zu dem einen Leib Christi zusammenfügt52 und mit der Liebe Christi zu Gott und den Menschen verbindet, dokumentiert, dass christlicher Gottesdienst eine unauflösbare Einheit von Gottes- und Nächstenliebe darstellt. Summa summarum: „Das dichteste „Zeichen“, durch das Gott in der Welt sein Gottsein offenbaren will, ist Jesus Christus, der Mensch gewordene göttliche Logos.“53 Diese Charakterisierung impliziert auch den Gedanken der Selbstoffenbarung Gottes bzw. der „Offenbarung als Selbstmittteilung“ des dreieinen Gottes.
41 Vgl. ebd.
42 Röm 1, 20; Apg 17, 24; Weih 13, 1-9; Sir 17,8 f.
43 Vgl. K. Rahner, Zur Theologie des Symbols: Schriften IV, 286; vgl. Ders., Wort und Eucharistie, in: Zur Theologie des Symbols, IV, 313-355.
44 Vgl. Lk , 11, 40
45 Joh 4, 24
46 Hebr 4, 16; 7, 24-28; 8, 6;9, 28; vgl. ebenso 1 Tim 2,5; Eph 5, 2
47 2 Kor 5,20
48 Gal 4,4-6; 1 Kor 10, 16 f.; 11,24 f.
49 SC 9
50 Röm 12, 1
51 Mk 12, 33 f.; 14, 24
52 1 Kor 10, 16 f.; 11.26
53 Schneider, Zeichen der Nähe Gottes, 13.